Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

886. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 6. Dezember 2018

 

 


Stenographisches Protokoll

886. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 6. Dezember 2018

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 6. Dezember 2018: 9.05 – 18.15 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Sicherheitsbericht 2017

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesämtergesetz geändert wird

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz geändert wird

4. Punkt: Grüner Bericht 2018

5. Punkt: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018

6. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2017

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz über ergänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwandlung der Ti­roler Zukunftsstiftung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend Vereinba­rung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementar­pädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Ab­schaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen erlassen wird und mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 ge­ändert wird

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz TSchG) BGBl. 118/2004, zuletzt geändert mit BGBl Nr. 37/2018, geändert wird

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 2

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Markenschutzgesetz 1970 geändert wird

14. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwick­lung 2017

*****

Inhalt

Bundesrat

Mitteilung der Präsidentin Inge Posch-Gruska hinsichtlich der Aktion Orange The World                     9

Schreiben des Bundeskanzlers Sebastian Kurz gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG be­treffend den Vorschlag zur Ernennung von Herrn Universitätsprofessor Gesand­ten Mag. Dr. Andreas Kumin als österreichischen Richter des Gerichtshofes der Europäischen Union .................................................................. 29

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Antrag 238/A-BR/2017 der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sani­täter (Sanitätergesetz – SanG), BGBl. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 8/2016, geändert wird“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 20. Dezem­ber 2018 zu setzen – Ablehnung  34, 150

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschlie­ßungsantrag 255/A(E)-BR/2018 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Ausbildung statt Abschiebung“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 14. Februar 2019 zu setzen – zurückgezogen ...................................  34, 47

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Hilfen für junge Erwachsene“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 20. Dezember 2018 zu setzen – Ablehnung .........................................................  34, 151

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Aktuelle Stunde (66.)

Thema: „Gewalt gegen Frauen und Kinder“ .............................................................. 9

RednerInnen:

Marianne Hackl ............................................................................................................. 10

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 11

Georg Schuster ............................................................................................................ 14

Wolfgang Beer (tatsächliche Berichtigung) .................................................................. 15

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ........................................................  16, 24

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..................................................................................... 19

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 20

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 21

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 23


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 3

Bundesregierung

Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend Auf­enthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union  31, 32, 33, 47

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 34

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 34

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 26

Verhandlungen

1. Punkt: Sicherheitsbericht 2017 (III-665-BR/2018 d.B. sowie 10057/BR d.B.)              35

Berichterstatter: Georg Schuster ................................................................................. 35

RednerInnen:

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 35

Armin Forstner, MPA ................................................................................................... 37

Martin Weber ................................................................................................................. 40

Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler ............................................................... 41

Gottfried Sperl .............................................................................................................. 44

Jürgen Schabhüttl ........................................................................................................ 46

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-665-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 47

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesämtergesetz geändert wird (300 d.B. und 333 d.B. sowie 10065/BR d.B.) ....... 48

Berichterstatterin: Andrea Wagner ............................................................................... 48

RednerInnen:

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 48

Klara Neurauter ............................................................................................................ 49

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 50

Christoph Längle, BA .................................................................................................. 51

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ..................................................................... 52

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 53

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz geändert wird (437/A und 335 d.B. sowie 10066/BR d.B.)           ............................................................................................................................... 54

Berichterstatterin: Andrea Wagner ............................................................................... 54

RednerInnen:

Ingo Appé ...................................................................................................................... 54

Martin Preineder ........................................................................................................... 56

Thomas Schererbauer ................................................................................................. 57

Ferdinand Tiefnig ......................................................................................................... 59

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ..................................................................... 59


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 4

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 61

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Grüner Bericht 2018 (III-659-BR/2018 d.B. sowie 10067/BR d.B.) ............... 61

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ................................................................................ 61

5. Punkt: Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018 (III-632-BR/2017 d.B. sowie 10068/BR d.B.) ....................................................................... 61

Berichterstatter: Silvester Gfrerer ................................................................................ 61

RednerInnen:

Dr. Peter Raggl ............................................................................................................. 61

Jürgen Schabhüttl ........................................................................................................ 64

Christoph Längle, BA .................................................................................................. 67

David Stögmüller .......................................................................................................... 68

Martin Preineder ........................................................................................................... 70

Dominik Reisinger ........................................................................................................ 72

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ..................................................................... 74

Ferdinand Tiefnig (tatsächliche Berichtigung) ............................................................. 75

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-659-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 76

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, den Bericht III-632-BR/2017 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 76

6. Punkt: Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Öster­reich 2017 (III-664-BR/2018 d.B. sowie 10061/BR d.B.) .............................................................................. 76

Berichterstatterin: Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ....................................................... 76

RednerInnen:

Robert Seeber ............................................................................................................... 76

Günther Novak ............................................................................................................. 79

Mag. Reinhard Pisec, BA MA ...................................................................................... 81

Reinhard Todt (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 83

Hubert Koller, MA ......................................................................................................... 83

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 86

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ..................................................................... 87

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-664-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 88

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz über ergänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwand­lung der Tiroler Zukunftsstiftung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (447/A und 354 d.B. sowie 10059/BR d.B.)                         88

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 88

RednerInnen:

Klara Neurauter ............................................................................................................ 89

Stefan Zaggl .................................................................................................................. 89

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 90


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 5

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend Ver­einbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 (331 d.B. und 355 d.B. sowie 10058/BR d.B.) ............................................ 90

Berichterstatterin: Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA .................................................. 91

RednerInnen:

David Stögmüller .......................................................................................................... 91

Mag. Martina Ess .......................................................................................................... 93

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 94

Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................... 97

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ................................................. 99

Ferdinand Tiefnig ....................................................................................................... 101

Korinna Schumann .................................................................................................... 102

Georg Schuster .......................................................................................................... 103

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 105

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen erlassen wird und mit dem das Finanzaus­gleichsgesetz 2017 geändert wird (327 d.B. und 362 d.B. sowie 10055/BR d.B.)          105

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA .......................................................................... 105

RednerInnen:

Korinna Schumann .................................................................................................... 106

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 107

Dr. Gerhard Leitner .................................................................................................... 108

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ................................................................................... 110

David Stögmüller ........................................................................................................ 111

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 114

Christoph Längle, BA ................................................................................................ 117

Ing. Bruno Aschenbrenner ....................................................................................... 119

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 121

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (442/A und 364 d.B. sowie 10056/BR d.B.)         ............................................................................................................................. 121

Berichterstatter: Christoph Längle, BA ..................................................................... 121

RednerInnen:

Michael Wanner .......................................................................................................... 121

Rosa Ecker, MBA ....................................................................................................... 122

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 123

Ing. Bernhard Rö


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 6

sch .................................................................................................. 125

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 127

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tier­schutzgesetz TSchG) BGBl. 118/2004, zuletzt geändert mit BGBl Nr. 37/2018, geändert wird (402/A und 349 d.B. sowie 10054/BR d.B. und 10060/BR d.B.)             ............................................................................................................................. 127

Berichterstatter: Ing. Bernhard Rösch ....................................................................... 128

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................... 128

Thomas Schererbauer ............................................................................................... 129

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ............................................................................................... 131

Silvester Gfrerer ......................................................................................................... 131

Dr. Gerhard Leitner .................................................................................................... 133

Thomas Schererbauer (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 134

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ....................................................................... 134

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 137

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird (278 d.B. und 360 d.B. sowie 10062/BR d.B.)                             137

Berichterstatter: Georg Schuster ............................................................................... 137

RednerInnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 137

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ....................................................................................... 138

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 138

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 139

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Markenschutzgesetz 1970 geändert wird (294 d.B. und 361 d.B. sowie 10063/BR d.B.)                139

Berichterstatter: Gerd Krusche ................................................................................... 139

RednerInnen:

Mag. Reinhard Pisec, BA MA .................................................................................... 139

Andrea Wagner ........................................................................................................... 140

Wolfgang Beer ............................................................................................................ 141

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 142

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 143

14. Punkt: Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung- und Technologieentwick­lung 2017 (III-658-BR/2018 d.B. sowie 10064/BR d.B.) ............................................................................ 143

Berichterstatter: Mag. Reinhard Pisec, BA MA ......................................................... 143

RednerInnen:

Gerd Krusche ............................................................................................................. 143

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................. 145

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 146

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ......................................................................... 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-658-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 150


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 7

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Öffentlichkeitsrecht der Weinbergschule See­kirchen (3590/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Ansuchen der „LAIS Schule Klagenfurt“ um Öf­fentlichkeitsrecht (3591/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend „der formativen Evaluation der Grundschulreform“ (3592/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend BMVIT Channel auf oe24.at (3593/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Zwischenfall vor der Botschaft der Ukraine (3594/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Repräsentationsaufwand (3595/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Sicherheit österreichischer diplomatischer Vertre­tungen in der Türkei (3596/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitali­sierung und Wirtschaftsstandort betreffend Lebensmittelsicherheit bei Eiern und Eipro­dukten (3597/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Zuneigung zu MILF (3598/J-BR/2018)

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Verein Teen STAR (3599/J-BR/2018)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend der gefangenen österreichischen StaatsbürgerInnen und Journalisten in der Türkei (3601/J-BR/2018)

*****

Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Bundesrates betreffend der Veranstaltung „Krampus, Nikolo und Co – Geschichte eines Brauch­tums“ im Palais Epstein (3600/JPR-BR/2018)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Chemtrails (3295/AB-BR/2018 zu 3570/J-BR/2018)


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 8

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Gleichstellung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Part­nerschaften (3296/AB-BR/2018 zu 3564/J-BR/2018)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die An­frage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Be­schwerden beim BVwG hinsichtlich Asyl (3297/AB-BR/2018 zu 3567/J-BR/2018)

des Bundesministers für Landesverteidigung auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die ideologische Orien­tierung und fragwürdige Aussagen diverser Kabinettsmitarbeiter (3298/AB-BR/2018 zu 3566/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stög­müller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuüberprüfung von Fluchtgründen (3299/AB-BR/2018 zu 3568/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ausstattung der geplanten Reiter­staffel der Polizei (3300/AB-BR/2018 zu 3565/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Bun­desrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Infor­mationspolitik und den Geltungsdrang der Frau Bundesminister (3301/AB-BR/2018 zu 3569/J-BR/2018)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Folgeanfrage zur Anfrage „Qualifizierungsmaßnahmen für AsylbewerberInnen und Asylberechtigte“ (3302/AB-BR/2018 zu 3571/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend auf die Anfrage der Bundes­rätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kürzung der Fami­lienbeihilfe für Kinder im Ausland (3303/AB-BR/2018 zu 3572/J-BR/2018)


 


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 9

09.05.41Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Inge Posch-Gruska, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vizepräsident Ewald Lindinger.

*****


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Ich eröffne die 886. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 885. Sitzung des Bundesrates vom 8. November 2018 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet für die heutige Sitzung sind die Mitglieder des Bundesrates Mag. Christian Buchmann, Mag.a Doris Schulz und Elisabeth Grimling.

Bevor wir mit der Aktuellen Stunde beginnen, darf ich kurz einige Worte zu unserer Fo­toaktion, die wir gerade gemacht haben, sagen.

09.06.22Mitteilung der Präsidentin hinsichtlich der Aktion Orange The World


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Sie alle, die Sie hier sitzen, wissen, dass Gewalt gegen Frauen nicht auf Zonen beschränkt ist, in denen es Konfliktherde gibt, nicht auf Gebiete begrenzt ist, wo es Krisenherde gibt. Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist leider allgegenwärtig, egal welches Alter, egal welchen sozialen Stand, egal welche Ausbildung und welche Bildung die Menschen auch haben. Letzten Endes ist Gewalt sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum gegenwärtig.

Deshalb macht die Organisation UN Women mit Orange The World darauf aufmerk­sam, dass Gewalt gegen Frauen nicht toleriert werden darf. Auch das österreichische Parlament wollte mit der Einfärbung des Hauses am Josefsplatz, die schon stattge­funden hat, ein deutliches Zeichen dagegen setzen.

Ich möchte mich bei euch allen recht herzlich für die Fotos, die wir heute gemacht ha­ben, und auch für das gemeinsame Zeichen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, das wir hier gesetzt haben, bedanken.

09.07.31Aktuelle Stunde


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Gewalt gegen Frauen und Kinder“

mit dem Bundesminister für Inneres Herbert Kickl, der seine Angelegenheiten im Bun­desrat gemäß Art. 78 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch die Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag.a Karoline Edtstadler wahrnehmen lässt.

Liebe Frau Staatssekretärin! Ich darf Sie bei uns recht herzlich willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren beziehungsweise dessen Redezeit jeweils 10 Minuten beträgt. Sodann folgt die Stellungnahme der Frau Staats­sekretärin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 10

eine Rednerin/ein Redner der Fraktionen sowie anschließend ein Redebeitrag der Bun­desrätInnen ohne Fraktion mit jeweils 5-minütiger Redezeit. Zuletzt kann noch eine ab­schließende Stellungnahme der Frau Staatssekretärin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marianne Hackl. – Bitte, Marianne.


9.08.47

Bundesrätin Marianne Hackl (ÖVP, Burgenland): Einen wunderschönen guten Mor­gen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nein zu Gewalt! Nein zu Gewalt gegen Frauen und Kinder! Nein, es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt!

Wir positionieren uns gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Gewalt ist Ausdruck der historisch ungleichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Gewalt ist die größte Menschenrechtsverletzung, die dazu geführt hat, dass die Frau vom Mann do­miniert und diskriminiert wird und daran gehindert wird, sich voll zu entfalten.

Im Kontext mit Gewalt in der Familie kommt uns oft als Erstes das Bild der misshan­delten Frau, die von ihrem Mann oder Partner geschlagen wird, in den Sinn, aber der Begriff umfasst weit mehr: Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen und Trennungs­situationen, Gewalt gegen Männer in Trennungssituationen, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in der Familie, Gewalt gegen ältere Menschen im Familienverband, Ge­walt gegen Menschen mit Behinderung im Familienverband.

Unter Gewalt versteht man nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch sexuelle, psy­chische Gewalt, aber auch Stalking zählt zur Gewalt. Lange Zeit wurden Angriffe oft als Kavaliersdelikte gewertet, nun muss aber Schluss damit sein! Insbesondere Frauen in Gewaltsituationen fühlen sich oftmals allein gelassen. Angst, Scham, Schuldgefühle er­schweren den Weg, Unterstützung zu suchen.

Leider steigen die offiziellen Zahlen stetig an, ganz zu schweigen von der Dunkelziffer, die leider nicht zu eruieren ist. Und genau deshalb muss dieses sensible Thema immer wieder aufgezeigt werden. Im Rahmen der internationalen Kampagne für Anerkennung von Frauenrechten als Menschenrechte und gegen Gewalt gegen Frauen setzen auch die ÖVP-Frauen im Burgenland ein Zeichen und tragen als Zeichen dafür, dass dies kein Tabuthema sein darf, eine Gerechtigkeitsskulptur von einem Bezirk in den ande­ren.

In Österreich erfährt jede fünfte Frau, das heißt 20 Prozent der Frauen, ab ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Jede dritte Frau, exakt 35 Pro­zent, hat ab ihrem 15. Lebensjahr eine Form der sexuellen Belästigung erlebt. Psychi­sche Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner haben 38 Prozent der Frauen ab ih­rem 15. Lebensjahr erlebt. Jede dritte Frau in Österreich war bereits Opfer von se­xualisierter Gewalt. Jede fünfte in einer Beziehung lebende Frau wird von ihrem Ehe­mann oder Lebensgefährten misshandelt.

Auch die Zahlen im Burgenland sind besorgniserregend: Jede fünfte Frau ist von Ge­walt betroffen. 2016 waren es insgesamt 570 Opfer, 2017 waren es über 600 Frauen, die im Gewaltschutzzentrum Schutz gesucht haben. Die Dunkelziffer beläuft sich aber leider auf über das Zehnfache. Es wurden 221 Betretungsverbote ausgesprochen. 36 Frauen sind im Vorjahr in Österreich durch Gewalt ums Leben gekommen, zwei da­von im Burgenland.

Ich selbst hatte ein Erlebnis, das ich kurz ansprechen darf. Ich war vor vielen Jahren im Spital, habe eine sehr gute Bekannte getroffen, habe sie gefragt, wie es ihr geht, was sie gemacht hat, denn sie hatte Verletzungen. Sie sagte, sie sei über einen Hund ge­fallen. Viele Monate später war sie tot, von ihrem eigenen Mann getötet.


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Meiner Meinung nach ist Opferunterstützung und -schutz ein wichtiger Teil, der zu be­achten ist. 30 Frauenhäuser mit rund 800 Plätzen für Frauen und Kinder – die EU empfiehlt, die Zahl der Betreuungsplätze bedarfsorientiert, also dort, wo diese ge­braucht werden, zu erhöhen. Daher hat unsere Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß 100 Plätze bis 2022 zugesichert. Dafür darf ich mich hier an dieser Stelle bei der Familienministerin, aber auch bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, sehr herzlich be­danken. Sie nehmen sich im Interesse der Frauen und Kinder in Not, die rasche Hilfe brauchen, der Sache an. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Neben der Frage der notwendi­gen Gerechtigkeit und der Bestrafung der Täter ist es nämlich ganz entscheidend, die Opfer bestmöglich in dieser für sie ohnehin oftmals unvorstellbar schwierigen Situation zu unterstützen.

Ich selbst durfte erst vor Kurzem bei Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen des Vereins Frauen für Frauen in Oberwart im Burgenland dabei sein und dazu gratulieren. Ich erwähnte schon dort, wie wichtig diese Arbeit ist, die Frauen für Frauen über 30 Jahre geleistet haben.

Der Frau Bundesminister ist die Absicherung des Frauenbudgets und somit die Absi­cherung der Frauen- und Mädchenberatungsstellen sehr wichtig.

In allen Bundesländern sind Interventionsstellen beziehungsweise Gewaltschutzzen­tren eingerichtet. Sie sind staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtungen und werden zum Beispiel bei einem Betretungsverbot verpflichtend von der Polizei verständigt, wo­rauf das Gewaltschutzzentrum sofort mit dem Opfer Kontakt aufnimmt und kostenlose und vertrauliche Beratung und Unterstützung anbietet.

Beispielhaft sind auch die Tara-Beratungsstellen, der Verein die Möwe – Kinderschutz­zentren und auch der Weiße Ring, die Präventionsarbeit leisten, zu erwähnen.

Erstmals seit Jahren ist es heuer gelungen, schon im Vorjahr – also heuer, 2018 – För­derzusagen zu treffen und somit Planungssicherheit für alle Frauenberatungseinrich­tungen für das kommende Jahr zu erreichen. Früh getroffene Entscheidungen für 2019 bedeuten, dass die Ministerin sich aktiv um die finanzielle Absicherung der Frauenbe­ratungseinrichtungen kümmert. Wie auch schon 2018 kommt es auch 2019 zu keinen Kürzungen beim Gewaltschutz. Das ist sehr zu begrüßen, und ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin, für Ihren diesbezüglichen Einsatz (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn bei Gewalt gegen Frauen muss der blinde Fleck in der Gesellschaft weg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.17


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Grossmann. – Bitte, Elisabeth.


9.17.17

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, es ist traurige Realität: Jede fünfte Frau ist zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt, und es gibt – meine Vorrednerin, Bundesrätin Hackl, hat es schon angesprochen – viele Formen von Gewalt, und in dieser Berechnung wird nur die physische Gewalt gezählt, das heißt, die anderen Gewaltformen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Fest steht eines, meine sehr geehrten Damen und Herren: Frauen und Kinder sind die Hauptopfer von Gewalt, und der gefährlichste Ort ist das sogenannte traute Heim, sind die eigenen vier Wände, der intimste Rückzugsort. Und der häufigste Täter ist der ei­gene Lebenspartner und weniger der mysteriöse Unbekannte irgendwo im öffentlichen Raum. In diesem Zusammenhang entsteht aber vielfach eine verzerrte Wahrnehmung, weil das von Teilen der Politik und auch der Medien oft anders dargestellt wird. Es ist


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so: Häusliche Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt, und für die Opfer ist es wohl am schlimmsten, wenn der intimste Rückzugsort zur Gefahrenzone wird und der Mensch, dem man ursprünglich am meisten vertraut hat, der Lebenspartner, zum Täter wird.

Österreich hat in der Vergangenheit sehr viel für Gewaltschutz getan und wird auch als internationales Vorbild immer wieder erwähnt und ist anerkannt. Unsere Gewaltschutz­gesetze mit Wegweiserecht, Betretungsverbot, einstweiligen Verfügungen zum Schutz von Gewaltopfern, Prozessbegleitung, also nicht nur Rechtsbegleitung, sondern auch psychosoziale Begleitung und Betreuung, neuen Straftatbeständen, Frauenhäusern, Gewaltschutzzentren wurden allesamt, das kann man eindeutig auch so festmachen, von SPÖ-Frauenministerinnen gefordert und auch umgesetzt und sind auch jüngst wiederum im sogenannten Grevio-Bericht gewürdigt worden. Grevio ist ein unabhän­giges Kontrollorgan für Menschenrechte, das die Umsetzung der Istanbulkonvention kontrolliert.

Die Istanbulkonvention ist Ihnen ja wahrscheinlich bestens bekannt: eine Konvention des Europarates zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt. Sie wurde, das muss man auch betonen, von österreichischen Vertretern im Europarat, wie zum Bei­spiel Gisela Wurm und auch Stefan Schennach, soviel ich weiß, maßgeblich mitbe­gleitet und auch miterarbeitet, wurde von Österreich ratifiziert und ist seit 2014 in Kraft. Sie wird jetzt natürlich auch laufend auf die Umsetzung hin evaluiert, und da wurde Ös­terreich ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, aber es wurden natürlich auch Empfeh­lungen abgegeben, nämlich dahin gehend, diesen Weg, der in der Vergangenheit ein­geschlagen wurde, konsequent fortzusetzen, eben nach dem Motto: vorwärts und nicht zurück!

Vor allem gilt es, die Prävention zu stärken und die strafrechtliche Verfolgung zu ver­bessern, um auch höhere Verurteilungsquoten zu erreichen, denn wenn man sich das jetzt neu – ganz so neu ist es auch nicht mehr – geschaffene Delikt Fortgesetzte Ge­waltausübung vor Augen führt, so stellt man fest, es hat in einem Jahr 937 Anzeigen gegeben, davon wurden 924 Fälle angeklagt, es hat aber nur 190 Verurteilungen ge­geben. Bei Stalking, auch ein relativ neuer Straftatbestand, hat es 2 196 Anzeigen ge­geben, aber nur 239 Verurteilungen. Das ist eine Schieflage, die natürlich auch zu der Empfehlung Anlass gegeben hat – nicht nur in diesem Grevio-Bericht, sondern auch im Schattenbericht der NGOs; da haben sich vor allem auch Frauenorganisationen ge­äußert –, in diesem Zusammenhang die Ermittlungsarbeit zu verbessern und vor allem auch den Opfern die Beweisführung zu erleichtern.

Das sind Forderungen, die uns als SPÖ sehr vertraut sind, weil wir sie auch schon sehr lange erheben, auch wenn es darum geht, bei Betretungsverboten die Täterarbeit zu forcieren. Opfer und auch Täter – und das gilt es auch besonders zu betonen – müs­sen umfassend betreut werden und dürfen sich nicht selbst überlassen werden, damit es eben nicht zu Wiederholungshandlungen kommt oder damit das diesbezügliche Ri­siko zumindest weitgehend minimiert wird.

Opfer, auch das gilt es besonders zu betonen, sind natürlich auch Kinder, die Gewalt­taten vor allem gegen die Mutter mit ansehen mussten. Was dann in einem Kind vorge­hen muss, das kann man sich gar nicht vorstellen. Diese Kinder müssen selbstver­ständlich auch intensivst betreut und begleitet werden, insbesondere dann, wenn sie als Zeuginnen und Zeugen aussagen müssen. Das ist eine unglaubliche psychische Belastung für Kinder und da braucht es natürlich auch entsprechende Unterstützung und sensible Begleitung.

Insgesamt hat es sehr gute Ansätze gegeben, da koordiniert vorzugehen, eben indem Fallkonferenzen von Sicherheitsbehörden, Gewaltschutzzentren, Sozialarbeit und so weiter durchgeführt wurden, um Lücken zu schließen und eben wirklich im Einzelfall


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 13

rasch und abgestimmt und koordiniert reagieren zu können. Es ist daher wirklich sehr schade und ein großes Versäumnis, dass diese Fallkonferenzen jetzt plötzlich infrage gestellt und auch eingestellt wurden.

Frau Staatssekretärin, vielleicht können Sie dazu auch Stellung nehmen? Ich werte das wirklich als einen sehr großen Rückschritt im Bereich Gewaltschutz, und das sollte zurückgenommen werden. Diese Fallkonferenzen sind unglaublich wichtig und sollten sofort wieder aufgenommen werden.

Frauenberatung darf nicht reduziert werden, aber es braucht auch mehr Männerbera­tung, damit Aggressionen und ungelöste Konflikte gar nicht erst in Gewalt eskalieren können – darum geht es. Es geht hier wirklich auch um gezielte Prävention. Was macht aber die Bundesregierung? – Die Mittel für Gewaltschutz und Gleichstellung – das wurde hier ein bisschen vermischt – wurden und werden mit 10 Millionen Euro limitiert. Das sind 1,14 Euro pro ÖsterreicherIn, und das ist eindeutig zu wenig, wenn man Gewaltschutz wirklich ernst nimmt. (Beifall bei der SPÖ.)

Da braucht es mehr Ressourcen, um auch die durch die Istanbulkonvention eingegan­genen Verpflichtungen wirklich erfüllen zu können. Sie, Frau Bundesrätin, haben ge­sagt, es ist nichts gekürzt worden, aber es ist da sehr wohl eine Kürzung zu ver­nehmen, denn man muss bedenken, durch die entsprechenden Biennalsprünge und auch sonst wird ja alles immer teurer, aber das ist überhaupt nicht berücksichtigt wor­den. Und wenn das eben mit den Beratungseinrichtungen und Gewaltschutz und so weiter vermischt wird, dann ist das im Endeffekt eine Kürzung. Wir bräuchten aber mehr Ressourcen, viel mehr Ressourcen. Es wurden auch 100 zusätzliche Plätze in Frauenhäusern versprochen – versprochen wurden sie, aber wir fragen uns schon, wo sie sind, wo sie vor allem auch budgetiert sind.

Sie haben es auch angesprochen: Gewalt hat viele Gesichter. Vom Bundesrat wurde schon sehr früh Hass im Netz thematisiert – unlängst auch in einer Veranstaltung von Frau Bundesratspräsidentin Inge Posch-Gruska, in der erneut die Forderung erhoben wurde, gerade die Prävention zu verstärken. Da ist auch in der letzten Legislaturpe­riode sehr viel geschehen, es wurden neue Straftatbestände eingeführt, aber diese müssen in der Praxis noch stärker ankommen. Und da muss man eben auch den Opfern mehr Möglichkeiten der Beweisführung geben, denn es kommt auch da zu sehr wenig Verurteilungen und man muss da den Opfern wirklich entsprechend entgegen­kommen. Wir müssen natürlich auch alles daransetzen, dass das Exekutivpersonal bestmöglich ausgebildet und sensibilisiert wird. Es wurden ursprünglich auch einmal zehn einschlägig geschulte neue Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Aussicht ge­stellt. Es würde mich auch interessieren: Wie ist diesbezüglich der Umsetzungsstand? Diesbezüglich ist unglaublich viel zu tun!

Ich würde auch anregen, um effizienter und rasch reagieren zu können, vielleicht auch das Verwaltungsstrafrecht verstärkt heranzuziehen, um eben unbedachte Äußerungen im Netz zielgerichtet ahnden zu können und auch einen raschen Lerneffekt erzielen zu können, ohne zeit- und geldraubende Prozesse, die vielleicht irgendwann einmal im Nichts enden. Also da ist unglaublich viel zu tun.

Wenn man von Gewalt spricht, dann ist das alles auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen: Das Grundübel ist die strukturelle Gewalt, sind die ungleichen Machtverhältnis­se, die ungleichen ökonomischen Verhältnisse, die einfach der Nährboden für alle For­men von Gewalt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, diesen Nährboden auszutrocknen und vor allem gegen strukturelle Gewalt insgesamt anzukämpfen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

9.27



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 14

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Georg Schuster. – Bitte.


9.28.04

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat, auf der Galerie und vor dem Livestream! Gewalt gegen Frauen und Kinder, das ist leider ein weltweites Phänomen, ein Gesundheitsthema und ein Menschenrechtsthema. Gewalt beinhaltet natürlich immer auch die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz. Zahlen sind wichtig, um dieses Phänomen greifbar zu machen, das Ausmaß verständlich zu machen und auch die notwendigen Handlungsansätze zur Vorbeugung oder zur Been­digung planbar zu machen.

Die Datenlage zur Gewalt ist nach wie vor sehr unzureichend. Gewalt wird tabuisiert, ist angst- und schambesetzt und wird in vielen Fällen weder angesprochen noch zur Anzeige gebracht. Daher ist natürlich auch von einer sehr hohen Dunkelziffer auszuge­hen. Dennoch gibt es einige Studien, die Kriminalstatistik und auch von Beratungs- und Opferschutzeinrichtungen liegen viele Zahlen vor.

Ich möchte jetzt auf Wien zu sprechen kommen: Es wurden 2017 in der Wiener Inter­ventionsstelle gegen Gewalt in der Familie insgesamt 6 185 Opfer informiert, beraten und unterstützt. In 2 014 Fällen suchten Opfer wegen erneuter Gewaltvorfälle die Inter­ventionsstelle auf und 3 352 Opfer wurden durch Meldungen der Polizei an die Inter­ventionsstelle vermittelt.

Insgesamt, was auch ganz interessant ist, gab es 2017 in Wien 3 098 Betretungsver­bote, das ist eine enorme Zahl. Hotspots bezüglich des Betretungsverbotes sind in Wien die Bezirke Simmering, Landstraße und Ottakring.

92 Prozent der Täter sind männlich, daran sieht man eindeutig, dass Gewalt kein ge­schlechtsneutrales Phänomen ist. Was uns aber auch zu denken geben muss: 38 Pro­zent – und das sind mehr als ein Drittel – der Täter sind Angehörige von Drittstaaten. Das muss uns wirklich zum Nachdenken bewegen. Die größten Tätergruppen aus die­sen Staaten der Drittländer kommen aus der Türkei, Afghanistan, Syrien, Nigeria, aber auch Serbien. Hierbei sei auch erwähnt, dass sich die Anzahl der Täter bei der Gruppe der Syrer seit 2016 im Vergleich zu 2017 fast mehr als verdoppelt hat.

Sie sehen da auch ganz eindeutig, dass wir uns teilweise Gewalt aus anderen Ländern importieren, darüber kann man auch nicht hinwegsehen. Wenn wir uns jetzt einmal die Rohdaten für Österreich betreffend § 75, Mord, anschauen: Wir hatten heuer bereits 88 Mordversuche an Frauen und 37 davon wurden traurigerweise vollendet.

Betreffend die sexuelle Gewalt: Diese ist in den letzten drei Jahren rapide angestiegen, seit 2015 erleben wir in Österreich nämlich einen sprunghaften Anstieg an Vergewalti­gungen, auch durch ausländische Tatverdächtige. Im ersten Halbjahr 2018 hatten wir bereits 374 gemeldete Vergewaltigungen, das sind immerhin zwei am Tag. Zum Glück verfügt Österreich – es wurde auch schon erwähnt – aber über ein sehr gutes Netz­werk an Frauenhäusern und den dort vorhandenen Betreuungseinrichtungen, welche schnell und effizient handeln und Hilfe anbieten. Diese stoßen aber, das muss man ehrlicherweise auch sagen, häufig an ihre Kapazitätsgrenzen.

Insgesamt bieten 30 Frauenhäuser in Österreich 766 Plätze für Frauen und Kinder. Frau Kollegin Grossmann hat schon erwähnt, es gibt diese EU-Studie, wonach jede fünfte Frau – also 20 Prozent der Frauen ab dem 15. Lebensjahr  körperliche oder se­xuelle Gewalt erfährt oder ihr ausgesetzt ist. Es geht aber auch weiter: Jede dritte Frau muss ab ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erfahren und jede siebente Frau ist ab dem 15. Lebensjahr von Stalking betroffen. Sie sehen, das sind sehr alarmierende Zahlen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 15

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf Wien zurückkommen. Gerade in Wien haben wir leider bundesweit den höchsten Anteil an Gewalt an Frauen. Daran ist aber auch eines schuld, das muss ich Ihnen, Kollege Beer, Sie sind ja aus Wien, schon sagen, das ist diese hohe Bedarfsorientierte Mindestsicherung. (Bundesrat Todt: Aus was für einem Grund gibt es ...? Ruf bei der SPÖ: Unfassbar!– Herr Kollege, schreien Sie bitte nicht in das Plenum hinein, Sie sind nicht dran! Sie können sich gerne nachher zu Wort melden, aber unterbrechen Sie mich bitte nicht bei meiner Rede, das wäre nett!

Ich darf noch einmal zurückkommen: Durch die hohe Bedarfsorientierte Mindestsiche­rung in Wien ist gerade Wien ein Sozialmagnet für Migranten und Asylwerber ge­worden. Das macht sich natürlich auch im öffentlichen Raum bemerkbar. Fast täglich ist in allen Zeitungen zu lesen, dass Frauen in Wien auch von Migranten und Asylwer­bern sexuell belästigt werden, aber, meine Damen und Herren, auch verbale Belästi­gungen gegenüber Frauen stehen an der Tagesordnung. Deshalb ist es begrüßens­wert, dass die Taskforce Strafrecht und Opferschutz in Zukunft für höhere Mindeststra­fen bei Sexualdelikten und Gewalt gegen Frauen und Kinder sorgen wird.

Ziel ist eine einheitliche Lösung für einen besseren Schutz für Opfer von häuslicher Gewalt. Erfreulicherweise, es wurde auch schon angesprochen, ist Österreich in Sa­chen Präventionsmaßnahmen für Frauen ein internationaler Vorreiter, der Grevio-Be­richt der Kommission des Europarates attestiert Österreich eine starke Führungsrolle in den letzten 20 Jahren.

Jetzt muss ich schon noch einmal auf die Aussagen der Kollegin Grossmann eingehen, die hier gesagt hat, es wird jetzt immer weniger gefördert. Also das stimmt überhaupt nicht (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann), denn zukünftig werden Fördermittel zielgerecht bei Familienberatungsstellen und Frauenberatungsstellen eingehen, damit sie dort ankommen, wo sie dringend benötigt werden. (Bundesrat Stögmüller: ... je nachdem, welche Farbe die hat!) Wie macht es die SPÖ? – Sie machen das nach dem Gießkannenprinzip – so wie in ihren Bundesländern, überall irgendetwas –, die Bun­desregierung hingegen macht das zielgerichtet und nicht nach dem Gießkannenprin­zip.

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich festhalten: Häusliche Gewalt pas­siert meist abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Es ist wichtig, ständig die Augen of­fen zu halten und wachsam zu sein. Gewalt an Frauen und Kindern ist nie zu tole­rieren. Diese Bundesregierung verfolgt deshalb eine Nulltoleranzpolitik gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.35


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Bundesrat Wolfgang Beer hat sich zu einer tatsäch­lichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


9.35.37

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich da persönlich angesprochen wurde, was ich eigentlich auch nicht ganz in Ordnung finde, muss ich schon einiges berichtigen.

Sie reden von absoluten Zahlen, die in Wien sicherlich anders ausschauen als in ande­ren Bundesländern. Wenn Sie die Prozentzahlen nehmen, dann schaut das Ganze auch wieder ein bisschen anders aus.

Was ich eigentlich ungeheuerlich finde, ist, dass Sie beim Thema Gewalt gegen Frau­en das Ganze so gestalten, dass es auf einmal eine Ausländerdebatte wird. Das ist ganz einfach nicht in Ordnung und hat mit ordentlichem Parlamentarismus nichts mehr zu tun. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Schuster: ... Zahlen der Wiener …!)

9.36



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 16

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke. (Bundesrat Spanring: Wo war denn da die tatsächliche Berichtigung?) 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Staatssekretärin. – Bitte, Frau Staatssekre­tärin.


9.37.00

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Bun­desrates! Sehr geehrte ZuseherInnen! Das Thema der Aktuellen Stunde könnte ak­tueller nicht sein. Am 25.11. haben wir den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen und Kindern begangen. Seither gibt es noch bis zum 10.12. täglich Aktionen.

Auf der Seite des Bundeskriminalamts beispielsweise finden sich auf der Facebook­seite jeden Tag ein Tipp für Betroffene, ein Präventionshinweis, und andere Hinweise zur Verhinderung von Gewalt – der 10.12. ist übrigens der Internationale Tag der Men­schenrechte.

Ich sage Ihnen ganz offen, ich stehe hier ganz klar für null Toleranz gegenüber Gewalt und Sexualdelikten, insbesondere begangen an Frauen und Kindern. Ich sage Ihnen auch: Es ist mir einerlei, ob der Täter weiblich, männlich, Inländer, Ausländer, EU-Bür­ger oder Drittstaatsangehöriger ist. Jede Form von Gewalt und Sexualdelikten began­gen an Frauen, an Kindern ist abzulehnen, ist insgesamt abzulehnen! (Allgemeiner Beifall.)

Im Jahr 2017 hatten wir rund 16 900 Frauen, die Opfer von Gewaltverbrechen wurden, und davon waren etwa 3 900 Frauen Opfer von Sexualdelikten. Insbesondere bei den Sexualdelikten ist die weit überwiegende Zahl der Opfer weiblich und die ganz weit überwiegende Zahl der Tatverdächtigen ist männlich.

