13.55.03

Bundesrätin Renate Anderl (SPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Wir diskutieren heute über eine Aktion – nein, eine Aktion kann man nicht sagen, denn es hat schon viele Aktionen gegeben –, ein Projekt, das den Menschen Würde und Respekt zurückgeben sollte, wenn es so umgesetzt werden würde, wie es voriges Jahr geplant war.

Wir sprechen von Menschen, die oftmals ihr Leben lang hart gearbeitet haben. Wir sprechen von Menschen, deren Firma unter Umständen von einem Tag auf den anderen zugesperrt oder sich vielleicht entschlossen hat, ins Ausland zu gehen. Wir sprechen aber auch von Unternehmen, die Menschen in einem gewissen Alter nicht mehr brauchen, weil diese für sie zu alt und zu teuer am Arbeitsmarkt sind, wie die Betroffenen sehr häufig erfahren müssen.

Ich meine, dass man Menschen, die keinen Arbeitsplatz haben, nicht, wie sehr häufig in den letzten Tagen wieder kolportiert wird – ich mag dieses Wort sowieso nicht –, als Sozialschmarotzer bezeichnen kann, denn da ich jetzt von Ihnen, Frau Ministerin, erfahren habe, dass sogar auch ein Pfarrer dabei war und für ihn ein entsprechender Job geschaffen wurde, glaube ich, dass wir davon ausgehen können, dass es sich hier um Menschen handelt, die auch gute Ausbildungen haben.

Ich habe jetzt versucht mitzuschreiben. Soweit ich das mitbekommen habe, haben mehr als die Hälfte jener, die in dieses Projekt eingestiegen sind, gute Ausbildungen, nämlich akademische oder auch andere Berufsausbildungen. Es ist anzumerken, was wir auch des Öfteren hören, dass nämlich die Zahl der Arbeitslosen konjunkturbedingt zurückgeht. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass die Zahl der Arbeits­suchenden leider noch immer viel zu hoch ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Es gibt aber genügend Plätze, wo wir keine finden, die dort arbeiten wollen! ...!)

Ich wünsche allen, die hier sitzen, dass sie nicht in diese Lage kommen. Ich kenne Menschen, die arbeitslos geworden sind, die wirklich diese Bewerbungen schreiben, die nun einmal 57 Jahre alt sind, denen einfach noch Jahre fehlen – und es sind sehr häufig leider auch Frauen darunter –, die deswegen kaum eine Pension bekommen, weil sie sich einst erlaubt haben, bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben, und die am Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht werden. Ich verstehe dieses System nicht! (Bun­desrätin Mühlwerth: Das ist aber seit zehn Jahren so!)

Um vielleicht zurückzukommen: Bei aller Freude über eine wachsende Beschäftigung, die wir haben, dürfen wir die Arbeitslosigkeit, die steigt, nicht vergessen. Fakt ist näm­lich, dass der Aufschwung längst nicht bei allen ankommt. Was nützen die erfreulichen Werte, wenn trotzdem Tausende davon nicht profitieren können?

Ich verwahre mich wirklich dagegen, anzunehmen, dass Menschen gerne in der Arbeitslosigkeit sind und dass es ihnen letztlich egal ist, dass sie am Schluss eine Pension haben, von der sie nicht leben können. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Richtig!)

Es wurde in der Einleitung schon erwähnt, dass es nachweisbar ist, dass es in jenen Regionen, wo dieses Pilotprojekt durchgeführt wurde, ein Plus gegeben hat und dass es im gleichen Zeitraum in anderen Regionen ein Minus gegeben hat. Statt dieses Modell weiter auszubauen und auch außerhalb dieser Pilotregionen einzuführen, macht die Bundesregierung genau das Gegenteil, nämlich ein wirklich erfolgreiches Projekt wie die Aktion 20.000, wie heute schon erwähnt wurde, einfach auszusetzen.

