12.38

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Längle, das war ja ein wunderbarer Appell betreffend Naturschutz – super! (Bundesrat Längle: Das ist ja sehr wichtig!) Ja, das ist absolut wichtig! Ich gebe dir in vielen Punkten wirklich recht. Es ist überraschend, aber es wurden wirklich sehr gute Punkte angesprochen! (Bun­desrat Längle: Danke schön!)

Ich habe mir hauptsächlich den Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirt­schaft angeschaut, und dieser zeigt deutlich – und das ist erschreckend –, dass trotz der dramatischen Herausforderungen, denen die Landwirtschaft gegenübersteht, das Bundesministerium und Sie, Frau Minister Köstinger, weiterhin Agrarpolitik des alten Stils betreiben. Diesen alten Stil können und dürfen wir uns in Zeiten der Klimakrise und der Umweltkatastrophen nicht mehr leisten. Das geht nicht!

Ich erkläre Ihnen gerne, werte Kolleginnen und Kollegen, warum ich dieser Meinung bin: Die Agrar- und Umweltpolitik hat nämlich in dieser Bundesregierung nach wie vor nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdient hätte. Es geht dabei tatsächlich um eine Überlebensfrage, und ich schaue mir gerne auch das Handeln dieser Bundesre­gierung in dieser Überlebensfrage an! So hat sich zum Beispiel Herr Vizekanzler Stra­che in den vergangenen Tagen damit gerühmt, dass in dieser Regierung mit 2,84 Mil­liarden Euro das höchste Sicherheitsbudget der Zweiten Republik erstellt worden ist. – Im Hinblick darauf frage ich mich, wie man einerseits so stolz auf diese Summe sein kann – wobei die Sicherheitspolitik selbstverständlich besonders wichtig ist –, anderer­seits jedoch im Zusammenhang mit einem der wichtigsten Bereiche, nämlich der Land­wirtschaft, bei der es um unser Überleben auf dieser Erde, auf diesem Planeten geht, gespart wird.

Vergleicht man nämlich die Ausgaben im Rahmen des Umweltprogrammes ÖPUL in der Förderperiode 2013 bis 2017 mit der jetzigen Förderperiode, dann sieht man, dass gerade im Bereich der Umwelt gespart wird: Es wurde von 47,1 Prozent auf 40,1 Pro­zent reduziert, das bedeutet ein Minus von 7 Prozent. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Auch das Bottom-up-Programm LEADER – Ferdinand Tiefnig ist sogar im Vorstand –, mit dem lokale Entwicklung in den ländlichen Räumen unter Beteiligung der AkteurInnen vor Ort gefördert wird, musste dramatische und drastische Einbußen hinnehmen.

Gleichzeitig wird mit Steuergeldern die weitere Ankurbelung von Exporten von land­wirtschaftlichen Produkten unterstützt. So wurden in der ersten Programmänderung zusätzliche 20 Millionen Euro für die großen Verarbeitungsunternehmen, die auf Export setzen, bereitgestellt.

Eigentlich bräuchten wir einen anderen Schwerpunkt in der Agrarpolitik. Angesichts der Herausforderungen durch die Klimakrise und des Verlustes von Biodiversität, der immer dramatischer wird, braucht es eine wirkliche Agrarwende, Frau Ministerin. Die österreichische Landwirtschaft produziert Unmengen an Überschüssen – Unmengen! Das geschieht oft unter Einsatz von Kunstdünger, was übrigens zum Klimawandel bei­trägt, von Pestiziden, die die Biodiversität zerstören, und von importierten, oft gentech­nisch manipulierten Futtermitteln, deren Anbau im globalen Süden sozial und ökolo­gisch zerstörerisch wirkt. Das wissen Sie.

Wenn man diese Überschüsse dann noch mithilfe von Steuergeldern exportieren will, dann ist das absurd und nicht nachhaltig. Davon profitieren weder die Bürgerinnen und Bürger noch die Bäuerinnen und Bauern. Noch dazu kann nicht einmal garantiert wer­den, dass diese Exportpolitik überhaupt funktioniert oder weiter funktionieren wird.

Erst vor ein paar Tagen gab es einen spannenden APA-Artikel dazu. Darin war zu lesen, dass die Milchverarbeiter auf die Verlängerung ihrer Exportlizenzen nach China warten. China lässt sich aber Zeit. Daher erhebt sich die Frage: Was tun mit all der Milch, wenn es nicht mehr möglich sein sollte, diese 16 000 Kilometer weit nach China zu schicken? Was wird mit dieser Milch geschehen? – Hier kann und soll man dann über verschüttete Milch weinen, wie es so schön heißt.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Sie vor laufender Kamera gesagt und mit Begeisterung auf Twitter geschrieben und stolz verkündet haben, dass wir jetzt quasi Saurüssel und Schlachtabfälle nach China exportieren. – Diese Exportpolitik nützt den Bäuerinnen und Bauern nicht, ganz im Gegenteil!

Das Agrar- und Ernährungssystem braucht also eine dringende Totalüberholung. Frau Minister Köstinger hätte als Vorsitzende des Agrarministerrates die Möglichkeit gehabt, sich im Rahmen der derzeitigen Reform der europäischen Agrarpolitik für eine Agrar­wende einzusetzen. Leider haben wir nicht vernommen, dass Sie in diese Richtung irgendetwas getan hätten. Wir haben nichts mitbekommen, nichts; es ist wirklich scha­de um diese vertane Chance! Das beweist, dass es sich hierbei nicht um eine Rats­präsidentschaft, sondern um eine Rastpräsidentschaft handelt! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wir Grüne fordern Sie, Frau Ministerin, auf, im Interesse der Bäuerinnen und Bauern sowie der BürgerInnen im Sinne der Umwelt und der zukünftigen Generationen alles im Bereich Ihrer Möglichkeiten zu tun, um dem alten Stil der Agrarpolitik den Rücken zu kehren und sie wieder in die Lage zu versetzen, ihre eigentlichen Ziele verfolgen zu können. Diese Politik muss die Rahmenbedingungen dafür stecken, dass gutes Essen für alle möglich ist, dass Bäuerinnen und Bauern ein angemessenes Einkommen erzie­len und erwirtschaften können, dass die Klimakatastrophe abgeschwächt wird und dass dabei weder die Umwelt noch die Tiere im wahrsten Sinne unter die Traktorräder kommen.

Das wäre notwendig. Wir werden heute die Kenntnisnahme aller Berichte ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

12.43

Vizepräsident Ewald Lindinger: Ich begrüße unseren ehemaligen Präsidenten des Bundesrates, Nationalratsabgeordneten Mario Lindner. Herzlich willkommen in diesem Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile dieses.