BundesratStenographisches Protokoll884. Sitzung, 884. Sitzung des Bundesrates am 11. Oktober 2018 / Seite 37

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Amsterdam – für die Wirtschaft dieser digitale Automatismus im Sinne des Handels eingesetzt werden kann und eingesetzt werden muss. Das verkürzt die Lieferzeit, reduziert die Kosten und schafft Schnelligkeit und Effizienz, denn das ist für die Wirt­schaft im Sinne der Digitalisierung von Bedeutung.

Die Unterscheidung zwischen Erfindung und Massentauglichkeit ist aber ein wichtiger Kernfaktor für die Produktreife. Wann kommt ein Produkt zur Produktreife? – Ich möchte mit Marshall McLuhan, dem großen Kommunikationstheoretiker, beginnen, der bereits 1962 das Ende der Gutenberg-Galaxis prophezeite. Er hatte damit aber nur beinahe recht, denn das analoge und das digitale Buch gibt es heute parallel. Das Internet – und da muss ich auf die Erstrednerin eingehen – ist nicht sieben Jahre alt, das Internet wurde 1969 als Arpanet in den USA erfunden, infolge einer Kooperation in der Forschung von Universität und Militär. Die ersten Netze wurden für den Austausch von Daten verbunden. 30 Jahre später gelang dem Internet mit der Killerapplikation Mail der Durchbruch, es wurde massentauglich; das war so um den Millen­niums­wechsel.

Um auf diesen Timelag zwischen Erfindung und Massentauglichkeit zurückzukommen, darf ich kurz erinnern: Die Dampfmaschine wurde 1769 erfunden, patentiert, der Durchbruch gelang 50 Jahre später. Der Verbrennungsmotor, das Auto wurde Ende des 19. Jahrhunderts erfunden, Massentauglichkeit Mitte des 20. Jahrhunderts. Der Fotoapparat: Das erste Foto gab es 1853 in den USA, 50 Jahre später die Mas­senfotografie. Der Computer ist auch schon eine Erfindung der Mitte des 20. Jahrhun­derts, 40 Jahre später erhielt er über den Personal Computer seine breite Anwendung.

Früh vermarktete Technikhypes können zu Fehlprognosen und teuren Fehlinves­titio­nen für Unternehmen führen. Wie wir wissen, ist am Beginn der Entwicklung jedes Produkt teurer, bevor es dann in die Massenproduktion geht und in Wirtschaft und Gesellschaft Anwendung findet.

Ein Beispiel – auch aus eigener Erfahrung – der Fehlprognose: 1995 wurde das berühmte – unter Anführungszeichen – „papierlose“ Büro prognostiziert. Die Techniker glaubten oder wollten uns einreden – und haben es uns auch in der Vermarktung eingeredet –, dass mit der Entwicklung des PCs nichts mehr ausgedruckt wird und der gesamte Papierbedarf zurückgeht. Beim Anwender in der Praxis war das Gegenteil der Fall: Der betrachtete den PC noch nicht als Speichermedium, sondern als Druck­maschine. Es wurde dreimal so viel Papier ausgedruckt, und im Endeffekt sind die Rohstoff- und Papierpreise innerhalb eines Jahres um beinahe 200 Prozent gestiegen, bevor sie dann in den folgenden Jahren wieder fielen.

Die Digitalität ist auch eine neue Ordnung des Wissens, sie ist heute die größte Veränderung des Informationswesens seit Erfindung des Buchdrucks und, wie bereits erwähnt, das Ende der Gutenberg-Galaxis. Sie ist eine Neuordnung des Wissens und der Kulturtechnik, auch die Ordnung wissenschaftlichen Wissens vollzieht sich heute über das gesamte Medium Internet. Es gibt den berühmte Zettelkasten vom großen Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann, der das, was heute die Hypertextualität kann, in seiner Linearität in einem Zettelkasten 40 Jahre lang gesammelt hat. Die analoge Hypertextualität – es sind 90 000 Notizen – befindet sich heute im literarischen Museum, weil sie heute mit der Digitalität überholt ist.

Digitalität, der digitale Wandel ist natürlich die große Chance für Wirtschaft und In­dustrie in der Zukunft und bereits in der Gegenwart. Warum in der Gegenwart; warum muss man das nicht nur in die Zukunft transferieren? – Die Transaktionskosten verbil­ligen sich. Zum Beispiel benötigte man früher, um einen Wechselkurs, um die Spesen­abwicklung, um die Finanzierung in einem Betrieb zu gewährleisten und sicherzu­stellen, eine Bank. Die benötigt man heute natürlich auch, aber es ist die digitale Bank.


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