BundesratStenographisches Protokoll874. Sitzung, 874. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2017 / Seite 72

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Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Kollegin Dr. Ewa Dziedzic. – Bitte, Frau Kolle­gin. (Bundesrat Preineder – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Bun­desrätin Dziedzic –: Ewa, du auch? – Bundeskanzler Kurz: Du auch? Geht schon!)

 


13.22.57

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Eines vorweg: Ich bewerbe mich nicht, nein! (Allgemeine Heiterkeit. – Bundesrat Brunner: Noch nicht! – Bundeskanzler Kurz: Aber wir wären dafür offen!) – Darüber reden wir dann nach der Sitzung. (Bun­deskanzler Kurz: Ja!)

Sehr geehrter Herr Kanzler! Herr Vizekanzler! Werte Ministerinnen! Herr Minister! Wer­ter Herr Präsident! Werte Kollegen, Kolleginnen! Werte Gäste und auch werte Zu­schauerInnen! Ich bewerbe mich auch deshalb nicht, weil die neue schwarz-blaue Regierung zwar auf aufgeschlossen und modern tut, aber für mich – das Wort ist heute schon gefallen – ein bisschen Retropolitik macht oder machen möchte. Sie ist vor allem gegenüber gewissen Menschengruppen eigentlich nicht aufgeschlossen, das ist besorgniserregend. Das sind Asylwerber, das sind MigrantInnen, das sind Allein­erziehende, das sind Frauen und das sind auch Menschen, die nicht genug verdienen. Die bleiben in Ihren Plänen leider ausgespart.

Der Ausdruck sozial kalt ist heute schon gefallen, und ja, leider muss ich es wieder­holen: Für mich wirkt es sozial kalt, es wirkt auch ein bisschen wie Klientelpolitik für die Besserverdienenden und auch, als ob Sie in Zukunft am liebsten jene Gruppen aus der Gesellschaft verbannen würden, die unliebsam sind, die man vielleicht nicht sehen möchte. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber nur in Ihrer Fantasie! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Ich nenne Ihnen sogar ein konkretes Beispiel dazu: Die Themen Migration und Asyl sind von einer hetzerischen Rhetorik geprägt, da finden sich kaum Fakten als Grund­lage und auch keine Sachlösungen. Stattdessen sind da weitere Schikanevorhaben zu finden, die zum Teil geltendes Recht außer Acht lassen.

Ich möchte Sie, Kanzler Kurz, wiederholt fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass Ihr Koali­tionspartner die Menschenrechtskonvention infrage stellt, ob Sie das, liebe Bundes­rätIn­nen der ÖVP, gar nicht stört, und wie Sie, Herr Vizekanzler, tatsächlich dazu stehen. Ich denke, es gibt nämlich nicht umsonst berechtigte Kritik daran, dass diese Koalition wieder Ansichten salonfähig macht, die zum Teil ewiggestrig sind.

Der Menschenrechtsausschuss im Nationalrat, das werden Sie wahrscheinlich wissen, interessiert auch niemanden so recht. Bürgerrechte, Bürgerinnenrechte, Freiheits- und Menschenrechte – alles Schnee von gestern. (Bundesrat Brunner: Wieso, wer sagt das?) Heute gibt es nämlich moderne Lösungen, und da komme ich zu dem Beispiel: Sie haben es gehört, der Wiener Vizebürgermeister Gudenus hat mit seiner Forderung nach sogenannten Stadtrandlagern erschreckende Bilder gezeichnet. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, man muss einmal zu Ende denken, was das bedeutet. (Vizepräsidentin Ledl-Rossmann übernimmt den Vorsitz.)

Da wird offen zugegeben, Integration interessiert uns eigentlich überhaupt nicht, wir haben sie nur immer eingefordert, aber sie interessiert uns nicht. Weiters: Glauben Sie, dass sich, indem Sie einen Migrationsstopp in Ihre Papiere hineinschreiben, die welt­weiten Krisen einfach auflösen? Meiner Meinung nach grenzt das an Realitätsver­weigerung. (Zwischenruf des Bundesrates Samt.)

Wir können nicht sagen, dass wir die globalen Entwicklungen aufhalten, dass diese vor Österreichs Grenzen Halt machen, nur weil eine schwarz-blaue Regierung nicht sehen möchte, was diese Realität ist und dass diese Entwicklungen nicht durch Lager oder einen festgeschriebenen Migrationsstopp aufhaltbar sind.

 


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