Ich sage das auch deshalb, weil ich schon des Öfteren darauf hingewiesen wurde, dass auch Gewalt gegen Männer nicht passieren darf. Ja, das ist richtig, und vor dem Gesetz sind alle gleich, aber betroffen sind – insbesondere bei den Sexualdelikten – weit überwiegend Frauen. Die Zahl der Morde an Frauen, nämlich begangen von Män­nern, ist alarmierend.

Wir haben im Vergleich von 2017 auf 2018 auch einen enormen Anstieg bei der Zahl der Tatverdächtigen im Hinblick auf Sexualdelikte zu verzeichnen. Die Bundesregie­rung setzt da deshalb ganz klare Zeichen. Bereits im Regierungsprogramm ist eine weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualverbrechen verankert. Ich wurde von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache bereits im Fe­bruar mit der Einrichtung und Leitung der Task Force Strafrecht beauftragt.

Diese Task Force Strafrecht leite ich seit Februar; wir haben eine Lenkungsgruppe, wir haben eine interministerielle Zusammenarbeit. In die Lenkungsgruppe sind das Innen­ministerium, das Justizministerium, das Gesundheitsministerium und auch das Frau­enministerium einbezogen, denn es geht dabei um eine Disziplin, die über mehrere Mi­nisterien hinweggeht. Es ist natürlich auch das Bildungsministerium einbezogen.

Worum geht es dabei? – Es geht zum einen um strenge Strafen, um mehr Abschre­ckung für die Täter. Es geht zum Zweiten – aber ganz wesentlich – um mehr Opfer­schutz, um einen niederschwelligen Zugang für Opfer.

Es ist richtig, wenn Frau Bundesrätin Grossmann darauf hinweist, dass Österreich ei­nen sehr gut ausgeprägten Opferschutz hat und wir auch international als Vorbild die­nen, aber wir müssen Opfern vor allem eines geben: das Selbstvertrauen, das Ver­trauen, dass sie gehört werden, dass sie sich wo hinwenden können, wo sie ernst ge­nommen werden. Das ist in vielen Fällen noch nicht gegeben, deshalb haben wir ja


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 17

eine extrem hohe Dunkelziffer an Gewalt im häuslichen Bereich und können diese Zahl einfach nicht ermessen.

Also: mehr Abschreckung für die Täter, mehr Unterstützung für die Opfer und, ja, eine aktive Täterarbeit, denn dieser Bereich ist noch nicht so deutlich ausgeleuchtet. Es ist notwendig, die Täter zu verpflichten, etwas zu tun, an ihren Problemen zu arbeiten.

Betrachte ich die Wegweisung, so kann ich nur sagen, das ist ein Erfolgskonzept. Sie wurde seit 1997 bereits über 100 000 Mal angewandt, und heuer, in den letzten 365 Tagen, hatten wir 6 871 Wegweisungen, in 459 Fällen davon war es mehrmals der gleiche Täter, der davon betroffen war.

Es muss dann aber auch etwas mit dem Täter passieren: Er muss verpflichtet werden, dass er gegen sein Aggressionspotenzial, sein psychisches Problem oder was auch immer dahintersteckt, etwas tut. Auch diesen Bereich nehmen wir uns in der Taskforce vor.

Wir haben über hundert Expertinnen und Experten einbezogen. Es gibt zwei Kommis­sionen: eine Kommission, die sich mit Strafrecht an sich beschäftigt: Wie können wir dazu kommen, möglichst strenge Sanktionen zu erreichen?, und die zweite Kommis­sion: Opferschutz und Täterarbeit, wo es um die Frage geht: Wie können wir die Zu­sammenarbeit verbessern?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines ist ganz wesentlich: Es muss eine Ko­operation zwischen den betroffenen Behörden geben, es muss einen raschen Daten­austausch geben. Der Datenschutz ist ein hohes Gut, aber er darf nicht zum Täter­schutz werden. In dem Moment, in dem ein Problem auftritt, müssen die Strafverfol­gungsbehörden das gesamte Bild der Situation vor sich haben, um auch entspre­chende Anträge stellen zu können, damit, wenn notwendig, die Staatsanwaltschaft beim Gericht auch Untersuchungshaft beantragen kann. Dazu muss alles auf dem Tisch liegen.

Ja, eine Kooperation zwischen den Behörden bedingt auch, dass es einen Austausch gibt. Der muss aber rasch erfolgen. Es wurde das Projekt Marac angesprochen, das nach Evaluierung nicht mehr durchgeführt wird. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, wir haben alle positiven Erfahrungen, die wir daraus gezogen haben, in die Taskforce mit­genommen und leiten daraus die entsprechenden Schlüsse ab, aber derzeit gibt es keine gesetzliche Grundlage für diesen Datenaustausch.

Zum Beispiel dürfen Daten von Tätern nicht weitergegeben werden, und diese Fallkon­ferenzen fanden oft erst Wochen nach dem Vorfall statt. Da muss klar sein: Die Polizei ist diejenige, die auch die Gefährdung einschätzen muss. Das werden wir jetzt auf entsprechende rechtliche Beine stellen, dass das möglich wird und dass es auch eine einheitliche Gefährdungseinschätzung gibt, auf die sich dann die Strafverfolgungsbe­hörden verlassen können und die entsprechenden Schlüsse ziehen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Eines ist aber auch klar: Keiner wird von heute auf morgen zum schweren Gewaltver­brecher, keiner wird von heute auf morgen zum Mörder, diese Gewalt baut sich in aller Regel auf. Deshalb müssen wir gesellschaftlich schon früh eine rote Linie definieren. Es beginnt mit Worten, es beginnt auch mit Worten im Internet, wie wir das in den letzten Wochen sehr oft feststellen mussten. Dieser Hass im Netz, auch davon sind sehr häufig Frauen betroffen, ist etwas, was gesamtgesellschaftlich nicht geduldet sein darf. Ich stehe dafür, dass es auch da einen einheitlichen Verwaltungsstraftatbestand gibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Wenn der Täter nämlich entsprechend früh und entsprechend einschneidend eine strenge Strafe erfährt – und das eine entsprechende Geldstrafe ist –, dann tut das weh,


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selbst wenn die Schwelle zum Strafrecht nicht überschritten ist. Ich weiß nicht, ob sich der Täter dann nicht generalpräventiv oder jedenfalls spezialpräventiv beim nächsten Mal überlegt, ob er eine derartige Meldung im Internet über Facebook oder sonstige Kanäle abgibt.

Genau das ist es auch, was sich die Regierung jetzt anschaut. Wir hatten vor wenigen Wochen diesen Gipfel gegen Hass im Netz. Da gilt es auch, ein entsprechendes Ge­setz für mehr Sorgfalt und Verantwortung auszuarbeiten und die Kommunikationsplatt­formen in die Pflicht zu nehmen, denn ich sage es noch einmal –: Das ist etwas, was uns alle angeht, was die gesamte Gesellschaft angeht. Was nicht sein kann in un­serem Land, ist, dass man einfach mir nichts, dir nichts ohne Konsequenz im Netz be­schimpfen kann, denn alles, was im analogen Bereich verboten ist, muss auch im digi­talen Bereich entsprechend verboten sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

Wichtig ist auch, dass Betroffene rasch eine Anlaufstelle haben, dass Betroffene wis­sen, wohin sie sich wenden können. Da spreche ich von einer Hotline, die nicht nur – das ist wesentlich – rechtliche und psychosoziale Beratung anbietet, sondern eine Hot­line, die auch technische Unterstützung gibt, denn: Haben Sie schon einmal versucht, ein Bild wieder aus dem Netz zu bekommen? Ein diskreditierendes Bild kann das Le­ben eines Menschen wirklich stark verändern, vielleicht auch berufliche Chancen für immer vertun. Da ist es wichtig, dass die Betroffenen auch diese technische Unterstüt­zung sofort bekommen.

In diesem Zusammenhang noch ein Letztes: Wir müssen auch unsere Strafgesetze auf den Stand des 21. Jahrhunderts, den Stand des Jahres 2018 bringen, denn Stalking greift beispielsweise nicht, wenn – unter Anführungszeichen – „nur“ ein derartiges Bild veröffentlicht wird. Es gilt, da auch im Rahmen der Taskforce die Gesetze auf die ent­sprechende 21.-Jahrhundert-Ebene zu bringen, damit das verfolgt werden kann.

Wir arbeiten mit Hochdruck an diesen Gesetzesvorschlägen. Wir werden spätestens mit Ende des ersten Halbjahres 2019 einen Gesamtgesetzentwurf vorlegen, mit dem alle Gesetze, die in diesem Zusammenhang geändert werden müssen, vorgelegt wer­den. Wir werden bis dahin weiter Zwischenberichte machen, aber ich bitte Sie um Ver­ständnis, dass ich heute noch nicht alles im Detail sagen kann. Es gibt bereits viele Maßnahmen, die sich abzeichnen, aber es sind derzeit rund 120 Maßnahmen, die wir auch auf ihre Umsetzbarkeit hin prüfen müssen.

Insgesamt bin ich zuversichtlich, dass wir durch die Diskussion auf gesamtgesellschaft­licher Ebene und durch diese vielen Maßnahmen, die wir in der Taskforce dann auch präsentieren und auch umsetzen werden, einen besseren Zustand für die Österrei­cherinnen und Österreicher erreichen werden – strenge Sanktionen, mehr Unterstüt­zung für die Opfer, rasche Unterstützung für die Opfer und auch eine entsprechende Täterarbeit –, denn es muss am Ende klar sein, dass der Täter derjenige ist, der die Probleme verursacht hat, und nicht etwa das Opfer, das den Mut gezeigt hat, anzuzei­gen.

Mit dieser Täter-Opfer-Umkehr muss endlich Schluss sein, das muss in der Gesell­schaft ankommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das mit der Taskforce und den Maß­nahmen, die wir vorschlagen werden, ein Stück weiter bringen und Österreich auch für Frauen zu einem besseren und sicheren Land machen. Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

9.47


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr, Frau Staatssekretärin.


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Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Rednerinnen und Red­ner in der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Bitte.


9.48.15

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Frauen in Österreich sind vielfältig und unterschied­lich. Sie übernehmen täglich Verantwortung in allen gesellschaftsrelevanten Bereichen – wie Erziehung, Pflege, Bildung, Wissenschaft, Umwelt, Kirche –, und daher müssen wir alles daransetzen, dass es uns Frauen gut geht.

Daher, und das passt sehr gut zum Motto dieser Tage „Orange The World: null To­leranz bei Gewalt gegen Frauen und Kinder, „Stoppt Gewalt an Frauen und Mädchen“. Wie wir schon gehört haben: Gewalt passiert unabhängig von Alter, sozialer Herkunft und Nationalität und stellt immer noch eine große Herausforderung in Österreich dar. Wir lesen täglich Schlagzeilen in den Medien, sind täglich betroffen, und trotzdem pas­siert immer noch sehr viel.

Die Zahlen hat meine Kollegin Hackl schon genannt. Es hat mich emotional sehr be­rührt, dass jede fünfte Frau, also 20 Prozent der Frauen, ab dem 15. Lebensjahr kör­perlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt ist – das ist wirklich erschreckend und wirk­lich sehr viel – und dass jede siebente Frau von Stalking betroffen ist. Ich glaube, wenn wir uns hier herinnen umschauen, dann sind auch einige Damen von uns davon be­troffen, und das macht es ja noch viel schlimmer, wenn man sich das vorstellt.

Wie die Frau Staatssekretärin schon ausgeführt hat: 80 Prozent aller Opfer von Se­xualdelikten sind Frauen. Daher ist es wichtig, in Präventionsarbeit zu investieren, die­se zu stärken und zu schauen, dass sich Frauen, die in gewaltbelasteten Situationen sind, wohnortnah an kompetente Anlaufstellen wenden können.

Hilfe und Beratung müssen also verbessert werden. Daher ist es wichtig, das Gewalt­schutzgesetz weiterzuentwickeln und den Strafrahmen für strafbare Handlungen gegen sexuelle Integrität und Selbstbestimmung anzuheben.

Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin, sehr, sehr herzlich, dass Sie sich so engagiert in dieser Taskforce einbringen und dass Sie mit den hundert Expertinnen und Experten schon so viel weiterbringen, wie Sie uns gerade gesagt haben, denn es kann nicht sein, dass es keine Balance gibt, keine Ausgewogenheit zwischen der Strafdrohung für Vermögensdelikte einerseits und für Delikte gegen körperliche Unversehrtheit ande­rerseits. Das war bis jetzt nicht ausreichend, wir haben das schon mehrmals hier im Hohen Haus diskutiert, daher war es notwendig, diese Taskforce einzurichten. Wir wer­den Sie da sehr unterstützen, Frau Staatssekretärin, denn es ist uns wichtig, für alle betroffenen Frauen und Kinder in Österreich eine richtige Balance herzustellen. Ziel dieser Taskforce ist null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Weiters wird es einen flächendeckenden weiteren Ausbau der Frauenberatungsstellen geben. In 70 von 80 politischen Bezirken Österreichs wurde 2017 zumindest eine Frau­enservicestelle oder eine Frauen- und Mädchenberatungsstelle eingerichtet. Frau Bun­desministerin Bogner-Strauß engagiert sich da sehr. Wir haben schon einen Flächen­deckungsgrad von 88 Prozent erreicht und wir werden diese niederschwelligen Ange­bote auch weiter ausbauen und forcieren.

Ich kann Ihnen als Vorsitzende der Frauenhilfe Salzburg sagen, es ist wirklich wichtig, diese niederschwelligen Angebote in Regionen anzubieten. Wir haben in Salzburg in der Frauenhilfe jedes Jahr ungefähr 3 000 Kontakte, davon – ich habe es mir aushe-


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ben lassen – sind 9 Prozent wegen Gewalt an Frauen und Kindern; das sind immerhin an die 270. Ich danke allen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die sich in diesem Bereich für unsere Frauen und Kinder sehr engagieren.

Zum Abschluss möchte ich noch sagen, dass der Opferschutz dieser Regierung be­sonders wichtig ist. Kollegin Grossmann, Sie haben gesagt, da gab es Reduktionen. Ich darf Ihnen die Zahlen nennen: 2017 hatten wir in diesem Bereich eine Dotierung von 4 173 042 Euro und 2018 hatten wir eine Dotierung von 4 331 842 Euro. Ich erken­ne nicht, wo da eine Reduktion sein soll. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dieser Bundesregierung sind Frauen ein wirkliches Anliegen, und dafür bedanke ich mich ganz, ganz herzlich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Abschließend noch ein Dank an alle, die mithelfen, die Welt für uns Frauen besser zu machen, die nicht wegschauen, die Gewalt nicht dulden, wie die Frau Staatssekretärin gesagt hat. Es ist eine gemeinsame Aufgabe, die uns alle angeht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.53


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.


9.54.00

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke mir, das, was sich Herr Kollege Schuster von der FPÖ hier geleistet hat, ist eigentlich sinnbildlich dafür, dass sich ein Mann zu einem so komplexen und sensiblen Thema herstellt und dann nichts Besseres zu tun hat, als in einem üblichen FPÖ-Reflex Täter zu suchen, die vielleicht noch schlimmer sind, mit dem Finger hinzuzeigen und zu glauben, dass sich dadurch für die Opfer irgendetwas verbessert. Also ich finde das zum Genieren. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) – Aber es ist schade um meine Redezeit.

Wir haben am 20. November, also vor gar nicht allzu langer Zeit, hier im Haus den In­ternationalen Tag der Kinderrechte gefeiert. Es war im Nebensaal, im Kleinen Redou­tensaal, tatsächlich eine Party mit ungefähr 80 Kindern. Wir wissen, dass das Recht des Kindes auf Bildung ein wesentliches Element ist, um junge Menschen über ihre Rechte aufzuklären. Es ist wichtig, über seine Rechte Bescheid zu wissen, damit man sie einordnen kann, damit man sich dafür stark machen und Unrecht erkennen kann.

Der Schutz von Kindern ist ja eines von drei Elementen in der Kinderrechtekonvention. Es gibt die Schutzrechte, es gibt die Versorgungsrechte und es gibt diese Beteiligungs­rechte. Wir haben uns in diesem Parlament 1992 zu dieser Kinderrechtekonvention be­kannt; das war übrigens im selben Jahr, in dem es in Österreich  und da waren wir tatsächlich international Avantgarde – ein Gewaltschutzgesetz gegeben hat, das sagt, dass Gewalt kein adäquates Erziehungsmittel mehr sein kann.

Das war damals tatsächlich etwas, mit dem wir weit vorne waren und weswegen sich andere Länder an uns ein Beispiel genommen haben. Die Message der Kinderrechte und die Message in diesem Gewaltschutzgesetz ist dieselbe: Sie sagt, Kinder sind ab sofort kein Eigentum der Familie und kein Eigentum der Eltern, sondern sie sind Per­sönlichkeiten mit eigenen Rechten, und die gehören gewahrt. Schlussendlich steckt dahinter, dass sich Menschen, Erwachsene und Kinder, auf Augenhöhe und mit Re­spekt begegnen.

Man hatte damals auch erkannt – endlich, muss man in Hinblick auf die Menschheits­geschichte sagen –, dass Gewalt als Erziehungsmittel zwar Schrecken und Angst er-


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zeugt, aber natürlich niemals, wir alle in der Pädagogik wissen das, eine nachhaltige Erkenntnis oder eine Einstellungsänderung bewirkt, sondern Gewalt löst schlussend­lich immer wieder Gegengewalt aus. Wir kennen in der Psychologie diese Gewaltspi­rale, die Gewalt, die sich dann über Generationen fortsetzt, und die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder wiederum gewalttätig erziehen, wenn sie das selbst erlebt haben. All das ist bekannt.

Wir haben heute schon etwas über verschiedene Formen der Gewalt gehört. Auch ich möchte sie erwähnen.

Die körperliche Gewalt – wir alle kennen diese schrecklichen Beispiele: Es sind die au­genscheinlichsten Beispiele, bei denen Kinder Opfer von körperlicher Gewalt werden. Wir können uns alle an Fälle erinnern, bei denen Kinder mit heißem Wasser verbrüht wurden, bei denen Kinder – unlängst gerade wieder – so lange geschüttelt wurden, bis sie sich nicht mehr rührten. Das ist uns präsent und da sind wir zu Recht sehr, sehr bestürzt.

Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Wie konnte es so weit kommen? Was treibt Eltern dazu oder was löst so eine Überforderungssituation aus? Was löst diesen Druck aus, dem diese Eltern offensichtlich nicht standhalten können? Für uns als Politike­rInnen ist die entscheidende Frage immer: Was hätte diesen Gewaltakt verhindern können?

Es gibt aber natürlich auch die psychische Gewalt, die Kinder alltäglich erleben. Wir kennen das aus internationalen Vergleichsstudien und wissen, dass Österreich leider im Spitzenfeld liegt, was Gewalt unter Kindern, Mobbing in der Schule und andere Formen, wie dieses Bullying unter Gleichaltrigen, betrifft. Wir brauchen in den Schulen einerseits eine Druckreduktion, aber andererseits auch sozialarbeiterische Maßnah­men.

Eine Form von Gewalt ist die strukturelle Gewalt, die wir als Politiker am direktesten beeinflussen können. Was meine ich mit dieser strukturellen Gewalt gegen Kinder? – Ich meine damit, wenn wir Kinder aufgrund von bestimmten Merkmalen – wie beispiels­weise der Sprache – segregieren, wenn wir den Druck in den Schulen erhöhen, indem wir schon bei Kleinkindern wieder Ziffernnoten einführen, wenn wir – wie wir sehen – Flüchtlinge hinter Stacheldraht wegsperren wollen und damit den Druck erhöhen, wenn wir die Mindestsicherung kürzen und dadurch bewusst in Kauf nehmen, dass Familien mit Kindern in die Armut gedrängt werden – ich sage nur als Stichwort: für das dritte Kind bekommt man 43 Euro im Monat  und so weiter. All das sind Maßnahmen, die Familien strukturell unter Druck bringen, Familien und Kinder in eine Situation bringen, in der sie Stress erleben, in der sie unter Druck geraten.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich bitte um den Schlusssatz, Daniela.


Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (fortsetzend): Ja. – Dieser Druck kann wie­der Gewalt auslösen. Es wäre die Aufgabe von uns als Politiker, von einer Regierung mit Verantwortung, die Lebensverhältnisse zu verbessern, den Druck aus den Familien zu nehmen und dadurch der Gewalt entgegenzuwirken. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.00


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste ist Bundesrätin Monika Mühlwerth zu Wort gemeldet. – Bitte, Monika.


10.00.13

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen von der SPÖ, die Tatsache, dass etwas besteht und man nicht hinschaut, heißt ja nicht, dass dann das Problem damit ver-


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schwunden ist. Kollege Schuster hat hier keine Ausländerdebatte angezettelt, das habt ihr erst daraus gemacht. (Bundesrat Todt: Was denn sonst?!) Kollege Schuster hat lediglich auf Zahlen hingewiesen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie versuchen es immer nach dem Motto: Wir wollen es nicht sehen und dann existiert es auch nicht. – Das funktioniert nicht!

Wenn Sie die heutige Ausgabe der „Kronen Zeitung“ gelesen haben (neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ), in der die Polizei auf Basis des Innenministeriums ihre Zahlen bekannt gibt und sagt (Bundesrätin Gruber-Pruner – die Hände zusammenschla­gend –: Monika!), es gibt ein „Plus von 132 Vergewaltigungen und dazu 21 Prozent mehr Tatverdächtigte als im Vorjahr“ und jeder Zweite davon ist kein Österreicher, dann ist das ein Fakt. Das heißt natürlich schon, dass wir das bis zu einem gewissen Grad auch importieren. Es sind die eigenen schon schlimm genug. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)

Wir sind uns ja einig: null Toleranz bei Gewalt, egal, ob sie von Männern oder Frauen ausgeht. Im Verhältnis gibt es natürlich auch den sehr kleinen Teil von Frauen, die Ge­walt ausüben, und zwar sowohl körperlich als auch psychisch. Es ist ja völlig richtig, wenn man sagt, die Strafen müssen verschärft werden, da sind wir uns ja auch einig. Man muss dann aber auch den Richtern sagen, wie sie bei ihren Urteilssprüchen auf­passen müssen, damit solche Dinge, wie sie in Deutschland ja schon waren – das kann man nachlesen –, nicht passieren.

In Deutschland hat ein Tschetschene, weil er geglaubt hat, dass ihm die Frau untreu ist – was natürlich nicht gestimmt hat –, Dutzende Male auf sie eingestochen, ihr dann auch noch die Kehle durchschnitten und sie entsorgt. Der Richter hat ihn nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags verurteilt. Die Begründung war, dass man die kul­turelle Herkunft mitberücksichtigen muss, weil die in diesem Fall noch nicht so lange in Deutschland waren und daher nicht wissen konnten, welche Wertvorstellungen dort herrschen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen schon, sehr geehrte Damen und Herren, da hört sich bei mir jedes Ver­ständnis auf. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Es gibt bei uns Regelungen, die einzuhalten sind. Egal, ob sie einen Tag, ein Jahr oder zehn Jahre im Land sind, es gelten unsere Gesetze, und die müssen natürlich auch beim Urteilspruch angewandt werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich glaube aber, dass es genauso wichtig wie beim Strafmaß ist, das in einem entspre­chenden Rahmen zu machen. Ich glaube, gerade bei den Männern, die Gewalt aus­üben, ist auch die Prävention ganz wichtig. Es gibt ja die Männerberatungsstelle im So­zialministerium, die aber, sehr geehrte Kollegen von der SPÖ, nicht ein Mal vor dem Aus gestanden ist, obwohl der Leiter der Männerabteilung natürlich genau das empfoh­len hat, was Kollegin Grossmann schon vorgeschlagen hat, nämlich die Männer zu be­raten, um sie – ja, in diesem Fall muss man das sagen – auch selbstbewusster zu ma­chen.

Jene Männer, die Gewalt ausüben, sind nicht die starken, sondern die schwachen. Es sind die schwachen Männer, die ein völlig eingeschränktes Selbstbewusstsein haben und glauben, mittels Gewaltausübung die starken zu sein. Da muss man ansetzen.

Das ist aber nun negiert worden, Gott sei Dank – besser spät als nie –, und man kommt drauf, dass es vielleicht auch ein ganz wichtiger Faktor wäre, da bei den Män­nern anzusetzen. Auch da ist es völlig egal, welche Nationalität sie haben, denn da ti­cken sie alle irgendwie gleich, alle nach demselben Strickmuster.

Jede einzelne Gewalttat ist eine zu viel. Es ist ein Wunschdenken, die Gewalttaten auf null reduzieren zu wollen, aber trotzdem ist es ein Ziel, das man verfolgen soll. Ich


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glaube, es ist ganz wesentlich, das schon im Vorfeld abzufangen, sodass es also über­haupt nicht zu Gewaltexzessen kommen kann.

Daran arbeitet die Bundesregierung. Die Budgetmittel sind, das ist ja schon mehrmals gesagt worden – auch von Frau Kollegin Eder-Gitschthaler –, nicht gekürzt worden. Die Bundesregierung ist sich selbstverständlich dieses Problems bewusst und weiß, dass man dafür auch Mittel einsetzen muss, und das wird sie auch weiterhin tun. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.04


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste ist Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.05.00

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Wenn man Ihnen hier zuhört, hat man das Gefühl, dass es eine sehr hohe Sensibilisierung dem Thema gegenüber gibt – ich sage gleich vorweg, Frau Staatssekretärin, ich schätze auch Ihr Engagement in diesem Bereich sehr –, jedoch sind die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mäd­chen zwischen dem 25. November und dem 10. Dezember – das ist der Tag der Men­schenrechte, wie Sie gesagt haben – sehr oft Anlass für uns alle, uns überhaupt mit dem Thema Gewalt zu beschäftigen. Ich freue mich natürlich sehr, dass das auch im Bundesrat wieder Thema ist. Zumindest einmal im Jahr gibt es ein Foto und eine ent­sprechende Debatte.

Nur: Was ist das Problem dahinter? – Wir haben zum einen die Zahlen gehört. Ich möchte sie wiederholen, denn man kann sie nicht oft genug erwähnen, so erschre­ckend sind sie: In Österreich ist jede fünfte Frau über 15 Jahren von körperlicher Gewalt betroffen, jede dritte von sexueller Gewalt und fast drei Viertel der Frauen von sexueller Belästigung. Täglich gibt es 12 bis 16 Anzeigen, nur jede fünfte Vergewalti­gung wird aufgeklärt und im Schnitt münden nur 15 Prozent aller Anzeigen überhaupt in einem Urteil. Zwei Drittel aller Anzeigen wegen Tötung, Körperverletzung oder se­xueller Übergriffe stehen im Zusammenhang mit einer Beziehungstat. Wir haben auch gehört, dass 32 Frauen seit Anfang 2018 ermordet wurden – letztes Jahr gab es Mord oder Mordversuch an 77 Frauen.

Das heißt, es ist nicht nur erschreckend, sondern eigentlich unfassbar, worüber wir in einem sicheren Land wie Österreich in Europa im Jahr 2018 reden. Wir bleiben ei­gentlich recht ratlos zurück, wenn wir hören, es gab eine Tagung gegen Hass im Netz, bei der am Ende herauskommt: Na ja, Klarnamen könnten wir fordern. – Wir wissen, dass das wirklich nicht das vordergründigste Problem ist. Dann kommen Sie mit Zahlen und sagen, es wurde eh nicht gekürzt, aber gleichzeitig sagen Sie auch, dass die Gewalt im Ansteigen ist. Das heißt, man müsste eigentlich mehr investieren.

Dann gibt es lauter Listen, wie zum Beispiel auf kontrast.at, auf denen nach Daten an­geführt ganz genau nachzulesen ist (ein Schriftstück in die Höhe haltend): „09.07.2018 Kürzung bei Verein Frauensolidarität“, „Kein Geld mehr für Verein, der Öffentlichkeits­arbeit für Gewaltschutz leistet“, dann wird dem „Frauenring [...] Geld gekürzt“, es gibt „Weniger Unterstützung für Diskriminierungsopfer“, „Seminar über häusliche Gewalt aus Polizei-Ausbildung gestrichen“, „Weniger Krisenberatung für Familien“ (Bundesrat Steiner: Wir nehmen aber die Kontrast nicht als Referenzmittel!), Innenminister „Kickl beendet Gewaltschutz-Projekt“. – Das sind die Fakten. (Bundesrat Steiner: Linksradi­kale Zeitung!)

Bilanz hat sie gezogen, die türkis-blaue Regierung, nach einem Jahr. Mittlerweile ist von der Opposition recht gut dokumentiert, welche Mittel den Vereinen gestrichen wor­den sind, die sich gerade im Bereich Gewaltprävention, Schutzmaßnahmen, Aufklä-


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rung, Beratung und Täterarbeit mit dem Thema beschäftigen. Einer davon ist One Bil­lion Rising – vielleicht haben Sie etwas davon gehört, das ist keine rein österreichische Kampagne. (Die Rednerin zeigt einen Veranstaltungsflyer.)

One Billion – eine Milliarde – Frauen und Mädchen weltweit sind von Gewalt betroffen, hat man errechnet. Dieses Projekt haben wir mit unterschiedlichen Frauenorganisa­tionen – ursprünglich auch parteiübergreifend – in Österreich als eine Tanzveranstal­tung initiiert, und zwar deshalb als Tanzveranstaltung, weil es sehr starke Koopera­tionen mit Schulen gegeben hat. Wir haben versucht, nicht nur Mädchen dazu zu ani­mieren, sich dem Thema zu stellen und auch offen darüber zu reden, sondern auch Burschen zu mobilisieren, da mitzumachen, ihre Schulkolleginnen bei diesem Thema zu unterstützen, um das Thema sichtbar zu machen.

Jedes Jahr am 14. Februar, am Valentinstag, an dem normalerweise Blumen verteilt werden, gab es oder gibt es diese getanzte Veranstaltung vor dem Parlament oder an einem anderen Ort in Wien, die sichtbar macht, wie gravierend dieses Problem ist.

Was ist passiert? – Auch diesem Projekt sind Gelder gestrichen worden. Ich weiß, ich könnte Ihnen hier noch zig solche Beispiele nennen. Ich glaube Ihnen, dass Ihnen das Thema wichtig ist, aber ich möchte mit einem Appell an Sie schließen, Frau Staatsse­kretärin, nämlich dass Sie dranbleiben, und dem Appell an die beiden Regierungspar­teien, dass Sie nicht unterscheiden, woher die Täter kommen.

Wir haben ein riesengroßes Problem mit Gewalt an Frauen und Mädchen in Öster­reich. Wir dürfen das nicht nur ein Mal im Jahr zum Thema machen, sondern müssen das permanent zum Thema machen. Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eva, bitte zum Schluss kommen!


Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Wir brauchen nicht nur eine Ta­gung, sondern wir brauchen ein Maßnahmenbündel. Die Zeit reicht leider nicht aus, um alles aufzuzählen, was in dieser Hinsicht wichtig wäre. Ich teile alles von dem, was hier referiert worden ist. Ich kann nur noch einmal an Sie appellieren – das Thema ist zu wichtig, um parteipolitischen Hickhack zu betreiben –: Bitte nehmen Sie das ernst! Bitte bleiben Sie dran!


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eva!


Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Bitte sprechen wir nicht nur im De­zember darüber, sondern jeden Monat! Machen wir das zum Thema und stoppen wir dieses Desaster! – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bun­desrates Stögmüller.)

10.11


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste hat sich Frau Staatssekretärin Caroline Edtstadler zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.11.38

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Frau Präsidentin! Werte Mitglieder des Bundesrates! Ich möchte mich vorweg für die Zustimmung, für die Unterstützung bedanken. Ich darf aber auch bitten, diese Unter­stützung weiterhin aufrechtzuerhalten, denn wir haben noch viel zu tun.

Ich danke für den Appell, den es nicht wirklich braucht, denn ich beschäftige mich nicht erst seit heute oder seit gestern mit diesem Thema, sondern exakt seit jenem Tag, an dem ich als Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres angelobt wurde. Ich kann Ihnen heute hier versprechen, ich werde das auch mit aller Entschiedenheit wei­terhin tun, und zwar mit allem, was mir zur Verfügung steht (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller), denn es ist notwendig, die ent-


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sprechenden Schritte zu setzen und vor allem den Strafverfolgungsbehörden die ent­sprechenden Rahmenbedingungen an die Seite zu geben.

Ich habe nichts von einer Fallgruppenbesprechung, wenn ich die Daten nicht austau­schen oder im Endeffekt nicht verwenden darf. Ich muss das auf gesetzlich fundierte Beine stellen, damit das entsprechend auch zum Ziel führt. Ich kann nur noch einmal darauf hinweisen: Wenn die Polizei in der Nacht gerufen wird und es um eine Weg­weisung geht, dann braucht die Polizei in diesem Moment das volle Bild des Ausma­ßes der Situation, um die entsprechenden Schritte setzen zu können. Da nützt mir eine Fallkonferenz drei Wochen später nichts, weil dann in der Zwischenzeit schon vieles passiert sein kann.

Darum geht es uns, und das werden wir auch umsetzen. Ich spreche da zum Beispiel auch von Erschwerungsgründen, die eben im Gesetz aufgelistet sein müssen, um das dann auch im richterlichen Urteil entsprechend festsetzen und sanktionieren zu kön­nen.

Wir haben in der Diskussion noch ein bisschen wenig von der Prävention gesprochen. Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die Prävention ein ganz wesentlicher Bereich ist. Das geht bereits in der Schule los, denn vielfach – da sind wir wieder bei dieser Diskussion, dass man im trauten Heim vielleicht am unsichersten ist – wissen Kinder überhaupt nicht, was denn eigentlich unter Gewalt fällt. Deshalb haben wir auch Prä­ventionsbeamtinnen und -beamte, die in Schulen gehen und dort über die Situation und die rechtliche Situation aufklären und auch darüber, was Gewalt überhaupt be­deutet. Wir wollen diese PräventionsbeamtInnen auch weiter forcieren – es sind viele in Ausbildung.

Wir haben bereits jetzt das Projekt UNDER 18 gestartet, bei dem in unterschiedlichen Workshops – nicht ein Workshop, nicht zwei Workshops, sondern bis zu 16 Workshop-Tage – einfach diese Dinge gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern und unter Einbeziehung der Lehrerinnen und Lehrer und auch der ProfessorInnen gemacht wer­den. Was wir nämlich feststellen, ist, dass gerade im Bereich des digitalen Raums – da bin ich wieder beim Hass im Netz – die LehrerInnen und vielleicht auch die Eltern den Schülern das gar nicht vermitteln können, weil sie selbst in dieser Welt gar nicht so verhaftet sind. Deshalb wissen Schüler zwar, wie sie sicher in die Schule und wieder nach Hause kommen, aber sie sind im eigenen Kinderzimmer am unsichersten, weil sie im World Wide Web sind, in dem keine Grenzen bestehen und mit dem der Um­gang nicht entsprechend erlernt worden ist.

Eines auch noch zur Unterstützung, weil hier vielfach erwähnt wurde, wir würden alles Mögliche kürzen: Frau Bundesrätin Dr. Eder-Gitschthaler hat bereits darauf hingewie­sen, und ich spreche da auch für das Innenministerium und darf festhalten, dass die Opferschutzeinrichtungen des Bundesministeriums für Inneres im Jahr 2017 mit 4,173 Millionen Euro unterstützt worden sind – das ist ein Plus gegenüber dem Vorjahr, und wenn man vom Jahr 2008 ausgeht, ist es ein Plus von mehr als 1 Million Euro.

Man kann daher wirklich nicht davon sprechen, dass es keinen Schutz gibt. Ich sage aber auch klar, dass in dieser Taskforce schon auch diskutiert wird, wer die Förderung bekommt und wer wofür zuständig ist. Vielfach – das ist auch ein Thema seitens der Opfer – gibt es nämlich dann so vieles und im Endeffekt, wenn es akut wird, weiß das Opfer gar nicht, wohin es sich wenden soll. Deshalb forciere ich das ganz klar, dass wir alle einmal auflisten und uns anschauen, welche Opferschutzeinrichtung was macht und wofür zuständig ist, damit man die Förderungen auch entsprechend zielgerichtet verteilen kann, es zu keinen Doppelungen kommt und das Geld nicht im Endeffekt ir­gendwo versandet.

Es ist wichtig, dass Opfer eine Anlaufstelle haben und in der Stresssituation auch wis­sen, wohin sie sich wenden können. Es gibt einige sehr etablierte Einrichtungen, und


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die Unterstützung für diese ist gesichert. Ich kann Ihnen an dieser Stelle auch ver­sprechen, dass diese weiter gefördert werden.

Es geht uns darum, dass die Opfer rasch Hilfe und die Täter entsprechende Sank­tionen bekommen. Ich danke nochmals für die breite Diskussion, denn es ist eine ge­samtgesellschaftliche Aufgabe, und jeder von uns muss diese Messages auch ent­sprechend transportieren, und darum darf ich Sie heute auch bitten. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

10.16


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön, Frau Staatssekretärin.

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

10.16.14Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten Anfragebeantwortungen,

des Schreibens des Bundeskanzlers bezüglich dessen Unterrichtung gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend den Vorschlag zur Ernennung von Herrn Universitätsprofessor Gesandten Mag. Dr. Andreas Kumin als österreichischer Richter des Gerichtshofes der Europäischen Union

sowie der Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Ste­nographischen Protokoll dieser Sitzung ebenfalls angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen: (Anlage 1) (siehe auch S. 7)

2. Schreiben des Bundeskanzlers:

Unterrichtung des Bundeskanzlers gemäß Art. 23c Abs. 5 B-VG betreffend den Vor­schlag zur Ernennung von Univ.-Prof. Ges. Mag. Dr. Andreas Kumin als österreichi­scher Richter des Gerichtshofes der Europäischen Union (Anlage 2)

3. Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitglieds­staat der Europäischen Union:

Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufent­halt der Frau Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres, Dr. Karin Kneissl am 5. und 6. Dezember 2018 in Italien (Anlage 3)

den Aufenthalt der Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz, Mag. Beate Hartinger-Klein vom 5. (nachmittags) bis 7. Dezember 2018 in Brüssel (Anlage 4)

und

den Aufenthalt des Herrn Bundesministers für Inneres, Herbert Kickl vom 5. (mittags) bis 7. Dezember 2018 in Brüssel (Anlage 5)


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B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates sowie EU-Vorhaben ge­mäß Art. 23e B-VG:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

(siehe Tagesordnung)

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Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Eingelangt sind Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann vom 6. bis 11. Dezember in den USA bei gleichzeitiger Beauftragung von Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser mit seiner Vertretung und den Aufenthalt von Bundeskanzler Sebastian Kurz vom 5. bis 9. Dezember in Äthiopien und Ruanda bei gleichzeitiger Beauftragung von Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit seiner Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Be­schlüsse des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 4 und 5 jeweils unter ei­nem durchzuführen.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Das ist auch nicht der Fall.

