10.01.34

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich kann Sie zunächst einmal beruhigen, ich werde gar keine 10 Minuten brauchen, und zum Zweiten werde ich versuchen, mit ähnlicher Überzeu­gung, aber vielleicht mit etwas weniger Emotion ein paar Worte zu dem Thema zu sagen.

Herr Präsident, ich darf Ihnen einleitend ganz herzlich zur Amtsübernahme gratulieren. Ich darf mich für das gute Gespräch bedanken, das wir hatten, und freue mich schon auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat. Ich glaube, insbesondere was den österreichischen Ratsvorsitz betrifft, ist in diesem Halbjahr sehr viel an Vorbereitungs­arbeit zu leisten; da freue ich mich, wenn es gelingt, eine starke Kooperation zwischen Nationalrat, Bundesrat und Bundesregierung zusammenzubringen. Ich darf mich an der Stelle aber auch noch ganz herzlich bei Edgar Mayer für seine Zeit als Präsident bedanken.

Ich darf zum Thema kommen und vielleicht einleitend festhalten, dass wir, die Bun­desregierung, das klare Ziel haben, eine aktive Frauenpolitik zu betreiben. Ich bin Frau Bundesministerin Bogner-Strauß sehr dankbar dafür, dass sie diese Aufgabe über­nommen hat. Sie ist eine Frau, die sich schon in Graz in einer Männerdomäne, der Technik, durchgesetzt und bewiesen hat, die quer in die Politik eingestiegen ist und sehr viel Erfahrung aus anderen Bereichen, aus der Wirtschaft, aber auch der Wissen­schaft mitbringt. Ich bin dankbar für die gute Zusammenarbeit, die wir in den letzten Wochen hatten, und freue mich, als Bundesregierung gemeinsam viel für Frauen, aber natürlich auch für Familien und junge Menschen bewegen zu können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn wir über Frauenpolitik sprechen, dann geht es – das haben einige Rednerinnen schon angesprochen – natürlich nicht nur um das Thema Gewalt gegen Frauen, son­dern um eine ganz breite Palette an Themen. Es geht auch um die Frage der Sicher­heit und um das Thema Gewalt gegen Frauen, da wir wissen, dass insbesondere Frauen öfter Opfer sind als Männer. Rund 50 000 Frauen wurden im letzten Jahr Opfer von Gewaltverbrechen in Österreich, und von den 6 000 Opfern von Sexualdelikten in Österreich waren rund 80 Prozent Frauen.

Wenn wir uns die Gesetzeslage in Österreich anschauen, dann besteht aus meiner Sicht schon eine gewisse Schieflage zwischen der Strafe bei Vermögensdelikten auf der einen und Gewaltverbrechen auf der anderen Seite. Es kommen immer wieder Urteile wie die folgenden vor: Ein Mann in Tirol erhält zum Beispiel vier Jahre Gefäng­nisstrafe für den Diebstahl eines Autos und gleichzeitig – das ist vor Weihnachten bekannt geworden – muss ein Salzburger, der vier Kinder missbraucht hat – und das als Kindergärtner! –, dafür nicht einmal ins Gefängnis.

Sehr geehrte Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, es ist über­haupt kein Vorwurf an die Richterschaft, wenn ich diese Fälle zitiere, denn die Richter haben die Aufgabe, Recht zu sprechen, aber die Basis dafür ist natürlich die geltende Gesetzeslage, und da möchte ich Sie in diesem Gremium um ein bisschen mehr Selbst­bewusstsein bitten. Die Aufgabe von Experten ist es, ihre Stellungnahme abzu­geben, die Aufgabe der Richterschaft ist es, Recht zu sprechen; aber die Gesetze, sehr geehrte Damen und Herren, werden schon noch hier gemacht, vom Nationalrat und vom Bundesrat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist Ihre Aufgabe, sich gemeinsam mit uns, der Bundesregierung, die Fragen zu stellen, was gerecht ist, was wir für gerecht empfinden, welche Regeln wir in unserem Land haben wollen und wo eventuell Nachschärfungsbedarf besteht. Ich lade Sie ein, das mit uns gemeinsam ohne allzu viel Emotion zu machen, denn die ist da, so glaube ich, nicht angebracht.

