BundesratStenographisches Protokoll866. Sitzung / Seite 63

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Ich habe in den letzten Wochen und Tagen mit mehreren VertreterInnen verschiedener Kinderrechtsorganisationen, Jugendanwaltschaften sowie Kinder- und Jugendhilfsorga­nisationen gesprochen und nachgefragt, wo die Problemfelder sind, wo es gesetzlicher Anpassungen bedarf und welche Expertinnen und Experten vor Ort gebraucht werden, um den Kindern und Familien bestmöglich helfen zu können. Es sind dabei viele Pro­bleme angesprochen worden, aber ein Problem zog sich wie ein roter Faden durch alle diese Gespräche, nämlich das Problem Gewalt und Mobbing und die gemeinsame Über­zeugung, dass es da eine entsprechende Prävention braucht.

Gewalt in den Familien – eine Kollegin hat es bereits angesprochen – beginnt meistens mit Überforderung und Überlastung der Familien, und das kann dramatische Auswir­kungen haben. Gewalt in der Familie und sogar Kindesmisshandlungen sind leider auch bei uns in Österreich traurige Realität. Da stellt sich die Frage: Wie können wir es schaf­fen, ehestmöglich mit den Familien gemeinsam zusammenzuarbeiten, um es gar nicht so weit kommen zu lassen?

Ein großes Problem ist da sicherlich die Stigmatisierung, wenn es zu einer Intervention durch die Kinder- und Jugendhilfe kommt; das ist sicherlich ein Problem. Es braucht da­her eine niederschwellige Begleitung der Eltern schon vor der Geburt des Kindes. Das könnte man zum Beispiel bereits im Zusammenhang mit dem Mutter-Kind-Pass anbie­ten. So ein Angebot gibt es ja bereits, die Frühen Hilfen, aber auch da zeigen sich wie­der die Auswirkungen des Föderalismus: In manchen Bundesländern funktioniert es wirk­lich sehr gut, zum Beispiel in Vorarlberg, Herr Kollege Edgar Mayer (Bundesrat Mayer: Stimmt!), das in diesem Bereich ein Vorzeigebundesland ist – da gibt es ein derartiges Programm schon seit über zehn Jahren, aufgrund des tragischen Todes eines Kleinkin­des wurde das seinerzeit eingeführt –, aber trotz aller politischen Bekenntnisse und Be­mühungen sind wir leider noch meilenweit vom Ziel entfernt, das wir anpeilen. Es braucht eine verpflichtende Kooperation und eine Vernetzung mit den Gesundheitspartnerinnen und -partnern, mit dem Familien- und dem Sozialressort und natürlich auch eine ausrei­chende finanzielle Unterstützung, damit ein solches Projekt überhaupt funktioniert.

Gewalt gibt es aber nicht nur in den Familien, sondern auch in der Schule. Erst vor Kur­zem wurde von der Jugendanwaltschaft Oberösterreich eine Studie veröffentlicht, die be­sagt, dass 28 Prozent der oberösterreichischen Schülerinnen und Schüler in der Schu­le Angst vor Mitschülerinnen und Mitschülern haben. Also fast jeder dritte Schüler in Oberösterreich hat Angst vor Mitschülern – für mich eigentlich unglaublich! –, und das kann Angst vor körperlicher Gewalt oder Angst vor psychischer Gewalt sein, etwa durch gezieltes Mobbing, das immer mehr zunimmt.

Man sieht also, wie wichtig da Prävention ist. Wir haben in Oberösterreich das Glück, auf ein breites Netzwerk von SchulsozialarbeiterInnen zurückgreifen zu können – zumin­dest in den Pflichtschulen –, aber auch in diesem Bereich kommt wieder der Föderalis­mus zum Tragen: Jedes Land kocht sein eigenes Süppchen!

Eine weitere Gruppe junger Menschen, die meiner Meinung nach ebenfalls geschützt ge­hört – Kollegin Daniela Gruber-Pruner hat es schon angesprochen –, sind die sogenann­ten Care Leavers. Im Schnitt ziehen junge Erwachsene in Österreich mit circa 24 Jah­ren von zu Hause aus – meistens noch mit finanzieller Unterstützung der Erziehungs­berechtigten –, was aber nicht so ist, wenn man außerhalb der Familie aufgezogen wor­den ist, zum Beispiel in einer Wohngemeinschaft oder in einer Pflegefamilie; da muss man schon mit 18 Jahren auf den eigenen Füßen stehen, und genau da sprechen wir von Care Leavers.

Diese Jugendlichen haben es wirklich schwer, auf eigenen Füßen zu stehen, weil sie nicht den Familienverband, das familiäre Umfeld, das soziale Umfeld haben, das wahr­scheinlich jeder von uns hier herinnen gehabt hat. Diese Jugendlichen, die aus einer Fremdunterbringung ausziehen müssen, tragen ein erhöhtes Risiko, an den Hürden des


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