BundesratStenographisches Protokoll870. Sitzung, 870. Sitzung des Bundserates am 5. Juli 2017 / Seite 30

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

leicht nicht politisch korrekt ist: Als ich 2010 in das Wirtschaftsparlament in Wien beru­fen wurde, habe ich nach zwanzigjähriger unternehmerischer Tätigkeit nicht einmal ge­wusst, wo diese Kammer ist. Ich habe mir das erst auf der Karte anschauen müssen. (Bundesrätin Zwazl: Das spricht nicht für dich als Unternehmer!) Die Bedeutung der Kammer kann man also schon relativieren, und es ist nicht so, wie du gesagt hast – das muss ich auch einmal eindeutig in Abrede stellen –, dass Unternehmen ohne WKO zumeist nicht auf eigenen Beinen stehen können. Das ist sicherlich nicht der Fall! (Bun­desrätin Zwazl: Wir unterstützen, habe ich gesagt!)

Beim Unternehmensdasein – darauf kommen wir in den nachfolgenden Punkten dieser Tagesordnung zu sprechen – geht es um komplett andere Dinge, um komplett andere Themen. (Bundesrätin Zwazl: Ich bin Unternehmerin, da brauchst du mir nicht erklä­ren, was Unternehmertum ist!) Die Kammer ist nicht einmal ein Baustein, oftmals ist sie ein Hinkelstein für unternehmerische Freiheit, das muss ich ganz offen sagen.

Ich darf einmal sagen, dass diese Gewerbeordnung Stückwerk ist und in das Jahr 1859 zurückreicht. Das ist das Interessante dabei: Nach 150 Jahren zeigen sich hier noch immer Parallelitäten im Zuge einer Gewerbeordnung, die seit damals in zig Novellen re­formiert worden ist, aber noch nie einer Gesamtreform unterlegen ist, und darum geht es ja. Allein seit 2007, in den vergangenen zehn Jahren, gab es 36 Novellen zu dieser Gewerbeordnung, wie bereits mein Kollege Krusche gesagt hat, die auf über 200 Sei­ten aufgebläht ist.

Die Gewerbeordnung von 1859 war ein Meilenstein, das war ein Meilenstein in der Li­beralisierung, in der Industrie 1.0, im wirtschaftlichen Leben und in der Freiheit des un­ternehmerischen Lebens. Deswegen ist ja die Gründerzeit entstanden, weil man sich von den Zünften endlich verabschiedet hat, weil man die konzessionierten Betriebe ge­rade einmal auf 14 reglementiert hat und für alles andere Freiheit gelassen hat. Das braucht der Unternehmer, der Unternehmer braucht die Freiheit und sonst nichts. Lass ihn schaffen, lass ihn tätig sein, er wird kreativ sein, er wird innovativ sein, er wird auch Steuern zahlen! Er will aber in Ruhe gelassen werden, er will arbeiten, er will seine Leis­tung erbringen, und die Kammer ist hier sicher nicht ein Leitbild für einen Unternehmer.

Ich möchte noch einen Vergleich ansetzen – ich habe es schon durchgestrichen, aber ich muss es bringen –: Die Industriellenvereinigung hat 104 Mitarbeiter, die WKO Ös­terreich 5 000 Mitarbeiter. Das nur zum Thema Effizienz! (Bundesrätin Zwazl: Wir ha­ben ja auch viel mehr Mitglieder!)

Jetzt bleiben wir noch einmal kurz bei dieser Gewerbeordnung von 1859, denn ich wollte sie mir ja genauer anschauen, weil ich es nicht geglaubt hatte: Die hatte damals nur 28 Seiten, aber es zeigen sich in den Begrifflichkeiten noch immer viele Paralleli­täten zu 2017. Es gibt noch immer die Hauptstücke, es gibt noch immer Behörden und Verfahren. 1859 heißt es Strafen, jetzt heißt es Strafbestimmung. 1859 heißt es Markt­verkehr, jetzt heißt es Märkte. Betriebsanlagen waren 1859 drinnen und sind 2017 noch immer drinnen. Es gab seit der Nachkriegszeit allein über 100 Änderungen dieser Gewerbeordnung. Man hat es in 50 Jahren nicht geschafft, sich an einen Tisch zu set­zen und diese Gewerbeordnung endlich einmal einer Reform zu unterziehen und vor allem diese Betriebsanlagen herauszunehmen, die damals einen Sinn gehabt haben, heute im Industriezeitalter 4.0 aber sicherlich nicht. Und was die WKO betrifft, so hat es einen Reformansatz gegeben, WKO 4.0, aber diese WKO ist ja noch bei WKO 0.0. Ihr seid ja noch so weit weg von der Realität eines wirtschaftlichen Lebens, eines unter­nehmerischen Lebens, dass die Gewerbeordnung hier leider kein gutes Beispiel für die WKO ist. (Bundesrätin Zwazl: Warum bist du dann im Wirtschaftsparlament, wenn du nichts bewegen kannst?)

Unser Ziel ist sicherlich die Freiwilligkeit, damit das, was du sagst, eben nicht vor­kommt, dass man entscheiden kann, ob man im Handelsverband sein will, ob man in


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite