BundesratStenographisches Protokoll875. Sitzung, 875. Sitzung des Bundesrates am 8. Februar 2018 / Seite 93

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alle gegeneinander. Wir als Grüne sind da jetzt ideologiebefreiter und sagen: Jetzt schauen wir uns das wirklich pragmatisch an. (Allgemeine Heiterkeit.) – Ja, auch mich überrascht es. (Bundesrätin Mühlwerth: Ideologiebefreit – wie soll das gehen?) – Ideologiebefreiter.

Ich hätte mir, ehrlich gesagt, bei diesem Projekt, bei dieser Aktion auch mehr Zeit und eine ordentliche Evaluierung gewünscht, bevor man sie vielleicht abdreht. Das hätte ich mir ganz ehrlich bei der gesamten Geschichte erwartet. Leider hat hier die neue Bundesregierung nicht lange gefackelt und diese Maßnahme mittels Umlaufbeschluss relativ schnell abgedreht und eingestellt. Ich glaube aber nach wie vor, dass diese Maßnahme ein höchst wirkungsvolles und eigentlich billiges Instrument der Arbeits­marktpolitik sein könnte, da im Hintergrund Menschen stehen, die immerhin über 50 Jahre alt und länger als ein Jahr arbeitslos sind und bisher als Einzige von der sich am Arbeitsmarkt gerade verbessernden Situation gar nicht profitieren. Und sie hätten von dieser Maßnahme profitiert.

Mit dem Zurücknehmen dieser Aktion folgt Schwarz-Blau meiner Meinung nach mehr der Ideologie als einer sinnvollen und zielführenden Arbeitsmarktpolitik. Man sollte wirklich ideologiebefreiter die Fakten diskutieren, eine gescheite Evaluierung machen und schauen: Bringt es etwas oder bringt es nichts?

Meiner Meinung nach sprechen die Zahlen schon eher für sich, dass man hier etwas machen muss. Im Schnitt sind 50-Jährige um 40 Prozent länger arbeitslos als Junge und mehr als fünfmal so lang arbeitslos. Das ist schon eine unglaublich hohe Zahl: 40 Prozent länger arbeitslos und fünfmal so lang wie Jüngere, weil natürlich auch die Rückkehr schwieriger ist. Das hat einerseits gesundheitliche Gründe, andererseits liegt es oft an der schlechteren Ausbildung, wo es schwierig ist, für sie neue Weiter­bildungen anzubieten und so weiter, und auch beim Wohnort ist man in dem Alter nicht mehr so flexibel. Daher müssen wir uns hier verstärkt bemühen, diese Menschen wieder in die Arbeit zu bringen.

Was auch auffallend ist bei den über 50-Jährigen: 40 Prozent aller Menschen, die über 50 Jahre alt sind, gehen nicht als Erwerbstätige in Pension, sondern aus Arbeits­losigkeit und Krankenstand. 40 Prozent! Ich glaube, das muss uns schon aufhorchen lassen. Da müssen wir etwas tun, da müssen wir Angebote schaffen!

Jetzt zu den Kosten. Frau Kollegin Anderl hat das schon angeführt, ich möchte es nur ein bisschen konkretisieren; ich habe mir das nämlich auch angeschaut, auch wieder an den Fakten und an den Zahlen: Ein Arbeitsloser kostete das AMS 2016 inklusive Sozial­leistungen in etwa 17 400 Euro. Mit der Aktion 20.000 wird das einerseits eingespart, weil man die ja nicht mehr übers AMS zahlen muss. Die Gesamtkosten eines Beschäftigungsverhältnisses – wenn man mit einem Bruttoeinkommen von unge­fähr 1 600 Euro im Monat rechnet, sind das im Jahr 29 000 Euro – muss man dem gegenüberstellen. Das ergibt eine Differenz von 11 600 Euro. Das sind aber, genau genommen, gar keine echten zusätzlichen Kosten, die anstehen, sondern aus dem Beschäftigungsverhältnis werden auch 9 700 Euro für Versicherungsleistungen bezahlt und bei 1 600 Euro brutto noch ungefähr 1 000 Euro Lohnsteuer abgeführt. Das heißt, diese Maßnahme ist ökonomisch ein Nullsummenspiel, wenn man sich das ein bisschen größer anschaut als nur in diesem einen Fall, dass man einfach nur unterstützt und Geld hineinschiebt. Dazu muss man auch noch die Konsumfrage beachten. Ein Mensch, der 1 600 Euro brutto oder mehr verdient, gibt ja auch etwas für Konsumgüter aus und kauft ja ein.

 


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