BundesratStenographisches Protokoll868. Sitzung / Seite 136

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Drei Jahre waren eine Wahlperiode, nicht drei oder vier Perioden wie bei Präsident Leitl. Der wurde übrigens sogar von Präsidenten Putin als Diktator bezeichnet. (Heiterkeit der Bundesräte Mühlwerth und Mayer.) – Ja, ja, das ist legendär. Das Wahlrecht hat eine direkte Wahl vorgesehen, und das Wichtigste: One man – oder one woman, wie man heu­te sagen würde –, one vote. Das ist das Entscheidendste.

Was passiert denn bei einer Wahl? – Bei einer Wahl fängt zwei bis drei Monate vorher das große Gewerbescheinsammeln an, weil jeder weiß, es gibt Unternehmer, die am Wahltag sieben bis zehn Stimmen abgeben. Sieben bis zehn Stimmen! Das ist ja total skurril. Wenn man sich dann noch die Wahlbeteiligung anschaut, die mit 30 Prozent eh sehr, sehr hoch gegriffen ist (Bundesrätin Zwazl: Na entschuldige!), und wenn man die einmal abzieht, ist man wahrscheinlich bei 20 Prozent und nicht einmal das; dann stellt man schon die Existenzberechtigung infrage. Ich rede jetzt nicht von der Länderkam­mer, ich rede immer von der Bundeswirtschaftskammer in der Wiedner Hauptstraße. Das ist Kritikpunkt Nummer eins.

Man sollte sich überlegen, ob man ... (Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Nein, Mo­ment, lass mich einmal ausreden! Du hast lange genug geredet, du hast sogar überzo­gen; ich rede 10 Minuten, ich werde es auf den Punkt bringen. (Oh-Rufe bei ÖVP und SPÖ.)

Man sollte überlegen, ob man diese Präsidentschaft überhaupt braucht, ob man das nicht wie bei der Landeshauptleutekonferenz handhaben kann, mit einem rotierenden Län­dersystem, in dem alle neun Länder einmal den Präsidenten stellen. So war es hundert Jahre lang und so hat es auch funktioniert. Und die Länder, wie du richtig gesagt hast, sind wesentlich näher bei der Basis als die Bundeswirtschaftskammer.

Wir Unternehmer wollen Interessen vertreten haben. Und ich frage mich – weil die So­zialpartnerschaft hier so hochgelobt worden ist –: Wer ist denn verantwortlich dafür, dass wir heute bei einer Abgabenquote und Steuerquote von an die 50 Prozent ste­hen? – Das ist immer mit Zustimmung der Wirtschaftskammer erfolgt, permanent! Und das Fatale ist: Präsident Leitl hatte ein Renommee als Unternehmer, und er hat sein Re­nommee als guter Industrieller dafür eingesetzt, die Unternehmerschaft zu verkaufen, er hat sie geopfert auf dem Altar der Kompromisshandlungen der großen Koalition, die jetzt endlich, Gott sei Dank, den Bach runtergeht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Preineder.)

Wir Unternehmer wollen eine wahre Interessenvertretung haben, und das sind die Län­der, vollkommen richtig, und noch andere Organisationen. Da gibt es viele. Es gibt den Handelsverband, es gibt den Verband der Wirtschaftstreuhänder, es gibt natürlich die Industriellenvereinigung, die mittlerweile sogar KMU vertritt, weil auch 80 Prozent aller 8 000 österreichischen Industriebetriebe KMU sind, die sich nicht, wie du gesagt hast, von der Industrie, von der Kammer vertreten fühlen.

Wir, die Industrie, zahlen zwar ein Viertel aller Beiträge, haben aber dort überhaupt kei­ne Mitsprache- oder Stimmrechte. Wir, die Industrie, hätten diesem Kammergesetz nie­mals so zugestimmt, wie zugestimmt wurde. Wir haben uns hier praktisch großzügig ge­zeigt und ein Votum dafür abgegeben. Das gehört anders organisiert.

Eine Stimme für drei Kammern, wie es derzeit der Fall ist – Fachgruppe, Landeskam­mer, Bundeskammer –, das geht nicht. Da geht klarerweise der Kontakt verloren, denn die Stimme gibt man in seiner Fachgruppe ab, die wählt die Landeskammer, und die wählt als Dritter die Bundeskammer. Ein Bundeskämmerer kennt gar keinen Wahlkampf. Der kennt den gar nicht, weil er mit der Basis nur geringen Kontakt hat. Das ist aber keine Kritik von meiner Person an der Wirtschaftskammer per se, denn die ist wichtig, keine Frage, aber nicht in dieser Organisation und schon gar nicht in der Organisation der Bun­deswirtschaftskammer.

 


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