BundesratStenographisches Protokoll872. Sitzung / Seite 104

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Vizepräsidentin Ingrid Winkler: Nunmehr ist Frau Bundesrätin Dr. Reiter zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


13.47.31

Bundesrätin Dr. Heidelinde Reiter (Grüne, Salzburg): Frau Präsidentin! Werte Kolle­gen und Kolleginnen! Ich möchte mich vor allem für den Bericht bedanken. Leider war niemand im Ausschuss, um ihn zu diskutieren – das ist ein anderes Kapitel. Ich möchte hier aber schon auch unterstreichen, dass der Verfassungsgerichtshof, wie das ja auch meine Vorgänger schon erwähnt haben, wirklich eine wesentliche, wichtige Säule un­serer Demokratie darstellt, von deren Gefährdung ja immer mehr die Rede ist, nicht nur bei uns, sondern eben auch in anderen Staaten. Ich glaube, in diesem Rahmen darauf hinzuweisen ist nicht umsonst, insbesondere weil uns ja auch Menschen draußen zu­hören und zusehen. – Damit auch ein Gruß an die Menschen vor den Fernsehschirmen!

Die Positiva, wie dass die durchschnittliche Verfahrensdauer deutlich reduziert werden konnte, wurden schon erwähnt – das möchte ich also hier nicht wiederholen –, und das alles trotz des bisher aufwendigsten Verfahrens in der Geschichte des Verfassungsge­richtshofes, nämlich der Aufhebung der Bundespräsidentenwahl. Das war wirklich ein sehr aufwendiges und, wie ich glaube, auch sehr wichtiges Verfahren, denn das in die­sem Zusammenhang gefällte Urteil ist richtungsweisend für die Zukunft. Das wurde auch gestern beim Symposium zur digitalen Zukunft diskutiert, nämlich im Zusammenhang mit dem E-Voting, das im Lichte dieses Urteils in Österreich sicher noch lange nicht, wenn überhaupt jemals, möglich sein wird.

Es ist zu hoffen, dass das Vertrauen in unser Wahlsystem dadurch gestärkt wird, wei­ter gestärkt wird. Das unterstreicht aber auch, denke ich, die Bedeutung der Stimmab­gabe bei Wahlen und die Bedeutung der Wahlen, die in diesem System eben gegeben ist. Ich glaube, auch darauf sollte man in Zeiten wie diesen hinweisen.

2015 wurde die Gesetzesbeschwerde als Rechtsschutzinstrument für Verfahrenspar­teien in Gerichtsverfahren neu eingeführt. Dieses Rechtsschutzinstrument wurde und wird wesentlich intensiver genutzt als ursprünglich erwartet. Es wurde aber auch schon von meinem Vorredner erwähnt, dass die Erfolgsaussichten gering sind: Lediglich vier der 381 im vergangenen Jahr abgeschlossenen Verfahren haben zu einer Aufhebung beanstandeter Bestimmungen geführt; von 114 geprüften Normen wurden 20 zumindest teilweise aufgehoben, 94 hielten hingegen der Prüfung stand. Ich glaube aber auch, dass es wichtig ist oder gerade für uns wichtig ist, darin auch zu sehen, dass die Ge­setzgebung in diesem Land gut arbeitet. Ich denke, darauf sollten wir stolz sein.

Ein Thema, das ich auch ansprechen möchte, ist, dass drei Mitglieder aus Altersgrün­den ihre Tätigkeit am Verfassungsgerichtshof beenden, allen voran der Präsident. Ihn in diesem Zusammenhang zu loben oder auf seine Verdienste entsprechend hinzuwei­sen verbietet die Rededauer, die mir zugestanden ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang jedoch erwähnen, dass Harald Stefan, der Ver­fassungssprecher der FPÖ, diesbezüglich gemeint hat, dass es bei den bevorstehen­den Koalitionsverhandlungen ein Nominierungsrecht für zwei der drei zu besetzenden VerfassungsrichterInnen für seine Partei geben muss oder soll, wenn die Koalitionsver­handlungen von Erfolg gekrönt sein sollten. Das halten wir und ich für unerträglich – für das Ansehen dieser Institution in höchstem Maße, aber eben auch aus demokratischen Standpunkten. (Bundesrat Herbert: Aber bei den anderen geht es, glaube ich, schon! Da ist es schon in Ordnung!) Wir erwarten uns ein nachvollziehbares Auswahlverfah­ren unter Einbindung auch unabhängiger ExpertInnen und Hearings im Parlament.

Ich möchte unterstreichen, dass Parteinähe oder -mitgliedschaft natürlich kein Ausschluss­grund sein darf, ja auch kein Negativum darstellen darf, aber sie darf keinesfalls ein erstrangiges Qualifikationsmerkmal darstellen. Die Besetzungen dürfen nicht durch Par-


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