BundesratStenographisches Protokoll867. Sitzung / Seite 23

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Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Frau Bundesrätin! Die Ant­wort auf Ihre Frage muss sowieso länger ausfallen. Gestatten Sie mir daher, Frau Prä­sidentin, einen Nachtrag zur Frage von vorhin.

Ich habe jetzt die genauen statistischen Zahlen bekommen: Wir haben im Jahr 2016 nach Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit 27 Ersuchen um Überstellung von Häftlingen an Drittstaaten gerichtet. 27, also nicht an EU-Staaten, sondern an Drittstaaten. Davon waren sechs erfolgreich. Sie sehen, da ist Luft nach oben, das ist unbefriedigend, aber immerhin: 27 Mal haben wir es probiert, und in sechs Fällen waren wir erfolgreich.

Und bei den EU-Staaten ergibt sich für 2016 folgende Zahl – in etwa habe ich es eh richtig im Kopf gehabt –: Rumänien: 91 erfolgreiche Überstellungen, Slowakei: 31 – gut, da haben wir nicht so viele –, Ungarn: 41. Das sind die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2016.

Ich erwarte für heuer geringere Zahlen im Fall von Rumänien aus den faktischen Grün­den, die ich genannt habe, aber wir sind da weiter wirklich dahinter und bemühen uns mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich. Davon können Sie ausgehen.

Was jetzt die Frage nach dem sogenannten Bundestrojaner betrifft, muss ich ganz ehr­lich sagen: Ich bin froh über die Gelegenheit, hier noch einmal sagen zu können: Den Bundestrojaner gibt es nicht! Das ist eine Schimäre, das ist ein Gespenst, das immer wieder an die Wand gemalt wird von manchen Medien, von Leuten, die halt immer nach der Methode vorgehen: Man malt ein riesiges Gespenst an die Wand, dann bekämpft man dieses Gespenst, und dann lässt man sich als der große Ghostbuster und Geis­terjäger medial feiern. Aber es ist ein Gespenst, mehr ist es nicht! Das ist nichts Realis­tisches!

Worum geht es denn wirklich? – Und da muss ich wirklich sagen: Bleiben wir auf dem Teppich! Ich möchte das mit einem ganz einfachen historischen Beispiel erklären, das alle von uns im Kopf haben. Es ist völlig unbestritten, dass die Telekommunikation auch über Handys überwacht werden kann, mit allen rechtsstaatlichen Kautelen, mit allen Si­cherheitseinrichtungen, mit richterlicher Kontrolle, mit nachfolgender Kontrolle durch Rechtsschutzbeauftragte, was auch immer. Es geht um die Möglichkeit der Überwa­chung bei einem normalen Anschluss, bei einem Festnetzanschluss, aber auch bei ei­nem normalen, angemeldeten Handy.

Vor etwa 15 Jahren – ich kann mich noch gut daran erinnern – hat der damalige Poli­zeichef Alarm geschlagen und hat gemeint, die Wertkartenhandys, die damals neu auf den Markt gekommen sind, stellen eine Überwachungslücke dar, wir können sie nicht überwachen. Wir können normale Handys, das heißt angemeldete, überwachen, aber nicht die Wertkartenhandys. So war es damals.

Daraufhin war völlig klar, diese Lücke der Überwachung muss man schließen, es kann nicht sein, dass jetzt potenzielle Straftäter oder schon wirklich als solche zu bezeich­nende Straftäter ganz bewusst auf Wertkartenhandys umsteigen, weil sie genau wis­sen, diese Gespräche kann man nicht überwachen. Das geht nicht, das ist eine Lücke, die man schließen muss. Sie wurde auch geschlossen, mit relativ großem technischem Aufwand. Wertkartenhandys können seit einigen Jahren problemlos überwacht wer­den. Die Polizei hatte damals recht mit ihrem Hinweis: Bitte, tut etwas! Gesetzgeber, du musst da etwas tun!

Es ist halt immer so, der technische Fortschritt ist immer schneller, als die Legistik es je sein kann. Jetzt haben wir genau dasselbe strukturelle Problem, nichts anderes: Wir stel­len fest, dass die internetbasierte Telekommunikation, WhatsApp, Skype, für unsere Be­hörden nicht überwachbar ist. Daher kann es sich ein Straftäter, wenn er so ein Gerät hat, aussuchen: Nützt er den normalen Telekommunikationsweg, dann ist es überwach­bar, nützt er WhatsApp oder Skype, dann weiß er ganz genau, die Behörden können die­se Telefonate nicht überwachen. Das ist daher wieder eine Überwachungslücke.

 


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