Wir haben Staatssekretärin Edtstadler, die Richterin, Mitarbeiterin im Justizministerium war, und viel Erfahrung in diesem Bereich hat. Es ist nicht das Innenministerium zu­stän­dig, da sind wir uns doch alle einig, aber es ist doch möglich, in einer Bundes­regierung eine politische Taskforce gemeinsam mit dem Innen- und dem Justizminister einzurichten, die von einer aktiven Staatssekretärin geleitet wird, um einerseits Schnitt­stellenproblematiken abzubauen und sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit zwi­schen Polizei und Justiz besser funktioniert, aber auch, um Ideen zu generieren, wo wir im Strafrecht nachschärfen können, um mehr Gerechtigkeit sicherzustellen, um eine mangelnde Balance, die es vielleicht teilweise zwischen Vermögensdelikten und Ge­walt­verbrechen gibt, hintanzustellen, und vor allem auch, um sicherzustellen, dass die­jenigen, die sich in diesem höchst sensiblen Bereich etwas zuschulden kommen las­sen, auch wirklich bestraft werden – und das in einem ordentlichen Ausmaß. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist vorhin im Zuge eines Redebeitrags gesagt worden, dass es diese Diskussion, wer schuld gewesen sein soll, warum es nicht funktioniert hat, ja auch in der vorigen Bundesregierung schon gab. Ich bin froh, in einer Bundesregierung arbeiten zu dürfen, in der diese Schuldzuweisungen nicht mehr stattfinden, in der zusammengearbeitet und gemeinsam versucht wird, etwas umzusetzen. Ich darf die Einladung aussprechen, die Zusammenarbeit auch auf die Opposition auszuweiten. Wir haben ein Interesse daran, mit Ihnen in der Opposition gut zusammenzuarbeiten und auch in diesem Be­reich den Diskurs zu suchen. Ich glaube, dass es vollkommen legitim ist, in diesen Fragen unterschiedliche Meinungen zu haben, aber bitte geben Sie dem ganzen Projekt eine Chance, warten Sie da und dort vielleicht einmal die konkreten Vorschläge ab, bevor Sie diese verteufeln.

Was die Strafen betrifft, möchte ich in einem Punkt, der vorhin gefallen ist, wider­sprechen. Sie haben gesagt, es gibt keinen Unterschied für die Opfer und es ist ohnehin so, dass wir in Österreich – Sie haben es dann zurückgenommen – zwar nicht bis zur Todesstrafe, aber doch, die Möglichkeit haben, mit harten Strafen auf Ver­brechen zu reagieren. Das, was Sie da sagen, ist schon richtig, aber wir haben teil­weise sehr niedrige Mindeststrafen, und das ist schon von Relevanz. Die Frage ist, was das Mindestmaß ist, das für eine gewisse Straftat vorgesehen ist. Das, sehr ge­ehrte Damen und Herren, ist sehr wohl eine Entscheidung des Gesetzgebers, eine Entscheidung, die Sie zu treffen haben, eine Entscheidung, im Zuge derer eine Regie­rung Vorschläge machen darf – und das werden wir auch tun.

Mir ist wichtig, ein zweites Thema noch kurz anzusprechen, denn wenn wir über Ge­walt gegen Frauen und Kinder sprechen, dann geht es nicht nur um die Strafe für die Täter, sondern vor allem auch um die Frage, wie wir die Opfer bestmöglich unterstüt­zen können.

Wir haben in Österreich derzeit 30 Frauenhäuser mit rund 800 Plätzen für Frauen und Kinder. Die Empfehlung der Europäischen Union ist es, die Zahl deutlich auszubauen. Das bedeutet, dass in Österreich rund 100 Plätze fehlen. Ich darf mich bei der Frau Ministerin ganz herzlich dafür bedanken, dass sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt hat, die Zahl der Plätze auszubauen und 100 neue Betreuungsplätze zu schaffen.

Ich glaube, neben der Frage der notwendigen Gerechtigkeit und der Bestrafung der Täter ist es ganz entscheidend, die Opfer bestmöglich in dieser für sie ohnehin oftmals unvorstellbar schwierigen Situation zu unterstützen. Vielen Dank, Frau Ministerin, für den Ausbau oder für das Vorhaben des Ausbaus, vielen Dank für die Arbeit in diesem Bereich. Auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.09

Präsident Reinhard Todt: Danke, Herr Bundeskanzler.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren TeilnehmerInnen an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht über­steigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile es ihr.