10.18.32Fristsetzungsanträge


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Ausschuss für Gesundheit zur Be­richterstattung über den Antrag 238/A-BR/2017 betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitäterge­setz – SanG), BGBl. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 8/2016, geändert wird“ der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen eine Frist bis 20. Dezem­ber 2018 gesetzt wird.

Ebenfalls gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsan­trag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Aus­schuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 255/A(E)-BR/2018 der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ausbildung statt Abschiebung“ eine Frist bis 14. Februar 2019 ge­setzt wird.

Ferner gebe ich bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung eingebracht hat, wonach dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der Bundesräte Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfen für junge Er­wachsene“ eine Frist bis 20. Dezember 2018 gesetzt wird.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 35

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend – die Bestimmungen für die Fristsetzungsanträge gelten für alle; ich habe bei den anderen einen Absatz ausge­lassen – werde ich alle drei Fristsetzungsanträge nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

*****

Wir gehen nun in die Tagesordnung ein.

10.20.051. Punkt

Sicherheitsbericht 2017 (III-665-BR/2018 d.B. sowie 10057/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Georg Schuster. – Ich bitte um den Bericht.


10.20.15

Berichterstatter Georg Schuster: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich er­statte den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über den Sicherheits­bericht 2017.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage am 4. De­zember 2018 den Antrag, den Sicherheitsbericht 2017 zur Kenntnis zu nehmen.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster ist Bundesrat Andreas Arthur Spanring zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.


10.21.00

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Zum Sicherheitsbericht 2017: Er ist sehr umfangreich, deshalb werde ich ein bisschen schneller reden müssen.

Ich beginne gleich mit etwas sehr Positivem: Die Aufklärungsrate im Jahr 2017 betrug 50,1 Prozent – das bedeutet ein Zehnjahreshoch. Dazu kann man von dieser Stelle aus nur gratulieren und allen Polizisten, die tagtäglich hervorragende Arbeit leisten, da­für Danke sagen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir haben in Österreich dank der großartigen Arbeit unserer Polizei eine im europäi­schen Vergleich niedrige Kriminalitätsrate. Insgesamt konnte die Kriminalität 2017 in Zahlen gesenkt werden. Die Zahl der Anzeigen ist 2017 um 5,1 Prozent auf 510 536 zurückgegangen. Diese Zahl wirkt ein bisschen abstrakt, weshalb ich mir erlaubt habe, das auf einen Tag umzulegen: Das bedeutet immerhin noch 1 400 Anzeigen täglich – da sind natürlich alle Deliktsgruppen vermischt.

Betrachtet man die Herkunftsländer aller Tatverdächtigen, ist auch 2017 eine leichte Steigerung bei fremden Tatverdächtigen erkennbar. Die Aufteilung liegt bei circa 60 : 40, sprich 60,9 Prozent inländische Täter und 39,1 Prozent fremde. Auch das ist ein Höchstwert der letzten zehn Jahre – also ebenfalls ein Zehnjahreshoch, das leider ganz und gar nicht positiv ist. Dabei handelt es sich in erster Linie um Körperver­letzung, Diebstahl und den Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz. Insbesondere im Be­reich der Suchtmittel stieg die Zahl der fremden Verdächtigen enorm an.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 36

Ja, natürlich beschäftigen uns noch immer die Auswirkungen der großen Migrations­welle von 2015, der unkontrollierten Massenzuwanderung, als man Millionen von frem­den Menschen unkontrolliert in und auch durch unser Land gelassen hat, und zwar von tatsächlich verfolgten Schutzbedürftigen, die natürlich auf unsere Hilfe zählen können, über Wirtschaftsflüchtlinge bis hin zu Vergewaltigern, Mördern und Terroristen.

Ja, ich war schockiert, als ich vor wenigen Tagen gelesen habe, dass es eine Terror­warnung der USA für Österreich vor den Weihnachtsfeiertagen gab. Ich war schockiert. War ich auch überrascht? – Um ehrlich zu sein, nein. Überrascht war ich nicht. Es stimmt mich gerade in dieser besinnlichen Zeit sehr traurig, dass wir uns in Österreich auf unseren Christkindl- und Weihnachtsmärkten nicht mehr hundertprozentig sicher fühlen können. Natürlich sorgen auch dort viele Polizisten für unsere Sicherheit, sowohl mit technischen Sperren als auch mit Mannstärke und Bewaffnung.

Vergleicht man die einzelnen Deliktsgruppen, so kristallisieren sich fünf Hauptgruppen heraus: Einbrüche, Kfz-Diebstähle, Gewaltverbrechen, Cybercrime und auch Wirt­schaftskriminalität. Während aufgrund der sehr guten Aufklärungs- und Präventionsar­beit der Polizei ein eindeutiger Rückgang bei Einbrüchen und auch bei Kfz-Diebstählen zu verzeichnen ist, spricht der Trend bei Gewaltverbrechen und Cybercrime eine an­dere Sprache.

Im Bereich Cybercrime war 2017 ein Anstieg von 28,2 Prozent zu verzeichnen. Das liegt einerseits an der rasanten Entwicklung aller computergesteuerten Technologien und deren Sicherheitslücken in der Software und andererseits natürlich daran, dass die meisten User oft viel zu wenig sensibilisiert sind und sich oft der Gefahren, die im World Wide Web lauern, gar nicht bewusst sind. In dieser Hinsicht setzt das Bundes­kriminalamt neben all den IT-Experten auch auf Prävention, um die Bevölkerung durch Aufklärung entsprechend mehr zu sensibilisieren.

Bei Gewaltdelikten sank zwar die Zahl der Anzeigen um 2,4 Prozent, dramatisch ist jedoch die hohe Zahl an versuchten und vollendeten Tötungsdelikten. Nach dem nied­rigen Niveau von 2014 ist die Zahl der vorsätzlichen Tötungen bereits 2015, 2016 und eben auch 2017 gestiegen. Womit das unmittelbar im Zusammenhang steht, darf sich jeder selbst überlegen.

2017 wurden 54 Menschen in Österreich vorsätzlich getötet, 150 Mal blieb es beim Mordversuch. Positiv daran ist lediglich die Aufklärungsrate von 93,6 Prozent. Auch die Gewalttaten mit Hieb- und Stichwaffen sind im Zehnjahresvergleich explodiert: 1 060 Anzeigen wurden 2017 registriert, 2016 waren es sogar 1 153. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren es gerade einmal 272.

Im Bereich der Sexualdelikte, sprich der Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, gab es eine Steigerung um 0,7 Prozent. Die Regierung trägt, wie wir es heute von der Frau Staatssekretärin bereits gehört haben, dieser Entwicklung durch die Einsetzung der Task Force Strafrecht Rechnung, in der es um die Erhöhung der Strafrahmen für diese Delikte geht.

Einen exorbitanten Anstieg gab es auch bei der Drogenkriminalität. Die Zahl der An­zeigen erhöhte sich um 17,6 Prozent auf 42 610. Die Zahl der ausländischen Tatver­dächtigen stieg um 16,7 Prozent auf 14 916, wobei davon 6 200 Anzeigen Asylwerber betrafen. Rückläufig sind rechts- und linksextremistische Straftaten.

Auch die Zahl der inhaftierten Personen ist in Österreich 2017 angestiegen, insgesamt befanden sich 8 945 Personen in österreichischen Justizanstalten. Ein in Österreich markantes und bereits seit Jahrzehnten anhaltendes Phänomen ist der hohe Häftlings­anteil von Personen mit einer anderen als der österreichischen Staatsangehörigkeit. 2017 waren 4 837 Nicht-Österreicher gegenüber 4 107 Österreichern in unseren Jus­tizanstalten in Haft.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 37

Meine Damen und Herren, das war jetzt natürlich nur ein kleiner und kurzer Überblick über den wirklich sehr ausführlichen und gut aufbereiteten Sicherheitsbericht von 2017. Es gäbe noch viel mehr dazu zu sagen – es kommen Gott sei Dank nach mir noch einige Redner. Auch für diesen Bericht gilt der Dank allen Mitarbeitern sowohl des In­nenministeriums als auch des Justizministeriums, die mit seiner Erstellung wirklich beste Arbeit geleistet haben. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

Werte Kollegen, abschließend will ich noch ein paar persönliche Anmerkungen ma­chen: Ich war selbst mehr als zehn Jahre meines Lebens im Gefängnis (Ruf bei der SPÖ: Diesseits oder Jenseits?) – warten Sie! –, und zwar auf der richtigen Seite: als Justizwachebeamter. Ich weiß, was meine Kollegen leisten müssen, und weiß, was meine Kollegen auch zu leisten imstande sind. Genauso kenne ich sowohl beruflich als auch privat und natürlich auch durch die Politik sehr viele Polizisten. Diese zwei Be­rufsgruppen will ich hier und heute vor den Vorhang holen. Allen Polizisten und allen Justizwachebeamten: Danke für euren täglichen Einsatz für unsere Sicherheit! (Allge­meiner Beifall.) Einen Dank dafür, dass Sie tagtäglich Ihre Gesundheit und oftmals auch Ihr Leben für uns riskieren, damit wir sicher und unbeschwert leben können!

Im Schnitt werden 45 Polizisten pro Woche bei Einsätzen verletzt, die Hälfte davon durch Fremdeinwirkung. 187 Übergriffe gab es 2017 in Österreichs Gefängnissen. Er­fasst werden aber nur Delikte, die auch tatsächlich als Widerstand gegen die Staats­gewalt oder tätlicher Angriff gewertet werden, somit ist die tatsächliche Zahl der Ein­sätze viel höher. Es ist nur der guten Ausbildung, dem ständigen Training, vor allem auch den Mitgliedern der Einsatzgruppen und der Umsicht der Beamten in unseren Gefängnissen zu verdanken, dass sie solche Übergriffe oftmals präventiv verhindern.

2018 gab es bereits 123 Angriffe auf Polizisten mit Messern.

Was die Angreifer oft übersehen, ist der Mensch, der in der Uniform des Polizisten und des Justizwachebeamten steckt. Sie sind mehr als nur Uniformträger und sie sind mehr als nur Beamte, es sind Mütter und Väter, es sind Töchter und Söhne, Onkel, Tanten, Nichten und Neffen, es sind Menschen, deren Ziel es ist, nach dem Dienst gesund und unversehrt nach Hause zu ihren Familien zu kommen. Wir in der Politik sind gefordert, alles uns Mögliche zu tun, damit das auch so ist.

Unser Innenminister hat dafür gesorgt, dass bereits 24 000 individuell angepasste leichte Schutzwesten und pro Fahrzeug zusätzlich noch zwei schwere Schutzwesten zur Verfügung gestellt werden. Weiters wird in technischer und auch in personeller Hin­sicht investiert – mehr Polizisten mit besserer Ausrüstung. Das heißt, wir sind auf ei­nem guten Weg. – Danke unserem Innenminister Herbert Kickl, danke, Frau Staatsse­kretärin! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.31


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Armin Forstner. – Bitte.


10.31.23

Bundesrat Armin Forstner, MPA (ÖVP, Steiermark): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Andi Spanring hat es schon angesprochen, der Sicher­heitsbericht liegt uns vor. Er ist sehr umfangreich und weist im Allgemeinen einen Rückgang der Anzeigen und einen deutlichen Rückgang bei einzelnen Kategorien von angezeigten Straftaten aus. Die Aufklärungsquote bleibt weiter hoch. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Was die einzelnen Deliktsgruppen betrifft, ist die Entwicklung uneinheitlich. So hielt der bereits 2016 zu verzeichnende Rückgang bei Einbruchs- und Kfz-Diebstählen 2017


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 38

weiter an. Unterschiedlich war auch die Entwicklung der Gewaltdelikte. 2017 gab es mehr Anzeigen wegen vorsätzlicher Tötungsdelikte, die Zahl der vorsätzlichen Körper­verletzungen ging aber zurück.

2017 wurden in Österreich – Kollege Spanring hat es schon erwähnt – 510 536 Anzei­gen erstattet; das bedeutet einen Rückgang bei den Anzeigen – und das ist wichtig, geschätzte Kolleginnen und Kollegen – um 27 256. Das ist halt schon der guten Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten zu verdanken. Im langfristigen Vergleich blieben die Zahlen der Anzeigen seit 2010 im Wesentlichen konstant. In den Jahren davor la­gen sie immer deutlich über 570 000.

Mit 50,1 Prozent – das wurde auch schon angesprochen – konnte 2017 zudem die höchste Aufklärungsquote der letzten zehn Jahre in Österreich erzielt werden. Seit dem Jahr 2010 lag sie immer bei circa 40 Prozent, jetzt liegen wir, wie gesagt, bei 50,1 Prozent.

Die Anzahl der fremden Tatverdächtigen an der Gesamtkriminalität ist gegenüber 2016 leicht gestiegen. Prozentuell bedeutet das mit 105 812 nicht österreichischen Beschul­digten den höchsten Wert der letzten zehn Jahre. Wenn man auf 2008 zurückschaut, so haben wir damals circa 54 400 gehabt – nur so eine kleine Anmerkung.

Die Zahl der Einbruchsdiebstähle in Wohnungen und Wohnhäusern ist 2017 weiter ge­sunken; der Rückgang gegenüber dem Jahr 2016 lag bei 9 Prozent. Mit 11 802 ange­zeigten Straftaten wurde der niedrigste Wert im Zehnjahresvergleich erreicht.

Die Zahl der Anzeigen wegen des Diebstahls von Kraftfahrzeugen ging im Jahr 2017 gegenüber dem Jahr 2016 um 11,2 Prozent zurück und liegt ebenfalls auf dem nied­rigsten Wert der letzten zehn Jahre.

Deutlich angestiegen ist 2017 allerdings die Zahl der Anzeigen wegen vorsätzlicher Tö­tung; insgesamt wurden österreichweit 204 Straftaten angezeigt. Interessant ist aber, dass von diesen Anzeigen 54 Fälle vollendete Taten waren und es aber Gott sei Dank in 150 der angezeigten Fälle nur beim Versuch blieb.

Die Zahl der vorsätzlichen Körperverletzungen ist hingegen gesunken. 2017 wurden circa 39 000 Fälle angezeigt, was ein Minus von 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Im Bereich der Cyberkriminalität ist die Zahl der Anzeigen weiter angestiegen, von cir­ca 13 000 im Jahr 2016 auf 16 800 im Jahr 2017. Die angezeigten Delikte im Bereich der Wirtschaftskriminalität stiegen 2017 um circa 1 400 gegenüber dem Vorjahr, von 53 900 im Jahr 2016 auf 55 300 im Jahr 2017.

Schauen wir uns auch die Kriminalprävention an: Im Jahr 2017 hat die österreichische Polizei durch über 39 700 kriminalpräventive Maßnahmen mehr als 392 200 Menschen beraten. Hier ist vor allem die Initiative Gemeinsam Sicher anzuführen, mit der man in Österreich in der Polizei- und in der Präventionsarbeit neue Meilensteine gesetzt hat. Im Fokus stehen dabei die Nähe der Polizei zu den Bürgerinnen und Bürgern und die gemeinsame Gestaltung der Sicherheit. Gemeinsam mit der Polizei, mit den Gemein­den, Vereinen und anderen zuständigen Organisationen erarbeitet man Lösungen für Sicherheitsfragen, die gemeinsam umgesetzt werden.

Um den Schutz der Bevölkerung und der Einsatzkräfte in Österreich auch in Zukunft auf hohem Niveau aufrechtzuerhalten, gäbe es auch Investitionsbedarf in technischer und personeller Hinsicht, so hält dieser Sicherheitsbericht fest. 2017 wurden circa 25,7 Millionen Euro in bauliche Maßnahmen im Bereich der Polizei investiert. An dieser Stelle möchte ich auch anmerken, dass in den nächsten Jahren weitere 4 000 zusätzli­che Polizisten ausgebildet werden. Dies wird auch in Zukunft im jährlichen Sicherheits­bericht bemerkbar sein.


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Auch weniger links- und rechtsextremistische Taten wurden angezeigt. 2017 wurden 211 Tathandlungen mit linksextremistischen Tatmotiven und 1 063 rechtsextremisti­sche, fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische sowie sonstige Tathandlun­gen bekannt, bei denen einschlägige Delikte angezeigt wurden.

Eine klare Aussage gibt es im Bericht betreffend islamistische Extremismus- und Ter­rorismusgefährdung. Aufgrund des Ansteigens von Terroranschlägen seit 2015 geht das Innenministerium weiter von einer erhöhten Gefährdung durch islamistischen Ex­tremismus beziehungsweise Terrorismus überall in Europa aus und sieht auch für Ös­terreich eine erhöhte abstrakte Gefährdungslage hinsichtlich der terroristischen Be­drohung. Beobachtet werden vom Innenministerium zum einen salafistisch-dschihadis­tische Strömungen, deren Aktivisten bereit sind, Terroranschläge zu verüben.

Schauen wir uns die Migration und die Entwicklung im Asylwesen seit 2015 an! Einige Auswirkungen der Migrationskrise 2015 waren auch 2017 noch deutlich spürbar. Auf­grund zielgerichteter Maßnahmen konnte jedoch 2017 ein kontinuierliches Sinken der Asyl- und Migrationszahlen erreicht werden. 2017 stellten circa 24 700 Fremde einen Antrag auf Gewährung von Asyl, das bedeutet einen absoluten Rückgang von 17 550 und einen relativen Rückgang von circa 41,5 Prozent.

Ein weiterer Teil des Sicherheitsberichtes ist wie jedes Jahr auch ein detaillierter Über­blick über die Tätigkeit der Strafjustiz, der vom Justizministerium erstellt wird. Der Be­richt der Strafjustiz weist einen Anstieg der Verurteilungen aus. Letztlich wurden dem­nach 2017 von österreichischen Gerichten 30 746 Personen nach dem Strafgesetz­buch oder nach strafrechtlichen Nebengesetzen rechtskräftig verurteilt. Der Anteil der ausländischen Staatsangehörigen lag 2017 bei 42,3 Prozent und damit etwas höher als im Vorjahr, in dem er bei 41,1 Prozent lag. Aufgeschlüsselt nach absoluten Zahlen wurden 2017 etwas weniger Österreicherinnen und Österreicher, nämlich 17 745, und etwas mehr Ausländerinnen und Ausländer, nämlich 13 001 Personen, verurteilt.

Kommen wir zur Zahl der Häftlinge! Diese ist wieder angestiegen. Im Jahr 2017 be­fanden sich 8 945 Personen in österreichischen Justizanstalten in Haft, was einen An­stieg im Vergleich zu den letzten Jahren davor bedeutet. Ein in Österreich markantes und anhaltendes Phänomen, das sich seit der Ostöffnung zu Beginn der Neunziger­jahre herausgebildet hat, ist der hohe Häftlingsanteil von Personen mit einer anderen als der österreichischen Staatsangehörigkeit. 2017 befanden sich 4 837 Nicht-Österrei­cherinnen und -Österreicher gegenüber 4 107 Österreicherinnen und Österreichern in den österreichischen Justizanstalten; also um 730 mehr Ausländer als Inländer in un­seren Gefängnissen – das sollte uns zu denken geben.

Bevor ich zum Ende komme, möchte ich mich bei Herrn Generalmajor Lang – er ist heute auch gekommen und sitzt dort drüben – für die perfekte Berichterstattung im Ausschuss bedanken. Dadurch konnten wir einzelne Zusammenhänge im Bericht bes­ser verknüpfen.

Abschließend, geschätzte Kolleginnen und Kollegen: Österreich ist eines der sichers­ten Länder. Ich möchte mich daher bei unseren Polizistinnen und Polizisten – ich bin nicht seit zehn Jahren im Gefängnis, sondern seit 27 Jahren bei der Polizei –, bei den Kolleginnen und Kollegen der Justizwache, aber auch bei den Soldatinnen und Solda­ten des österreichischen Bundesheers auf das Herzlichste für ihren Einsatz zum Wohle unserer Sicherheit bedanken. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

10.39


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Weber. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 40

10.40.34

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Frau Staatsse­kretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich persönlich war weder im Gefängnis noch bei der Polizei, aber ich bin mit dem vorliegenden Sicherheitsbericht sehr gut vertraut. Es stimmt, ja, der Sicherheitsbericht ist mit sehr viel Daten und Fakten und Zahlen – ei­nige hörten wir heute bereits – ein sehr umfangreicher. Vor allem aber ist der Sicher­heitsbericht 2017 ein guter, in Wirklichkeit ein sehr guter. Darauf können wir alle mitein­ander sehr stolz sein, und eigentlich könnten wir darauf auch sehr gut und beruhigt auf­bauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur der Vollständigkeit halber, nur damit wir das alle noch intus haben: Bis zum 18. Dezember 2017 war Christian Kern unser Bundeskanzler, und als zuständiger Fachminister zeichnet Wolfgang Sobotka verantwortlich – nur damit wir wissen, wer die politische Hauptverantwortung für diesen guten Sicherheitsbericht 2017 getragen hat. (Bundesrat Schuster: Der Bundeskanzler?) Neben den hervorragenden Wirtschafts­daten, neben der bis dahin zumindest sehr guten sozialen Absicherung für alle Men­schen in Österreich – im Übrigen auch für alle Kinder –, einer durchaus positiven Fi­nanzsituation hat die Vorgängerregierung auch im sehr wichtigen Sicherheitsbereich ein sehr gut bestelltes Haus übergeben. Dieser Sicherheitsbericht zeigt uns dies ganz deutlich.

Diese Tatsache ist ein Verdienst der vorherigen Regierung und natürlich ganz beson­ders ein großer Verdienst unserer Polizei und Exekutive. Mein Vorredner Armin ist ja selber Polizist, und auch mir ist es an dieser Stelle ein großes Anliegen, mich bei allen Polizistinnen – das gibt es auch, Herr Kollege – und Polizisten (Bundesrätin Mühl­werth: Wir meinen eh immer Männer und Frauen! Wir gendern halt nicht!), bei allen Kräften der Exekutive und der anderen Einsatz- und Blaulichtorganisationen, auch beim Zivilschutzverband Österreich, bei allen, die zu dieser hohen Sicherheitslage in unserem Heimatland beitragen, herzlich zu bedanken. (Beifall bei der SPÖ.) Ihr leistet für unser sicheres Österreich hervorragende Arbeit, oft bei großen Herausforderungen und unter schwierigen Bedingungen. Ihre Arbeit hat entscheidend dazu beigetragen, dass Österreich weiterhin zu den sichersten Ländern dieser Erde gehört. Auch wenn Kollege Spanring sich auf keinen Christkindlmarkt mehr traut – es hat sich zumindest so angehört –: Unsere Heimat Österreich gehört zu den drei sichersten Ländern dieser Erde. Der aktuelle Global Peace Index hat fast 200 Länder der Erde untersucht. Nach Island und Neuseeland ist unsere Heimat Österreich bereits das sicherste Land, ge­folgt von Portugal, Dänemark und Kanada. Ich hoffe, dass wir diesen guten Wert halten können und nicht abrutschen.

Nun aber zum Sicherheitsbericht: Ich möchte nur ganz kurz auf die sogenannten Big Five eingehen, die fünf relevanten Deliktsbereiche. Diese sind für die Entwicklung der Kriminalität in Österreich von hoher Bedeutung und haben auch großen Einfluss auf das Sicherheitsempfinden der Gesellschaft.

Wir haben es schon gehört, im Bereich der Wohnungseinbrüche haben wir eine Re­duzierung der Fälle von 9 Prozent erreicht, noch einmal ein Jahr zurück waren weitere hervorragende 16,4 Prozent minus bei Wohnungseinbrüchen und bei Einbrüchen in Wohnhäuser zu verzeichnen. Die Aufklärungsrate hat einen positiven Spitzenwert der letzten zehn Jahre erreicht. Bei 43,7 Prozent aller Wohnungseinbrüche in Österreich im Jahr 2017 blieb es beim Versuch, den Tätern gelang es nicht, die Tat zu vollenden und Diebesgut zu entwenden. Und da wir heute von Kollegen Schuster schon wieder ein­mal das beliebte Wienbashing erleben durften: In Tirol und in Wien liegt dieser er­freuliche Prozentsatz sogar über 46 Prozent. Also in diesem Bereich gehört die Stadt Wien prozentuell – und das ist wichtig – zu den sichersten Bundesländern dieser Re­publik. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 41

Die Zahl der Anzeigen wegen Kfz-Diebstahls ist um 11,2 Prozent gesunken; das ist ebenso der niedrigste Wert im Zehnjahresvergleich. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2009, damals hat es 8 945 Delikte gegeben, gab es im vergangenen Jahr nur mehr 2 658 Delikte. Beim Kfz-Diebstahl konnte die Deliktanzahl also um mehr als zwei Drittel gesenkt werden. Hier hat natürlich die Sonderkommission Kfz, die seit 2009 tätig ist, große Wirkung gezeigt.

Diese beiden Bereiche Einbruch ins Eigenheim und Kfz-Diebstahl sind besonders wichtige und sensible Bereiche, betreffen sie doch den unmittelbaren Lebensbereich der Menschen. Dies ist für das subjektive Sicherheitsgefühl natürlich ganz wichtig.

Bei der Gewaltkriminalität, Thema der heutigen Aktuellen Stunde, hat es in Summe ei­ne leichte Senkung um 2,4 Prozent gegeben. Die Aufklärungsrate ist hingegen wieder erfreulich gestiegen. Zwei von drei Gewalttaten sind Beziehungsdaten, das heißt, Op­fer und Täter kannten sich. Viel davon passiert leider Gottes in der eigenen Familie.

Die Anzahl der Anzeigen im Bereich der Wirtschaftskriminalität ist hingegen gestiegen; der Anstieg beträgt in absoluten Zahlen 1 403 Delikte oder 2,6 Prozent.

Die fünfte kriminalitätsrelevante Statistik – und das ist jene, die in den letzten Jahren massiv gestiegen ist – betrifft die Cyberkriminalität. Wir hörten ja schon, sie ist im Be­richtszeitraum leider um fast 30 Prozent angestiegen. Hier müssen wir noch sehr viel mehr tun, sehr viel mehr Mittel in diesem Bereich einsetzen. In meinem Heimatbundes­land Steiermark hat es im Bereich der Cyberkriminalität ein Plus von 38,7 Prozent ge­geben. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, es freut mich ganz besonders, dass wir in der Steiermark mit unserem zuständigen Sicherheitsreferenten, Landes­hauptmann-Stellvertreter Mag. Michael Schickhofer, gemeinsam mit dem Zivilschutz­verband Steiermark im kommenden Jahr ein wichtiges Projekt auf Schiene bringen. In diesem Bereich müssen wir noch viel mehr aufklären und viel mehr tätig werden.

Wenn ich die aktuellen Aktivitäten im Innenministerium anschaue, bezweifle ich, dass wir die geeigneten Antworten finden. Entweder sind wir mit dem BVT-Skandal be­schäftigt oder reden über die Pferde. Ob das die Antwort für die Zukunft ist, bezweifle ich einmal. (Bundesrat Steiner: Das ist, weil du dich nicht auskennst!) 318 Polizeipfer­de hat es noch zu Kaisers Zeiten gegeben. Ich meine, diese Zeit liegt lang hinter uns, und wir sollten uns endlich den Themen der Zukunft widmen und nicht mit der Ver­gangenheit beginnen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Das machen wir eh!)

Ich glaube, Kollege Schuster als auch Kollege Spanring haben das sicher nur unbe­wusst nicht erwähnt – da war sicher kein Grund dahinter –, dass die Zahl der tatver­dächtigen Asylwerber im Berichtszeitraum um rund 10 Prozent gesunken ist.

Zugegeben, jede einzelne Straftat, in welchem Deliktsbereich auch immer, ist eine zu viel, aber auf diesen hervorragenden Sicherheitsbericht 2017 können wir aufbauen und die richtigen Schritte und Antworten für die Zukunft finden. Dann können wir auch wei­terhin ganz entspannt und sich sicher fühlend den Christkindlmarkt besuchen. In die­sem Sinne. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

10.50


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Mag. Karoline Edtstadler. – Bitte.


10.50.18

Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres Mag. Karoline Edtstadler: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Meine sehr geehrten Zuseher! Ich möchte mich zunächst bei meinen Vorrednern für die bereits sehr kompakte Darstellung des Sicherheitsberichtes bedanken, insbesondere bei den


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Bundesräten Spanring und Forstner, die ja profunde Kenner des Sicherheitsbereiches sind, der sich von der Polizei bis zur Justiz spannt.

Sicherheit ist ein ganz wesentliches Bedürfnis der Menschen, und deshalb setzt die Bundesregierung auch im aktuellen Regierungsprogramm einen klaren Schwerpunkt bei der Sicherheit. Das Bundesministerium für Inneres ist der größte Sicherheitsdienst­leister in Österreich. Ich möchte mich daher von dieser Stelle aus bei allen Polizistin­nen und Polizisten, aber auch bei allen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten und Richterinnen und Richtern für ihren täglichen Einsatz bedanken. Nur durch ihre tägliche Arbeit ist es möglich, dass dieses Land eben eines der schönsten und auch eines der sichersten Länder dieser Welt ist. Dafür gebührt ein großes Dankeschön. (Allgemeiner Beifall.)

Es ist natürlich ganz klar unser Ziel, und wir setzen auch alles daran, dass wir diese Si­cherheit sowohl in objektiver Hinsicht, wie sie sich im Sicherheitsbericht 2017 ja auch in Zahlen zeigt, als auch in subjektiver Hinsicht stärken. Es wurden viele Zahlen ge­nannt, ich möchte nur auf einige wenige noch einmal eingehen.

Im Vergleich zum Jahr 2016 haben wir einen Rückgang der Anzeigen um 5,1 Prozent und wir haben – das muss man noch einmal betonen – mit 50,1 Prozent die höchste Aufklärungsquote seit zehn Jahren. Da sage ich jetzt dazu, dass in einigen Bundeslän­dern diese Quote noch sehr viel höher als 50,1 Prozent ist und im Durchschnitt dann österreichweit diese 50,1 Prozent herauskommen.

Wir haben auch einen Rückgang – und das sage ich auch ganz klar – im Hinblick auf die Migration, bei den Asylwerbern, allerdings ausgehend von einem extrem hohen Stand. Im Jahr 2015 waren es rund 88 000 Asylwerber, 2016 42 285, jetzt im Jahr 2017 stehen wir mit minus 41,5 Prozent bei knapp 25 000. Die Anzahl der tatver­dächtigen Fremden ist im Wesentlichen unverändert, es gibt einen leichten Anstieg von 0,2 Prozent.

Zu den Big Five ist schon vieles gesagt worden, ich möchte nur hervorheben, dass wir eben gerade in einem Bereich einen extrem hohen Anstieg haben, und zwar – und das ist eine Fortsetzung des Trends der letzten zwei Jahre – im Bereich der Cyberkrimi­nalität. Das wurde auch mehrfach angesprochen. Das bestätigt mich und das bestätigt uns in unserem Bestreben, gerade in dem Bereich auch präventiv viel zu tun. Es ist notwendig, dass Unternehmerinnen und Unternehmer erkennen, dass sie selbst auch für eine entsprechende Sicherheit im Bereich der Cyberkriminalität sorgen müssen, denn die Polizei ist allein auf verlorenem Posten, weil man immer hintennach ist und weil auch im Vorfeld bereits etwas getan werden muss, weil man sich im Vorfeld schützen muss. Das ist die Kehrseite der Digitalisierung. Wir können sie uns alle nicht mehr wegdenken, aber wir müssen uns entsprechend im Umgang damit schulen und das auch weiter forcieren.

Bereits seit einigen Jahren sind wir damit konfrontiert, dass wir auch vermehrt terroris­tische Anschläge in Europa feststellen müssen. Das betrifft auch und gerade in Zeiten wie diesen die Christkindlmärkte. Die Politik hat das bereits im Jahr 2015 zum Anlass genommen, um eine Sicherheitsoffensive zu starten und einen Budgetrahmen von 288 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dazu kommt jetzt die Aufnahmeoffensive des Bundesministeriums für Inneres für zusätzliche Planstellen für Polizistinnen und Polizisten und auch Polizeischüler im Ausmaß von insgesamt 4 100. Ich kann Ihnen berichten, dass im Jahr 2017 bereits über 1 600 Polizistinnen und Polizisten in den Bundesdienst aufgenommen wurden, und das wird sich im Laufe der Legislaturperiode fortsetzen. Und wir setzen auch ganz klar auf mehr Tätigkeit und mehr Ausbildung im Bereich der Sonderermittlung, wenn es um IT-Technik und IT-Sicherheit geht.

Wenn ich davon spreche, dass wir mehr Polizistinnen und Polizisten aufnehmen, dass wir auch mehr auf der Straße sichtbar machen – ich habe erst gestern beim Gang über


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den Graben drei getroffen, die einfach auch sichtbar für Sicherheit sorgen, sodass die Menschen sich besser fühlen –, dann muss man aber auch eines hinzufügen: Man kann nie so viele Polizisten haben, dass nichts passiert. Es ist notwendig, die Zivilbe­völkerung hier einzubinden und auch entsprechend die Zivilcourage, das Hinschauen statt dem Wegschauen zu forcieren, die Menschen aufzuklären, wie man einschreitet, nämlich nicht indem man selbstlos vielleicht in einer aussichtslosen Situation dazwi­schengeht, sondern indem man die Polizei ruft, damit sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Wir machen das seit geraumer Zeit mit der Initiative Gemeinsam.Sicher.

2017 gab es 467 Sicherheitsforen. Das ist eine Kooperationsplattform mit freiwilligen Sicherheitspartnern. Gemeinsam werden da regionale und lokale sicherheitsrelevante Anliegen und Probleme erörtert und auch auf dieser Ebene gelöst. Wir haben in der Zwischenzeit 524 Gemeinderäte, 1 165 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, 60 Amtsleiterinnen und Amtsleiter, 38 sonstige Personen, die zu Sicherheitsgemeinde­räten bestellt wurden und sich gemeinsam mit der Polizei in den Dienst für die Sicher­heit dieses Landes stellen. Ziel ist es, das Vertrauen der Bevölkerung auch in das sub­jektive Sicherheitsgefühl wieder zu steigern, damit wir nicht nur die Zahlen schwarz auf weiß vor uns haben, sondern die Menschen sich auch darauf verlassen können.

Ich darf noch eines hinzufügen: Erst gestern war ich bei der Konferenz des European Crime Prevention Network, und da wird es auch eine Sicherheitstrophäe geben. Wir haben insgesamt 20 Einreichungen aus den EU-Staaten gehabt, wo es genau darum geht, die Bevölkerung auch entsprechend einzubeziehen.

Ich habe eingangs gesagt, die Sicherheit endet nicht bei der Polizei, zur Sicherheit ge­hört auch die Justiz, gehören die Staatsanwaltschaften und die Gerichte. Ich darf hier deshalb auch ein paar Spotlights auf die Justiz richten.

Wir haben insgesamt einen Rückgang des Anzeigenneuanfalls, auch was die Delikte bei der Justiz betrifft, die also bis zu dieser Ebene kommen: minus 4,1 Prozent auf be­zirksgerichtlicher Ebene und minus 6,8 Prozent auf Ebene der Landesgerichte. Trotz dieser geringen Rückgänge von Anzeigen, die dann dort landen, gibt es eine höhere Anzahl an Strafanträgen und Anklageschriften: insgesamt 57 306 Strafanträge, ein Mi­nus von 2,8 Prozent; ein Plus von 4 910 gab es bei den Anklageschriften, was ein Plus von 8,7 Prozent bedeutet. Als ehemalige Richterin kann ich Ihnen sagen, die Anklagen sind sehr viel mehr Arbeit als die Strafanträge, insofern muss man dieses Plus auch entsprechend gewichten, das ist erheblich.

Von insgesamt 251 467 Verfahren, bei denen es zu einer justiziellen Enderledigung kam, waren 64,1 Prozent Einstellungen, 20,7 Prozent Diversionen, 12,5 Prozent Verur­teilungen und 3,8 Prozent Freisprüche. Die Verfahrensdauer ist anhaltend auf einem sehr niedrigen Niveau mit einem bundesweiten Meridian bei landesgerichtlichen Ver­fahren von 1,1 Monaten.

Insgesamt kam es zu 30 756 rechtskräftigen Verurteilungen. Wenn man sich jetzt die Zahlen aus der Diskussion der Aktuellen Stunde hernimmt und diese Zahl gegenüber­stellt, dann sieht man, dass sich das mit den Gewaltverbrechen vielleicht ausgehen würde, aber wir wissen, dass da natürlich alle umfasst sind, und wir streben hier wirk­lich – ich sage das noch einmal in diesem Zusammenhang – eine höhere Verurtei­lungsquote auch bei Gewalt- und Sexualverbrechen an. Ich bin davon überzeugt, dass das mit den entsprechenden Rahmenbedingungen für die Justiz auch möglich sein wird.

