BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 100

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13.29.00

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Her­ren vor den Fernsehgeräten! Ich habe mich auch zum Bericht des Verwaltungsge­richtshofes zu Wort gemeldet, mache das aber jetzt in einem Redebeitrag – ich bitte, mich beim nächsten Punkt aus der Rednerliste zu streichen –, denn einige Punkte, die ich anspreche, betreffen beide Gerichtshöfe.

Wir besprechen heute die Tätigkeit des VfGH und des VwGH im Jahr 2016. Die Ge­richtshöfe des öffentlichen Rechts und ihre Tätigkeit sind ebenso wie die ordentliche Ge­richtsbarkeit Säule und Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit unserer Demokratie. Sie ge­winnen umso mehr Bedeutung in Zeiten, in denen der politische Konsens immer klei­ner und die Verfassung als flexibles, wandelbares Gut wahrgenommen wird.

In Zeiten, in denen Rufe nach der Abkehr von der Europäischen Menschenrechtskon­vention, und damit von einem Grundrechtskatalog in Verfassungsrang, zu hören sind, sind wir als demokratische Gesellschaft umso mehr aufgerufen, verfassungsrechtliche Grundlagen zu schützen.

Der Verfassungsgerichtshof als oberster Hüter ebendieser Grundlagen steht vor einem interessanten Jahr. Immerhin treten drei seiner 14 Mitglieder den Ruhestand an und wer­den nachnominiert. Auch wir als Bundesrat stehen vor der Aufgabe, eine Richterin oder einen Richter vorzuschlagen. Das ist eine Aufgabe, der wir uns mit Freude und Be­dacht annehmen werden.

Dem Verwaltungsgerichtshof möchte ich an dieser Stelle, zwar mit einiger Verspätung, aber doch ganz herzlich, zu seinem 140. Geburtstag gratulieren, den er im Berichtsjahr mit einem internationalen Symposium begangen hat. Wie bereits im Jahr zuvor hatte der Verwaltungsgerichtshof auch 2016 und im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Stei­gerung der Geschäftsfälle zu bewältigen, die seit der Umsetzung der Reform der Ver­waltungsgerichtsbarkeit im Allgemeinen und im Lichte der globalpolitischen Entwicklun­gen der letzten Jahre insbesondere in Asylsachen zu beobachten ist.

Es ist daher äußerst erfreulich, dass der Verwaltungsgerichtshof mit dem Einsatz be­sonderer Teams an wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Weg ge­funden hat, um die zuständigen Richterinnen und Richter entsprechend zu unterstützen und den Anhängigkeitsstand im Vergleich zum Vorjahr ebenso zu senken wie die durch­schnittliche Verfahrensdauer.

Zum Tätigkeitsbericht des VfGH ist eines insbesondere festzuhalten, und zwar, dass sich die mit 1.1.2015 in Kraft getretene Gesetzesbeschwerde auch im zweiten Jahr ih­res Bestehens bewährt hat und dass es gelingt, Detailfragen im Wege der Judikatur zu klären. Ein starkes Zeichen für diese erfreuliche Entwicklung ist insbesondere die Tat­sache, dass mehr als 40 Prozent aller Normenprüfungsverfahren auf Gesetzesbeschwer­den fußen.

Die rege Tätigkeit des Verfassungsgerichtshofes lässt sich nicht nur an den 3 989 be­handelten Verfahren feststellen, sondern auch an den zahlreichen Veranstaltungen und internationalen Kontakten. Das zeugt nicht nur von einer äußerst selbstbewussten Ju­risprudenz in Verfassungssachen, sondern auch davon, dass der Verfassungsgerichts­hof seine Tätigkeit aktiv im Kontext der Europäischen Union und der internationalen Ge­meinschaft ansiedelt und einbettet, und dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

Hervorheben möchte ich zudem den Tag der offenen Tür des VfGH. Das mag einem nicht von großer Relevanz erscheinen, beweist aber die niederschwellige Zugänglich­keit eines Höchstgerichtes, das im Herzen der Demokratie arbeitet.

Eine kritische Anmerkung sei mir zu beiden Berichten gleichermaßen gestattet: Den Maß­nahmen zur Frauenförderung räumen sie nur einige wenige Zeilen ein. Beide Gerichts-


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