BundesratStenographisches Protokoll881. Sitzung, 881. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2018 / Seite 35

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Kindergarten, Bildungseinrichtungen, das Angebot an kostenfreier und sozial gestaf­felter Nachmittagsbetreuung und, und, und. Wenn wir also die Kinderarmut bekämpfen wollen, müssen insbesondere finanziell schlechter gestellte Familien gefördert werden und leistbare ganztätige Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen geschaffen werden. Wien stach dabei im Ländervergleich als positives Beispiel besonders hervor: Gratiskindergarten, kostenloses Schul- und Förderangebot, Beispiel Gratisnachhilfe. Die Mindestsicherung trägt zur Absicherung finanziell schwacher Familien bei und wirkt sich damit positiv auf Kinderarmut aus.

Zweitens, Altersarmut: Davon sind vor allen Dingen Frauen verstärkt betroffen, da sie aufgrund des aktuellen österreichischen Durchrechnungsmodells im Durchschnitt auf eine Pension von 850 Euro im Monat kommen. Das sind 550 Euro weniger, als wir Männer durchschnittlich an Pension ausbezahlt bekommen; das liegt daran, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten und auch nach der Karenz einen wesentlichen Teil der Kinderbetreuung, die Hausarbeit und die Pflege von Angehörigen übernehmen. Wir stehen also vor der Herausforderung, unser Pensionssystem so umzugestalten, dass es keine Altersarmut mehr gibt. Ein Lösungsansatz, der mir persönlich sehr gut gefällt, ist, die schlechtesten zehn Jahre aus dem Durchrechnungszeitraum zu streichen. Zudem sollten Unternehmen, die durch Digitalisierung und technischen Fortschritt bei immer größerem Gewinn immer weniger Arbeitende beschäftigen müssen, einen entsprechend höheren Anteil als steuerliche Abgabe in unser Pensionssystem ein­zahlen. So profitieren am Ende des Tages Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Ich konnte bei der Enquete also feststellen, Armut und Arbeit sind gerade unter dem Einfluss des digitalen Wandels stark miteinander verknüpft. Ich habe mich daher dazu entschlossen, eine Podiumsdiskussion zum Thema digitale Arbeitswelt und eine Buchpräsentation unter dem Titel „Überall ist Zukunft: Die Gesellschaft im digitalen Zeitalter gestalten“ abzuhalten und diese Problemstellungen näher zu erörtern. Dabei wurde ersichtlich: Wie viele Stunden ein Mensch wann, wo und unter welchen Bedin­gungen gearbeitet hat, hat großen Einfluss auf seinen eigenen Wohlstand in der Gegenwart und auf die Pension. Der Wohlstand der Eltern hat wiederum Einfluss auf die Kinder, auf deren Zukunft, auf deren Bildungschancen und damit auf ihre zukünf­tigen Arbeitsverhältnisse.

Wir befinden uns also in einem Teufelskreis, und obwohl immer mehr Arbeit von Maschinen übernommen wird, geht die Tendenz klar in Richtung Selbstausbeutung. Zudem schaffen die Digitalisierung und die fortschreitende Technik neue Berufe, neue Arbeitsverhältnisse, denken wir an Crowdwork, Clickwork oder an Foodora und Uber. Da stimmen die Meinungen der Expertinnen und Experten überein: Es braucht neue arbeitsrechtliche Regelungen hinsichtlich dieser großen Veränderungen in der Arbeitswelt, die sichere Arbeitsverhältnisse und ausreichend Einkommen schaffen.

Auch das Gedenkjahr 2018 prägte meine Präsidentschaft. Gedenkjahr bedeutet, dass wir unsere Verantwortung als offizielles Österreich, aber auch als Bürgerinnen und Bürger wahrnehmen müssen, an die Terrorherrschaft des Nationalsozialismus zu erin­nern und uns daran zu erinnern, wozu wir einmal fähig waren. Bei der Gedenk­veranstaltung des österreichischen Parlaments ist dies durch unterschiedliche Beiträge von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, durch Studierende und insbesondere durch die mahnenden Worte von Michael Köhlmeier gelungen. Mit einer Buchpräsentation legte ich einen zusätzlichen Schwerpunkt auf die Restitutionspolitik unseres Landes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt an uns, in unser aller Verantwortung, dass Abgrenzung und Ausgrenzung nicht noch einmal die Oberhand in unserer Ge­sellschaft gewinnen. Lassen Sie uns diese Botschaft über das Gedenkjahr hinaus mit­nehmen! (Allgemeiner Beifall.)

 


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