BundesratStenographisches Protokoll874. Sitzung, 874. Sitzung des Bundesrates am 22. Dezember 2017 / Seite 79

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mand fragt sich: Was machen Mann und Frau mit den Kindern, wenn sie halt beide gerade einmal freiwillig zwölf Stunden arbeiten?

Während andere Länder sich gerade Gedanken darüber machen, ob man nicht einen 6-Stunden-Tag einführen soll, machen wir Rückschritte. Nachdem die Vorkämp­ferIn­nen sich einen 8-Stunden-Tag erkämpft haben, machen wir einen 12-Stunden-Tag daraus. Dieser ist nicht notwendig, denn es gibt genug Menschen, die Arbeit suchen, die arbeitswillig sind, die auf dem Arbeitsmarkt auch Fuß fassen wollen. Das heißt für mich, wir könnten ruhig die vorhandene Arbeit einfach auf mehr Menschen aufteilen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Preineder: Das hören wir auch schon 20 Jahre! ... ist retro ...!)

Um noch einmal auf die Freiwilligkeit zurückzukommen: Immer wieder wird dann auch argumentiert, man habe dann mehr Freizeit, doch das ist leider ein Sand-in-die Augen-Streuen, denn die Freizeit ist nur verschoben: Statt heute vier Stunden freizuhaben, habe ich bei einem 12-Stunden-Tag diese vier Stunden eben morgen frei. Und wenn es heißt, natürlich werden die Überstundenzuschläge bezahlt, dann frage ich – und ich habe das auch schon die Wirtschaftskammer gefragt, ich habe auch schon jene gefragt, die am Verhandlungstisch gesessen sind –: Bleiben die Durchrechnungs­zeit­räume so, wie sie derzeit in Kollektivverträgen festgeschrieben sind? – Es gibt bis heute keine Antwort.

Das heißt: Bei Teilzeit haben wir eine Durchrechnung von drei Monaten. Es gibt kaum jemanden – um nicht zu sagen: gar niemanden –, der jemals einen Zuschlag sieht, nämlich den Mehrarbeitszuschlag, weil die Unternehmen sich mit der Durchrechnung über die Mehrarbeit hinwegschummeln.

Ich möchte nur noch einen kurzen Satz sagen zu etwas, was mir wirklich sehr be­denklich erscheint, wenn wir an unsere Beschäftigten im Tourismus denken: Wenn wir die Ruhepause jetzt von elf Stunden auf acht Stunden reduzieren, dann haben diese Menschen maximal noch fünf Stunden Schlaf. Ich denke aber, wahrscheinlich ist Schlaf etwas, was derzeit überbewertet ist.

Ich möchte daran anknüpfend folgende Frage stellen, weil wir hier auch von direkter Demokratie sprechen: Was treibt einen dazu, plötzlich in einem Regierungsprogramm Jugendlichen, nämlich Jugendlichen, die sich schon 1972 mit über 50 000 Unter­schrif­ten erkämpft haben, dass sie ein Mitspracherecht in Betrieben haben, nämlich durch den Jugendvertrauensrat, dieses Mitbestimmungsrecht, diese direkte Demokratie von Jugendlichen ganz einfach wieder zu streichen? (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Das Thema Aktion 20.000 wurde heute schon angesprochen, ich möchte trotzdem noch ein paar Sätze dazu sagen: Weiß jemand, wie es Menschen über 50 geht, die keinen Job mehr bekommen, obwohl sie einen wollen, weil sie ganz einfach auch wieder Fuß fassen wollen, weil es um eine Wertigkeit geht? Es geht auch darum, dass wir diese Menschen nicht ausschließen. Ich habe unlängst mit einer Frau gesprochen, die genau in so einer Aktion ist – 52 Jahre, bei der Gemeinde beschäftigt –, und ihre Kollegin hat mir dann erzählt, dass sie, als sie den ersten Gehaltszettel erhalten hat, geweint hat. Die Kolleginnen haben dann gefragt: Warum weinst du? Jetzt hast du ein Einkommen, da braucht man nicht zu weinen! – Dann hat sie gesagt, dass sie seit Monaten das erste Mal daran denken kann, dass einmal sie bezahlen kann, wenn sie mit ihrer Freundin zum Chinesen geht. – Das ist die Würde eines Menschen, die man ihm wegnimmt, wenn man eine Aktion, die den Menschen wieder ihre Würde gibt und die ihnen dazu verhilft, ein Teil der Gesellschaft zu sein, dann einfach wieder streicht. (Beifall bei der SPÖ.)

 


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