BundesratStenographisches Protokoll875. Sitzung, 875. Sitzung des Bundesrates am 8. Februar 2018 / Seite 21

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dieser populistischen Schnellschüsse. Die Situation in Österreich ist nämlich tat­sächlich tragisch. Jede fünfte Frau über fünfzehn Jahren ist von körperlicher Gewalt betroffen, jede dritte Frau von sexueller Gewalt und sogar fast drei Viertel – das muss man sich einmal vor Augen führen! – der Frauen von sexueller Belästigung. Um diese untragbaren Zustände zu beenden, braucht es tatsächlich rasch eine Offensive für Gewaltschutz und -prävention. Da sind wir uns einig.

In Österreichs Familien, weil Sie das mit den Ausländern so gerne betonen, werden monatlich mindestens zwei Frauen ermordet. (Bundesrätin Mühlwerth: Ist schlimm genug! Die Frage bei österreichischen Familien ist auch: Welcher Hintergrund?) Oft ist dieser Mord nur ein wirklich trauriger, tragischer Höhepunkt einer langen Gewalt­geschichte, und da sind wir genau bei dem Punkt: Diese Gewaltgeschichte wird sehr oft nicht ernst genommen (Bundesrätin Mühlwerth: Von Politikern wie Ihnen!), von Justiz und Polizei nicht als diese eingestuft, sodass es zu diesen tragischen Fällen kommen kann.

Wir wissen, eine Gruppe von Experten hat im September einen Bericht veröffentlicht, dass die Verurteilungsraten in Österreich bei allen Formen von Gewalt gegen Frauen sehr niedrig sind und die Täter bei häuslicher Gewalt, aber auch anderen Formen von Gewalt gegen Frauen nur selten die strafrechtliche Verantwortung übernehmen müs­sen. Gründe dafür sehen Experten und Expertinnen in der polizeilichen Ermittlung sowie in der Beweiserhebung im Ermittlungsverfahren. Das Problem bei Sexualstraf­taten ist also erstens die hohe Dunkelziffer und zweitens die Einstellungsquote nach erfolgten Anzeigen. Das bedeutet, wir werden die Täter nicht abschrecken, indem wir sagen, da gibt es einen höheren Strafrahmen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass sie erwischt und verurteilt werden, in Österreich unter 5 Prozent liegt. Das sind die Fakten. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Was es schon dringend braucht, ist aber Opferschutz statt eben diesen Täterschutz. Opfer sexueller Gewalt in Österreich sind im Strafverfahren oft mit sogenanntem Victim Blaming konfrontiert. Gerichte und Behörden müssen Sexualdelikte ernst nehmen, den Betroffenen glauben und sie nicht neuerlich traumatisieren, was leider immer wieder vorkommt. Es kommt auch vor, dass Richter und Strafanwälte Frauen sehr oft subtil die Schuld an dem geben, was passiert ist, und dass Frauen sehr oft mit Verleum­dungsverfahren konfrontiert sind, wenn der Täter der Meinung ist, dass sie die Unwahr­heit sagt. Ich finde, das sollten wir uns genauer anschauen und auch die Verurteilungs­raten genauer analysieren, anstatt hier populistisch etwas anderes zu fordern. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Drittens – auch das haben wir heute schon gehört – wurde erst 2016 das Strafrecht reformiert. Ich wiederhole nicht alles, aber wir wissen, die Strafen für Gewalttaten wurden deutlich erhöht. Das Strafmaß für absichtliche schwere Körperverletzung wurde mit jetzt zehn Jahren verdoppelt. Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung in § 218, dem sogenannten Po-Grapsch-Paragrafen – wogegen Sie sich immer aus­gesprochen haben, im Übrigen auch die ÖVP, ich erwähne nur Marcus Franz als einen Abgeordneten, bei dem das überhaupt kein Thema war –, wurde überarbeitet.

Entwürdigende Berührungen an Körperstellen können seither mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bestraft werden. Wir wissen, seit der Überarbeitung ist die Zahl der Anzeigen auch deutlich gestiegen: von 1 228 Anzeigen im Jahr 2015 auf 1 918 Anzeigen 2016. Das heißt, es finden immer mehr Frauen auch den Mut, eine Anzeige zu erstatten, aber für die Gewaltausübenden bleibt das weitgehend ohne Konsequenzen, und das ist, glaube ich, genau der Punkt, den Sie hier übersehen. Es kann nämlich nicht sein, dass der Strafrahmen in Österreich im internationalen Vergleich höher ist, aber, solange dieser Strafrahmen nicht ausgeschöpft wird, Opfer von Sexualdelikten wenig oder kaum


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