Ich möchte auch darauf hinweisen: Wenn man sich den finanziellen Aspekt ansieht – und da fehlen mir auch die Antworten –, dann kann man feststellen, dass die Ak­tion 20.000 gerade einmal um die 100 Euro im Monat, also 1 200 Euro im Jahr pro Arbeitsplatz kostet, wenn wir das fördern. Schließlich fallen ja nicht nur die Kosten für die Notstandshilfe – die wir jetzt anscheinend auch nicht mehr brauchen – weg, son­dern es fallen auch alle Kurs- und Betreuungskosten seitens des AMS weg. Ich glaube, das soll man nicht unterschätzen.

Was auch festzuhalten ist: Jene Menschen, die dadurch einen Job bekommen haben, leisten natürlich auch Steuer- und Sozialversicherungsabgaben. Ich glaube, das ist ein positiver Aspekt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Schennach: Richtig!)

Es würde mich sehr interessieren, Frau Bundesministerin, welche Antworten die ÖVP darauf hat. Erinnern wir uns zurück: Inge Posch-Gruska hat es schon erwähnt (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und SPÖ) – keine Ant­wor­ten? –, dass ja dieses Modell damals nicht nur im Bundesrat, sondern auch im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP sowie Grünen beschlossen worden ist. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ihr wart nicht dabei. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, weil wir es damals schon richtig erkannt haben!) – Monika, das musst du mir auch einmal erklären, denn ich weiß nicht, was „richtig erkannt haben“ heißen soll, wenn wir Menschen die Würde, den Respekt zurückgeben? Hat sich jemand hier in diesem Saal einmal die Zeit genommen, mit solchen Menschen zu diskutieren? Ich habe mit einer Frau gesprochen, die durch dieses Pilotprojekt eine Chance bekommen hat. Wisst ihr, wie das ist, wenn Menschen jahrelang keinen Job bekommen und es wirklich ver­suchen? Ich spreche von jenen, die wirklich arbeiten wollen, und davon gibt es Tausende, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! (Beifall bei der SPÖ.)

Für jene hat man eine Möglichkeit geschaffen, um die uns auch andere Länder beneiden, in dem Sinn, dass wir hier ein Auffangnetz gefunden haben, und zwar ein gutes Netz. (Bundesrätin Mühlwerth: Für fünf Jahre!) Diese Frauen haben mir dann erzählt, wie sie geweint haben, als sie das erste Mal wieder einen Lohn bekommen haben und nicht mehr Bittstellerin sein mussten – eine Bittstellerin, die schauen muss, wie sie ihre Miete bezahlen kann, wie sie ihre Lebenshaltungskosten tragen kann.

Jetzt sitzen wir hier und sagen ganz einfach: Diese Menschen sind ja alle selbst schuld. Diese Menschen sind schuld, wenn - - (Bundesrat Mayer: Das hat niemand gesagt, unterstell uns nicht irgendetwas! – Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ein Wahn­sinn! – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von ÖVP, FPÖ und SPÖ.) – Aber wir tun in Wirklichkeit so. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das stimmt nicht!) In dem Fall meine ich jetzt, ganz ehrlich, die FPÖ-Seite. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Denn: Warum ist es dann schlecht, diesen Menschen eine Chance zu geben? Das muss mir jemand sagen!

Ich frage noch einmal: Hat sich hier wirklich jemand die Mühe gemacht, sich mit diesen Menschen zu unterhalten, zu hören, wie es diesen Menschen geht? (BundesrätInnen der FPÖ nicken bejahend.) – Das Nicken heißt für mich, dass die Menschen glücklich sind in der Arbeitslosigkeit, dass sie glücklich sind im Notstand, dass sie glücklich sind, weil sie sich heute Mittag kein Essen leisten können, da sie sparen müssen.

Ich finde diese Aktion sehr gut, und daher, sehr geehrte Frau Minister, kann ich nur, wie so oft schon andere RednerInnen vor mir, an Sie appellieren, die bereits ange­kündigte Evaluierung so schnell wie möglich durchzuführen und schlussendlich den logischen Schluss daraus zu ziehen, diese Aktion 20.000 wiederzubeleben. (Beifall bei der SPÖ.)

Geben Sie älteren Menschen die Würde zurück und geben Sie älteren Menschen auch eine Chance am Arbeitsmarkt! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

14.02

Präsident Reinhard Todt|: Danke, Frau Bundesrätin.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Edgar Mayer. Ich erteile es ihm.