Jetzt noch bei den Verurteilten eine Aufteilung: 85,8 Prozent sind Männer, 14,2 Prozent der Verurteilten sind Frauen; 6,5 Prozent von allen Verurteilten sind Jugendliche, 11,8 Pro­zent junge Erwachsene und eben der Rest von über 80 Prozent Erwachsene. Die Zahl der Österreicher und Nicht-Österreicher wurde schon genannt, wir haben fast 58 Pro-


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zent österreichische Verurteilte und 42,3 Prozent ausländische Staatsangehörige, die verurteilt wurden.

Die Anzahl der Verurteilungen ist insgesamt geringfügig, nämlich um 1 Prozent, gestie­gen. Der Grund für die Verurteilungen sind überwiegend Vermögensdelikte; zu 31 Pro­zent. Delikte gegen Leib und Leben schlagen mit 17,1 Prozent zu Buche und Sucht­mitteldelikte mit 18,5 Prozent. Die Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbe­stimmung, die zu einer Verurteilung geführt haben, machen insgesamt 2,4 Prozent aus. Der Anstieg bei den Sexualdelikten wurde schon genannt. Wir haben einen leich­ten Rückgang bei den Delikten gegen Leib und Leben, aber der ist wirklich nur leicht, und ich würde mich nicht damit aufhalten, mich lange darüber zu freuen, denn wir ha­ben gerade bei den vorsätzlichen Tötungsdelikten wieder einen erheblichen Anstieg.

Auch zurückgegangen bei den Verurteilungen sind Delikte gegen fremdes Vermögen: ein leichter Rückgang von etwas mehr als 2 Prozent.

Mit den insgesamt 30 746 Verurteilungen wurden über 49 049 Delikte abgesprochen, das heißt, im Schnitt gab es pro Verurteilung einen Entscheid über 1,6 Delikte, denn oft ist es ja so, dass nicht nur eine Körperverletzung verurteilt wird, sondern dass dann eine Nötigung dazukommt, vielleicht auch noch ein Delikt aus einer anderen Gruppe von Verbrechen.

Die verhängten Strafen und Maßnahmen finde ich auch noch interessant und erwäh­nenswert. Es gab insgesamt 8 693 Geldstrafen und 20 100 Freiheitsstrafen. Über die Haftzahlen wurde bereits gesprochen: Der Ausländeranteil ist in etwa 50 Prozent, ein bisschen mehr als 50 Prozent, Frauenanteil 5,9 Prozent, bei Jugendlichen haben wir einen Anteil von 1,6 Prozent.

Wenn man sich all diese Zahlen vor Augen führt, dann darf ich noch einmal resümie­ren, dass wir in einem der sichersten Länder leben, dass wir alles daransetzen, dass es auch so bleibt. Mein ganz eindeutiges Bestreben ist es, den Strafverfolgungsbe­hörden auch alle Rahmenbedingungen in die Hand zu geben, damit in Zukunft auch bei Gewalt gegen Frauen eine bessere Verurteilungsquote zustande kommt, denn ge­rade bei Delikten wie Vergewaltigung wissen wir, dass die Anzahl der Anzeigen mit der Anzahl der Verurteilungen in keiner Weise korreliert. Es gibt also nicht annähernd so viele Verurteilungen wie Anzeigen, und das liegt natürlich daran, dass die Beweislage in vielen Fällen sehr schwierig ist, sehr dünn ist, man oft nicht einmal bis zur Anklage oder zum Strafantrag kommt. Daher setzen wir auch alles daran, diese Beweismate­rialien entsprechend früh zu sichern, etwa mit bildgebenden Methoden bei der Fest­stellung von Verletzungen und vielen weiteren Einzelmaßnahmen.

Ich hoffe, dass wir damit im nächsten Jahr auch hier einen Anstieg bei den Verurtei­lungen haben, dass wir dieses Delta zwischen Anzeige und Verurteilung so klein wie möglich machen können. Das ist mein Bestreben und dafür werde ich mich auch in Zu­kunft einsetzen. – Vielen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

11.02


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gottfried Sperl. – Bitte.


11.03.00

Bundesrat Gottfried Sperl (FPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und via Livestream! Kolleginnen und Kollegen! Der Sicherheitsbericht ist sehr umfangreich, umfasst viele Statistiken, und diese lassen sich, wie wir schon vorher mitbekommen haben, unterschiedlich auslegen; wie immer bei Statistiken – einmal so, einmal so.


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Ich möchte aber doch noch auf einige Punkte eingehen. Ein wesentlicher Punkt ist der Bereich Migration und Kriminalität. Wenn Herr Abgeordneter Weber gesagt hat, es wurde ein gut bestelltes Haus übergeben (Bundesrat Weber: So ist es!), dann muss man aber auch einmal klar sagen: Aus dem Bericht geht eindeutig hervor, dass es ei­nen Zusammenhang zwischen zunehmender Kriminalität und den Migrationsströmen der letzten Jahre, vor allem seit 2015, gibt. Das ist ganz klar hervorzuheben.

Wenn wir von den 270 000 Tatverdächtigen knapp 40 Prozent ausländische Tatver­dächtige haben und dies den höchsten Wert seit zehn Jahren darstellt, dann muss da ein Zusammenhang sein. Die Top 3 dieser Tatbestände sind Diebstahl, Körperverlet­zung und Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz. Bei der Staatsangehörigkeit stellt man fest, dass sich unter den Topnationen Afghanistan, Syrien und Kroatien finden. – Wenn da kein Zusammenhang besteht, wo dann? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Der zweite Punkt, die Gewaltdelikte, ist schon angesprochen worden. Vor allem der Einsatz von Hieb- und Stichwaffen ist in den letzten zehn Jahren eklatant angestiegen. Es ist nicht verwunderlich, wenn wir schauen, von wo wieder die Haupttatverdächtigen kommen: aus Afghanistan, Türkei, Irak, Rumänien und Serbien. Früher haben bei uns ab und zu am Kirtag noch die Fäuste gesprochen, heutzutage sitzen aber bei diesen aus dem Ausland Zugereisten anscheinend die Messer sehr locker.

Bei der organisierten Kriminalität gibt es eine starke Zunahme der Täter aus dem ara­bischen Raum, insbesondere aus den Krisengebieten des Nahen Ostens. Es gibt zu­nehmend gewaltbereite religiöse Gruppierungen vor allem aus dem Bereich Syrien und Irak. Afghanische Tätergruppen spezialisieren sich vor allem auf den Suchtmittelbe­reich und den Bereich Schutzgelderpressung und Straßenraub.

Das führt mich wieder zum Bereich der Suchtmittelkriminalität. Österreich ist ein Kon­sum-, Transit- und Umschlagspunkt für Suchtmittel. Allein bei den Fremden ist ein An­stieg der Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz um 16,7 Prozent zu verzeichnen. Spe­ziell zu beachten ist natürlich auch die Balkanroute. Wir haben auch jetzt wieder ge­rade gehört, dass da nach wie vor noch die Mafia ist. (Bundesrat Weber: Ist sie offen oder geschlossen?) – Die Balkanroute für Suchtmittel hat man anscheinend noch nicht schließen können, auch wenn jetzt dann schon wieder - - (Ah-Rufe bei der SPÖ.) – Ja, für Fremde schon, aber der Schmuggel aus diesem Bereich ist nach wie vor gegeben. Das wohlbestellte Haus – ja. (Bundesrat Weber: Geschlossen und offen! Wie geht denn das? – Bundesrat Steiner: Ihr kennt euch nicht aus!)

Auch die Suchtmittelverteilung über das Darknet ist ein wesentlicher, zunehmender Be­reich, der sich hier maßgeblich niederschlägt. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr wart ja so stolz auf eure offene Route!) Wie gesagt, es ist ein Anstieg von knapp 17 Prozent bei Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz durch Fremde zu verzeichnen.

Zusammenfassend: Es ist ein sehr umfassender Bericht mit gutem Überblick. Wo man Personal konzentriert einsetzt, auch zum Beispiel mit der Unterstützung durch das Bundesheer, konnten sich Erfolge zeigen. Es wurde ja die Soko Kfz angesprochen. Dass dieses Personal anderweitig natürlich wieder fehlt, ist auch klar. Es fehlt das Per­sonal auch deshalb anderweitig, weil unter früheren Regierungen Polizeiinspektionen zugesperrt wurden. Jetzt, weil wir dort niemanden mehr haben, brauchen wir Sicher­heitsgemeinderäte. (Bundesrat Weber: Das war Schwarz-Blau I! Das war eine Ge­meinheit! – Bundesrat Steiner: Wie gesagt, ihr kennt euch nicht aus! – Bundesrat We­ber: Da bist du zu jung dafür! – Bundesrat Steiner: Ihr kennt euch nicht aus!) Jetzt brauchen wir Sicherheitsgemeinderäte, weil die zugesperrt worden sind.

Es ist also ein klarer Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität gege­ben. Die Maßnahmen, die durch Bundesminister Kickl und auch von der Frau Staats­sekretärin gesetzt werden, dass jetzt das Personal verstärkt wird, dass Polizisten auf-


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genommen werden, stimmen mich positiv, dass wir die Zukunft wieder besser meistern werden. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.08


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schabhüttl. – Bitte.


11.08.48

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Da ich der letzte Redner zum Sicherheitsbericht 2017 bin, kann ich mir hoffentlich die statistischen Zahlen alle ersparen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, danke!) Meine Vorredner haben ja schon aus­führlichst die Statistiken aus diesem Sicherheitsbericht herausgelesen, auch die Frau Staatssekretärin hat einiges an Input mit statistischem Wert gegeben.

Prinzipiell pflichte ich Ihnen bei, dass Sicherheit ein hohes Gut in Österreich ist, dass es der Bevölkerung natürlich auch sehr, sehr viel wert ist. Das ist auch gut so. Nicht alles lässt sich aus dieser Statistik hundertprozentig herauslesen. Die Tendenzen stim­men mich positiv, dass es einen Rückgang der angezeigten Delikte gibt. Die Tenden­zen stimmen mich natürlich noch positiver, dass es eine Erhöhung der Aufklärungsrate auf über 50 Prozent zu verzeichnen gibt, auch deshalb – ich bin gerade vorher drauf­gekommen, Kollege Forstner und ich haben beide 27 Jahre bei der Polizei am Buckel –, weil das nicht immer so war.

Das ist natürlich mehreren Dingen geschuldet; zunächst einmal dem persönlichen Ein­satz der vielen Polizistinnen und Polizisten, die regelmäßig jeden Tag 24 Stunden lang für ihr Land, für die Bevölkerung Österreichs auch den Kopf hinhalten müssen. Dazu­zählen möchte ich auch die Strafvollzugsbehörden in ihrem Mitwirken und natürlich auch die Frauenberatungsstellen, die sonstigen Ämter oder Behörden und die Blau­lichtorganisationen dankend erwähnen, die dieses Land natürlich auch sicherer ma­chen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch auf ein paar Dinge eingehen. Ich weiß jetzt nicht, welcher Bundesrat es war, der darauf eingegangen ist, dass Innenminister Kickl endlich die 24 000 Schutz­westen angekauft hat. Der Bestellungsvorgang von 24 000 Schutzwesten ist nicht in ein paar Monaten zu machen, dieser Bestellungsvorgang ist schon vor Jahren einge­leitet worden. Es hat ja schon einen Probebetrieb mit verschiedenen Schutzwesten­marken gegeben, und die Umsetzung ist jetzt im Jahr 2018 erfolgt. Das möchte ich ein­fach nur richtigstellen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das ist halt so!)

Zur Kollegin Mühlwerth, zur vorherigen Thematik: Sehr viele Gewalttäter, die Gewalt an Frauen ausüben, sind Männer. Das muss man ganz klar verurteilen. Ich schäme mich auch dafür, dass es sehr viele Männer sind, aber nicht alle Männer ticken gleich und nicht alle Männer haben dieses Gen, das sie Gewalt ausüben lässt. Das haben Sie persönlich angesprochen. Ich möchte das nur als einer der Männer sagen, die nicht Gewalt ausüben. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Falsch verstanden! – Ruf bei der FPÖ: Das sagen sie dann immer!)

Ich möchte noch erwähnen, dass das der Sicherheitsbericht 2017 ist, über den wir heu­te sprechen. Diese positiven Entwicklungen sind in vielen Bereichen dem geschuldet, wie auch in den letzten Jahren die Regierungsarbeit war. Auch wenn man es nicht gerne hört, es ist halt so. Einmal kann jemand etwas ankaufen, was über Jahre vorbe­reitet ist, das andere Mal ist es noch der Bericht, der die Vorgängerregierung oder die Art und Weise, wie sie an bestimmte Problemstellungen herangegangen ist, in einem positiven Licht erscheinen lässt.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 47

Ich hoffe für die Zukunft, dass dieser Rückgang bei den angezeigten Delikten anhält, dass die Aufklärungsquote noch weiter in die Höhe getrieben werden kann, dass das auch im Sicherheitsbericht 2018 steht. Mir persönlich ist es ganz egal, welcher Minister dafür verantwortlich zeichnet, mir ist wichtig, dass die Sicherheit in diesem Land, in die­sem schönen Land, in diesem sicheren Land, sehr, sehr hoch bleibt. Da kann ich auch nur darüber lachen: In jedem Land kann etwas passieren, in jedem Land kann ein ter­roristischer Akt passieren. (Bundesrat Seeber: Na, lachen nicht!) – Ich lache – Sie müssen mich ausreden lassen – jetzt über eine Reisewarnung von Amerika, darüber kann ich nur lachen. Wenn man thematisiert, was Trump und sein Regime die ganze Zeit umsetzen, dann kann ich nur darüber lachen. Da müssten wir schon lange eine Reisewarnung für Amerika ausgeben. Das hier auf diesem Platz zu bringen, uns mit Trump zu vergleichen, ist, glaube ich, sehr weit hergeholt. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Abschließend: Die Polizei oder der Sicherheitsapparat – das haben Sie (in Richtung Staatssekretärin Edtstadler) vorher richtig gesagt – sind immer hinterher. Das ist einfach so, das muss man einfach so zur Kenntnis nehmen. Wir müssen versuchen, Tendenzen so schnell als möglich herauszufinden, das auch zu belegen, damit wir darauf reagieren können, damit wir auch dementsprechende Rahmenbedingungen schaffen können. Da gefällt mir die Herangehensweise sehr, sehr gut, dass wir einfach ein Screening machen, damit wir entsprechende statistische Werte haben. Ich bevor­zuge diese Art der Politik, bevor wir einfach tagespolitische Themen oder Auffassun­gen der „Kronen Zeitung“ oder anderer dieser Zeitungen übernehmen und nach neuen Gesetzen schreien. Fundiert mit vorgelegten statistischen Werkzeugen, fundiert mit Aus­sagen unserer Expertinnen und Experten aus dem Sicherheitsbereich können wir in Zukunft auch Gesetze schneller umsetzen, die dem entgegenwirken können.

Abschließend nochmals danke schön allen, die zur Sicherheit in diesem Land beitra­gen. Ich hoffe, dass wir in diesem Bereich auch in Zukunft über Parteigrenzen hinweg gemeinsam Rahmenbedingungen schaffen können, damit wir dieses Land noch siche­rer machen können. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Stögmüller.)

11.15

11.15.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

*****

Ich darf bekannt geben, dass soeben ein Schreiben des Verbindungsdienstes des Bun­deskanzleramtes eingelangt ist, dass sich der Herr Bundesminister für Verfassung, Re­formen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser vom 6. bis 8. Dezember in Brüssel aufhält.

*****

Ich darf weiters bekannt geben, dass der von Bundesrat David Stögmüller eingebrach­te Fristsetzungsantrag zu 255/A(E)-BR/2018 zurückgezogen wurde.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 48

11.16.332. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesämtergesetz geändert wird (300 d.B. und 333 d.B. so­wie 10065/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Andrea Wagner. Ich bitte um den Bericht.


11.16.53

Berichterstatterin Andrea Wagner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 22. No­vember 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesämtergesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Bevor wir in die Debatte eingehen, darf ich ganz herzlich unsere Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. – Bitte.


11.17.46

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Frau Nationalratspräsidentin außer Dienst! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! 1979 wurde, übrigens unter Bundeskanzler Bruno Kreisky, die Bun­desanstalt für Bergbauernfragen ins Leben gerufen, und heute soll sie endgültig zu Grabe getragen werden. Das ist ein großer schmerzlicher Verlust für die Menschen im ländlichen Raum, besonders in exponierten Lagen, die ohnehin schon schwer zu be­wirtschaften sind und die den Menschen wirklich alles abverlangen.

Die Bundesanstalt für Bergbauernfragen hat als wissenschaftliche Einrichtung, als hoch qualifizierte und hoch spezialisierte Forschungseinrichtung kritische Forschung gerade zu diesen Bergbauerngebieten und strukturschwachen ländlichen Regionen be­trieben. Anscheinend zu kritisch – deshalb war sie der ÖVP schon länger ein Dorn im Auge, die SPÖ hat aber einer Schließung nie zugestimmt. Was passiert aber heute, was ist schon im Nationalrat passiert? – Die FPÖ gibt sich als Mehrheitsbeschafferin her! (Bundesrätin Mühlwerth: Aber so etwas! Aber wirklich!) Und das ist sehr, sehr schade, Frau Kollegin, werte Kolleginnen und Kollegen! Das passiert nämlich, obwohl es vorwiegend negative Stellungnahmen zu diesem Vorhaben der Bundesregierung gegeben hat. Von 36 Stellungnahmen waren 30 negativ. Der Grundtenor war, das Berg­bauerninstitut muss in seiner Eigenständigkeit erhalten bleiben und darf nicht vom Agrar­wirtschaftlichen Institut geschluckt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus gutem Grund wurden diese Stellungnahmen abgegeben: weil wichtige Grundla­genarbeit dadurch gefährdet ist, wenn es um die Weiterentwicklung des ländlichen Raumes geht, und eben auch entsprechende Empfehlungen und Ableitungen für die Politik gegeben werden; anscheinend auch Dinge, die nicht so ganz ins Konzept pas­sen, etwa eine gerechtere Förderpolitik für kleine Bergbauernbetriebe, Empfehlungen zum Klimaschutz. (Bundesrat Rösch: Jetzt wird die SPÖ zur Bauernpartei!)


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 49

Gerade unsere hochalpinen Lagen sind ja auch für den Klimaschutz eine besonders sensible Zone. Ich selbst wohne im weststeirischen Bergland, wo es einst sehr viele Bergbauernbetriebe gegeben hat, und ich weiß aus nächster Nähe, was da geleistet wurde, auch im Bereich der Landschaftspflege, in der Produktion von hochwertigen agrarischen Produkten, die ja gewissermaßen auch eine kulinarische Visitenkarte einer Region sind. Dennoch sind diese Betriebe bei Förderungen krass benachteiligt, weil eben flächenmäßig große Betriebe im relativ einfach zu bewirtschaftenden Flachland begünstigt sind. Das ist eine Schieflage, auf die besagtes Institut, kurz gefasst Berg­bauerninstitut, immer wieder hingewiesen hat. (Bundesrätin Mühlwerth: Da hat man von euch in den letzten Jahren aber überhaupt nichts gehört!) – O ja, sehr wohl, sehr wohl, aber die Mehrheiten sind eben anders gelagert, nämlich auch auf europäischer Ebene. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr wart in der Regierung!) Schauen Sie sich die Stel­lungnahmen der Agrarminister an! Auf diese Schieflage haben wir immer hingewiesen.

Aber Kritik hört diese Bundesregierung einfach nicht gerne. Wer kritisch ist, wird zum Schweigen gebracht (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, du darfst eh noch reden!) – heute ist eben das Bergbauerninstitut dran –, und das ist ein politisches Armutszeugnis! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

11.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Bitte.


11.22.03

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Von Zu-Grabe-Tragen kann wirklich keine Rede sein. Dieser Gesetzesbeschluss des Natio­nalrates sieht nämlich die Zusammenlegung der beiden Bundesanstalten für Agrarwirt­schaft und für Bergbauernfragen vor. Sie haben beide bis jetzt getrennte Administra­tionen, getrennte EDV und getrennte Budgets. Wir reden seit Jahren über Verwal­tungsreform, über einen schlankeren Staat, und auch der Rechnungshof hat zu diesem Fall die Empfehlung abgegeben, die beiden Institute zusammenzuführen, damit auch Einsparungspotenzial lukriert werden kann. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist der SPÖ wurscht!)

Wir haben hier einfach zwei Dienststellen im selben Haus, einmal mit 14 und einmal mit zehn Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftlern, beide forschen im agrarökono­mischen Bereich, aber es gibt eben zwei getrennte Verwaltungen. Eine Zusammenle­gung ist deshalb nur sinnvoll. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nun komme ich aber zu einem wichtigen Anliegen, das ich der Frau Ministerin vortra­gen möchte, und das ist nicht nur ein Anliegen von mir, sondern von vielen Menschen in der sogenannten Provinz, das ich auch mit Medienberichten verschiedenster Art be­legen kann: Bitte, mehr Behörden aus dem Zentralraum in die peripheren Gebiete!

Wir sorgen uns um die Entsiedlung ländlicher Gebiete! In vielen Fällen ist die Infra­struktur bereits jetzt stark ausgedünnt, und gerade junge Menschen mit einem Studium können in ihren entfernten Regionen keine adäquate Arbeit finden und damit in ihrer Heimat verbleiben. Wichtig ist, hier gegenzusteuern und entsprechende Möglichkeiten zu schaffen. Der ländliche Raum soll zukunftsorientiert gefördert werden.

Ich schätze die Arbeit der Bundesregierung ungemein und weiß wohl, dass nicht alles auf einmal gemacht werden kann. Das Arbeitstempo der Regierung ist sehr hoch, aber solche Verlegungsüberlegungen und vor allem deren Realisierung brauchen auch ihre Zeit. Es wäre aber eine sehr wichtige Zukunftsperspektive, vor allem für Studierende aus den hinteren Tälern und kleineren Dörfern weit außerhalb.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 50

Wir aus den Ländern würden uns wünschen, dass über solche Dezentralisierungen stärker nachgedacht wird und dass diese Behörden gute und dauerhafte Arbeitsplätze auch in den entfernteren Gebieten anbieten.

Verschiedene Bundesbehörden bieten sich sachlich auch dazu an, ihren Sitz dort zu haben, wo sie fachlich zuständig sind. Tirol zum Beispiel ist als Herz der Alpen dazu prädestiniert, die Zentrale der Wildbach- und Lawinenverbauung zu beherbergen, um nur ein Beispiel zu nennen.

64 von 68 österreichischen Bundesbehörden sind derzeit in Wien angesiedelt. Der da­malige Bundesminister Andrä Rupprechter, natürlich ein Tiroler, hatte eine Dezentrali­sierung auf seine Fahnen geheftet. Er sagte, wenn es sinnvoll sei, gehören Behörden in die Regionen verlagert. Das führt einfach auch zu einer Stärkung des ländlichen Raums. Es gibt auch eine Studie der Innsbrucker Institute für Föderalismus bezie­hungsweise Verwaltungsmanagement, wonach realistischerweise bis zu 3 500 Bun­desdienststellen in verschiedenen Behörden auf das Land verlagert werden könnten.

Im Vergleich zur Schweiz, zu Deutschland und einer Reihe anderer europäischer Staa­ten ist die heimische Verwaltung ziemlich zentralistisch auf Wien konzentriert. Einige Bundesländer haben deshalb mit einem starken Abzug von Fachkräften zu kämpfen. Laut der damals vom Landwirtschafts- und Umweltministerium beauftragten Studie würden so in den kommenden zehn Jahren rund 50 000 Personen aus Bundesländern wie Kärnten, der Steiermark oder Tirol Richtung Bundeshauptstadt abwandern.

Im digitalen Zeitalter gibt es immer weniger Argumente, eine Dezentralisierung abzu­lehnen. Natürlich kann diese nur gemeinsam mit den Mitarbeitern erfolgen.

Ich möchte einige Beispiele aus Deutschland anbringen, die wir alle kennen. In Deutschland ist zum Beispiel die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, das Statisti­sche Bundesamt und das Bundeskriminalamt in Wiesbaden, das Bundesarchiv in Ko­blenz, die Verkehrsbehörde in Flensburg. Bayern verfolgt seit 2015 ein entsprechendes Dezentralisierungsprogramm.

Ich möchte abschließend die Frau Bundesministerin bitten, die Strategie zur Dezentra­lisierung und Verlegung von Bundesbehörden in entferntere Regionen weiterhin mit Engagement zu verfolgen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Bun­desrätInnen der SPÖ.)

11.27


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr.


11.27.55

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Ein Zitat: „Es ist völlig unverständlich, warum das Bergland Österreich keine eigenständige Bundesanstalt für Bergbauernfragen haben soll.“

Oder: „Aktuell stehen die Berglandwirtschaft und die Berggebiete vor riesigen Heraus­forderungen, ihre Zukunft ist ein Schlüsselthema für Österreich und Europa.“

Oder: „In Zeiten des Klimawandels, von Ernährungskrisen und drängenden Fragen zur Entwicklung der Berglandwirtschaft brauchen wir kritische Wissenschaft.“

Das sind nur drei Zitate aus den erwähnten 30 Stellungnahmen, die – wie die Kollegin von der SPÖ schon erwähnt hat – allesamt negativ ausgefallen sind. Genau das ist heute das Thema.

Was ist passiert? – Es gab schon seit Jahren die Versuche, diese kritische Forschung, die betrieben worden ist, nicht nur zu reduzieren, sondern auch loszuwerden, weil sie


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immer wieder Fragen aufgeworfen hat, mit denen sich natürlich vor allem das Umwelt­ministerium auseinandersetzen musste.

Jetzt gibt es einen Rechnungshofbericht, der sagt: Ja, tatsächlich müsste eigentlich eingespart werden. Das hat man zum Anlass genommen, um Institute einfach zusam­menzuführen. Man sagt, Effizienz, Budget und natürlich auch die inhaltliche Ausrich­tung werden sich eben in Zukunft in eine Richtung fokussieren, übersieht dabei aber, dass die inhaltliche Kompetenz eines Instituts vollkommen verloren geht.

Der Rechnungshof hat nämlich nicht gesagt, diese zwei erwähnten Institute gehören zusammengeführt, sondern, dass es schon bei dieser bestehenden Zusammenarbeit – das wissen Sie als Ministerin – Einsparungspotenziale gibt. Das heißt in aller Kürze, man hat hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Ohne sich nämlich genauer anzu­schauen, wo eingespart werden könnte, hat man de facto eine ganze Institution, die seit Jahren sehr renommiert ist, international renommiert ist und für Österreich im Spe­ziellen inhaltlich sehr wichtig ist, einfach abgeschafft.

Das ist der Kern der Kritik, vielleicht möchten Sie später darauf eingehen. Tatsache ist, dass sich alle Experten und Expertinnen, die diese Stellungnahmen eingebracht ha­ben, darin nicht nur einig sind, sondern betonen, wie wichtig diese Forschung bisher für Österreich gewesen ist.

Sie werden mir alle recht geben, dass uns nicht nur die Klimakrise vor große Heraus­forderungen stellt, sondern natürlich auch die spezielle Situation der österreichischen Landwirtschaft gerade für uns in der Länderkammer, im Bundesrat, ein wichtiges The­ma sein sollte. Ich bin sehr gespannt auf die Ausführungen dazu, wieso man nicht mehr Wert darauf legt, sondern einfach sagt, wir legen das jetzt zusammen und ar­gumentieren das mit einer Empfehlung, die überhaupt nichts mit der inhaltlichen Aus­richtung zu tun hatte, sondern lediglich mit Einsparungspotenzialen. Das geht sich ein­fach vorne und hinten nicht aus.

Ich wiederhole jetzt nicht alle Kritikpunkte, die vor allem vonseiten der SPÖ schon an­geführt worden sind. Die kritische Forschung gerade in diesem Bereich der Bergland­wirtschaft in Österreich wird fehlen, denn leider gibt es auf EU-Ebene nichts Vergleich­bares. Ich habe schon erwähnt, dass dieses Institut europaweit und international re­nommiert war. Auch spielt es eine ganz große Rolle gerade jetzt in den Auseinander­setzungen auf europäischer Ebene darüber, wie es mit der kleinräumigen Landwirt­schaft, der speziellen Landwirtschaft und der Bergbauernlandwirtschaft weitergehen soll, die hier an den Rand gedrängt werden. In Zukunft wird es also keine spezielle For­schung dazu geben.

Ewig schade, dass es nicht anders möglich war, diese Empfehlung des Rechnungs­hofes umzusetzen, als hier einfach alles zusammenzuwürfeln und zu glauben, dass das mehr bewirken wird. In diesem Sinne gibt es natürlich auch von uns Grünen da­zu keinerlei Zustimmung. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Stögmüller.)

11.33


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Längle zu Wort. Ich erteile es ihm.


11.33.21

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Geschätzte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Es geht um die Zusammenlegung zweier Bundesanstalten, nämlich jener für Agrarwirtschaft und jener für Bergbauern­fragen, in eine gemeinsame Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen. Das ist eine Empfehlung des Rechnungshofes. Wir haben es gehört und ich halte fest,


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dass wir von dieser neuen Regierung die Empfehlungen des Rechnungshofes umset­zen und nicht immer schubladieren, wie es die letzten Jahre bei der Vorgängerregie­rung leider der Fall war. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn man diese Empfehlungen immer nur schubladiert, eigentlich nicht beachtet und nicht umsetzt, dann hat es eigentlich auch keinen Sinn. Wir machen das jetzt sinnvol­lerweise, denn es geht da um eine Verwaltungsorganisation, um eine Verwaltungsver­einfachung. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Es geht um Synergien, es geht um eine breite fachliche Basis, es geht um Steuerung, es geht um eine inhaltliche Ergänzung, es geht hier um eine Zusammenlegung der EDV. Durch die entsprechen­den Synergieeffekte wird man sich in den nächsten Jahren mehrere Hunderttausend Euro ersparen können.

Eines ist nämlich auch klar: Wenn man eine Straffung der Verwaltung durchführt, bleibt auch mehr Geld für die Forschung übrig. Forschung und Lehre sind sehr wichtig. Es geht um wichtige Dinge wie Obstbau, Weinbau, Pflanzenschutz, Lagerung und Ver­marktung. Das wird jetzt eben gefördert und gewährleistet und es werden zusätzliche Gelder in diese Bereiche hineingespült.

Dazu ist auch zu sagen, Frau Grossmann, dass das nicht zu Grabe getragen wird, sondern diese Synergieeffekte gestärkt werden und mit dieser Zusammenlegung eine Verbesserung eintritt. Diese Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen wird es ja dann geben. Es wird also nichts zu Grabe getragen, sondern es findet eine Zusammenlegung statt. Das ist keine Abschaffung.

Da Sie uns Freiheitliche als Stimmenbringer dargestellt haben, Frau Grossmann, muss ich Ihnen entgegnen, dass das vielleicht für Sie in der Vorgängerperiode gestimmt ha­ben mag; wir Freiheitliche hingegen schauen uns alle Gesetze und alle Änderungen genau an, bewerten sie sachlich und analytisch und kommen dann zum Schluss. In diesem Fall liegen die Vorteile auf der Hand, nämlich dass man da Synergieeffekte schafft und in der Verwaltung Einsparungen trifft, um mehr Geld für die Forschung zu haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dann noch ein paar Worte zu Ihnen, Frau Dziedzic: Eigentlich haben Sie ja gar nicht so schlecht angefangen mit Zukunft und Forschung. Das stimmt ja auch, und genau das wird jetzt hier gemacht; ich habe es vorhin ausgeführt. Wir haben jetzt diese Synergieeffekte und können dann mit den neuen zusätzlichen Mitteln – es werden ja keine Mittel gestrichen, sondern mehr Mittel frei für Forschung und Lehre – genau in diesem Bereich agieren und im Sinne einer Verbesserung für diesen wichtigen Bereich Landwirtschaft, auch im Bereich der Bergbauern, handeln.

Abschließend halte ich fest: Die Zusammenlegung ist sicherlich gut. Von Mutmaßun­gen, was in Zukunft passiert, von Ihrer Seite, von der Oppositionsseite halte ich gar nichts, es sind nämlich ganz klar Einsparungen vorhanden.

Ich sage auch ein großes Danke an die vielen Bediensteten, Beamten, die in den Bun­desanstalten tätig sind und großartige Dinge leisten, versuchen, das Land und ihre Be­reiche weiterzubringen, die Forschung zu forcieren. Danke auch an die vielen Land­wirte, die tagtäglich im Einsatz sind und unser Land vorwärtsbringen. Wir werden die­sem Gesetz gerne unsere Zustimmung geben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.37


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Köstinger. – Bitte.


11.37.29

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich freue mich


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 53

sehr, wieder bei Ihnen hier zu Gast sein zu dürfen. Mit dem Beschluss dieses Geset­zes finalisieren wir die Reorganisation in meinem Haus. Es kommt zusammen, was zu­sammengehört.

Ich habe ja prinzipiell im Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Re­organisation vorgenommen, vieles an Doppelstrukturen abgeschafft und zusammenge­führt. Ich darf da zum Beispiel auf den Bereich Energie verweisen, wo wir im Um­weltbereich wie auch in der Energie-Sektion eine Abteilung Erneuerbare Energien hatten. Dadurch, dass wir auch als Ressort gewachsen sind, haben wir wirklich massiv harmonisiert. Wir haben uns unter anderem auch alle zugeteilten Anstalten angesehen und haben wirklich auch auf die Empfehlungen des Rechnungshofes Rücksicht ge­nommen. Wir haben gesehen, dass es mit den beiden Bundesanstalten extrem viele überschneidende Themen- und Aufgabenbereiche gibt, und uns nach einer sehr einge­henden Prüfung eben auch für diese Zusammenlegung entschieden.

Nun haben wir – auch weil es, wie gesagt, eine schon langjährige Empfehlung des Rechnungshofes ist – ein gemeinsames Institut geschaffen, nämlich die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen. Also von einer Auflösung, wie es vor allem vonseiten der SPÖ behauptet wurde, kann überhaupt nicht die Rede sein. Vielmehr werden in Zukunft Synergien genutzt, wird vor allem auch dieses Erfolgsmodell für Bergbauernfragen umgelegt. Das soll vor allem auch die Studien der Agrarwirtschaft bereichern, und das ist uns wirklich sehr gut gelungen.

Es wird mehr Budget für die Forschung übrig bleiben. Ich glaube, Sie kennen die Rech­nungshofberichte. Wir haben das, wie gesagt, sehr eingehend geprüft und die EDV-Infrastruktur jetzt unter einem Dach zusammengeführt. Sie wissen wahrscheinlich, dass auch räumlich beide Institute bereits im selben Gebäude und im selben Stock­werk waren. Für eine formelle Trennung hat eigentlich überhaupt kein Grund be­standen.

Ich darf auch klar dazusagen, dass die Dienstnehmerrechte unverändert bleiben und bis zur Personalvertretungswahl 2019 auch die Personalvertretungsorgane unverän­dert bleiben. Bei der Personalvertretungswahl 2019 werden dann in einheitlichen Dienststellen einheitliche Dienststellenausschüsse eingerichtet. Darüber hinaus haben wir mit diesem Gesetz eine weitere Maßnahme der Vereinfachung umgesetzt: Es wer­den auch die Betriebsräte der Bundesgärten aufgrund der Zusammenlegung mit der Gartenbauschule Schönbrunn in einen einheitlichen Dienststellenausschuss überge­führt.

All diese nachhaltigen Änderungen zur Strukturstraffung und Effizienzsteigerung gehen konform mit dem Bundes-Personalvertretungsgesetz und dem Arbeitsverfassungsge­setz.

Ich freue mich über breite Zustimmung zu dieser Vereinfachung im System. Unser Ziel ist es, einen echten Strukturwandel durch die maximale Nutzung von Synergien her­zustellen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.40

11.40.55


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 54

11.41.153. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz geändert wird (437/A und 335 d.B. sowie 10066/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 3 der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist wiederum Frau Bundesrätin Wagner. – Ich bitte um den Bericht.


11.41.32

Berichterstatterin Andrea Wagner: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 22. No­vember 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Hagelversicherungs-Förde­rungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Ingo Appé. Ich erteile es ihm.


11.42.15

Bundesrat Ingo Appé (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Geschätztes Plenum! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Frau Bundesministerin, als wir den Initiativantrag bezüglich Änderung des Hagelversiche­rungs-Förderungsgesetzes von Ihnen erhalten haben, haben wir uns gedacht: Das ist eine gute Sache, den Landwirtinnen und Landwirten muss da geholfen werden, dem sollten wir eigentlich zustimmen. Als wir uns aber genauer mit der Thematik auseinan­dergesetzt haben, sind wir auf einige Fakten gestoßen, die da hinterfragenswert sind.

Wie Sie im Nationalrat treffend festgestellt haben, Frau Ministerin, sind die Auswir­kungen des Klimawandels mittlerweile überall spürbar. Nicht nur in Österreich, sondern weltweit merkt man, was passiert. Auch die gerade abgehaltene UNO-Klimakonferenz in Kattowitz hat dem mit ihren Themen Rechnung getragen. Auch der UNO-General­sekretär António Guterres hat in seiner Rede eindringlich darauf hingewiesen und ein gemeinsames entschlossenes Handeln gefordert.

Wie Sie festgestellt haben, kommt es in Österreich nunmehr aufgrund von Dürre und Unwettern laufend in erhöhtem Ausmaß neben gewaltigen Naturschäden auch zu Ern­teausfällen. Laut Ihren Aussagen betragen die Ernteausfälle regional über 40 Prozent, und bundesweit sprechen Sie von Ernteausfällen im Ausmaß von bis zu 15 Prozent. Diese Ausfälle stellen sicher für viele Betriebe eine Existenzbedrohung dar.

