BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 113

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das heißt, 80 Prozent der zu pflegenden Menschen werden von Angehörigen, Ver­wandten, FreundInnen, Nachbarn oder sonst irgendjemandem betreut – und das, wie bereits gesagt, ohne Bezahlung. Diese wichtige Arbeit leisten die Frauen ohne Anrech­nungszeiten, ohne Versicherungszeiten und mit allgemein verschwindender Wertschät­zung bezüglich Sozialleistungen.

Es braucht nun endlich einmal einen bundeseinheitlichen Personalschlüssel in den sta­tionären Betreuungseinrichtungen, der sich auch wirklich an die aktuellen Herausfor­derungen, die aktuellen Situationen in den Pflegeeinrichtungen anpasst. Ich sage nur: Stichwort Demenz, Pflegestufe 3 – die Leute, die sich mit diesem Bereich beschäfti­gen, wissen, was ich meine.

Ein riesiges Problem, das auf uns zukommt, das noch gar nicht, glaube ich, wirklich an­gesprochen worden ist – und alle, die im Sozialhilfeverband, in den Bezirken und so weiter tätig sind, wissen es –, ist, dass es einfach keine Pflegekräfte mehr gibt. Wir ha­ben einen akuten Pflegekräftemangel draußen in der Peripherie, das ist ein Riesenpro­blem, das müssen wir angehen. Egal ob in der mobilen oder in der stationären Betreu­ung, da braucht es definitiv eine Anhebung der Löhne, moderne Arbeitszeitmodelle, Personalschlüssel, klare Kompetenzverteilung, Druck von den Pflegekräften. Ich glau­be, das wird für die langfristige Absicherung im Sinne der Pflege wirklich notwendig sein. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Problem. Das ist auch an Sie, Herr Vi­zekanzler, gerichtet: Vielleicht können Sie das dem Sozialministerium ausrichten, da braucht es wirklich Antworten, damit wir zukunftsfit werden.

Herr Vizekanzler, so ungern Sie das auch hören, reden wir doch bitte wirklich einmal über eine Erbschafts- und Schenkungssteuer mit einem Schonvermögen! Ich rede jetzt nicht von einem generellen Drüberfahren oder einer Massensteuer, wie es die Sozial­ministerin im Nationalrat behauptet hat (Bundesrat Schuster: Noch mehr Steuer! Ab­zocke!) – nein! –, sondern davon, dass es wirklich nur die trifft, die es sich leisten kön­nen, die Millionäre sind, die erben. Ich rede nicht von einer Angleichung von allen, ich rede von einer solidarischen Gesellschaft, davon, dass die Reichen etwas für die Ar­men hergeben, dass es eine solidarische Gesellschaft ist. In einer sozial abgesicherten Gesellschaft profitieren auch die reichen, die wohlhabenden Menschen, das wäre sinn­voll. Davon, dass es jemandem schlechter geht, profitieren ja die Reichen auch nicht. Wir brauchen eine solidarische, eine sozial abgesicherte Gesellschaft.

Hinsichtlich der Finanzen braucht es auch längerfristige Perspektiven der Finanzierung von Bund und Ländern, die über Legislaturperioden, über Finanzausgleichsperioden hi­nausgehen, und nicht jedes Jahr wieder neue Finanzverhandlungen. Es braucht fi­nanzielle Absicherungen für alle Stakeholder da draußen. Zudem muss es gelingen, dass im Rahmen des Pflegefonds eine österreichweite Vereinheitlichung des Pflege- und Betreuungsangebots erreicht wird. Das wäre notwendig, denn derzeit entscheidet de facto die Postleitzahl über das Ausmaß, die Kosten und die Qualität der Leistungen, die pflegebedürftige Menschen erhalten. Das ist ungerecht und das müssen wir än­dern.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die steigenden Kosten in der Pflege nicht nur als Problem, sondern auch als Chance gesehen werden. In einer gesamtwirt­schaftlichen Perspektive führen die Investitionen zu einer höheren Beschäftigung, zu Mehreinnahmen bei der Lohnsteuer und im Sozialversicherungssystem sowie geringe­ren Ausgaben in der Arbeitslosenversicherung. Pflegepolitik verlangt Weitblick und ein langfristiges Konzept, damit auch weiterhin jeder Mensch einen Zugang zu qualitätsvol­ler Pflege und Betreuung hat.

Ich hoffe wirklich, dass sich diese Bundesregierung dieses Themas ernsthaft annimmt. Es ist jetzt ein Entwurf gekommen – die Frau Kollegin hat da schon hineingeschaut –, wir werden ihn genau begutachten, wir werden darüber reden und, wie gesagt, wir


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