BundesratStenographisches Protokoll873. Sitzung / Seite 11

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Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schen­nach. – Bitte, Herr Kollege.

 


9.15.17

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten Herausforderungen, vor denen wir stehen, und zwar in den ver­schiedensten Bereichen, denn sie bedeutet eine komplette Veränderung unserer Ar­beitswelt nach der industriellen Revolution, aber auch unserer Wirtschaftswelt und un­serer gesellschaftlichen Verhältnisse.

Und eines ist klar: Die Digitalisierung in der Form, in der sie bereits begonnen hat, geht weiter. Niemand ist da ein Don Quijote, niemand möchte ein Don Quijote sein, sondern man muss ja auch die Chancen und die Risken sehen.

Mein Vorredner hat viel von den Chancen gesprochen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Zu diesen Chancen gehören die Ankurbelung der Wirtschaft in bestimmten Be­reichen – das muss man dazusagen –, die Möglichkeit völlig neuen Schaffens, wie zum Beispiel die Schaffung von Start-up-Unternehmen, und die Möglichkeit, Prozesse für ar­beitende Menschen einfacher zu machen.

Da stellt sich aber die Gretchenfrage: Wofür wird die Digitalisierung benützt? Wird die Digitalisierung benützt, um Prozesse einfacher zu machen, schneller zu machen, oder dient die Digitalisierung ausschließlich der Gewinnmaximierung, indem man Arbeiter und Angestellte abbaut? Das ist die Gretchenfrage: Ist das ein Arbeitstool, oder haben wir letztlich eine völlige soziale Verwerfung auf dem Arbeitsmarkt?

Ich greife da ein Stichwort heraus: Crowdwork. Crowdwork wird meist von Kapitalge­sellschaften betrieben, die einen Auftrag gecatcht haben und ihn dann in der digitalen Welt zersplittern und verteilen. Das heißt, durch die Digitalisierung gibt es mehr denn je Menschen, die zu Hause sitzen, also eine Insel darstellen, die von zu Hause aus Ar­beiten erledigen und gar nicht wissen, was eigentlich das Gesamtprodukt ist. Da gibt es zum Beispiel keine Mitbestimmung. Es ist auch nichts an sozialen Kontakten da, wie innerhalb eines Unternehmens, und nichts an Kenntnis darüber, wofür man überhaupt arbeitet. Dazu gesellt sich die Zufälligkeit. Das ergibt die unglaubliche Gefahr, dass die Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse gelangen, dass völlig verschwindet, was Selb­ständigkeit und was Unselbständigkeit in diesem Bereich ist.

Das heißt, die soziale Dimension wird eine der spannendsten Herausforderungen in der Zukunft sein. Das ist noch nicht vorhersehbar. Niemand, auch nicht der Herr Minis­ter, weiß, wie die Arbeitswelt von morgen aussieht, wie die sozialen Verhältnisse zwi­schen jenen, die arbeiten, und jenen, die Arbeit geben, die unternehmerisch tätig sind, aussehen werden.

Eines wissen wir aber jetzt schon: Was wir nicht wollen, ist, dass alles online ge­schieht. Wir wollen doch keine geschäftslosen Geschäftsstraßen, wenn alles nur mehr online gehandelt wird. Wir wollen auch nicht, dass in ländlichen Gebieten – mein Vor­redner hat ja die ländlichen Gebiete besonders hervorgehoben – der soziale Kontakt nur mehr durch den Zwilling der Digitalisierung erfolgt, und der Zwilling der Digitalisie­rung ist die Robottechnik.

Ich war nicht so begeistert wie vielleicht viele andere, die es im Fernsehen gesehen haben, dass nun Drohnen in Graz-Stadt die ersten Paketzustellungen machen. Da fra­ge ich mich schon: Wenn ein Unternehmen wie die Post AG in Aufträgen schwimmt, warum muss man dann sofort in eine Technik investieren, die etwas tut, womit keine Arbeitsplätze geschaffen werden? Wenn im ländlichen Raum Drohnen Postzusteller werden, dann wird doch dadurch die Landflucht junger Leute gefördert, denn der Kon-


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