Dieser Initiativantrag beinhaltet also die Erhöhung der Förderung von Versicherungen gegen Elementarrisken von 50 Prozent auf 55 Prozent inklusive der Ausweitung der Förderung auf Tierversicherungen. Die Finanzierung dieser Vorhaben soll zu 50 Pro­zent vom Bund aus dem Katastrophenfonds und zu 50 Prozent aus Mitteln der Bun­desländer erfolgen. Jährlich sollen rund 23 Millionen Euro zusätzliche Fördermittel zur Unterstützung dieser Risikovorsorge aufgestellt werden.

Nach Ihren Angaben soll dies ein Anreiz für die österreichischen Bäuerinnen und Bau­ern sein, sich unter leistbaren Bedingungen selbst zu versichern und somit Risikovor-


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 55

sorge zu betreiben. Eine finanzielle Absicherung unserer österreichischen Landwirte wäre sicherlich wünschenswert.

Doch wie sieht das in der Praxis aus? – Wenn man sich bei einem Versicherungsun­ternehmen versichert und Schäden auftreten, und dies in vermehrtem Ausmaß – was aufgrund des Klimawandels leider zu befürchten ist –, dann werden die Prämien er­höht. Ist man als Einzelner in vermehrtem Ausmaß davon betroffen, kommt es sogar zu Kündigungen durch das Versicherungsunternehmen. Werden mit dieser Maßnahme wirklich unsere Landwirte unterstützt, oder handelt es sich hierbei nicht eher um eine Förderung der österreichischen Versicherungsunternehmen auf Kosten der Steuer­zahler?

In diesem Zusammenhang fällt mir auch ein Spruch ein: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ Eines muss klar sein: Die Entschädigungszahlungen machen das Fehlen bei den Ernteerträgen nicht wett, und das geht dann irgendwo auf die Dauer nicht mehr gut. Daher wäre es aus unserer Sicht notwendig, in Ihrem Mi­nisterium für Nachhaltigkeit – und ich betone hier die Nachhaltigkeit – Maßnahmen ein­zuleiten, die die eingangs erwähnten Schadensereignisse nicht im Nachhinein finan­ziell abgelten, sondern finanzielle Anreize schaffen, um zum Beispiel Dürreschäden schon vorzeitig zu begegnen. Weiters wäre es aufgrund des Klimawandels notwendig, die landwirtschaftlichen Betriebe zukunftsfit zu machen und auf die Möglichkeit von zwei Ernten vorzubereiten.

Das System der künstlichen Bewässerung findet man bereits in vielen Teilen Europas, die mit dem Problem der Dürre und Trockenheit konfrontiert sind. Österreich gilt als eines der wasserreichsten Länder. Wir haben zurzeit kein Wasserproblem, sondern ein Verteilungsproblem. Die Klimaerwärmung ist eine Tatsache und wird zukünftig noch verstärkt unsere Landwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Mit Bewässerungssystemen könnte man dem wesentlich entgegenwirken.

Warum setzt man hier auf Entschädigung und nicht auf Prävention? Vielleicht sollte man da beim Gesundheitssystem Anleihe nehmen, wo schon länger bekannt ist, dass Prävention erfolgreicher ist als die Bekämpfung von Krankheiten im Nachhinein. Wenn ich aus meiner beruflichen Erfahrung sprechen und das mit der Diabetesvorsorge ver­gleichen darf, so empfehlen wir bei der Diabetesvorsorge, die Ernährung umzustellen, sich mehr zu bewegen, auf Nikotin und Alkohol zu verzichten; wir suchen da keine Versicherungsmodelle, die im Fall von Amputationen oder Erblindung die Schäden im Nachhinein abdecken.

Liebe Frau Bundesminister, erfreulich wäre es auch gewesen, wenn wir im Zuge der heutigen Sitzung einen Initiativantrag Ihrerseits behandeln hätten können, der sich mit den aktuellen Unwetterschäden der land- und forstwirtschaftlichen Bereiche in unse­rem Heimatbundesland Kärnten auseinandergesetzt hätte, und diesen Initiativantrag einem mehrheitlichen Beschluss zuführen hätten können.

Kollege Spanring hat heute bereits eine Berufsgruppe vor den Vorhang geholt, und das möchte ich an dieser Stelle jetzt auch tun. Gestern war der Tag des Ehrenamtes. Wenn man bedenkt, wie viele Ehrenamtliche im Katastropheneinsatz tagtäglich die Be­reitschaft bekunden zu helfen – in Kärnten waren es beim letzten Unwetter 5 000 –, so haben sie, glaube ich, für das, was sie mit ihrem Einsatz an Schäden abgewandt und für die Landwirtschaft getan haben, einen besonderen Applaus verdient. (Allgemeiner Beifall.)

Wie Sie sich selbst überzeugen konnten, ist ein Drittel unseres gesamten Bundeslan­des durch Sturm, Starkregen, Hochwasser und Murenabgänge massiv in Mitleiden­schaft gezogen worden. Die Schäden belaufen sich nach ersten Schätzungen auf mehr


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 56

als 260 Millionen Euro. 102 Millionen Euro stehen angeblich aus den Mitteln des Kata­strophenfonds zur Verfügung.

Dabei ist noch völlig unklar, wie viel davon für die Abdeckung der Schäden im Bundes­land Kärnten überhaupt zur Verfügung steht. Da wäre es notwendig, dass Sondermittel für Hilfsmaßnahmen sofort zur Verfügung gestellt werden, denn, und jetzt nehme ich Anleihe bei der FPÖ in Kärnten, wer schnell hilft, hilft doppelt.

Wie ich selbst als Betroffener berichten kann, handelt es sich bei diesen Wetterka­priolen leider nicht um Einzelereignisse. So wurde meine Gemeinde innerhalb von elf Monaten bereits zum zweiten Mal von Orkanstürmen mit Spitzen bis zu 130 km/h und von Starkregenereignissen in den Karawanken in Mitleidenschaft gezogen. Es kam zu großflächigen Schäden im Forstbereich, aber auch an vielen Gebäuden sind schwere Schäden entstanden. Es kam in ganz Kärnten zu Schäden, die die Existenzgrundlage vieler landwirtschaftlicher Betriebe für die nächsten zwei bis drei Generationen ver­nichteten.

Bedauerlicherweise kommt es im Zuge dieser Ereignisse zu Aktionen, bei denen die betroffenen Landwirte – neben dem entstandenen Schaden – durch die Preisgestal­tung von Großbetrieben noch größere Verluste hinnehmen müssen. Es wäre hier drin­gend notwendig, dass diesen Krisengewinnern vonseiten der Regierung Einhalt ge­boten wird, um die Not der betroffenen Landwirte nicht noch zu vergrößern.

Es ist löblich, dass sich die österreichische Bundesregierung des Themas Katastro­phenschutz annimmt, jedoch ist das Hagelversicherungs-Förderungsgesetz der falsche Weg. Zum einen müsste hier ein Gesamtkonzept entwickelt werden, zum anderen ist es so, dass eine – in diesem Fall von oben verordnete – Kofinanzierung durch die Bundesländer nur mit deren Mitsprache und deren Zustimmung erfolgen kann. Wenn es der Plan dieser Regierung ist, Probleme zu lösen, indem sie als Förderer der Ver­sicherungsunternehmen auftritt, dann sind das ja schöne Aussichten!

Es ist ja bereits bekannt, dass mehrere Versicherungsmodelle in der Schublade lauern, wie die VIP-Zusatzversicherung für schnellere und bessere Gesundheitsvorsorge oder die geplanten Pflegeversicherungen in der Altersvorsorge. Sie treten auch da wieder den Beweis an, Klientelpolitik zu betreiben, die Wohlhabenden zu bevorteilen und die­jenigen, die sich nicht alles leisten können, zu schwächen. Aus diesem Grund wird un­sere Fraktion diesem Initiativantrag die Zustimmung nicht erteilen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Preineder zu Wort. Ich erteile es ihm. – Bitte.


11.51.58

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Werte Da­men und Herren! Der heurige Sommer hat uns eindeutig gezeigt: Der Klimawandel ist bei uns angekommen: Trockenheit auf der einen Seite, Überschwemmungen auf der anderen Seite, Schädlingsplagen bei der Rübe, bei der Kartoffel, aber auch im Forst haben der Landwirtschaft schwer zugesetzt. Da ist es notwendig, diese akuten Schä­den auch akut zu behandeln.

Herr Kollege Appé! Es ist schön, wenn von Prävention gesprochen wird, aber hier geht es um Therapie, um Hilfestellung. Ich glaube nicht, dass jemand das österreichische Gesundheitssystem loben würde, wenn es öffentliche Leistungen nur noch im Bereich Prävention gäbe und nicht mehr im Bereich Therapie und bei den kurativen Maßnah­men. Wenn die Bauern in einer Notsituation sind, ist es nicht genug, nur über ein Ge-


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samtkonzept zu diskutieren, das dann vielleicht irgendwann irgendwo irgendjemandem eine Hilfestellung gibt. Wissen Sie, was das heißt? – Das heißt, die Bauern zum einen im Regen stehen zu lassen und zum anderen in die Wüste zu schicken. Genau das will unsere Bundesregierung nicht.

Darum ist es wichtig, als einen Teil einer Lösung in diesem Bereich die Risikovorsorge zu erhöhen. Die Hagelversicherung ist das entsprechende Instrument. Das Bundes­gesetz sieht eben vor, für Hagel, für Frost, für Dürre, für Stürme, für starke Regenereig­nisse, für Überschwemmung Vorsorge mitzutreffen und Vorsorgemitverantwortung zu übernehmen und den Bereich auch auf die Nutztiere auszudehnen, wo es um Tier­seuchen, um Tierkrankheiten geht.

Ein Schritt ist da schon gesetzt worden, indem man nämlich die Versicherungssteuer in diesem Bereich reduziert hat. Der jetzt gesetzte Schritt besteht darin, dass man die Beiträge des Bundes und der Länder erhöht, den Zuschuss von 50 Prozent auf 55 Pro­zent steigert und damit einen budgetmöglichen Beitrag zur Risikoabsicherung leistet.

Im Ausschuss wurde ja sehr intensiv diskutiert. Kollege Schabhüttl hat gemeint, da gibt es Geld für die Versicherung und dann gibt es noch Geld aus dem Katastrophen­fonds. – Es gibt nicht beides! Es gibt für versicherbare Risken kein Geld aus dem Katastrophenfonds, das ist auch entsprechend klargelegt.

Es macht auch keinen Sinn, wenn man im Ausschuss, Herr Kollege, nach einer Ver­sicherungspflicht für die Bauern ruft, denn der Klimawandel ist existent. Einen kleinen Teil mag auch die Landwirtschaft dazu beitragen, der größere Teil wird aber durchaus aus anderen gesellschaftlichen Bereichen weltweit herbeigeführt. Die Bauern sind aber zu 100 Prozent betroffen und können nicht zu 100 Prozent den Schaden selbst tragen.

Da appelliere ich an die Solidarität, an die Gerechtigkeit! Es ist wichtig, dass wir diese Berufsgruppe eben nicht im Regen stehen lassen oder in die Wüste schicken. Darum ist es gut und richtig, dass die Gesellschaft einen Beitrag leistet, der die Eigenverant­wortung auch dieser Berufsgruppe, meiner Berufsgruppe, stärkt. Wir werden dem Ge­setz daher zustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.55


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Schererbauer zu Wort. Ich erteile es ihm.


11.55.52

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Frau Minis­ter! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Der katastrophale Witterungsverlauf, der die Vegetationsperiode 2018 durch Trockenheit und Hitze sehr stark beeinflusste, hat sich massiv auf die Ertragssituation in Grünland und Ackerbau ausgewirkt. Ziel dieses Bun­desgesetzes ist es, die Landwirte durch Bezuschussung der zu bezahlenden Versiche­rungsprämien mehr zu unterstützen.

Um die Durchversicherungsrate in der Eigenvorsorge, die derzeit bei circa 15 Prozent liegt, zu steigern, soll der Fördersatz von 50 Prozent auf 55 Prozent angehoben wer­den. Durch diese Anhebung ergibt sich für die Versicherungsprämienförderung betref­fend landwirtschaftliche Kulturen ein nach derzeitigen Zahlen geschätzter Mehrauf­wand an Bundesmitteln von circa 6 Millionen Euro, welcher aus dem Katastrophen­fonds zu decken ist. Für die Versicherung des tierischen Sektors wird man mit einem Finanzierungsbedarf für den Bund von etwa 5,5 Millionen Euro rechnen, ebenfalls mit Mitteln aus dem Katastrophenfonds. Aufgrund der Verpflichtung der Länder, die Prä­mien in gleicher Höhe zu fördern wie der Bund, müssen diese ab 2019 ebenfalls zu­sätzliche Mittel zur Verfügung stellen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 58

Die Einbußen für die Landwirte im Ackerbau waren heuer ganz besonders heftig. Bei der Wintergerste gab es Einbußen von 20 Prozent bis 50 Prozent, beim Sommerdurum waren es 80 Prozent, beim Winterweizen 40 Prozent und beim Mais 60 Prozent bis 70 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Teil hat die momentane Situation zum Beispiel in meinem Heimatbezirk Schärding bereits apokalyptische Ausmaße ange­nommen. Da übertreibe ich keineswegs, denn ein Innviertler Bauer verliert fast seinen gesamten Waldbestand durch den Borkenkäfer. Gleichzeitig sind seine Wiesen und Wiesenflächen durch den Engerling fast unbrauchbar, und zu guter Letzt hat der Draht­wurm fast 70 Prozent der Kartoffelernte vernichtet. So sieht die Situation vieler Land­wirte momentan aus!

Ja, die Landwirtschaft steht angesichts des fortschreitenden Klimawandels vor sehr großen Herausforderungen. Darum braucht es auch das bestmögliche Risikomanage­ment. Die Österreichische Hagelversicherung hat natürlich auch die Zeichen der Zeit erkannt und bietet den Landwirten neben traditionellen Absicherungsmöglichkeiten auch solche für zusätzliche Risken: Dürreschäden bei Mais, Sturmversicherung für Hopfen, Mohnpaket, Frost- und Dürreversicherung für Obst oder die Tierertragsscha­denversicherung, um nur einige zu nennen.

Darum unterstützen wir die Landwirte in der Eigenvorsorge. Sie haben im Schadensfall Rechtsanspruch auf Entschädigung, und den Staat kommt es langfristig günstiger, weil sich der Landwirt selbst am Risiko beteiligt.

Lassen Sie mich kurz auf die Problematik der Waldbesitzer beziehungsweise der Bau­ern, die großteils von der Holzwirtschaft leben, eingehen! Die Borkenkäferplage ist heuer besonders schlimm. Wenn man zum Beispiel durch das Obere Donautal fährt, kann man sehr viele kahle Flächen beobachten, wo noch vor kurzer Zeit Tausende Fichten standen.

Es gibt Bauern, die zu einem Großteil von ihrem Wald leben. Wenn der Borkenkäfer innerhalb von ein bis zwei Jahren fast den gesamten Waldbestand vernichtet, dann gibt es die nächsten 50 Jahre kein Einkommen daraus. Es fällt zwar momentan relativ viel Holz an, die Bauern müssen jedoch zu einem sehr geringen Preis verkaufen. Und wie gesagt, für die nächsten 50 Jahre ist da nichts mehr zu holen.

Die dramatische Entwicklung geht ungebremst weiter. War zum Beispiel 2016 im Be­zirk Urfahr-Umgebung jede zweite Fichte vom Borkenkäfer befallen, so waren es En­de 2017 bereits zwei Drittel aller Fichten. Schuld daran sind die jährlichen Hitzewellen wie auch heuer. Ein langer, heißer Sommer mit wenig bis kaum Regen begünstigt die Entwicklung des Käfers. Die Fichte produziert zu wenig Harz und hat daher kaum Ab­wehrmechanismen gegen den Schädling.

Das Landschaftsbild wird sich in den nächsten Jahren gravierend ändern. Die globale Erderwärmung wird dafür sorgen, dass die Fichte in unseren Breitengraden aussterben wird. Unter einer Seehöhe von 1 000 Metern ist es nicht mehr empfehlenswert, Fichten zu pflanzen. Hier braucht es Douglasien, Lärchen, Tannen und Laubholz. Eine gesun­de Mischung ist für die Zukunft für stabile Wälder einfach notwendig.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, es ist richtig, es gab auch schon in der Vergan­genheit Wetterkapriolen, mit denen wir zu kämpfen hatten: Die Hochwässer von 2002 und 2013, die Stürme Emma, Paula und nicht zu vergessen der Sturm Kyrill, der vor ei­nigen Jahren große Schäden angerichtet hat. Darum bitte ich Sie um die größtmögli­che Unterstützung für unsere Bauern, die zurzeit mit wirklich großen Herausforderun­gen zu kämpfen haben. Es soll nicht so sein wie beim Schachspiel, wo der Bauer als Erster geopfert wird. Im Sinne unserer Landwirte stimmen wir diesem Bundesgesetz gerne zu. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.00



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 59

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Zu einem kurzen Beitrag gelangt noch Herr Bundesrat Tiefnig zu Wort. – Bitte. (Bun­desrat Schennach: Jetzt geht’s um die Fichte!)


12.00.59

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Verehrte Damen und Herren! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kollege Appé! Wie gesagt, Sie waren leider gestern nicht im EU-Ausschuss. Dort wurde genau das Gegenteil von dem behauptet, was Sie gesagt haben. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vor­sitz.)

Österreich ist nämlich im Nachteil, wenn es nicht ins Versicherungswesen investiert, weil so viel über den Katastrophenfonds entschädigt wird. Es ist daher vernünftig, und ich habe auch gestern dementsprechend Stellung genommen, dass wir heute ein Ge­setz beschließen, das im Versicherungswesen mehr beiträgt gegenüber dem Katastro­phenfonds, sodass der Katastrophenfonds für die Entschädigungszahlungen im Be­reich der Landwirtschaft jetzt nicht mehr in Anspruch genommen werden muss.

Lesen Sie bitte das „Bayerische Landwirtschaftliche Wochenblatt“! Darin wird das Vor­gehen der österreichischen Bundesregierung sehr positiv beschrieben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir sind die Ersten in Europa, die diesen Vorgang im Versicherungs­bereich beschleunigen.

Bitte, das ist ein wichtiger Punkt für die Zukunft, für die Absicherung der Landwirte, denn wir wissen, dass in der Vergangenheit nur 25 Prozent der Grünlandbauern ver­sichert waren. Es ist ein Anreiz, um ins Versicherungswesen einzusteigen. Ich kann nur gratulieren und Danke schön sagen, nämlich dir, Frau Minister, und allen, die sich daran beteiligt und es ermöglicht haben, dass wir jetzt einen neuen Zugang zum Ver­sicherungswesen haben.

Natürlich müssen wir das Versicherungswesen auch in Zukunft verbessern. Wir wis­sen, dass einige Landwirte durch dieses Versicherungswesen jetzt nicht in den Genuss dieser Entschädigungen kommen, aber es ist eine neue Form und sie wird sicherlich verbessert werden. In diesem Sinne alles Gute! Wir können diesem Gesetzesvorschlag natürlich nur zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.02


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Köstinger. Ich erteile es ihr.


12.02.44

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte zu Beginn nur Fol­gendes sagen: Der Initiativantrag – weil das von Herrn Bundesrat Appé angesprochen worden ist – wurde natürlich von Parlamentsparteien eingebracht. Ein Regierungsmit­glied kann keinen Initiativantrag im Nationalrat einbringen; ich denke, das wissen Sie. Sie haben gefordert, dass ich zu den Unwettern einen Initiativantrag einbringe; auch das kann ich als Regierungsmitglied nicht tun. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Was wir tun können, haben wir jedoch getan. Bundeskanzler Sebastian Kurz war sel­ber vor Ort in Kärnten, hat sehr schnell gemeinsam mit der gesamten Bundesregierung geholfen, Mittel aus dem Katastrophenfonds zugesagt. An dieser Stelle darf ich mich beim Koalitionspartner sehr herzlich dafür bedanken, dass das so rasch und unkompli­ziert funktioniert hat, damit die Hilfe wirklich dort vor Ort ankommt.

Es war ja nicht nur Kärnten betroffen. Es waren massiv Osttirol, Tirol, Salzburg, aber auch die Steiermark von den Unwettern betroffen, die wir im Herbst erleben mussten.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 60

Mein herzliches Dankeschön gilt allen, die da geholfen haben! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Novak.)

Ganz entscheidend ist aber ein weiterer Bereich, nämlich die Wildbach- und Lawinen­verbauung. Ich meine, auch da hat man heuer in Österreich wieder eindrucksvoll ge­sehen, dass jeder Euro, den wir in die Wildbach- und Lawinenverbauung, aber auch in den ganzen Bereich der Prävention, der Sicherheit investieren, sich mehr als hundert­fach rentiert. Auch da möchte ich allen unseren Experten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort ein herzliches Dankeschön sagen, nämlich dafür, dass sie so viel mehr tun, als sie eigentlich müssten, um uns vor diesen Naturgefahren zu schützen.

Die Auswirkungen des Klimawandels spüren wir mittlerweile sehr intensiv. Die Unwet­ter sind angesprochen worden, es geht aber auch um die Hitze und die Trockenheit. Da ist die Landwirtschaft der erste wirklich sensible und auch massivst betroffene Be­reich. Die lang anhaltende Trockenheit vor allem heuer im Frühjahr hat schon gezeigt, was sich abzeichnet. Wir vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus ha­ben sehr schnell darauf reagiert.

Wir haben beispielsweise Biodiversitätsflächen für Futterflächen freigegeben, damit sie zumindest noch geerntet werden konnten. Auch haben wir bereits im Frühjahr eine Senkung der Versicherungssteuer auf alle Elementarrisikoversicherungen auf 0,02 Prozent beschlossen und auch umgesetzt, um eben auch ein Anreizsystem zu schaffen, damit sich die Bäuerinnen und Bauern vermehrt selbst versichern.

Das ist aber nicht alles. Wir haben heuer vor allem auch sehr viel Geld in die Hand genommen, um die Forschung voranzutreiben. Da gibt es beispielsweise ein For­schungsprojekt zur Züchtung von klimafitten Sorten, damit wir eben schon in fünf oder zehn Jahren heimisches konventionelles Saatgut haben, das an die Auswirkungen des Klimawandels angepasst ist. Sie sehen also, dass in allen Bereichen vor allem dieser Teil der Prävention sehr, sehr großgeschrieben wird.

Wir haben jetzt mit dem Maßnahmenpaket zur Änderung des Hagelversicherungs-För­derungsgesetzes einen Teil dessen beschlossen, was im Dürrepaket beinhaltet war, das wir für unsere Bäuerinnen und Bauern zur Hilfe aufgelegt haben. Ich bin absolut überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist.

Sie haben sicher auch das Dürrepaket Deutschlands verfolgt, das nach wie vor sehr intensiv und auch kritisch diskutiert wird, weil es nur auf den Bereich der Direktbeihilfe abzielt. Wir gehen einen gänzlich anderen Weg, wir schauen jetzt schon in die Zukunft. Wir sagen nicht, wir helfen dann quasi mit ein paar Euro auf die Hand, sondern wir machen auf der einen Seite extrem viel Prävention, sprich Politik in die Zukunft, und auf der anderen Seite geben wir den Bäuerinnen und Bauern ein Werkzeug in die Hand, mit dem sie sich vermehrt selbst versichern und selbst Vorsorge betreiben kön­nen.

Diese Änderung enthält eben die Erhöhung der Förderung für Versicherungsprämien für alle Elementarrisikoversicherungen auf 55 Prozent. Zusätzlich führen wir eine Tier­versicherung ein. Auch da bitte ich, einmal einen Blick auf andere europäische Länder zu werfen, die beispielsweise schon massiv mit den Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest und Sonstigem zu kämpfen haben. Auch da wird es sehr, sehr wichtig sein, entsprechend Präventionsmaßnahmen zu treffen. Auch hier sorgen wir vor.

Da auch das erwähnt wurde: Natürlich haben wir uns mit den Bundesländern koordi­niert und abgestimmt, weil natürlich auch die Bundesländer einen erheblichen Teil der Mittel mittragen müssen. Das hat wirklich auch hervorragend funktioniert, wofür ich un­seren Bundesländern ein herzliches Dankeschön sage.

Aus Bundessicht bedeutet das, dass wir einen jährlichen Mehrbedarf von 6 Millionen Euro eben für die Anhebung des Fördersatzes und von 5,5 Millionen Euro für die Ein-


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führung der Tierversicherung sehen. Ich freue mich sehr über Ihre Zustimmung zu die­sem Initiativantrag. Die Maßnahmen sind zentral und wirken vor allem nachhaltig. Wir streben nicht kurzfristige, sondern nachhaltige Effekte an. Mit dem Beschluss kann die Anwendung der geänderten Förderbedingungen auf Versicherungsverträge bereits ab 2019 starten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.08

12.08.12


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke. – Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.08.374. Punkt

Grüner Bericht 2018 (III-659-BR/2018 d.B. sowie 10067/BR d.B.)

5. Punkt

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018 (III-632-BR/2017 d.B. sowie 10068/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 und 5, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Silvester Gfrerer. – Ich bitte um den Bericht.


12.09.04

Berichterstatter Silvester Gfrerer: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft über den Grünen Bericht 2018.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 den Antrag, den Grünen Bericht 2018 zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters erstatte ich den Bericht des Ausschusses für Land-, Forst- und Wasserwirt­schaft über den Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jah­re 2018.

Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor, daher komme ich gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Land-, Forst- und Wasserwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 den Antrag, den Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Raggl. Ich erteile dieses.


12.10.34

Bundesrat Dr. Peter Raggl (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Sehr ge-


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 62

ehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Grünen Bericht beziehungs­weise über den Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018.

Mittlerweile handelt es sich um den 59. Bericht seit Bestehen des Landwirtschaftsge­setzes, und dieser Bericht stellt auf 256 Seiten das umfangreichste Nachschlagewerk für den Agrarsektor in Österreich dar. Dieser Bericht ist daher die Entscheidungsgrund­lage für die Politik und auch eine wesentliche Faktengrundlage, auf der man auch auf­bauen kann, wenn es darum geht, wie sich unsere Landwirtschaft zukünftig entwickeln muss.

Vorab möchte ich gerne an unsere Frau Bundesminister und ihre Mitarbeiter ein gro­ßes Dankeschön für die Erstellung des Berichtes richten. Zudem muss man gleich­zeitig wissen: Auch die Landwirte leisten einen großen Beitrag zu diesem Bericht. Nicht weniger als 2 000 freiwillig Buch führende Landwirte liefern die Betriebsergebnisse ein, damit dieser Überblick geschaffen werden kann.

Was ist die Kernaussage dieses Berichts? – Es ist dies die grundsätzlich sehr erfreuli­che Aussage, dass das durchschnittliche Einkommen je Betrieb im Jahr 2017 um 14 Prozent auf 31 133 Euro gestiegen ist. Bezogen auf den Arbeitseinsatz entspricht dies im Durchschnitt 23 408 Euro je betriebliche Arbeitskraft.

Das ist, wie gesagt, sehr erfreulich. Zurückgeführt wird diese Einkommenssteigerung auf bessere Erzeugerpreise bei Milch, Getreide und auf bessere Ernten im Obst- und Weinbau. Gott sei Dank war das möglich, denn es liegen sehr, sehr schwierige Jahre hinter uns!

Die Freude über den Einkommenszuwachs wird aber durchaus auch ein wenig einge­schränkt, weil wir feststellen müssen, dass wir immer noch hinter den Einkommens­ergebnissen von 2011 oder 2012 zurückliegen.

Eine zusätzliche Einschränkung meiner Freude über das positive Ergebnis liegt auch darin begründet, dass sich das Einkommensplus leider nicht in allen Betriebssparten in gleicher Höhe niederschlägt. Gerade in dem Bundesland, aus dem ich komme, aber auch in den benachbarten Bundesländern mit vielen Bergbauernbetrieben müssen wir feststellen, dass genau Betriebe in den höchsten Erschwernisstufen gar keinen bezie­hungsweise nur einen wesentlich geringeren Einkommenszuwachs zu verzeichnen ha­ben.

In Tirol liegen nach den Auswertungen des aktuellen Berichtes die Einkünfte je Berg­bauernbetriebsarbeitskraft bei knapp 15 000 Euro. Damit liegen wir leider um 8 000 Eu­ro unter dem Bundesschnitt. Gerade diese Betriebe haben - - (Bundesrat Schabhüttl: Wer ist daran schuld?) – Ich komme nachher noch zu Kollegen Schabhüttl, denn wir haben auch schon im Ausschuss diskutiert. – Gerade die Bergbauernbetriebe haben die größten Wettbewerbsnachteile und sind eben auf diese öffentlichen Ausgleichszah­lungen angewiesen. Zukünftig müssen wir diesbezüglich unbedingt nachschärfen, wenn man erreichen will, dass diese Betriebe ihre Bewirtschaftung aufrechterhalten.

Kollege Schabhüttl! Wir haben schon im Ausschuss diskutiert, und du wirst ja auch un­mittelbar nach mir sprechen.

Die Zahlungen an die Bauern – das müssen wir jetzt festhalten – sind keine Subven­tionen oder Förderungen, sondern das sind Ausgleichszahlungen, weil unsere Landwir­te zum einen nicht mit der EU-Agrarlandwirtschaft und intensiven Massenproduktionen konkurrieren können und weil unsere Landwirte zum anderen viele Aufgaben über­nehmen, die sie auch im öffentlichen Interesse erbringen. Daher wehre ich mich wirk­lich gegen jede Neiddebatte! (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Du hast im Ausschuss gesagt, dass ein Gastwirt aus deinem Freundeskreis gesagt hat, dass man eigentlich Bauer werden müsste, weil diese alles gefördert bekom-


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 63

men. – Dagegen wehre ich mich im Namen unserer Landwirte wirklich aufs Äußerste! Wie ich nämlich schon gesagt habe, müssen gewisse Dinge ausgeglichen, aber auch abgegolten werden.

Ich habe auch schon eine Studie erwähnt, die aktuell in Tirol zu dem Thema gemacht wurde, was die Bewirtschaftung der Tiroler Almen im Sinne des Katastrophenschutzes monetär bringt. – Diese Auswertung hat ergeben, dass allein in einem Jahr die Bewirt­schaftung der Tiroler Almen einen Wert von 64 Millionen Euro in dem Sinne erbringt, dass man keine Wildbach- und Lawinenverbauungsmaßnahmen vornehmen muss be­ziehungsweise dass man dadurch auch Schäden verhindert.

Was sind zusätzliche Aufgaben im öffentlichen Interesse, die unsere Landwirtschaft übernimmt? – Zum einen ist es der Erhalt der Ernährungssouveränität. Man glaubt ja, dass es im Supermarkt alles zu kaufen gibt. Es ist aber, glaube ich, nicht immer selbst­verständlich, dass wir uns tatsächlich selber versorgen können, vor allem wenn viel­leicht einmal die Zeiten schlechter sein sollten, wenn ich auch hoffe, dass das nicht der Fall sein wird!

Zudem übernehmen unsere Landwirte, glaube ich, eine ganz wesentliche Aufgabe im Sinne der Belebung der ländlichen Räume und der Erhaltung und Schaffung von Ar­beitsplätzen in den peripheren Regionen. Zudem schaffen unsere Landwirte auch durchaus die Grundlage für einen funktionierenden Tourismus in unseren Talschaften. Unsere Landwirte schaffen gepflegte Landschaften, die wir Einheimische, aber auch die Touristen gleichermaßen genießen dürfen. Schauen Sie sich beispielsweise nicht bewirtschaftete Landschaften beziehungsweise Talschaften in Norditalien oder Frank­reich an! Dort gibt es noch ein paar alte Leute und sonst nichts – keinen Handwerker, keine Betriebe und vor allem auch keine jungen Leute. Schauen Sie sich das einmal an!

Der Grüne Bericht soll, wie bereits erwähnt, Faktengrundlage für Entscheidungsträger sein, damit sie wissen, was die Landwirtschaft zukünftig braucht. Wenn wir uns jetzt den Grünen Bericht anschauen, dann sehen wir: Wir brauchen in erster Linie stabile Finanzen. Jegliche Kürzung der Agrarhaushalte auf EU-Ebene, Bundes- und Landes­ebene bringt unweigerlich weitere Betriebsaufgaben mit sich. Die Bewirtschafter tun sich, sollten Abgeltungen wegfallen, die Arbeit eines 12- oder 14-Stunden-Tages an 365 Tagen im Jahr nicht mehr an, wenn die Rahmenbedingungen nicht passen. Das kann man ihnen nicht verübeln!

In diesem Zusammenhang, liebe Frau Bundesminister, stehen die Vorzeichen aber nicht besonders gut, wie man sieht, wenn man sich den EU-Agrarhaushalt bezie­hungsweise den vorgestellten mehrjährigen Finanzrahmen ansieht. Dieser sieht vor allem unverhältnismäßige Kürzungen im Bereich der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik vor. Darin enthalten sind vor allem unsere so wichtigen Umweltprogramme, die Bergbauernförderung und auch die Investitionsförderung.

Im Hinblick darauf folgte zwar schon massive Kritik des EU-Rechnungshofes, weil die Gesellschaft genau diese Dinge wie Bergbauernförderung beziehungsweise Umwelt­förderung will, aber der gemeinsame Agrarhaushalt vorsieht, dass da gekürzt und bei Flächenzahlungen mehr bezahlt wird. Im Hinblick darauf bitte ich die Frau Bundesmi­nister, aber auch unseren Kanzler und unseren Finanzminister wirklich um vollen Ein­satz bei den Verhandlungen, wenn es um die Finanzen der EU vor allem im Rahmen der Landwirtschaft geht!

Was brauchen wir außerdem noch in der Landwirtschaft? – Wir brauchen zusätzliche Wertschätzung für unsere regionalen Produkte. Das hat jeder von uns in der Hand, in­dem er beim Einkauf auf regionale Produkte zurückgreift. Wir brauchen aber vor allem auch eine bessere Partnerschaft mit dem Tourismus. In diesem Bereich geschieht sehr


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viel Positives, das muss man wirklich festhalten, aber es gibt noch Luft nach oben da­hin gehend, dass man sich gegenseitig stützt.

Es braucht auch zusätzliche Anreize für unsere Junglandwirte, insbesondere im Inves­titions- und Bildungsbereich. In diesem Zusammenhang darf ich mich als Tiroler beson­ders für den Ausbau des Bildungs- und Forschungszentrums in Rotholz bei unserer Bundesministerin bedanken. – Wir haben vorhin über das Bundesämtergesetz und über mögliche Verlagerungen gesprochen. Das wäre auch ein idealer Standort für die Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen. Ich glaube, diesbezüglich hätten wir die Kompetenz und auch gut ausgebildete Leute vor Ort.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich wirklich hoffe, dass sich diese positive Preis­entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzt. Das brauchen unsere Landwirte! Wenn wir uns allerdings das heurige Jahr 2018 mit den vielen Katastrophen und dem Schäd­lingsbefall ansehen, dann befürchte ich, dass wir nächstes Jahr hier stehen werden und nicht so positiv werden resümieren dürfen. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Wertschätzung für die Leistungen und die Produkte unserer Bauern insgesamt steigt und damit auch bessere Einkünfte zu erwarten sind. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.20


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jürgen Schab­hüttl. – Ich erteile es ihm.


12.20.47

Bundesrat Jürgen Schabhüttl (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen und ZuhörerInnen hier und zu Hause! Ich muss gleich zu Beginn zwei Punkte aus der Rede des Kollegen Raggl richtigstellen. (Bundesrat Tiefnig: Ist das eine tatsächliche Berichtigung?) Nein! Ich berichtige ihn direkt in meiner Rede.

Erstens: Ich bin nicht auf alle Fälle gegen Förderungen oder – wie Sie sagen – gegen Ausgleichszahlungen, und ich verstehe vollkommen, dass Bergbauern mit Betrieben in ganz schwierigen Lagen – von solchen haben Sie vorhin gesprochen – unterstützt wer­den müssen und dass in diesem Zusammenhang größere Anstrengungen unternom­men werden müssen. Was ich aber partout nicht haben will beziehungsweise nicht un­terstütze, ist eine generelle Flächenförderung – und diese generelle Flächenförderung gibt es jetzt –, in deren Rahmen große Agrarbetriebe großflächig Ausgleichszahlungen beziehungsweise – wie ich sage – Förderungen erhalten. Das will ich nicht!

Zweitens habe ich nur einen Wirt zitiert, der mir bekannt ist und der seinen Betrieb ei­nem landwirtschaftlichen Betrieb gegenübergestellt und mir gegenüber seinen Unmut geäußert hat. Das habe ich weitergegeben. Ich habe nicht meine Meinung geäußert, sondern ich habe jemanden zitiert.

Wir sprechen hier vom Grünen Bericht; wir haben vorhin schon ansatzweise davon ge­hört. Ein paar Zahlen daraus: Es ist positiv, dass die Einkommensentwicklung durch­schnittlich bei plus 14 Prozent lag, wobei es natürlich große Unterschiede je nach Be­triebskategorie gab. Der Einkommensanstieg ist, wie der Kollege vorhin schon erörtert hat, durch den Milchverkauf, die Schweinehaltung, die gestiegenen Erzeugerpreise in der Rinderhaltung, durch verstärkten Holzeinschlag und durch die Zunahme von öffent­lichen Geldern zustande gekommen. Diese öffentlichen Gelder machen im landwirt­schaftlichen Einkommen durchschnittlich 61 Prozent aus. Dies zeigt die große Bedeu­tung von Förderungen, aber natürlich auch die Abhängigkeit unserer Land- und Forst­wirtschaft.

Der Bericht zeigt aber auch einmal mehr auf, dass die öffentlichen Gelder – wie ich vorhin schon gesagt habe – ungleich verteilt werden und große Agrarbetriebe meiner


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Meinung nach überdurchschnittlich von diesen Ausgleichszahlungen oder Förderungen profitieren. Das will ich jetzt mit ein paar Zahlen belegen.

