BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 19

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glaubt, dass sich nach den Entwicklungen in Nordafrika, wo jeder eigentlich eine De­mokratisierung oder einen Wandel erwartet hätte, die Situation so entwickelt. Niemand hätte erwartet, was sich in Syrien tut.

Und wir sehen jetzt, was in ehemaligen Krisenherden passiert, wenn wir etwa nach Af­ghanistan blicken: Wie lange ist es her, dass Afghanistan zum Krisenherd wurde, und wie schwer ist es, diese Region zu befrieden? Wie lange sind unsere Truppen schon am Balkan, und wie schwierig ist es, diese Region auf den richtigen Weg zu bringen?

Wenn wir auf den Balkan fahren und sehen, welche Trends, welche Islamisierungs­trends es dort gibt, wenn wir feststellen, dass wir dort an und für sich schon über 20 Jahre mit Truppen vor Ort den Frieden sichern wollen und es nicht schaffen, einen zweiten Schritt zu machen, europäisch, im globalen Kontext einen zweiten Schritt zu machen, da­mit es eine Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsplätze und auch Hoffnung für die Menschen vor Ort gibt, dann müssen wir in diesem gesamten globalen Komplex die Sicherheits­lage schon anders beurteilen.

Und diese Beurteilung trifft ja nicht nur das Verteidigungsressort, sondern auch andere Ressorts. Ich bin ganz einfach davon überzeugt, dass wir nicht nur inhaltlich – was Sie angesprochen haben, dazu komme ich noch –, sondern auch strukturell hinterfragen müs­sen. Und diese strukturelle Hinterfragung haben wir gemacht, allein schon deswegen, weil auch klar gesagt werden muss, dass in den letzten zehn, 15 Jahren das Bundes­heer zwar einige, etliche Reformen hinnehmen musste, aber Reformen, die immer da­von gezeichnet waren, dass es einen Spardruck gibt. Als ich das Ressort übernommen habe, hat sich die Frage gestellt, ob wir diesen Weg weitergehen, ob wir in den Batail­lonen die Kompanien wie auch die Standorte reduzieren und in Kauf nehmen, dass wir die Leistung, die die Bevölkerung von uns erwartet, nicht mehr erbringen können.

Die Leistung, die wir derzeit erbringen, umfasst einen hohen Anteil an Auslandseinsät­zen: 1 100 Soldanten sind permanent im Auslandseinsatz. Die Leistung, die wir derzeit er­bringen, umfasst, dass wir ungefähr 900 Soldaten im Inlandseinsatz haben. Und wenn wir diese Systematik, die wir nun eingeschlagen haben, getragen von unserem System der Miliz und auch vom System des Grundwehrdienstes, nicht hätten, dann könnten wir die­se Leistungen nicht erbringen. Die Bevölkerung – und das muss man auch ganz klar sa­gen – erwartet sich diese Leistung von uns. Es werden dafür Steuermittel verwendet, es gibt eine gesetzliche, eine verfassungsgesetzliche Aufgabe. Es gibt eine Systematik – wie Sie auch angesprochen haben – in Wechselwirkung mit der inneren Sicherheit, den As­sistenzeinsatz implizierend, und diese Aufgabe nehmen wir wahr.

Wir diskutieren natürlich darüber, welche Aufgaben das Bundesheer originär im Inland absolvieren könnte. Diese Diskussion wollen wir auch vor dem Hintergrund führen, dass wir gegenwärtig schon Aufgaben erfüllen, die wir permanent und ständig wahrnehmen, beispielsweise die Vorbereitung auf den Schutz der kritischen Infrastruktur. Dieser Schutz der kritischen Infrastruktur wird von der Miliz getragen und von der Miliz orga­nisiert, und kein einziger Polizist, auch wenn die originäre Zuständigkeit derzeit beim In­nenministerium liegt, ist für den Schutz – für den Schutz! – kritischer Infrastruktur ver­antwortlich, sondern ausschließlich die Miliz.

Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist es schon berechtigt, dass man darüber disku­tiert: Wer soll zuständig sein? Da braucht man, glaube ich, nicht immer das Jahr 1934 zu strapazieren, denn wenn man sich das Jahr 1934 genau anschaut, dann muss man sagen, die Situation war damals durchwegs so, dass die gleiche verfassungsrechtliche Situation, die gleiche rechtliche Situation bestanden hat wie heute und dass ganz ein­fach das Militär, aber auch die Exekutive von einem Regime missbraucht worden ist und auch in den Assistenzeinsatz gerufen wurde.

Ich sage nicht, wenn wir heute darüber diskutieren, dass das österreichische Bundes­heer eine originäre Aufgabe bekommt, dass wir uns dahinterliegend nicht darüber Ge-


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