Die 3,3 Prozent der Betriebe der höchsten Größenklasse mit über 50 000 Euro an Zu­wendungen erhalten 25,3 Prozent der gesamten Fördersumme. Die insgesamt 14 Pro­zent der größten Betriebe mit den höchsten Zuwendungen erhalten 48,5 Prozent des Gesamtvolumens. Daran ist schon ersichtlich, dass durch diese Flächenförderung be­ziehungsweise durch diese Ausgleichszahlungen ein kleiner Teil überproportional pro­fitiert! Ich glaube, es wäre endlich an der Zeit, auch im Sinne der bäuerlichen Fami­lienbetriebe und im Sinne der Nebenerwerbsbauern für eine ausgewogene und ge­rechte Verteilung der Fördermittel oder der sogenannten Ausgleichszahlungen zu sor­gen.

Eine Entwicklung, die sich auch aus dem Grünen Bericht ablesen lässt, ist für mich ei­nerseits sehr interessant, andererseits aber auch sehr bedenklich. Es geht um die Sta­tistik im Grünen Bericht, die sich mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Pes­tiziden auf Ackerflächen beschäftigt. Ich möchte jetzt, damit man sich ein bisschen et­was vorstellen kann, einen Vergleichszeitraum zwischen dem Jahr 2001 und dem Jahr 2017 ansprechen. In diesem Zeitraum hat die Fläche des gesamten bewirtschaf­teten Ackerlandes um über 51 000 Hektar abgenommen. Gleichzeitig wurden die Bio­ackerflächen um 150 000 Hektar erweitert. Das heißt: Die konventionell bearbei­teten Ackerflächen haben in diesem Zeitraum, also von 2001 bis 2017, um über 200 000 Hektar abgenommen.

Jetzt kommt es aber: Gleichzeitig mit der Abnahme von über 200 000 Hektar an kon­ventionell bearbeiteten Ackerflächen hat sich der Einsatz von Pestizidwirkstoffen um 531 Tonnen erhöht! Das heißt: Es gibt um über 200 000 Hektar weniger konventio­nellen Ackerbau, jedoch eine Zunahme beim Einsatz von Pestiziden um 531 Tonnen! – Wenn vorher an die Eigenverantwortung einer gewissen Berufsgruppe appelliert wur­de, dann muss ich jetzt auch an die Eigenverantwortung dieser Berufsgruppe appel­lieren!

Damit ist eindeutig erwiesen, dass im konventionellen Anbau immer größere Mengen an Pestizidwirkstoffen eingesetzt werden. Bisher gab es, egal welcher Minister vorher im Amt war, immer nur Lippenbekenntnisse. Die Agrar-Umweltprogramme haben keine nachhaltige Entwicklung beinhaltet, und ich war jetzt zwei Mal hintereinander im Agrar- oder im Landwirtschaftsausschuss und habe auch dort vermisst, Frau Bundesminis­terin, dass solche Entwicklungen von Ihnen in Gang gesetzt würden!

Ich vermisse die Programme und ich vermisse den Mut! Gerade Mut heftet sich diese Bundesregierung immer auf ihre Fahnen, ich vermisse jedoch den Mut, wenn es um die Eindämmung von Pestiziden und ein Verbot von Glyphosat und Chlorpyrifos geht! Die Bundesregierung fürchtet sich ja in manch anderen Bereichen auch nicht vor et­waigen Vertragsverletzungsverfahren, wie Sie es in diesem Zusammenhang im letzten Landwirtschaftsausschuss als Ausrede benutzt haben. Aber es schaut halt wieder einmal so aus, wie wenn jemand Klientelpolitik statt nachhaltiger, gesunder, menschli­cher Landwirtschafts- und Umweltpolitik macht.

Ich will hier aber nicht nur Kritik anbringen, sondern ich will auch einen konstruktiven Vorschlag einbringen. Dabei möchte ich mich auf den Grundsatzantrag „Bio-Wende“ aus dem Burgenland beziehen, der als Dringlichkeitsantrag eingebracht und beschlos­sen worden ist. – Ich darf daraus zitieren:

„Die Burgenländische Landesregierung wird aufgefordert, durch eine Neuausrichtung der Agrarpolitik das Burgenland zum Bio-Vorzeigeland zu entwickeln. Die ‚Bio-Wende‘ soll auf breiter politischer Basis unter Einbindung von Landwirtschaftsvertretern und Experten durch folgende Maßnahmen und Zielsetzungen erreicht werden:


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- schrittweise Umstellung des Fördersystems zur verstärkten Unterstützung des Um­stieges auf Biolandwirtschaft mit dem mittelfristigen Ziel, so nah wie möglich an 100 Prozent biologische Landwirtschaft im Burgenland heranzukommen

- nachhaltige Reduktion der Pestizidbelastung im Burgenland und vollständiger Gly­phosatverzicht nach dem Vorbild der landesnahen Betriebe

- Absicherung der landwirtschaftlichen Betriebe im Burgenland in ihrem Bestand

- zweckgebundener Einsatz von Landesmitteln in der Burgenländischen Landwirt­schaftskammer mit dem Ziel des Verzichtes auf Pestizide und Glyphosat sowie Forcie­rung der Bio-Landwirtschaft

- Forcierung der Regionalität und der biologischen Landwirtschaft bei der Beschaffung von Lebensmitteln im landes- und landesnahen Bereich

- beratende und begleitende Unterstützung der Gemeinden als Kindergarten- bzw. Schulerhalter zur Umsetzung des gesunden Mittagessens im Kindergarten und in der Schule

- verstärkte Information und Sensibilisierung der Konsumenten hinsichtlich des Wertes von hochqualitativen, gesunden heimischen Bio-Lebensmitteln

- Schwerpunkt Biolandbau in der landwirtschaftlichen Facharbeiter- und Meisteraus­bildung

- Erarbeitung eines modernen und schlanken Burgenländischen Landwirtschaftskam­mergesetzes unter Einbeziehung aller im Landtag vertretenen Parteien und der Bur­genländischen Landwirtschaftskammer“.

Außerdem wird die Burgenländische Landesregierung im zitierten Antrag aufgefordert, „an die Bundesregierung heranzutreten, diese möge

- die Stärkung und Weiterentwicklung der Bio-Landwirtschaft mit dem Ziel einer Neu­ausrichtung der österreichischen Agrar- und Förderpolitik umsetzen

- umgehend nationale Verbotsschritte hinsichtlich Glyphosat einleiten und eine ‚Exit-Strategie‘ für ein komplettes Aus in Österreich bis spätestens 2020 festlegen

- eine eindeutige Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln und deren Inhalts­stoffen zur Information der Konsumenten umsetzen

- auf EU-Ebene darauf hinwirken,

+ dass eine Förderkulisse für den Neuein-/Umstieg in die Bio-Landwirtschaft nach 2018 geschaffen wird

+ bei der Erarbeitung künftiger Förderprogramme die 1. Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik auf Biolandwirtschaft auszurichten

+ die Berücksichtigung des Förderstatus ‚Übergangsregion‘ in der gemeinsamen Agrarpolitik 2020 zu verankern, um eine Verschlechterung der Förderkulisse für die Landwirtschaft zu verhindern“.

Das war der Antrag, und es gab natürlich auch eine Abstimmung: Es war zu erwarten, dass die SPÖ und die Grünen diesem Antrag zustimmen, es haben aber auch die Liste Burgenland und die FPÖ diesem Antrag zugestimmt. (Bundesrat Schuster: Im Bur­genland seid ihr ja in Koalition mit der FPÖ!) – Ja, aber ihr könnt das Gleiche mit uns hier machen! – Nur die ÖVP war als einzige Partei natürlich dagegen.

Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen – insbesondere der FPÖ, die ich ge­rade angesprochen habe! Wir im Burgenland verfolgen in diesem Bereich ein sehr ambitioniertes Ziel. Wir verfolgen dieses auch mit unserem Koalitionspartner im Bur-


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genland, mit der FPÖ, und das wird gemeinsam umgesetzt. Sie können mit Ihrem Koa­litionspartner in Zukunft auch hier eine andere Linie verfolgen. Ich lade auch die ÖVP ein, umzudenken und in diesem Bereich endlich einmal auch eine zukunftsorientierte und nachhaltige - -


Vizepräsident Ewald Lindinger: Bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege!


Bundesrat Jürgen Schabhüttl (fortsetzend): Ich bin gleich fertig.

Ich lade alle ein, hier eine nachhaltige Wende herbeizuführen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.32


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile ihm dieses.


12.32.21

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Vor uns liegt ein umfassender Bericht von rund 266 Seiten, und ich sage gleich einmal an dieser Stelle: Vielen Dank an all jene, die an der Erstellung dieses Berichts beteiligt waren, und vielen Dank auch an Ihr Ministerium, das hier sehr viel Gutes macht!

Zum Inhalt: Es geht um Agrarstrukturen, um die Gesamtwirtschaft, um eine nachhaltige Entwicklung, um die Land- und Forstwirtschaft, um die Umwelt und Wasserwirtschaft und auch um die Märkte.

Was mir besonders wichtig ist, ist, dass wir hier den Umweltschutz ansprechen, denn Umweltschutz ist auch Heimatschutz, und für uns Freiheitliche ist die Heimat ohnedies sehr wichtig, das ist ja bekannt. Außerdem glaube ich auch, dass niemand in einer verdreckten, verunreinigten Umgebung leben will. Daher sollte es unser aller Anliegen sein, dass wir auf unseren Planeten achten, denn wir haben nur diesen einen!

Jeder von uns will saubere Luft, saubere Gewässer und insgesamt eine saubere Um­gebung haben, und ich glaube, dass jeder von uns dazu auch einen gewissen Beitrag leisten kann. Schauen wir darauf, dass wir nachhaltig einkaufen! Schauen wir darauf, dass wir kurze Wege gehen! Schauen wir darauf, dass wir unsere sehr guten KMUs unterstützen! Damit können wir auch unseren entsprechenden Beitrag leisten.

Gerade aktuell gibt es die Aktion beziehungsweise Maßnahme, dass wir das Plastik­sackerl verbannen und auch damit einen Beitrag leisten. Insgesamt sind wir von der Regierung bemüht, allgemein sehr viel für den Umweltschutz zu tun.

Stichwort Qualität: Wir haben in Österreich eine sehr gute Qualität der landwirtschaft­lichen Produkte. Es heißt ja nicht umsonst, dass Österreich der Feinkostladen Europas ist, und diesen Standard gilt es selbstverständlich zu halten, und zwar mit Nachhaltig­keit, mit den gesamten Umweltvorschriften, die wir haben, sowie mit der Vermeidung beziehungsweise Eindämmung schädlicher Substanzen in der Landwirtschaft, um eben in diesem Bereich eine gute Qualität zu haben.

Zum Wachstum in der Land- und Forstwirtschaft, Stichwort Produktionswert: Da haben wir ein Plus von 5,8 Prozent, kommen also auf insgesamt knapp 9 Milliarden Euro, davon 7,3 Milliarden Euro in der Landwirtschaft und 1,6 Milliarden Euro in der Forstwirt­schaft. – Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir hier das stabile Produktionsvolumen halten, und das ist auch gewährleistet, insbesondere in den Bereichen Milch, Gemüse, Obst, Viehzucht und Weinbau. Es gab gewisse Schwankungen im Bereich der tieri­schen Produktion, aber grundsätzlich ist das Produktionsvolumen vorhanden.

An dieser Stelle möchte ich ein großes Dankeschön an unsere vielen fleißigen Bäue­rinnen und Bauern aussprechen, insbesondere auch an die angesprochenen KMUs,


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 68

die hier sehr viel Gutes leisten, eine hohe Qualität aufrechterhalten, auch auf unseren Umweltschutz achten und insbesondere das Produktionsvolumen hoch halten.

Ein weiterer Punkt ist mir auch wichtig, nämlich der Tierschutz. Wir Freiheitliche leben den Tierschutz, und an dieser Stelle ist eben auch ganz deutlich festzuhalten, dass auch Tiere Lebewesen sind. Daher nun mein Appell, dass es unbedingt eine artge­rechte Tierhaltung gibt, dass die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden, damit die bestmögliche Umgebung und das bestmögliche Umfeld für unsere Tiere auch in den Produktionsstätten gewährleistet sind.

Zum Schluss ist noch zu sagen, dass auch wir die Empfehlungen der §-7-Kommission selbstverständlich mittragen. Dabei geht es um den weiteren Ausbau der Zusammen­arbeit zwischen Landwirtschaft und Gewerbe. Ich habe das angesprochen. Dabei sollte es eine Symbiose geben, ein Geben und Nehmen, eben zwischen den KMUs und den Produktionsstätten. Diese Brücke, die es in diesem Bereich gibt, ist wichtig und soll erhalten und ausgebaut werden. Außerdem geht es um verstärkte Vernetzungstätig­keiten sowie eine Stärkung der KMUs und Kleinstbetriebe generell. Wie wir wissen, gibt es in Österreich sehr viele KMUs, daher ist es sehr wichtig, dass wir auch dort in diese Richtung weiterarbeiten. Es werden auch nächstes Jahr noch mehrere Regie­rungsvorlagen kommen, um diese Betriebe steuerlich zu entlasten.

Zum Ausbau und zur Forcierung der Handelswege – ich habe das auch schon kurz an­gesprochen –: Schauen wir darauf, dass wir regional bleiben, unsere eigenen, einhei­mischen Betriebe unterstützen und dadurch auch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten! Steigern wir außerdem auch die Wertschöpfung und die Vitalität!

Noch ein Punkt zum Boden: In diesem Zusammenhang ist ein nachhaltiger Umgang besonders wichtig, weil wir wissen, dass man Boden nicht vermehren kann und wir da nur begrenzte Möglichkeiten haben. Daher ist es wichtig, dass wir darauf achten, dass die Flächen, die wir haben, genutzt werden, und dass wir vor allem auch Flächen er­halten, um die Produktion und das Produktionsvolumen nicht einzuschränken.

Abschließend halte ich fest: Wir werden der Kenntnisnahme dieses Berichts gerne unsere Zustimmung erteilen. Ich danke noch einmal all jenen, die diesen Bericht er­stellt haben, ich danke dem Ministerium, und ich danke vor allem auch unseren Land­wirten und KMUs, die in diesem Zusammenhang sehr, sehr viel und Großartiges leis­ten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.38


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmül­ler. Ich erteile ihm dieses.


12.38.09

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Längle, das war ja ein wunderbarer Appell betreffend Naturschutz – super! (Bundesrat Längle: Das ist ja sehr wichtig!) Ja, das ist absolut wichtig! Ich gebe dir in vielen Punkten wirklich recht. Es ist überraschend, aber es wurden wirklich sehr gute Punkte angesprochen! (Bun­desrat Längle: Danke schön!)

Ich habe mir hauptsächlich den Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirt­schaft angeschaut, und dieser zeigt deutlich – und das ist erschreckend –, dass trotz der dramatischen Herausforderungen, denen die Landwirtschaft gegenübersteht, das Bundesministerium und Sie, Frau Minister Köstinger, weiterhin Agrarpolitik des alten Stils betreiben. Diesen alten Stil können und dürfen wir uns in Zeiten der Klimakrise und der Umweltkatastrophen nicht mehr leisten. Das geht nicht!

Ich erkläre Ihnen gerne, werte Kolleginnen und Kollegen, warum ich dieser Meinung bin: Die Agrar- und Umweltpolitik hat nämlich in dieser Bundesregierung nach wie vor


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nicht den Stellenwert, den sie eigentlich verdient hätte. Es geht dabei tatsächlich um eine Überlebensfrage, und ich schaue mir gerne auch das Handeln dieser Bundesre­gierung in dieser Überlebensfrage an! So hat sich zum Beispiel Herr Vizekanzler Stra­che in den vergangenen Tagen damit gerühmt, dass in dieser Regierung mit 2,84 Mil­liarden Euro das höchste Sicherheitsbudget der Zweiten Republik erstellt worden ist. – Im Hinblick darauf frage ich mich, wie man einerseits so stolz auf diese Summe sein kann – wobei die Sicherheitspolitik selbstverständlich besonders wichtig ist –, anderer­seits jedoch im Zusammenhang mit einem der wichtigsten Bereiche, nämlich der Land­wirtschaft, bei der es um unser Überleben auf dieser Erde, auf diesem Planeten geht, gespart wird.

Vergleicht man nämlich die Ausgaben im Rahmen des Umweltprogrammes ÖPUL in der Förderperiode 2013 bis 2017 mit der jetzigen Förderperiode, dann sieht man, dass gerade im Bereich der Umwelt gespart wird: Es wurde von 47,1 Prozent auf 40,1 Pro­zent reduziert, das bedeutet ein Minus von 7 Prozent. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Auch das Bottom-up-Programm LEADER – Ferdinand Tiefnig ist sogar im Vorstand –, mit dem lokale Entwicklung in den ländlichen Räumen unter Beteiligung der AkteurInnen vor Ort gefördert wird, musste dramatische und drastische Einbußen hinnehmen.

Gleichzeitig wird mit Steuergeldern die weitere Ankurbelung von Exporten von land­wirtschaftlichen Produkten unterstützt. So wurden in der ersten Programmänderung zusätzliche 20 Millionen Euro für die großen Verarbeitungsunternehmen, die auf Export setzen, bereitgestellt.

Eigentlich bräuchten wir einen anderen Schwerpunkt in der Agrarpolitik. Angesichts der Herausforderungen durch die Klimakrise und des Verlustes von Biodiversität, der immer dramatischer wird, braucht es eine wirkliche Agrarwende, Frau Ministerin. Die österreichische Landwirtschaft produziert Unmengen an Überschüssen – Unmengen! Das geschieht oft unter Einsatz von Kunstdünger, was übrigens zum Klimawandel bei­trägt, von Pestiziden, die die Biodiversität zerstören, und von importierten, oft gentech­nisch manipulierten Futtermitteln, deren Anbau im globalen Süden sozial und ökolo­gisch zerstörerisch wirkt. Das wissen Sie.

Wenn man diese Überschüsse dann noch mithilfe von Steuergeldern exportieren will, dann ist das absurd und nicht nachhaltig. Davon profitieren weder die Bürgerinnen und Bürger noch die Bäuerinnen und Bauern. Noch dazu kann nicht einmal garantiert wer­den, dass diese Exportpolitik überhaupt funktioniert oder weiter funktionieren wird.

Erst vor ein paar Tagen gab es einen spannenden APA-Artikel dazu. Darin war zu lesen, dass die Milchverarbeiter auf die Verlängerung ihrer Exportlizenzen nach China warten. China lässt sich aber Zeit. Daher erhebt sich die Frage: Was tun mit all der Milch, wenn es nicht mehr möglich sein sollte, diese 16 000 Kilometer weit nach China zu schicken? Was wird mit dieser Milch geschehen? – Hier kann und soll man dann über verschüttete Milch weinen, wie es so schön heißt.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Sie vor laufender Kamera gesagt und mit Begeisterung auf Twitter geschrieben und stolz verkündet haben, dass wir jetzt quasi Saurüssel und Schlachtabfälle nach China exportieren. – Diese Exportpolitik nützt den Bäuerinnen und Bauern nicht, ganz im Gegenteil!

Das Agrar- und Ernährungssystem braucht also eine dringende Totalüberholung. Frau Minister Köstinger hätte als Vorsitzende des Agrarministerrates die Möglichkeit gehabt, sich im Rahmen der derzeitigen Reform der europäischen Agrarpolitik für eine Agrar­wende einzusetzen. Leider haben wir nicht vernommen, dass Sie in diese Richtung irgendetwas getan hätten. Wir haben nichts mitbekommen, nichts; es ist wirklich scha­de um diese vertane Chance! Das beweist, dass es sich hierbei nicht um eine Rats-


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präsidentschaft, sondern um eine Rastpräsidentschaft handelt! (Bundesrätin Eder-Gitschthaler: Na, na, na! – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth. – Weitere Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Wir Grüne fordern Sie, Frau Ministerin, auf, im Interesse der Bäuerinnen und Bauern sowie der BürgerInnen im Sinne der Umwelt und der zukünftigen Generationen alles im Bereich Ihrer Möglichkeiten zu tun, um dem alten Stil der Agrarpolitik den Rücken zu kehren und sie wieder in die Lage zu versetzen, ihre eigentlichen Ziele verfolgen zu können. Diese Politik muss die Rahmenbedingungen dafür stecken, dass gutes Essen für alle möglich ist, dass Bäuerinnen und Bauern ein angemessenes Einkommen erzie­len und erwirtschaften können, dass die Klimakatastrophe abgeschwächt wird und dass dabei weder die Umwelt noch die Tiere im wahrsten Sinne unter die Traktorräder kommen.

Das wäre notwendig. Wir werden heute die Kenntnisnahme aller Berichte ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

12.43


Vizepräsident Ewald Lindinger: Ich begrüße unseren ehemaligen Präsidenten des Bundesrates, Nationalratsabgeordneten Mario Lindner. Herzlich willkommen in diesem Haus! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile dieses.


12.44.12

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Vizepräsi­dent! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren zum einen den Grünen Bericht und zum anderen die Maßnahmen, die die Landwirtschaft in Zu­kunft braucht, um sich positiv entwickeln zu können. – Ich bin dankbar für alle guten Vorschläge, die in Richtung Stärkung der bäuerlichen und der ökologischen Landwirt­schaft gehen, ich stelle nur fest, dass Sie von der SPÖ und Sie von den Grünen, wenn es dann konkret um einen Beschluss – beispielsweise den vorigen betreffend 23 Millio­nen Euro – geht, dagegenstimmen. Bei Ihnen geht es immer darum, große Visionen in den Raum zu stellen, aber bei den kleinen Umsetzungen nicht dabei zu sein.

Ich möchte jetzt einige Gedanken äußern. – Wir sind in Diskussion um eine Neugestal­tung der europäischen Agrarpolitik; die Verhandlungen um die GAP-Reform sind im Laufen. Gerade die Landwirtschaft und der agrarische Bereich sind europäisch zu dis­kutieren, deswegen möchte ich einige Gedanken in diesem Zusammenhang einbrin­gen.

Europa soll vor allem die großen Themen lösen, und ein großes Thema haben wir schon in der vorigen Debatte behandelt, nämlich den Klimawandel und den Klima­schutz. Wir müssen dem Klimawandel entgegenwirken, aber das ist eine europäische, ja eine globale Aufgabe.

Um die Landwirtschaft in diesem Zusammenhang zu unterstützen, gilt es zu überlegen: Wie gehen wir mit Trockenphasen um? Was tun wir bei Überschwemmungen? Was tun wir vor allem gegen Schädlinge? – Es sind auch bereits Lösungsansätze genannt worden. Kollege Appé hat gesagt, dass wir in Bewässerung investieren müssen. – Ich glaube, es ist gut, wenn wir überlegen, wie wir Bewässerungssysteme verstärkt un­terstützen, ich hoffe nur, dass wir dann auch Unterstützung bekommen, wenn es um Wasserrechtsverhandlungen vor Ort geht!

Wir brauchen – das haben wir auch diskutiert – eine stärkere Risikoabsicherung in Form von Versicherungsmodellen.

Außerdem brauchen wir, wie auch schon angesprochen wurde, einen effizienten Pflanzenschutz. – Pflanzenschutz in der Landwirtschaft wird immer negativ dargestellt,


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Pflanzenschutz in der Landwirtschaft ist aber manchmal bei notwendigen Indikationen einfach eine Maßnahme, um die Pflanzen zu schützen und damit die Ernährung in Österreich, die Ernährung unserer Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln, sicher­zustellen.

Ich darf Ihnen ein Beispiel geben: Der Drahtwurm hat heuer dem österreichischen Kar­toffelbau sehr stark zugesetzt. Wir werden so viele Kartoffeln wegwerfen beziehungs­weise entsorgen, wie 2 Millionen Menschen essen könnten. Wenn Sie das wollen, dann verzichten Sie auf ein paar Gramm eines Pflanzenschutzmittels! All das ist mög­lich, wir sollten den Leuten aber auch sagen, was daraus entsteht, damit der Pflanzen­schutz nicht generell schlechtgeredet wird!

Wir brauchen in der Landwirtschaft durchaus auch eine verstärkte Orientierung in Rich­tung Bioökonomie und Bioentwicklungen. Es ist sehr viel Geld in Richtung Forschung unterwegs, weil für nachwachsende Rohstoffe innerhalb der Landwirtschaft viel Platz ist.

Wir müssen uns anschauen – das ist ebenfalls eines der generellen Themen –, wie wir junge Landwirte in den ländlichen Regionen halten können, denn es ist auch ein euro­päisches Problem, dass es eine Wanderung von den ländlichen Gebieten in die urbanen Räume gibt. Wenn wir die ländlichen Gebiete besiedelt halten wollen, müssen wir den ländlichen Raum für junge Menschen und vor allem für junge Frauen attraktiv erhalten. In diesem Zusammenhang geht es um Infrastrukturmaßnahmen, auch im so­zialen Bereich, und um den Ausbau der Digitalisierung, um auch dezentral qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu haben.

Letztlich aber ist es die Landwirtschaft, welche die Basis des ländlichen Raums dar­stellt. Daher gilt es, die Chancen für die jungen Landwirte auszubauen. – Ich bin dabei! Wir brauchen weniger Zwang in Richtung: Wachsen oder Weichen, wir brauchen mehr Diversifikation innerhalb der Landwirtschaft, also eine breitere Produktpalette, wir brau­chen mehr Verarbeitung sowie einen stärkeren Einstieg in die Vermarktung und auch in die Dienstleistung. Manchmal kann es sogar interessant sein, auch eine Vermittlung von bäuerlichem Wissen durchzuführen, weil viel, was in der Gesellschaft gesprochen wird, nicht mehr der Realität auf den Höfen entspricht.

Dazu brauchen wir auch eine Vereinfachung des Rechtsrahmens. Wir brauchen weni­ger Bürokratie, weniger rechtliche Maßnahmen und eine klarere Handhabung. So braucht es zum Beispiel im Bereich der Investitionsförderung und der ländlichen Ent­wicklung sicherlich entsprechende Vereinfachungen.

Außerdem brauchen wir – du, Frau Bundesministerin, sprichst das immer wieder an – gegenüber dem Handel eine stärkere Stellung auf dem Markt. – Dazu ein Beispiel: Es mag gut sein, wenn mehr Tierwohl gefordert und gefördert wird und die Handelsun­ternehmen das auch entsprechend bewerben. Es ist aber nicht positiv, wenn damit genau jene kleinen Tierhaltungsbetriebe, die nicht die Möglichkeit haben, 365 Tage im Jahr einen Auslauf herzustellen, von der Vermarktung ausgeschlossen werden.

Wir haben gehört, dass wir eine stärkere Unterstützung der Landwirtschaft brauchen. Dazu ist es auch notwendig, dass der Finanzrahmen beibehalten und keine Reduktion der Zahlungen seitens Brüssels vorgenommen wird. Die Flächenzahlungen im Rah­men der ersten Säule dienen nämlich nicht nur dazu, das Einkommen der Landwirt­schaft zu stärken, sondern sie dienen auch dazu, den Konsumenten Zugang zu heimi­schen Lebensmitteln zu ermöglichen, die einen hohen Umweltstandard, die einen ho­hen Tierschutzstandard, aber auch einen hohen Sozialstandard haben, weil sie nicht in Drittländern erzeugt wurden, wo soziale Gerechtigkeit keinen Platz hat. Diese Produkte aus Drittländern können aber durchaus nach Österreich importiert werden, weil der Agrarmarkt ein weltweit offener Markt ist. Die österreichische Landwirtschaft kann und will sich jedoch nicht so verhalten, wie der Weltmarkt sich verhält!


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Weiters brauchen wir auch eine starke, kräftige zweite Säule – die wir nicht kürzen sollen –, um Umwelt, Innovation und in diesem Zusammenhang Junglandwirte zu un­terstützen.

Es ist sicherlich auch notwendig, einen entsprechenden regionalen und nationalen Spielraum zu ermöglichen. Die EU soll mehr Richtlinien vorgeben und weniger kon­krete Verordnungen machen, damit auf nationaler Ebene entsprechend gestaltet wer­den, man sich auf die regionalen Möglichkeiten einstellen und den Gegebenheiten an­passen kann.

Wir haben gestern etwas sehr Interessantes gehört: Wir haben uns im EU-Ausschuss den Bericht des Europäischen Rechnungshofes zu Gemüte geführt und dabei erfahren, dass es eine Vielzahl an Fehlerquellen gibt, die sich bei der Abwicklung dieser Aus­gleichszahlungen auftun und vorhanden sind, wobei es aber nur selten zu einer Rück­zahlung kommt. Das heißt, es geht nicht um die Beanstandung von Formalfehlern, sondern wir brauchen eine bessere und effizientere Abwicklung. Vielleicht wäre es auch gut, wenn wir uns nicht immer von den Aussagen des Europäischen Rechnungs­hofes leiten lassen, sondern das auch manchmal entsprechend politisch bewerten.

Es geht darum, die Landwirtschaft als Gesamtes zu sehen. Wenn wir aber Bio als die einzige Lösung sehen, Herr Kollege, dann wird das, glaube ich, nicht ganz funktionie­ren! Wir sind bereits Europameister beziehungsweise Weltmeister betreffend Anteil des Biolandbaus und wir können und wollen uns auch in diesem Bereich weiterentwickeln, aber nicht in zwei Jahren auf 100 Prozent! Die Konsumenten dürften da wahrscheinlich auch entsprechend gefordert sein. (Bundesrat Schabhüttl: 2020 Glyphosatverbot!) – Okay: 2020, das geht auch! Aber 2020 wäre ein sehr hehres Ziel für 100 Prozent Bio­landbau.

Ich sage Ihnen, wir haben einen nicht geringen Anteil an Biomilch, die aber nicht als Biomilch vermarktet werden kann, weil der Konsument das nicht annimmt. Daher bitte ich, hier vernünftig zu sein und Biolandwirtschaft – ich bin selbst Biobauer – so zu ent­wickeln, wie es der Markt verträgt und die Konsumenten das annehmen.

In diesem Sinne hoffen wir auf die Umsetzung einer GAP-Reform, die den Bauern und auch den Konsumenten entsprechend hilft. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.53


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dominik Rei­singer. Ich erteile dieses.


12.54.04

Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Werte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer! Der Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018 beschreibt, wie auch schon seine Vorgänger, den Stufenbau, wenn man so will, der europäischen und nationalen Förderpolitik im Agrarbereich.

In zwei Fördersäulen werden die gesamten Maßnahmen der Gemeinsamen Agrar­politik, kurz GAP, der EU abgewickelt. Die erste Säule bedient die Direktzahlungen, die zu 100 Prozent von der EU finanziert werden und deren Umfang rund 4,8 Milliarden Euro ausmacht, die zweite Säule ist der ländlichen Entwicklung gewidmet. Diese För­derung unterliegt auch dem Prinzip der Kofinanzierung zwischen der EU, dem Staat und den Bundesländern. Die EU beteiligt sich an diesem Programm mit weiteren rund 4 Milliarden Euro.

Unter „Sonstige Maßnahmen“ beschreibt der vorgelegte Maßnahmenbericht eine rein nationale Förderschiene durch den Bund und die Länder. Wie hoch jedoch die dabei bereitgestellten Mittel sind, ist zumindest diesem Bericht nicht zu entnehmen.


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Es ist klar und unverzichtbar, dass Agrarförderungen bedarfsgerecht und zielgerichtet und vor allem auch als Steuerungsinstrument eingesetzt werden. Genau in diesem Punkt kommt dem EU-weiten Ansatz eine ganz große Bedeutung zu, weil den großen Problemen wie dem Pestizideinsatz und natürlich auch dem Klimawandel nicht nur im Kleinen, sondern vor allem im Großen begegnet werden muss. Aber auch die Bundes­regierung in der Person der Frau Bundesministerin trägt für die richtige Verteilung und für die Förderzielrichtung enorme Verantwortung, weil man auf Regierungsebene selbstverständlich verschiedenste Gestaltungs- und Gewichtungsmöglichkeiten hat, die man zum Positiven, aber auch zum Negativen nutzen kann.

Zunächst möchte ich mich einem positiven Thema widmen, nämlich dem Leader-Pro­gramm. Ich arbeite selbst seit Jahren als Bürgermeister in der Leader-Region Donau-Böhmerwald mit und kann aus eigener Erfahrung berichten, dass die dort vergebenen Fördermittel nicht nur in eigenverantwortlicher regionaler Abstimmung vergeben werden, sondern dass die Gelder auch breit gestreut werden und direkt bei den Pro­jektträgern und bei den Menschen in den Gemeinden ankommen. Das ist, im Vergleich zu anderen Förderschienen, relativ unbürokratisch möglich. Die großen Unbekannten für die ländlichen Regionen sind nur, ob mit diesem unverzichtbaren Programm auch in Zukunft gerechnet und – wenn ja – wieviel Geld verteilt werden kann. Eine Aufstockung dieser Leader-Mittel ist aus meiner Sicht äußerst sinnvoll und auch wichtig!

Abschließend muss ich auch kritische Anmerkungen zum Thema bringen. – Ich kann mich leider des Eindrucks nicht erwehren, dass dem Erhalt der bäuerlichen Familien­betriebe auch im Nebenerwerb, der Kleinbetriebe und der Bergbauernbetriebe zu we­nig Augenmerk geschenkt wird. Sie sind es vor allem, die für den Erhalt und die Pflege unserer Kulturlandschaft verantwortlich sind. Ich vermisse in diesem Bereich aber Maßnahmen, die mehr Verteilungsgerechtigkeit und eine Stärkung der kleineren länd­lichen Strukturen mit sich bringen. Im Fokus beider Regierungsparteien stehen wie so oft Großgrundbesitzer und Agrarkonzerne. Leider gehen Sie von der Flächenbesitz­zahlung nicht ab! (Bundesrätin Mühlwerth: Es wird aber nicht wahrer, wenn man das dauernd wiederholt und behauptet!) – Aufpassen!

Außerdem sagt ein ÖVP-Politiker, nämlich der oberösterreichische Landwirtschafts­kammerpräsident Franz Reisecker, wie in einem Interview auch nachzulesen ist, dass man sich, wenn es zu einer Kürzung des Agrarbudgets kommt, von „einer Unterstüt­zung der benachteiligten Gebiete und der kleineren Strukturen abwenden“ müsse. – Im Hinblick darauf frage ich mich: Warum sparen wir immer bei den Kleinen? Sparen wir doch auch einmal bei den Großen! (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre eigentlich relativ einfach, es gibt nämlich ein SPÖ-Modell, das diesbezüglich für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen könnte. Deckeln wir ganz einfach die Direkt­zahlungen mit 25 000 Euro pro Betrieb und Jahr und unterstützen wir mit den daraus erzielten Einsparungen Betriebe bis zu einer Größe von 20 Hektar in Form einer Um­verteilungsprämie von zum Beispiel 100 Euro pro Hektar! Das wäre doch etwas!

Gleichzeitig erwarte ich mir mehr Engagement im Einsatz für die Reduktion der Ver­wendung von Pestiziden und Giften sowie für den Klimaschutz, der in diesem 19-sei­tigen Maßnahmenbericht gerade einmal mit zwei Zeilen bedacht wurde.

Mit diesen Anmerkungen meinerseits schließe ich meinen Redebeitrag. Wir werden den Bericht so zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)


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12.59


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Ich erteile dieses.


12.59.50

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Der Grüne Bericht be­richtet über das Kalenderjahr 2017 und wird seit Bestehen des Landwirtschaftsgeset­zes nunmehr zum 59. Mal vorgelegt. Er beschreibt ausführlich die wirtschaftliche und vor allem auch die soziale Situation der bäuerlichen Familien in Österreich und ist da­mit eine einzigartige Grundlage betreffend alle zentralen Daten, Zahlen und Fakten über unsere bäuerlichen Familienbetriebe.

Die Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft je Betrieb sind nach mehreren Jahren der Einkommensrückgänge 2017 das erste Mal leicht um durchschnittlich 14 Prozent gestiegen. Allerdings muss man auch klar dazu sagen, dass das noch immer unter den Ergebnissen von 2011 und 2012 liegt.

Die Landwirtschaft steht aufgrund der zahlreichen witterungsbedingten Rückschläge immer wieder massiv unter Druck. Der Klimawandel ist nichts Abstraktes in der Land­wirtschaft. In jedem Fall ist die Entwicklung aber zumindest ein kleiner Lichtblick, vor allem auch für unsere jungen Bäuerinnen und Bauern, die einen Betrieb gerade über­nehmen oder übernehmen werden.

Ausschlaggebend für das positive Ergebnis im Jahr 2017 waren die Erzeugerpreise bei Milch und Getreide sowie höhere Erntemengen im Obst- und auch im Weinbau. Beson­ders erfreulich ist, dass sich diese leichte Steigerung nicht auf Gunstlagen beschränkt, sondern sich vor allem auf unsere Berggebiete ausgeweitet hat. In den Berggebieten liegt die Einkommenssteigerung über dem bundesweiten Durchschnitt. Dadurch kann erfreulicherweise der Einkommensabstand zwischen Bergbauern und Nichtbergbauern weiter verringert werden. Vom leichten Einkommensanstieg 2017 waren fast alle Be­triebsformen betroffen, ausgenommen sind hier nur die Marktfruchtbetriebe. – Ich er­wähne das, weil heute auch mehrmals die größeren Strukturen angesprochen worden sind.

Der Grüne Bericht zeigt, dass besonders Veredelungsbetriebe in erster Linie von den gestiegenen Erzeugerpreisen und auch von den Produktionsausweitungen im Schwei­nesektor profitieren. Darüber hinaus wäre ohne Versicherungsentschädigungen und nationale Sonderzahlungen aufgrund von Frost auch das leichte Plus bei den Dauer­kulturbetrieben kaum möglich gewesen.

Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig auch die Unterstützung im Rahmen von Versiche­rungen für unsere heimischen Betriebe ist. Die Marktfruchtbetriebe mussten aufgrund der trockenen und heißen Witterungen im Frühsommer 2017 und der damit verbunde­nen geringen Erntemengen im Ackerbau ein Einkommensminus hinnehmen.

An dieser Stelle darf ich meinen herzlichen Dank der §-7-Kommission aussprechen, die bei der Erstellung des Grünen Berichts mitgearbeitet hat, und zwar vor allem auch für ihre Empfehlungen. Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle natürlich auch allen Bäuerinnen und Bauern, die mit der freiwilligen Buchführung ihre Einkommenser­gebnisse für die Erstellung des Grünen Berichts zur Verfügung stellen.

Unsere bäuerlichen Familienbetriebe stehen in Österreich im Zentrum unserer Agrar­politik. Wichtig ist, dass unsere Bäuerinnen und Bauern auch in Zukunft wettbewerbs­fähig bleiben, denn nur so können wir flächendeckende und nachhaltige Landwirtschaft in Österreich sicherstellen. Vor allem müssen wir uns weiterhin für faire Einkommen und Rahmenbedingungen einsetzen.

Nachdem vor allem Herr Bundesrat Schabhüttl das Thema Bio angesprochen hat, bringe ich auch ein paar Zahlen und auch Anregungen: Ich habe Ihnen sehr aufmerk­sam zugehört. Ich glaube, Sie wissen, dass Österreich Weltmeister im Bereich Biopro­duktion ist. Es gibt kein Land auf dieser Welt, das gemessen an der Agrarfläche mehr


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biologische Landwirtschaft durchführt, und das ist vor allem der Arbeit meiner Vor­gänger zu verdanken. (Bundesrat Schabhüttl: Es muss aber noch besser werden!) Alle Landwirtschaftsminister und Umweltminister vorher haben massiv in die biologi­sche Produktion und in die Förderung der biologischen Betriebsform investiert. Ich ver­folge das sehr intensiv im Burgenland, und es gibt eben auch die Unterstützung der Landwirtschaftskammer im Burgenland, um diese Modellregion für 100 Prozent Bio auszubauen. Im Hinblick darauf glaube ich, dass es nur konsequent und auch ehrlich wäre, dass man gleichzeitig auch dafür sorgt, dass in den Regalen ausschließlich 100 Prozent biologische Landwirtschaftsprodukte liegen und verkauft werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, da könnten Sie wirklich beweisen, was Sie, auch im Burgenland, draufha­ben! Es ist nämlich interessant: Wir haben die biologische Produktion in Österreich mit aller Kraft angekurbelt, könnten aber unsere Bioproduktion so nicht aufrechterhalten, wenn wir nicht den Export hätten. Speziell Betriebe, die in Österreich Milch, aber auch andere Produkte produzieren, leben davon, dass vor allem nach Deutschland, Italien und mittlerweile auch nach Übersee massiv exportiert wird, weil die Nachfrage leider nicht in demselben Ausmaß wie die Produktion steigt.

Wir haben auch auf Bundesebene massiv Akzente gesetzt, um die Bioproduktion wei­terzubringen. Wir sind sehr gespannt darauf, wie die Modellregion Burgenland zeigen wird, dass man auch den Absatz der Produkte massiv ankurbeln kann und dass man sich vor allem – das halte ich auch für wichtig – nicht auf die Marktfruchtbetriebe kon­zentriert, sondern vor allem auch dafür sorgt, Fleisch biologisch zu produzieren. Wir erleben nämlich leider auch einen rückläufigen Trend betreffend die Konsumation von Biofleisch. Das mag etwas mit den höheren Preisen zu tun haben, aber vielleicht kön­nen Sie uns auch in diesem Bereich zeigen, wie es anders funktioniert.

Wir werden auf jeden Fall gespannt zuschauen. Sie könnten den Beweis antreten, dass erstmals auf dieser Welt Planwirtschaft wirklich funktioniert. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Bitte gehen Sie diesen konsequenten Weg weiter! Sie haben die Unterstützung der Landwirtschaftskammer, und ich hoffe, Sie können auch die Bäuerinnen und Bauern und vor allem auch die Konsumentinnen und Konsumenten mit ins Boot holen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.06


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Tiefnig: Eine tatsächliche Berichtigung, weil ...!) – Bitte, Herr Kollege Tiefnig, ich erteile Ihnen für eine tatsächliche Berichti­gung das Wort.


13.06.29

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Ich bringe eine tatsächliche Be­richtigung zu dem Pressetext, den Sie, Herr Reisinger, angesprochen haben: Herr Prä­sident Reisecker hat im Hinblick auf die Ankündigungen des EU-Kommissars Oettin­ger, wonach massive Budgetkürzungen im Agrarsektor anstehen, gesagt, dass er be­fürchtet, dass dies ganz starke Auswirkungen auf die österreichische kleinstrukturierte Landwirtschaft haben wird, weil die Kürzungen in der ersten und in der zweiten Säule stattfinden und genau aus diesen Säulen die kleine österreichische Landwirtschaft sehr stark unterstützt wird. (Bundesrat Beer: Das hat er ja gesagt! Entweder horchen Sie nicht zu!) Präsident Reisecker hat dazu gesagt, dass Österreich das nicht unterstützen werde und er massiv gegen diese Kürzungen sei. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.07

13.07.05


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 76

Weitere Wortmeldungen liegen zu diesen Tagesordnungspunkten nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Grünen Bericht 2018.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Bericht der Bundesregierung über Maßnah­men für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.08.126. Punkt

Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2017 (III-664-BR/2018 d.B. sowie 10061/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler. Ich bitte um den Bericht.


13.08.35

Berichterstatterin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich erstatte Bericht des Aus­schusses für Tourismus, Kunst und Kultur über den Bericht über die Lage der Touris­mus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2017.

Der vorliegende Bericht dokumentiert die positive Entwicklung des Tourismussektors im Jahr 2017 und liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Daher komme ich gleich zur An­tragstellung.

Der Ausschuss für Tourismus, Kunst und Kultur stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2017 zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile dieses.


13.09.30

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Frau Mi­nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute zum Tourismusbericht 2017 ei­nige Worte verlieren. Ich kann nur einige Worte sagen, denn es ist natürlich unmöglich, da ins Detail zu gehen.

Für mich ganz entscheidend ist: Wenn ich über den Tourismus spreche, habe ich im­mer mehrere Hüte auf. Ich sehe das nicht nur als Tourismusunternehmer, sondern auch aus dem Blickwinkel der Interessenvertretung oder der Politik. Daher ergeben sich für mich immer ganz neue Spannungsfelder.

Was ich aber primär und an allererster Stelle hier in diesem Plenum sagen kann, ist, dass der Tourismus ganz klar eine Erfolgsgeschichte darstellt. Viele Länder Europas beziehungsweise auf der ganzen Welt schauen betreffend touristische Entwicklung neidvoll auf unser Land. Nur ganz kurz einige Zahlen, um das ein bisschen zu ver-


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deutlichen: Wir haben 144 Millionen Nächtigungen im Jahr 2017 gehabt. Das entspricht einer Steigerung von 2,5 Prozent, davon ein Plus von über 6 Prozent aus dem Land Tschechien, über 5 Prozent aus Ungarn und 18 Prozent aus Russland. Das sagt also schon etwas über die Bedeutung aus.

Mir ist auch noch wichtig zu erwähnen, dass 54 Millionen Nächtigungen aus unserem Nachbarland Deutschland kommen, das nach wie vor der wichtigste Herkunftsmarkt ist. Für Sie vielleicht auch ganz interessant ist die Tatsache, dass mehr als die Hälfte aller Nächtigungen in Tirol und in Salzburg generiert werden. Das heißt, Tourismus­politik ist ganz eindeutig auch Regionalpolitik.

Um diese Entwicklung gut voranzutreiben, gibt es eine Kooperation mit der Österreichi­schen Hotel- und Tourismusbank. Es ist ja nicht ganz einfach für unsere KMUs, ent­sprechend Geld zu lukrieren beziehungsweise an günstige Kredite zu kommen. Diese Instrumente sind sehr gut für den Tourismus, 2017 gab es einen Investitionsrekord.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, 90 000 Betriebe gibt es in Österreich – ich nenne jetzt nur Circazahlen –, circa 300 000 Menschen arbeiten im Tourismus. Wir ha­ben fast 60 Milliarden Euro direkte und indirekte Wertschöpfung, das sind 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Sehr erfreulich ist weiters, dass 90 Prozent der Vorleistun­gen in Österreich in der Gastronomie, der Hotellerie, der Landwirtschaft, der Nahrungs­mittelindustrie und der Getränkeindustrie geschehen. Das heißt, das Geld wird hier bei uns erwirtschaftet.

Welche Probleme aber haben wir? Was macht die Regierung, damit dieser Trend fort­gesetzt werden kann? – Wir haben einfach einen eklatanten Mangel an Fachkräften. Das ist evident, betrifft aber nicht nur den Tourismus, das geht, wie wir alle wissen, in ganz Österreich quer durch alle Branchen. Es gibt – das ist offenkundig – einen Kampf um die besten Kräfte. Ich bin überzeugt davon, dass sich in den nächsten Jahren auf diesem Sektor unsere Wettbewerbsfähigkeit entscheiden wird.

Ich weiß, es ist ein Thema, das oft polarisiert, das ist aber ein falscher Ansatz: Die Ar­beitszeitflexibilisierung – ich möchte sie hier nur streifen – war ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen die Dienstleistung für unsere Gäste verbessern. Wir müssen den Tourismus am Standort stärken. Das war ein richtiger Schritt. Was ich nicht ganz verstehe, ist, warum immer, wenn man von diesen Dingen spricht, Polemik gemacht und schlecht geredet wird. Ich gestehe auch zu, dass es Einzelfälle geben mag, die sich nicht daran halten, aber eine ganze Branche immer schlechtzumachen finde ich falsch und bringt uns letztendlich nichts. Beim Arbeitskräftethema müssen wir zusammenhalten, sonst können wir Österreich nicht entsprechend entwickeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mir noch eine Zahl angeschaut: Im Oktober 2018 gab es in Österreich alleine in der Gastronomie – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – 10 000 offene Stellen, davon 1 650 Lehrstellen. Das macht mich, ehrlich gesagt, schon nachdenklich, noch dazu, da das viele gar nicht mehr beim AMS melden und wir eine hohe Dunkelziffer haben. Das heißt, an diesem Thema muss man dranbleiben. Die Bundesregierung hat auch bereits erste Schritte gesetzt: die Re­gionalisierung der Mangelberufsliste, in die das Berufsbild Koch aufgenommen wurde, sowie eine Adaptierung der Rot-Weiß-Rot-Karte. Ich würde mir wünschen – weil Weih­nachten vor der Tür steht –, dass es ein bisschen mehr als die angepeilten 300 Fach­kräfte sind, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, oft denke ich mir – ich möchte nicht jammern und komme am Schluss noch einmal darauf zu sprechen – und sehe es auch: Die Hüt­te brummt, es ist alles bummvoll, aber die Ertragslage ist schlecht. Es gibt eine KMU-Studie, die besagt – Kollege Novak hat das auch im Ausschuss angeschnitten –, dass 40 Prozent unserer Betriebe eine negative Eigenkapitalquote haben. Da gilt es, anzu-


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setzen. Dies ist natürlich auch dadurch bedingt, dass wir relativ hohe Fixkosten haben. Daher brauchen wir diesbezüglich rasch Maßnahmen. Die Regierung setzt sie im Zuge einer guten Steuerpolitik.

Wenn ich gute Steuerpolitik sage, dann ist es mir schon ein Bedürfnis, zu erwähnen, dass die Rücknahme des Umsatzsteuersatzes von 13 auf 10 Prozent bei Übernach­tungen in Hotels und auf Campingplätzen ein richtiger Schritt in die richtige Richtung war. Ich würde mir auch noch wünschen, dass es eine zusätzliche Anpassung der Ab­schreibungsdauer auf die tatsächliche Nutzungsdauer gibt. Vielleicht könnten wir noch ein paar Bagatellsteuern wie die Schaumweinsteuer beseitigen. (Bundesrat Koller: Die Reichen stopfen!) Vielleicht könnte man auch noch – wie wir es in Oberösterreich ge­macht haben – im Rahmen der Digitalisierung, etwa bei der Airbnb-Geschichte, für ein bisschen mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Wir haben im oberösterreichischen Tou­rismusgesetz eine Vorregistrierung in das Gesetz geschrieben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben viel erreicht, denn die Regierung setzt die richtigen Schritte. (Bundesrat Koller: Für wen?) Frau Bundesminister Köstin­ger sitzt hier neben uns – es gibt auch einen Masterplan Tourismus, den die Frau Minister ins Leben gerufen hat. Das ist nichts für die Schublade, das ist ein Fahrplan für die Zukunft, meine Damen und Herren. Das gehört einmal ausdrücklich gesagt, denn es wird helfen, dem Tourismus den nötigen Stellenwert und auch das nötige An­sehen zu geben, das er nicht nur als Aushängeschild für Österreich, sondern auch für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in dieser Branche arbeiten, verdient. Es ist ei­ne Kooperation zwischen der Bundessparte und dem Ministerium. Ich persönlich habe auch die Ehre, an diesem Masterplan mitarbeiten zu dürfen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um abschließend ein rundes Bild des öster­reichischen Tourismus zu zeichnen, möchte ich noch hinzufügen: Wer viel hat, hat viel zu verlieren. Wir Tourismusunternehmer haben uns das alles gemeinsam mit den Mit­arbeiterinnen und Mitarbeitern hart erarbeitet. Gerade im Tourismus als einer Netz­werkkooperation – wir sind ja eine Querschnittsmaterie – appelliere ich an alle, koope­rativ zusammenzuarbeiten, denn das ist es, was wir brauchen. (Bundesrat Koller: Das ist aber keine Einbahnstraße!) – Keine Frage, aber wenn wir uns zum Beispiel die letzten Euroskills in Budapest anschauen, wo wir aufgrund unserer dualen Ausbildun­gen immer zu den Besten gehören – und das mit dem geringsten Budget –, muss schon etwas dran sein, dass die Unternehmer gut mit den Mitarbeiterinnen und Mitar­beitern arbeiten und dass die Stimmung vielleicht ein bisschen besser ist, als sie immer dargestellt wird.

Als Optimist ist es mir ein echtes Bedürfnis, an dieser Stelle zu sagen: Man kann etwas krankjammern, man kann etwas gesundbeten – Letzteres ist auch nicht das richtige Ziel –, was es aber braucht, ist eine Zusammenarbeit aller Beteiligten, auch in der So­zialpartnerschaft. Beim letzten Berufsbild, das wir gemacht haben, hat es sehr gut funktioniert. Was wir im Tourismus wirklich brauchen, ist der entsprechende Optimis­mus. Als Unternehmer bin ich ein Optimist und auch sehr optimistisch gestimmt, weil diese Regierung Schritte auch auf steuerlicher Ebene setzt – Stichwort: Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent. Daher, glaube ich, können wir zuversichtlich sein. Unter der Führung unserer Frau Bundesminister sind wir auf dem richtigen Weg. Vor Weih­nachten sage ich: Es könnte noch ein bisschen mehr sein, aber danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Koller.)


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13.19


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther No­vak. Ich erteile ihm dieses.


13.19.52

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob es Zufall ist, dass der Grüne Bericht und der Tourismusbericht hintereinander abgehandelt werden, man muss aber sagen: Das eine schließt das andere nicht aus.

Wenn man, so wie ich, aus einem ländlichen Bereich kommt und heute schon über die kleinstrukturierte Landwirtschaft diskutiert worden ist, dann wissen zum Beispiel wir im Nationalpark Hohe Tauern, wie wichtig die Landwirtschaft ist, die diese Kulturland­schaft erhält, pflegt und sie den Gästen, über die wir jetzt reden, in weiterer Folge zur Verfügung stellt.

Ich kann da auch nur unterstützen und sagen: Dafür ist auch eine Lawinen- und Wild­bachkommission notwendig. Das haben wir jetzt nach diesen Unfällen und Wetterla­gen, die wir in Kärnten gehabt haben, gerade wieder gesehen. Wir sehen, was an Schäden zusammenkommt und wie das finanziert werden muss, um unseren Gästen in weiterer Folge wieder eine heile Umwelt zur Verfügung stellen zu können.

Kollege Seeber hat die Zahlen schon ein bisschen beleuchtet. Ich möchte vielleicht einen Zehnjahresüberblick geben. Wenn man jetzt von 144 Millionen Nächtigungen spricht, so muss man sagen, dass dies voriges Jahr war. Wir müssten ja schon wieder von heuer reden, wo die Anzahl der Sommernächtigungen um 2,8 Prozent, glaube ich, gestiegen ist, aber jene im Winter bei, glaube ich, 0,1 Prozent stagniert. Wir sind Tou­rismusweltmeister, das kann ich nur unterstreichen. In den letzten zehn Jahren sind die Nächtigungszahlen von 119 Millionen auf 144 Millionen, also um fast 26 Prozent, ange­stiegen.

Wenn ich mir die Statistik der Ankünfte anschaue, dann haben wir uns in den letzten zehn Jahren von 30,1 Millionen Ankünften auf 41,5 Millionen Ankünfte, also um 38 Pro­zent, gesteigert. Das ist eine gewaltige Summe, und es bedarf sehr vieler fleißiger Un­ternehmerinnen und Unternehmer und Menschen in der Freizeitwirtschaft und Gastro­nomie, um das zu bewerkstelligen.

Ich werde der Letzte sein, der das krank- oder schlechtredet, sondern ich bin der Mei­nung, dass Österreich auch dafür bekannt ist, dass wir eine Tophotellerie, Topange­bote und eine überprüfte Topqualität haben – das muss man ja auch noch dazusa­gen –, weil wir das nicht alles einfach stehen lassen, sondern sehr professionell unter­wegs sind. Die Folie (auf ein Schriftstück verweisend) kann ich weitergeben. Kollege Seeber hat auch schon gesagt, dass Deutschland 31 Prozent der Nächtigungen stellt. Man sollte aber die Österreicher, die uns überall besuchen, mit sogar 32 Prozent auch nicht unterschätzen. Wenn man allein die Situation der Kärntner Seen hernimmt, dann ist das schon gewaltig.

Wenn ich zu Kollegen Mag. Pisec hinschaue: Da kommt natürlich noch die Städtehotel­lerie dazu, die uns mit Zahlen, die nach oben schießen, bei Weitem überflügelt. Das sind Zahlen, die gewaltig sind, und vielleicht hören wir ja von ihm als Redner nach mir das eine oder andere, was die Städte in diesem Bereich anbelangt.

Wir Kärntner sind auch immer mit dabei, wenn es darum geht, Steigerungen vorzuwei­sen. Wir haben 13 Millionen Nächtigungen bei 3,1 Millionen Ankünften. Das ist sehr an­sehnlich, und die Steigerungen von Jahr zu Jahr sind natürlich auch irgendwo im Schnitt von Österreich mit dabei.

Für uns ganz wichtig war – das ist heute auch schon gesagt worden –, dass man im vorigen Jahr die Möglichkeit der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank genützt hat, indem man 120 Millionen Euro in die Infrastruktur investiert hat und dabei an die 60 Millionen Euro an Förderungen mitbekommen hat.


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Ich darf nun gleich kurz zum zweiten Thema kommen, das vielleicht auch interessant ist. Es ist das Thema der Digitalisierung, dem wir uns in der Tourismuswirtschaft na­türlich auch annehmen müssen, das ist keine Frage. Ich glaube, dass da schon Be­reiche sind, in denen wir noch sehr viel aufzuholen haben.

Gestern haben wir im EU-Ausschuss gehört, dass wir an 24. Stelle von 28 Ländern in Europa liegen und es vor allem von den Landgemeinden nur 45 Prozent sind, in denen Glasfaserkabel verlegt wurden. Das betrifft jetzt nicht nur die Tourismuswirtschaft. Es gibt bei uns auch große Betriebe wie Tischlereien die ihre Pläne verschicken. Da ha­ben wir einiges zu tun. Ich glaube, jeder, der da herinnen sitzt, wird auch sagen: Ich gehe in kein Hotel mehr, in dem ich nicht die Möglichkeit habe, über WLAN zu ver­fügen, damit ich unter Umständen schnell einmal kurz das Internet nützen kann. Es ist wichtig, dass das Ganze digitalisiert ist.

Zur Österreich Werbung: Wie weit die Österreich Werbung ist, wird vielleicht die Frau Bundesministerin in einer Stellungnahme darlegen können.

Frau Stolba hat – ich glaube, vor ein oder zwei Jahren war ich auf der ITB in Berlin – festgestellt, dass es eine totale Umschichtung ihrer Gelder oder der Gelder der Öster­reicher und der österreichischen Betriebe gibt, die nicht mehr nur in einen Marketing­mix mit Presseinseraten, Druckwerken, verkaufsfördernden Maßnahmen – keine Fra­ge, das wird es immer und zu jeder Zeit geben müssen, um Gäste nach Österreich zu bringen – investiert werden. Das Geld werde für Internetmarketing praktisch zu 50 Pro­zent aufgestockt und in diese Richtung wird investiert. Wir alle, die damit zu tun haben, wissen, dass gerade über Internetanfragen beziehungsweise über die Homepages – um zu schauen, welche Betriebe es gibt, wo ich gerade hinfahren will – häufig Kontakte hergestellt werden, und dafür muss der Betrieb dann in seiner Weise wieder eine Google-Kampagne oder Keywordadvertising oder was auch immer machen.

Ich glaube, da sind sie wirklich auf einem guten und richtigen Weg, und da müssen wir wieder anschließen. Leider Gottes kann ich dazu für Kärnten keine positive Aussage machen. Da sind wir erst zu 20 Prozent mit dabei. Bei 80 Prozent fehlt es noch in diese Richtung, aber wir werden halt auch in alle Täler diese Glasfaserkabel legen müssen.

Zum Schluss auch noch einen Satz dazu – auch das ist mir aufgefallen –: Ich glaube, es ist kein Krankreden, wenn wir das Problem ansprechen, dass 9 000 Mitarbeiter im touristischen Bereich fehlen, wie die letzten Zeitungsmeldungen besagen. Ich denke nur, man muss sich auch in die Mitarbeiter hineinversetzen. Wenn irgendwo, so wie im letzten Jahr, eine Zeitungsmeldung kommt, dass 11 000 Köche fehlen, dass bei diesen 220 000 Beschäftigten in der Gastronomie, im Gastgewerbe und in der Hotellerie die Zahl der Lehrlinge von 14 500 auf 9 000 zurückgegangen ist, dann muss ja irgendet­was fehlen. Man muss sich das schon sehr genau anschauen, warum die Fachkräfte, die wir ja zuhauf in unseren Fachschulen – ich nenne nur Kleßheim oder die Hotelfach­schulen in Villach oder Krems – ausbilden, in andere Berufsbereiche gehen. Sind es die Unterbrechungen der Arbeitszeiten? Wollen die Leute nicht mehr am Samstag und Sonntag arbeiten? – Da wird man ganz genau hinschauen müssen.

Ich weiß von einigen Betrieben, dass diese ihre Mitarbeiter auf Händen tragen. Das liegt nicht nur an den Wohnungen, die sie diesen Leuten zur Verfügung stellen. Ich kenne ein Hotel in Tirol – weil ich in dieser Spitzenhotellerie österreichweit im Well­nessbereich gearbeitet habe –, wo die Mitarbeiter am Abend die Möglichkeit haben, in die große Saunalandschaft zu gehen, wenn die Gäste einmal nicht drinnen sind. Oder manche bekommen noch einen Schipass dazu, oder die Kinder der Menschen, die dort arbeiten, haben einen Kindergarten, und Eltern haben die Möglichkeit, die Kinder mit dabei zu haben, wenn sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen.

Das ist ja nicht das Einzige, das hat Frau Nocker-Schwarzenbacher, die Bundesspar­tenobfrau für Tourismus, auch erlebt. Alles, was ich da erzähle, fällt mir ja nicht selber


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ein, sondern das hat sie selbst gesagt. Zu dem Problem, das du (in Richtung Bun­desrat Seeber) noch angesprochen hast, nämlich dass man schlussendlich in der Ho­tellerie und im Gastgewerbe ein fatales Problem hinsichtlich der finanziellen Situation hat, schreibt sie in einem letzten Satz: Viele von ihnen sind nur noch nicht geschlos­sen, weil sie sich das nicht leisten können. – Zitatende.

Das ist schon eine Aussage, über die man sicher nachdenken muss. Das nur zum Schluss am Rande noch, damit müsst ihr euch, damit müssen sich die Wirtschafts­kammer und vor allem auch die Hoteliervereinigung auseinandersetzen.

Ich wünsche auf jeden Fall dem Tourismus alles Gute und bedanke mich bei all jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Topqualität für Österreich produzieren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.29


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich erteile es ihm.


13.30.01

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Tourismus: 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die direkte Wertschöpfung ist enorm, wie mein Kollege Seeber schon sehr gut ausgeführt hat. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Was die direkte Wertschöpfung betrifft: Für mich steht in der direkten Wertschöpfung in erster Linie die Ertragskraft unserer KMU-Betriebe, unserer Beherbergungs- und Hotel­leriebetriebe im Vordergrund. Um diese Ertragskraft zu stärken, sind in erster Linie die Steuern und Abgaben zu reduzieren und die Abschreibungen an die tatsächliche Nut­zungsdauer anzugleichen. Das ist auch in der Steuerreform 2020 in etwa so vorge­sehen. Die Umsatzsteuer wurde unsererseits, von dieser neuen Bundesregierung schon sofort nach ihrem Antritt sinnvollerweise von 13 Prozent auf 10 Prozent redu­ziert.

Für mich ist es aber diese indirekte Wertschöpfung, mit der ich mich nun beschäftigen möchte: Was ist das Image Österreichs? Was ist der Markenname, für den Österreich steht und wie wirkt sich das auf die Wirtschaft aus? Durch mein eigenes Unternehmen kann ich selbst feststellen – wenn man da in der Welt herumreist –, dass es sogar die Exportwirtschaft positiv beeinflusst, wenn man ein positives Image Österreichs zur Schau trägt.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, Sie haben in Ihrem Vorwort einen wunderschö­nen Satz geschrieben; der könnte nicht schöner sein: Österreich steht für „eindrucks­volle Berge, saubere Seen“. Mein Kollege Novak hat die sauberen Seen in seinem Kärntner Land schon angesprochen. Natürlich zählen auch die sauberen Seen Oberös­terreichs, des ganzen Salzkammerguts dazu, wie natürlich auch die eindrucksvollen Berge Tirols und – wenn ich das Eingangsstatement der Frau Bundesministerin weiter zitieren darf – „eine jahrhundertealte Geschichte“.

Auf diese Geschichte möchte ich kommen, denn – das zeigt dieser Bericht sehr deut­lich und sehr augenscheinlich – Städtereisen und Kulturtourismus liegen im Trend. Sie liegen im Trend, und da ist natürlich die Hauptstadt Wien mit ihrer jahrhundertealten Geschichte in erster Linie zu nennen. Die Touristen, die nach Österreich kommen, su­chen – vereinfacht gesagt – die Geschichte. Sie suchen die jahrhundertealte Ge­schichte Österreichs, die sichtbare, die sensuelle Wahrnehmung, Geschichte zum Se­hen und Angreifen, die haptische Wahrnehmung, die verortete Geschichte hier in un­serer schönen Stadt oder in unserem schönen Land. Bauwerke und Gärten als kul­turelle Erinnerungsorte, auf die wir stolz sind, das sind jene Orte, jene Räume des


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Wissens, aufgrund derer uns Touristen in erster Linie besuchen. Dies zeigt dieser Be­richt klar und das wurde auch im Ausschuss rezipiert.

Erwähnen möchte ich, dass 2018 seitens der Europäischen Union das Europäische Jahr des Kulturerbes ausgerufen worden ist, das European Year of Cultural Heri­tage 2018.

Der Erhalt der kulturellen Erinnerung ist ein Anliegen, dem sich auch die Europäische Kommission widmen möchte und widmen muss. Heute und morgen findet anlässlich dieses Jahres eine Konferenz statt, bei der auch der EU-Kommissar und die gesamte europäische Klientel, die sich mit diesem Thema beschäftigt, anlässlich der Ratspräsi­dentschaft in Wien anwesend sind. Da ist man doch überrascht – das muss man er­wähnen –, wie mit dem imperialen Erbe in Wien umgegangen wird.

Das imperiale Erbe Wiens zeigt eine extrem hohe Bauqualität auf. Die historischen Bauten beweisen dies, allein diese wunderschöne Hofburg hier spricht für sich selber: die Räume und Orte des Wissens. Im Sightseeing-Ranking stehen an erster Stelle das historische Zentrum Wiens, die Ringstraßenbauten und die Gründerzeithäuser. Die Schatzkammer allein – ich kann jedem empfehlen, sie einmal anzusehen, sie liegt we­nige hundert Meter von hier entfernt – zeigt, was Österreichs jahrhundertealte Ge­schichte, wie Sie es, sehr geehrte Frau Ministerin, eindrucksvoll in Ihrem Eingangs­wortlaut beschrieben haben, darstellt. Zwei Kaiserkronen, die eine 1 000 Jahre alt, die andere 400 Jahre alt, und der Burgunderschatz aus dem 15. Jahrhundert sind dort zu sehen. Das sind Schätze, um die uns andere Kulturnationen natürlich beneiden.

Wien ist aber leider anders, und das muss man hier erklären. Wien ist anders, und es zeigen sich – das muss man einfach mit aller Deutlichkeit sagen – die unfassbaren Zerstörungsaktivitäten, die in den letzten Jahren massiv in unserer Stadt zugenommen haben. Es sind Bauspekulanten im Zusammenspiel mit der rot-grünen Stadtregierung in Wien. Das, was in Syrien, in Aleppo die Bomben machen, die dieses antike, wun­derschöne Aleppo praktisch zerstört haben, machen in Wien die Bagger dieser rot-grü­nen Stadtregierung. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte gar nicht aufzählen, was nach Kriegsschluss alles abgerissen wurde. Dass von der SPÖ Widerstand kommt, habe ich erwartet, weil es das Gewissen ist, das na­türlich schwer aufträgt. (Bundesrätin Schumann: Das mit Aleppo zu vergleichen!) Ich muss aber hier fortfahren. Ich möchte nun nicht die ganzen Objekte anführen, denn dann bräuchte ich wesentlich mehr Redezeit. Es ist alles in Wikipedia, in der Online­enzyklopädie, eindrucksvoll dargestellt, was nach 1945 an gesunden, intakten Gebäu­den alles abgerissen wurde: über 50 Palais, über 1 000 Gründerzeithäuser. 50 der ge­samten Parkflächen Wiens wurden verbaut.

Um ein Beispiel zu nehmen, reicht es, alleine die Weltausstellung 1873 zu nennen: Das war die Gründerzeit Österreichs, das war der Bauboom, das war der Wirtschafts­boom, die erste industrielle Revolution. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.) 53 000 Aus­steller und 7 Millionen Besucher waren hier in Wien. Was ist heute als Erinnerung noch vorhanden? – Ein völlig heruntergekommener, desolater Pavillon, der der Gemeinde Wien gehört, und eine einzige Station der Liliputbahn im Wiener Prater mit dem Namen Rotunde. Das ist das Erbe, das die SPÖ und mit Ihnen jetzt auch die Grünen der neu­en Generation im 21. Jahrhundert hinterlassen haben. Wo ist hier die kulturelle Erinne­rung? Wo ist hier das kollektive Gedächtnis? – Es wurde leider ausgelöscht.

Ein ganz aktuelles Beispiel ist der Heumarkt, wo ein äußerst dubioser Investor Woh­nungen für Millionäre errichten möchte und auch statt dem Eislaufplatz für Kinder, der weggeräumt wird, errichten wird. Was steht noch an? – Der Platz des Fußballklubs Vienna, des ältesten Traditionsklubs Wiens, wo Länderspiele unseres österreichischen Wunderteams stattfanden, wird vermutlich verbaut werden; das Parkareal des Schlos-


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ses Schwarzenberg – kaum zu glauben –, dieser wunderschöne Schlosspark wird ver­baut; und last, but not least steht auch in der Krieau, wo jahrzehntelang Pferderennen stattgefunden haben, die Verbauung vor der Tür.

Es ist ein wirklicher Irrtum – und das muss man der Stadtregierung Wien einmal sa­gen –, dass da kein Dialog mit der Bevölkerung über die Ästhetik und darüber, was ge­fällt und was schön ist, geführt wird. Dieses Zusammenspiel mit Baulobbyisten – ich möchte es ganz ehrlich sagen –, mit der Baumafia ist absolut verwerflich und vor allem dem Gemeinwohl der Wiener Bevölkerung nicht dienlich.

Ich möchte George Berkeley, den Philosophen der Aufklärung, nennen. Er sagte, dass Schönheit das ist, was gefällt, und dass Schönheit nur durch das Auge wahrgenom­men wird.

Allein, wenn man die Nachfrage, das Interesse der Bevölkerung Wiens für Gründerzeit­häuser als Beispiel anführt: Für Wohnungen in Gründerzeithäusern wird 50 Prozent mehr bezahlt als für Glas-und-Beton-Burgen aus dem 21. Jahrhundert.

Friedrich Nietzsche schreibt in seinem wunderbaren Aufsatz, in seinem Buch über un­zeitgemäße Betrachtungen: „Die Geschichte gehört [...] dem Bewahrenden und Vereh­renden [...], indem er das von alters her Bestehende mit behutsamer Hand pflegt“. (Präsidentin Posch-Gruska übernimmt den Vorsitz.)

Die kulturelle Erinnerung ist wichtig für unser kollektives Gedächtnis, weil wir hier in Österreich und ganz besonders in Wien stolz auf unsere jahrhundertalte Geschichte, auf das imperiale Erbe sind. Das ist auch für die Wirtschaft und für den Tourismus wichtig, denn deswegen werden wir besucht. Es ist höchste Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, für eine Trendwende in Wien zugunsten unserer jahrhundertealten Geschichte.

Der Tourismusbericht ist ausgezeichnet, Frau Bundesministerin. Wir nehmen diesen natürlich zur Kenntnis. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.38


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster ist Bundesrat Reinhardt Todt zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet. – Bitte.


13.39.09

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): An sich ist es einen Ordnungsruf wert, wenn gesagt wird, dass die Sozialdemokraten und die Grünen, die in Wien an der Regierung sind, hier bürgerkriegsähnliche Zustände schaffen würden. Sie haben „Aleppo“ gesagt. Ich verwehre mich aber wirklich dagegen.

Das ist etwas, was Sie als Wienbashing machen. Wir haben heute zwar keine Übertra­gung, nur: Das ist ein Skandal. Herr Pisec, Sie sind nicht im Wiener Landtag! (Ruf bei der FPÖ: Das ist eine tatsächliche Berichtigung, nicht eine Wortmeldung!) Die tat­sächliche Berichtigung ist, dass Wien zum elften Mal zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt wurde – und das laut Mercer-Studie. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist die tatsächliche Berichtigung.

Alles andere, was Sie gesagt haben, ist schlicht und einfach nicht wahr. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Nicht falsch sagen!)

13.40


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hubert Koller. – Bitte.


13.40.37

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lie­be Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der


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Galerie! Herr Kollege Mag. Pisec, wenn Wien so schlecht ist – und die Korrektur hat Herr Reinhard Todt richtig gemacht –, warum bleiben Sie denn dann in Wien? Warum arbeiten Sie hier in Wien und sind nicht längst schon woanders? (Rufe bei der FPÖ: Trotz der SPÖ! – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, weil wir’s ja besser machen wollen!) Ja, das glaube ich Ihnen sogar. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Dass Sie wol­len, glaube ich, aber Sie werden die Möglichkeit nicht erhalten. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Beim Tourismus- und Freizeitbericht 2017 handelt es sich natürlich um einen Erfolgsbericht, Frau Ministerin. Das ist richtig. Es sind tüchtige Leute am Werk. Es geht um diese Felder der Landschaft, unserer Angebote und um das Feld der Arbeit, des Arbeitsmarktes, der Unternehmer und der Beschäftigten. Wir haben von den Vorrednern schon Zahlen und Fakten erhalten. Man kann aber bei all diesen Feldern natürlich auch noch etwas dazusagen. Der Mensch im Tourismus ist sehr wichtig. Die ÖsterreicherInnen oder auch diejenigen aus den benachbarten Län­dern, die mithelfen, machen hier in Österreich in den Betrieben, in der Freizeitwirtschaft einen guten Job, ansonsten könnten wir diese Bilanz im Jahr nicht ziehen.

Gastfreundschaft wird in Österreich sehr großgeschrieben und auch hochgehalten. Ich glaube, das ist in Österreich auch eines der wichtigsten Dinge für den Erfolg dieser Branche, die wahrscheinlich nicht ganz abgrenzbar ist. Man darf es aber nicht unter­schätzen, denn 8,6 oder 8,7 Prozent des BIP, des Bruttoinlandsprodukts, sind schon ein großer Beitrag hier in unserem schönen Österreich.

Schlimm ist die Auswirkung, dass – und das haben die Kollegen bereits gesagt – von den rund 210 000 Beschäftigten im Tourismus nur etwa die Hälfte Österreicher sind. Kollege Novak hat schon ausgeführt, dass man darüber wirklich nachdenken muss, und ich glaube, dass in dem Masterplan auch einiges drinnen ist und beraten wird, wie man etwa junge Menschen in diese Branche bringt, aber dann auch später in dieser Branche halten kann. Es gibt vieles, das schon angesprochen wurde, aber das Schlimmste bei uns ist wirklich – man erfährt das, wenn man etwa mit Menschen in der Hotelfachschule Bad Gleichenberg spricht, und es wurde auch hier schon gesagt –: Wir haben eine Topausbildung, wenn aber viele von diesen jungen Menschen sofort in eine andere Branche wandern, ist das ein Problem.

Wir haben bei den Beschäftigten einen sehr, sehr hohen Frauenanteil und – besorgnis­erregend – einen großen Anteil an geringfügiger beziehungsweise prozentueller Be­schäftigung. Die Maßnahmen, die gesetzt wurden, zielen darauf ab, dass man das ein bisschen regeln kann. Es gibt Betriebe im ländlichen Bereich, die davon stark betroffen sind, aber es gibt auch Betriebe, die ihr Bettenangebot nicht zur Gänze ausnutzen kön­nen, weil das Personal fehlt. Das heißt, die Umstände sind sehr, sehr gut, dass wir noch mehr im Tourismus erwirtschaften könnten, wir haben aber das Personal dafür nicht. Das ist eine sehr, sehr dringende Frage, die zu lösen ist.

Das zweite Problem sehen wir im ländlichen Bereich, wo es viele Gemeinden gibt, in denen überhaupt keine Gaststätten mehr sind – eine Gemeinde mit 3 000, 4 000 Ein­wohnern, eine kleinere Gemeinde und keine Gaststätte mehr! Das heißt, wir haben ein großes Problem bei der Übergabe von Betrieben von den Älteren an die Jugend. Auch dieser Faktor muss – das ist ganz, ganz wichtig – durchleuchtet werden: Welche Ver­einfachungen können stattfinden, damit die Menschen in dem Betrieb und damit auch zu Hause bleiben und arbeiten? Nichts Schlimmeres kann im gesellschaftlichen Leben passieren, als dass man in einer Ortschaft manche Dienstleistungen nicht mehr hat. (Bundesrat Seeber: Richtig, da hat er recht!)

Es ist immer witzig, die Diskussion in den Tourismusverbänden mitzuverfolgen. Ich bin lange im Tourismusverband gewesen, sogar Regionalchef von drei Bezirken. Wir ha­ben in der Steiermark ein Gesetz, dass jeder Betrieb, jedes Unternehmen mitzahlen


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muss. Da wurde oft die Frage gestellt: Warum muss ich als Tischler oder als Tankstel­lenbesitzer eigentlich mitzahlen? – Tourismus wirkt tatsächlich auf viele Unternehmun­gen im Ort, und deshalb ist es sehr, sehr wichtig, auch die Grundvoraussetzungen für Beschäftigung und für mehr Tourismus zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

Die Angebote im Tourismus bei uns sind sehr vielfältig, und daran wird stark gearbei­tet. Frau Ministerin, gerade in Ihrem Ressort sind sehr viele Dinge angesiedelt. Wir haben heute schon die Themen Grüner Bericht und Landwirtschaft auf der Tagesord­nung gehabt. Ich komme aus einer Bergbauerngemeinde – sie ist nicht weit von dort entfernt, wo Sie, Frau Ministerin, gewohnt haben – und weiß, wie schwierig der The­menkomplex ist, denn es stimmt, was Günther Novak gesagt hat: Landschaft und Kul­turlandschaft müssen gepflegt werden. Das ist eine große Voraussetzung.

Wir haben viel von dem Schönen, aber ohne Pflege kann das nicht mehr so schön bleiben. Deshalb gibt es auch die Maßnahmen, die die Gemeinden setzen. Tatsächlich sitzen viele Bürgermeister hier. Die Gemeinden mit Unterstützung an Vereine und Be­triebe, aber auch in Gesamtprojekten tragen wirklich sehr, sehr viel dazu bei, dass Tourismus funktioniert. Vor mir sitzt gerade ein Bürgermeister (in Richtung Bundesrat Ofner): Was wäre Hüttenberg ohne die Mithilfe der Gemeinde im Tourismus, oder was wäre Micheldorf, wo unser Präsident Lindinger aktiv ist, und so weiter? – Überall ver­sucht man, das toll zu unterstützen.

Die Nachhaltigkeit ist auch angesprochen worden. In Ihren Zuständigkeitsbereich, Frau Ministerin, fällt da wirklich sehr, sehr viel.

Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Mobilität, die öffentliche Mobilität. Ich habe mit Freude festgestellt, dass hierzu auch praktisch überlegt wird. Immer mehr Menschen in den Städten brauchen kein Auto mehr, weil die öffentliche Mobilität dort gut ist. Wenn sie aber auf Urlaub fahren, kommen sie derzeit noch immer herkömmlich mit dem Fahrzeug oder mit dem Flugzeug. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber auch schon unterschiedlich!) Deshalb muss hier ein entsprechendes Angebot geschaffen werden, sodass auch der Tourismusaufenthalt mit öffentlicher Mobilität verknüpft wird.

Die Zahlen sind auch in der Steiermark sehr erfreulich. Wir liefern uns mit etwas über 13 Millionen Nächtigungen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kärnten. Was aber in der Steiermark, in meinem Land besonders hervorsticht, ist, dass viele Steirer bei uns Ur­laub machen, aber auch viele Österreicher in der Steiermark, im Grünen Herzen Ös­terreichs Urlaub machen und wir somit eigentlich von den ausländischen Gästen eine bescheidene Anzahl haben. Deutsche überwiegen – wie im Allgemeintrend – mit 3 Mil­lionen Nächtigungen. Es gibt aber sehr, sehr viele, die es schätzen, in Österreich, bei uns in der Steiermark, Urlaub zu machen.

Ich komme aus dem Schilcherland. Das heißt, wir haben viele Angebote, die wir sehr, sehr schätzen. – Die Kollegen aus der Steiermark wissen das ja. (Heiterkeit bei Bun­desräten der FPÖ.) – Natürlich muss man auch für sein Land werben, das ist ja gar keine Frage.

Insgesamt kann man allen nur gratulieren, die positiv zu diesem Erfolg beitragen. Das sind sehr, sehr viele. Sie machen einen guten Job, und wir hoffen, dass das so wei­tergeht und wir eine Lösung für die Unternehmer finden, sodass die Beschäftigung, auch die österreichische Beschäftigung in diesem Bereich zunimmt. Alles Gute! – Dan­ke schön. (Allgemeiner Beifall.)

13.49


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich die nächste Rednerin zum Rednerpult bitte, darf ich recht herzlich den vierten Jahrgang der HAK Oberpullendorf mit National-


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rätin Klaudia Friedl bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen im Bundesrat! (Allgemei­ner Beifall.)

Nächste Rednerin ist Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte sehr.


13.49.37

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Liebe Schüler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Jetzt geht Kollege Todt. Können Sie noch eine Sekunde dableiben? – Ich wundere mich, warum er sich aufregt, wenn Kollege Pisec über Wien spricht. Ich denke wohl, dass es unsere Aufgabe als Bundesräte ist, unsere Bundesländer zu vertreten. (Bundesrat Koller: Der hat über Aleppo gesprochen!)

Ich werde jetzt ein lobendes Wort über Salzburg sprechen, weil ich mich sehr freue – und die anderen Salzburger Bundesräte sicherlich auch –, dass ein Großteil dieser 144 Millionen Übernachtungen, die wir in diesem Tourismusbericht nachlesen konnten, auf Salzburg und Tirol zurückgehen.

Österreich ist ja zweifelsohne ein Tourismusland. Wir leben in diesem wunderschönen Land, und es ist das ganze Jahr zu bereisen – im Winter zum Skifahren, im Sommer unsere Seen, im Frühling und Herbst zum Wandern oder einfach nur für einen Städ­tetrip, also mit Kunst und Kultur. Der vorliegende Tourismusbericht 2017 zeigt uns sehr eindrücklich, wie wichtig der Tourismus in Österreich ist. Es werden dadurch Arbeits­plätze geschaffen, wir haben eine Wertschöpfung, und das bringt wieder Wohlstand in ländliche, oft abgelegene Regionen.

Wenn man sich die Zahlen anschaut – Kollege Pisec hat es ja zuerst schon erwähnt –: Der Tourismus hat einen Anteil von 8 Prozent und zusammen mit der Freizeitwirtschaft einen Anteil von 16 Prozent am Gesamt-BIP.

Den Nächtigungsrekord habe ich schon genannt, wobei zu erwähnen ist, dass die Stei­gerung zwischen 2016 und 2017 mit 2,5 Prozent etwas geringer ausgefallen ist. Damit man überhaupt zu so beeindruckenden Zahlen kommt, bedarf es einer guten Zusam­menarbeit zwischen den Betrieben und deren Mitarbeitern. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, kann ich nur höchsten Respekt dafür zollen, dass dieses gute Zusammen­spiel und Zusammenarbeiten von Betrieben und Mitarbeitern wirklich funktioniert. Es ist beachtlich, welche Maßnahmen und Angebote gesetzt werden, damit sich unsere Gäste hier in diesem Land wohlfühlen, damit sie nicht nur einmal nach Österreich kom­men, sondern auch öfters wiederkehren, vielleicht auch länger bleiben können und ihre Freizeit in Österreich verbringen. Die gute Zusammenarbeit mit der Österreich Wer­bung und der ÖHT wurde heute auch schon erwähnt. Ich möchte nur noch die Tou­rismustage, die eingeführt und heute noch nicht angesprochen wurden, nennen.

Tourismustechnisch sind wir aufgrund der Digitalisierungsstrategie im 21. Jahrhundert angekommen. Mit ihren drei großen Zielfeldern, die entwickelt wurden, ist sie unab­dingbar für die jetzige Zeit.

Was mich aber beim Durchlesen des Berichts doch etwas irritiert hat, sind die Aus­führungen auf Seite 18. Ich denke, da sind noch Verbesserungen notwendig. Da steht nämlich: „In einer langfristigen Betrachtung seit 2000 zeigt sich, dass der reale Ge­samtumsatz bis 2017 nur um +0,3 % pro Jahr angestiegen ist und hinter der gesamt­wirtschaftlichen Dynamik (BIP) zurück blieb [...].“ – Es heißt weiter, dass sich ein längeres Nachhinken sehr zum Nachteil und negativ auf neuerliche Investitionen aus­wirken könnte. Das hat bei mir die Alarmglocken schrillen lassen, weil ich mir denke: Welche hohen Belastungen tragen unsere Unternehmer und Hoteliers in diesem Land?

Wenn ich mir den Artikel in den „Salzburger Nachrichten“ vom Montag dieser Woche anschaue, wo selbst auch Hoteliers und Fachleute sagen, dass viele Betriebe nur noch


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für die Bank arbeiten, finde ich, dass das sehr zum Nachdenken ist und man in diesem Bereich noch sehr viel tun muss, da ja die Tourismusbranche ein großer Arbeitgeber ist. Jeder fünfte Arbeitsplatz hängt von der Tourismusbranche ab. Da ist es doch wich­tig, dass man diese circa 300 000 Arbeitsplätze erhalten kann und auch dementspre­chend fördert.

Es ist wichtig, die Wertschöpfung zu erhöhen und über Lenkungsmaßnahmen nachzu­denken. Man sollte vielleicht auch einmal Airbnb durchleuchten, das ist eine Grauzone. Man könnte auch über den Sinn eines Bettenstopps nachdenken, aber wie gesagt: Ich glaube, dass dieses Thema bei unserer blau-schwarzen Regierung in guten Händen ist. Sie hat in ihrem Regierungsprogramm diesem Thema ein eigenes Kapitel gewid­met. Ich werde diesem Bericht sicherlich zustimmen. – Danke sehr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.54


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Bevor ich Frau Bundesministerin Köstinger das Wort erteile, darf ich recht herzlich Frau Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß bei uns begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Bitte, Frau Minister Köstinger, Sie kommen als Nächste zu Wort.


13.54.42

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ge­schätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich darf Ihnen heute den Bericht „Tourismus und Freizeitwirtschaft, Österreich 2017“ vorstellen. Dieser orientiert sich vom Aufbau und Inhalt her an den Vorjahren und gibt vor allem einen sehr guten und ausführlichen Überblick über die nationalen und internationalen Entwicklungen des Tourismus, über die Aktivitäten der österreichischen Tourismuswer­bung und natürlich auch der ÖHT sowie der internationalen Tourismuspolitik, aber vor allem auch über die Aktivitäten unseres Tourismusausschusses.

Der Tourismus in Österreich ist weiterhin insgesamt auf Erfolgskurs, wie Sie auch aus dem vorliegenden Bericht ersehen können. Nächtigungszahlen beleuchten nur einen Teilaspekt der Gesamtentwicklung, sie sind aber nach wie vor auch ein wichtiger Indi­kator. Mit über 144 Millionen Nächtigungen konnte das sehr gute Ergebnis aus dem Jahr 2016 nochmals um 2 Prozent übertroffen werden. Auch die Zahl der Gäste lag um fast 4 Prozent über jener des Jahres 2016. Deutschland blieb mit fast 54 Millionen Nächtigungen mit Abstand der wichtigste Herkunftsmarkt und konnte 2017 nochmals um 1,7 Prozent zulegen.

Die Umsätze sind um 3,8 Prozent auf 26,2 Milliarden Euro gestiegen. Tourismus hat mit rund 8 Prozent, Tourismus und Freizeitwirtschaft zusammen sogar mit 16 Prozent für uns in Österreich eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung. Ich glaube, Sie spü­ren das sehr intensiv auch in den Bundesländern. Er hat vor allem im ländlichen Raum wirtschaftliche Bedeutung, was man erkennt, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte der Nächtigungen – und das sind immerhin mehr als 75 Millionen – allein in Tirol und Salzburg gezählt wurden.

Tourismuspolitik ist somit Regionalpolitik. Die Entscheidung, diese beiden Bereiche in einer Sektion des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus zusammenzu­führen, war ein wichtiger und für mich, ehrlich gesagt, auch ein logischer Schritt für die Zukunft. Im Jahresdurchschnitt 2017 waren allein in Beherbergung und Gastronomie über 210 000 Menschen unselbständig beschäftigt, das waren um über 2 000 mehr als im Jahr davor. Da gilt ebenso: Die meisten der Beschäftigten fanden Arbeit im ländli­chen Raum, in Regionen, wo Arbeitsplätze in anderen Branchen oft sehr rar sind.

Das führt natürlich auch zu Schwierigkeiten. Der Mitarbeiter- und Fachkräftemangel in der Branche ist eine große Herausforderung. Die österreichischen Betriebe sind aber


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Garant für den nachhaltigen Erfolg des Tourismus. Damit sich diese Betriebe gesund weiterentwickeln können, wurde durch die Kooperation mit der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank ein Instrument geschaffen, mit dem es möglich ist, hauptsächlich auch klein- und mittelständisch organisierte Betriebe zielgerichtet zu unterstützen. Ein Investitionsrekord im Jahr 2017 zeugt vom Erfolg dieser Maßnahme.

Mit einem Bundesbudgetmitteleinsatz von rund 19,47 Millionen Euro konnten 834 För­derungsfälle positiv erledigt werden. Das geförderte Kreditvolumen betrug 244 Millio­nen Euro. Neben den Beiträgen des Ministeriums selbst sind auch Artikel zu Österreich Werbung und Urlaub am Bauernhof enthalten, um einen sehr breiten Überblick über die vielen Facetten des Tourismus zu bieten.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Bericht einen kleinen Eindruck über die derzei­tige Lage geben. Weitere Details finden Sie im Bericht selbst, der Ihnen natürlich auch zur Verfügung steht. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

Ich darf Ihnen zum Abschluss noch eine schöne Adventzeit wünschen. – Frohe Weih­nachten!

Wir werden uns nicht mehr sehen. Ich bin jetzt auf dem Weg nach Katowice zur Kli­makonferenz und werde die Woche vor Weihnachten in Brüssel noch alle Ratsforma­tionen unter österreichischem Ratsvorsitz abschließen. Ich darf mich aber sehr herzlich bei Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit in diesem Jahr bedanken und wünsche Ihnen alles, alles Gute für 2019. – Vielen herzlichen Dank. (Allgemeiner Beifall.)

13.58

13.59.14


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke schön, Frau Ministerin.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Ich wünsche Ihnen auch eine schöne Adventzeit, Frau Ministerin!

13.59.297. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz über ergänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwandlung der Ti­roler Zukunftsstiftung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (447/A und 354 d.B. sowie 10059/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. Ich bitte um den Bericht.


14.00.03

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Be­schluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz über ergänzende zivilrechtliche Bestimmungen für die Umwandlung der Tiroler Zukunftsstif­tung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung am 4. Dezember mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 89

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Klara Neurauter – Bitte.


14.00.56

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Zu diesem Thema zu sprechen ist für mich eine besondere Freude, weil es sich hier um ein Erfolgsmodell für die Tiroler Zukunft handelt.

Das Land Tirol ist erfolgreich in der Bewirtschaftung der Natur und der Landwirtschaft, im Tourismus, aber auch in der industriellen Produktion. Für alle diese Bereiche haben wir eigene Vermarktungsgesellschaften. Die Agrarmarketing Tirol, die Tirol Werbung und die Standortagentur Tirol sind allgemein bekannt und alle sehr erfolgreich im Sinne unseres Landes tätig.

Da es sich aber gezeigt hat, dass eine gemeinsame Profilierung und Vermarktung des Standortes Tirol noch ein beträchtliches Synergiepotential aufweist, hat vor drei Jahren die Tiroler Landesregierung die Ausarbeitung eines Gesamtprojektes mit dem Namen Lebensraum Tirol 4.0 GmbH beschlossen. Nun sollen darin die bereits genannten Agenturen zusammengefasst werden und unter ein Dach, unter eine Holding kommen, so auch die Tiroler Zukunftsstiftung, die als Körperschaft öffentlichen Rechts gegründet wurde, nun aber auf Basis der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen als Stiftung nicht in eine GmbH umgewandelt werden kann.

Deswegen ist zu dieser Änderung der Rechtsform die Erlassung eines eigenen Bun­desgesetzes notwendig. So eine Vorgangsweise ist nicht ungewöhnlich. Ich erinnere nur zum Beispiel an die NÖ Umweltschutzanstalt, die 2001 auf diese Weise in eine Ka­pitalgesellschaft umgewandelt wurde.

Mit dem vorliegenden Gesetz wird Klarheit und Rechtssicherheit für die Tiroler Zu­kunftsstiftung geschaffen, die nun als Standortagentur auch international weiter erfolg­reich tätig sein kann. Es ist sehr erfreulich, dass man sich im Nationalrat bereits zu ei­ner einhelligen Zustimmung aller Parteien zusammengefunden hat. Dafür danke ich sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.03


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Stefan Zaggl. – Bitte sehr.


14.03.29

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zu­seher! Wie wir heute bereits gehört haben, hilft dieses Gesetz meinem Bundesland Tirol, die Tiroler Zukunftsstiftung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umzu­wandeln. Die Standortagentur Tirol wurde in den Neunzigerjahren als Unternehmen in Form einer Privatstiftung gegründet, um den Wirtschaftsstandort Tirol für Unternehmen in verschiedenen Bereichen als Ort der Ansiedlung sowie für Gründung und Entwick­lung attraktiv zu machen. Es wurden Forschung, Mechatronik, Informationstechnologie und Gesundheit in den Vordergrund gestellt. Ich möchte nun kurz einige Aufgabenbe­reiche darlegen.

Ansiedlungsberatung: Dabei werden nationale und internationale Unternehmen bei der Ansiedlung in Tirol oder bei der Unternehmensgründung unterstützt. Ebenso wird Hil­festellung gegeben, wenn spezialisierte Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft für die Entwicklung von Innovation in Tirol gesucht werden.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 90

Standortmarketing: Die Standortagentur betreibt auch das internationale Marketing für den Wirtschafts- und den Wissenschaftsstandort Tirol. Ziel dabei ist, in den Märkten weltweit auf die Leistungen aufmerksam zu machen und die besten Forschungen, die besten Forscher wie auch Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene für den Standort Tirol zu gewinnen. Sie sind Dienstleister der heimischen Wirtschaft und Wissenschaft rund um die Themen Forschung, Technologie, Innovation und Koope­ration.

Von der vernetzten Arbeit in den Clustern profitieren die Unternehmen wie auch die Forschungseinrichtungen. Durch die Förderungen von Clustern wird der Transfer ihrer Technologie in der Wirtschaft beschleunigt. Sämtliche Tiroler Unternehmen und For­schungseinrichtungen werden bei der Nutzung von Technologie, Forschungs- und In­novationsprogrammen unterstützt, sei es vom Land Tirol, vom Bund und/oder von der Europäischen Union.

Lebensraum Tirol 4.0: Durch die Zusammenarbeit verschiedenster Einrichtungen, ins­besondere der Standortagentur Tirol, der Agrarmarketing Tirol, der Tirol Werbung, der Tiroler Hochschulen, der Interessenvertretungen und der auch miteinbezogenen zu­ständigen Landesabteilungen, kann Lebensraum Tirol 4.0 einen riesigen Beitrag zur Stärkung des Wirtschafts- und Lebensraums Tirol leisten. Ebenso wird die Marke Tirol im In- wie im Ausland noch mehr gestärkt und bekannt gemacht.

Deshalb: Bei geltendem Recht wäre die Überführung der Tiroler Zukunftsstiftung als Fonds öffentlichen Rechts in eine Kapitalgesellschaft nur als Sacheinlage möglich. Dabei bliebe lediglich eine Hülle übrig, bei welcher Rechtsunsicherheiten über die Zu­ordnung von Projekten mit internationalen Kooperationspartnern entstehen könnte.

Mit diesem Gesetz soll daher eine Analogie zu Stiftungen ermöglicht werden, die nach dem Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetz errichtet sind und in Privatstiftungen umge­wandelt werden können. Die Änderung bringt wesentlich mehr Transparenz, der Einsatz der Geldmittel kann besser nachvollzogen werden. Es ist für meine Kollegin­nen und Kollegen im Tiroler Landtag um einiges einfacher, eine Kapitalgesellschaft zu kontrollieren als eine Privatstiftung, die bei der momentanen gesetzlichen Lage sehr undurchsichtig erscheint.

Aus diesem Grund werden wir von der SPÖ diesem Gesetz sehr gerne zustimmen. –Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Längle.)

14.07

14.07.23


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Es liegt dazu keine weitere Wortmeldung vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Somit ist der Antrag angenommen.

14.07.528. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elemen­tarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 (331 d.B. und 355 d.B. sowie 10058/BR d.B.)


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 91

Bericht.


14.08.18

Berichterstatterin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 21. November 2018 betreffend Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpäda­gogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 4. De­zember 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Bericht des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Bundesrat David Stögmüller. – Bitte sehr.


14.09.07

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr geehr­te Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir BundesrätInnen der Grünen werden heute als Einzige im Parlament dieser 15a-Vereinbarung nicht zustimmen. Ich kann das auch ganz einfach begründen beziehungsweise versuche ich, das für Sie zu begründen: Wir tun das, weil wir einfach die leidige Symbolpolitik dieser Regierung schon satthaben – ganz ehrlich!

Die Regierung setzt ganz bewusst die Bundesländer unter Druck, denn die Bundeslän­der sind auf diese Gelder für die Kinderbetreuung, die nun einmal mit der 15a-Ver­einbarung verhandelt werden, finanziell angewiesen. Das weiß die Bundesregierung und nützt es für die eigenen populistischen Einzelmaßnahmen aus.

Das kann man gerade hier im Bundesrat nicht akzeptieren beziehungsweise guthei­ßen. Entweder schluckt es oder sterbt ums Geld – das ist keine Vorgehensweise ge­genüber den Ländern, die wir irgendwie gutheißen können.

Ich ganz persönlich bin auch kein Freund der Zurschaustellung von religiösen Symbo­len. Ich kann dem also etwas abgewinnen, wenn wir sagen, wir wollen keine Kopf­tücher aus religiösen Gründen für Kinder. Ja, das kann ich ganz bewusst, aber disku­tieren wir dann bitte ganz ehrlich auch über Kreuze, Kippas, Kopfbedeckungen für Sikhs, über Ikonen in Kindergärten und Schulen. Diskutieren wir darüber! Dazu würde ich gerne einladen, darüber zu diskutieren. Das wäre eine spannende Diskussion. (Bundesrat Steiner: Das ist Freiheitseinschränkung!)

In Frankreich haben sie diese Diskussion geführt. Die haben mittlerweile schon seit bald 15 Jahren alle religiösen Symbole wie die muslimischen Kopftücher, die jüdische Kippa oder das christliche Kreuz aus Kindergärten, Grundschulen und allen weiterfüh­renden Schulen verbannt. Nicht, dass ich das jetzt gleich befürworten würde, aber wir sollen uns trauen, darüber zu diskutieren, und nicht nur für eine einzige Religion ein Verbot aussprechen. (Bundesrat Steiner: Es gibt nur eine Religion, die Frauen unter­drückt!)

Ich bin gegen Verbote, dafür aber für mehr Aufklärung, für eine Stärkung der jungen Menschen, dass sie Glauben und Religion auch hinterfragen – das wäre notwendig! –, dass sie eigenständige und kritische Menschen werden, dass sie eigene Entscheidun­gen fällen können, dass Mädchen so stark und selbstbestimmt werden und so selbst­bestimmt das Bildungssystem verlassen, dass das Kopftuch keine Ausgrenzung be­wirkt, dass man sie feministisch stark macht. Unser Bildungssystem braucht Unterstüt­zung, Entwicklung durch Jugendarbeit, Sozialarbeit, feministische Arbeit, PsychologIn-


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nen und SchulärztInnen, nicht nur auf Abruf, sondern ständig an den Schulen. Damit die Anforderungen an die Schulen nicht völlig ausufern, ist es Aufgabe und Heraus­forderung für die ganze Gesellschaft, dabei mitzuwirken und zu helfen.

Zur Debatte um das Kopftuchverbot: Bei der konkreten Vorlage geht es nun einmal um die unter Sechsjährigen. Da gibt es in keinem einzigen Bundesland in öffentlichen be­ziehungsweise städtischen Kindergärten Probleme mit der Kopfbedeckung. Die gibt es nicht, und wenn doch, dann nur ganz vereinzelt irgendwo vielleicht eines oder zwei. Eine solche Frage nur mit Ja oder Nein zu beantworten, wie das die Bundesregierung macht, ist einfach nur unseriös, und das ist das Problem. Damit soll einfach nur da­rüber hinweggetäuscht werden, dass wir noch viel gröbere Probleme mit der Versor­gungsqualität von Kindern unter sechs Jahren haben.

Frau Ministerin! Sie wissen als zuständige Ministerin, dass wir die Barcelonaziele für die unter Dreijährigen noch immer nicht erreicht haben. Das wissen Sie! Da bewegen wir uns schon seit Jahren um die 28 Prozent herum. Das hat schon Bundesministerin Karmasin nicht geschafft, obwohl wir das schon seit Jahren erreichen sollten, seit Jah­ren schon endlich die 33 Prozent schaffen sollten. Mir ist schon klar, dass die FPÖ das ideologisch nicht unbedingt will. Das war schon ein Versagen der alten Regierung, bis jetzt gibt es noch immer keine Verbesserung, und ich befürchte sogar, dass sich die Prozentwerte aufgrund der ideologischen Sicht einer Regierungspartei nicht verbes­sern, sondern sogar noch verschlechtern werden.

Wenn wir schon darüber reden, reden wir doch endlich auch über ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr! Reden wir darüber, dass es endlich eine Zusammenführung der Ausbildung von Kindergarten- und VolksschulpädagogInnen braucht! Reden wir über bundeseinheitliche Qualitätsstandards für Krippen und Kindergärten! Reden wir gerade hier im Bundesrat und auch an die Bundesländer gerichtet über kleinere Grup­pengrößen und einen besseren Betreuungsschlüssel! Ich weiß, da hat es Probleme in den Bundesländern gegeben, also: Reden wir darüber! Das müssen wir angreifen! In dem Bereich erwarte ich mir von dieser Regierung endlich mehr als leere Ankündi­gungen und nicht wieder in gewohnter Manier ein Verschieben auf die nächste 15a-Ver­einbarung. Das haben wir schon viel zu oft von den Regierungsparteien gehört.

Frau Bundesministerin! Als Bundesrat aus Oberösterreich würde mich auch einmal Fol­gendes interessieren: Was ist eigentlich aus dem Pilotprojekt Bildungskompass Ober­österreich geworden? Vielleicht können Sie uns dazu etwas erzählen, denn die alte Regierung beziehungsweise Bundesministerin Karmasin hat ja damals einen Paradig­menwechsel durch den Bildungskompass beschworen und eine bundesweite Ausrol­lung angekündigt. Vielleicht können Sie uns heute etwas mehr dazu sagen; es würde uns interessieren.

Frau Ministerin! Abschließend möchte ich noch einmal an Sie appellieren: Gehen Sie die vielen anderen, die vielen wichtigeren Baustellen, wie die mangelnde Ausbildung der PädagogInnen, die fehlenden Kindergarten- und Krippenplätze, die fehlenden ös­terreichweiten Qualitätsstandards, die fehlende Finanzierung des Ausbaus des Ange­bots an Kindergartenplätzen, an! Da kann ich Ihnen Quoten zur Ganztagesbetreuung am Land zeigen. Schauen Sie sich das an! Das fehlt. Ich könnte da auch auf Ober­österreich hinweisen, aber das will ich jetzt gar nicht. Die bräuchten jetzt endlich Auf­merksamkeit. Schaffen wir ein durchgängiges Bildungssystem von den Kleinsten bis zu den älteren Schülerinnen und Schülern, damit unsere Kinder – und das ist meiner Ansicht nach das Wichtigste und dort müssten wir ansetzen – dieses Bildungssystem als kritische, emanzipierte und intelligente junge Erwachsene wieder verlassen. Das wäre notwendig – und nicht irgendeine Symbolpolitik, die diese Bundesregierung tag­täglich produziert. – Danke schön. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bun­desrätin Dziedzic.)

14.15



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 93

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Mar­tina Ess. – Bitte.


14.15.23

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß! Geschätzte Kolleginnen und Kol­legen! Familienpolitik hat oberste Priorität, denn sie betrifft uns alle. Es freut mich als junge Bundesrätin aus Vorarlberg, heute zu einem Thema zu sprechen, das Mütter, Väter, Kinder, Pädagoginnen und Pädagogen gleichermaßen betrifft. Ich selbst bin ge­lernte AHS-Lehrerin und habe zwei Kinder zu Hause.

Ich habe mir in meiner Vorbereitung die Frage gestellt, wann Politik überhaupt funktio­nieren kann. Stellen Sie sich diese Frage vielleicht immer wieder mal so ganz bewusst! Meiner Ansicht nach funktioniert Politik dann, wenn man konstruktiv miteinander arbei­tet und wenn man letztlich vom Reden ins Tun kommt. (Bundesrat Stögmüller: Dann tun Sie das mit den Bundesländern!) Es freut mich, dass ich heute keine leere Ankün­digung verteidigen darf, sondern eine sehr reiche. Bund und Länder haben nämlich konstruktiv miteinander gearbeitet, Herr Stögmüller. Es wurden drei bereits vorliegende 15a-Vereinbarungen zu einer zusammengefasst, sie wurden verschlankt, sie wurden sinnhafterweise zusammengeführt. Der Bund stellt hierzu finanzielle Mittel zur Verfü­gung, und das über den Zeitraum – und das ist das Entscheidende – der nächsten vier Jahre. Es sind insgesamt 180 Millionen Euro pro Jahr bis ins Jahr 2022. Wenn man sich die vorliegende 15a-Vereinbarung anschaut, dann setzt sie genau da an, wo es junge Familien und Kinder am allerdringlichsten brauchen.

Ich möchte diese Vereinbarung jetzt aus allen Perspektiven beleuchten. Was brauchen die Kinder, was brauchen die Pädagoginnen und Pädagogen und was brauchen letzt­lich die Eltern? Und mit ihnen möchte ich gerne beginnen.

Das Hauptaugenmerk in dieser Vereinbarung wird, und da sind wir genau mittendrin, auf den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen für die unter Dreijährigen gelegt, und dort ist das laut Studien auch am allerdringlichsten notwendig. Wenn ich so in mein Umfeld schaue, dann erkenne ich, dass Gemeinden in Österreich, egal in wel­chem Bundesland, zu sehr attraktiven Wohnorten für junge Familien werden, wenn jun­ge Mütter und Väter dort auch leichter wieder in den Beruf einsteigen können.

Ich darf eine kurze persönliche Geschichte erzählen: Vor sechs Jahren war meine Tochter eineinhalb Jahre alt – da türmen sich in meinem Kopf noch die Erinnerungen. Ich hatte keine Möglichkeit, in meinen Beruf zurückzukehren. Mit dem Hauptfach Deutsch hätte ich am Gymnasium vier Vormittage unterrichten müssen. Ich konnte mein Kind in meinem Dorf, ja in meiner ganzen Region nicht vier Tage unterbringen. Das war nicht nur für die Berufsgruppe der Lehrer so, sondern es war für alle Berufs­gruppen sehr, sehr schwierig. Dass sich da in den letzten zehn Jahren extrem viel getan hat, das zeigen die Zahlen.

Über 70 000 Kinderbetreuungsplätze wurden geschaffen, und die Zahl wächst kon­stant. Das ist gut und das ist richtig, und mich freut, dass mit dieser Vereinbarung der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen forciert wird. Es wird aber nicht nur auf den Ausbau sehr viel Wert gelegt, sondern es werden auch die Öffnungszeiten flexibler gestaltet und verbessert. Jede Familie, die Kinder hat, weiß, wie wichtig das ist. Es ist letztlich eine Entlastung für Mütter und Väter – das ist mir wichtig, zu erwähnen –, egal ob sie alleinerziehend sind, Teilzeit oder Vollzeit arbeiten. Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich für diese weitere Unterstützung bedanken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn wir jetzt einen Blick auf diejenigen werfen, um die es konkret geht, die die im Mittelpunkt stehen, dann sind es die Kinder. In einem sind wir uns glaube ich alle einig: Kinder haben ein Recht auf Bildung, und Kinderbetreuungseinrichtungen sollen in un-


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seren Ländern natürlich die erste Bildungseinrichtung sein. Kinder lernen dann gut, auch das wissen wir, wenn sie spielerisch lernen können, wenn sie in einem Umfeld sind, in dem sie sich selbstbestimmt, aber auch frei bewegen können. Das können Kinder nur dann, wenn sie die Sprache beherrschen. Nur so ist es möglich, mit an­deren in Kontakt zu treten und teilzuhaben an dem, was geschieht und was angeboten wird.

Mit den in der Vereinbarung geplanten Bundesmitteln für die kommenden vier Jahre sind die finanziellen Weichen gestellt. Letztlich haben die Schülerinnen und Schüler so einen besseren Start in das Schulleben. Wenn die Kinder früh die Sprache lernen, profitiert nicht nur jedes einzelne Kind davon, sondern unsere ganze Gesellschaft, und das nachhaltig. Ich glaube, es steht für uns alle außer Diskussion, dass jedes einzelne Kind die besten Bildungsmöglichkeiten erhalten soll – egal woher es kommt. So ist natürlich das bereits bestehende halbtägige Pflichtkindergartenjahr für die Fünfjährigen beitragsfrei, und das bleibt auch so erhalten.

Zuletzt stellen wir uns noch die Frage, was es für die Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort bedeutet. Da ist es mir wichtig, einen Dank auszusprechen, da über die Päda­goginnen und Pädagogen oft geschimpft wird. Ich bin jetzt seit sieben Jahren als Mut­ter in Kinderbetreuungseinrichtungen aktiv unterwegs und kann sagen: Ich bin auf Pä­dagoginnen und Pädagogen gestoßen, die ausgezeichnet gearbeitet haben und die allesamt vereint hat, dass sie das wirklich mit Leidenschaft, mit Herz und mit ganz viel Verstand gemacht haben. Ein Dankeschön an alle, die diese Arbeit sehr, sehr profes­sionell leisten und die Kinder, jedes einzelne Kind in den Mittelpunkt stellen.

Die Pädagoginnen und Pädagogen profitieren von diesen Maßnahmen dahin gehend, dass ihnen in einem ganz konkreten Bereich etwas erleichtert wird, nämlich im Bereich der Sprachstandsfeststellung – kurz Besk, das ist der Beobachtungsbogen für die Sprachstandsfeststellung. Dieser wurde verschlankt. In Vorarlberg läuft es schon das gesamte Jahr. Ich habe mit einigen gesprochen, die ihn anwenden. Sie freuen sich, dass es da eine Entbürokratisierung gibt, dass es mit Besk kompakt jetzt frühzeitig möglich ist, die Kinder dort frühzeitig sprachlich zu fördern, wo sie es brauchen.

Abschließend ist die Vereinbarung insgesamt ein großer Vorteil für die Bundesländer, und das ist neu, denn sie können diese Bundesmittel jetzt flexibel einsetzen. Jedes Bundesland kann sich überlegen: Wo brauchen wir das am allerdringlichsten, im Aus­bau, im Besk, in der Sprachförderung? Welcher ist jener Bereich, der uns besonders betrifft? – Die Einrichtungen können sich da also flexibel und bedarfsgerecht bewegen. Das ist ein großer Vorteil für die Bundesländer!

Zusammengefasst: Das ist absolut ein Schritt in die richtige Richtung, wenn es, wie ich zu Beginn gesagt habe, um Familienpolitik geht. Drei abschließende Punkte: Die Ver­einbarung schafft flexible Rahmenbedingungen für die Familien – das ist auch für junge Familien ganz wichtig –, gleiche Startbedingungen für die Kinder und Planungssicher­heit und Flexibilität für die Länder.

Mir ist auch wichtig, zu sagen, dass Politik den Familien natürlich nicht vorschreiben kann und soll, wie sie zu leben haben, aber es ist unsere Verpflichtung, dass wir die Voraussetzung für eine Wahlfreiheit schaffen, und das für jede Familie, in jeder Le­benssituation und zu jeder Zeit. – Danke, dass Sie zugehört haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.23


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Da­niela Gruber-Pruner. – Bitte, Daniela.


14.23.42

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Kolleginnen und Kollegen! Gleich vorweg: Wir werden dieser 15a-Vereinba-


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rung heute zustimmen, denn schließlich warten alle Bundesländer und vor allem auch die Gemeinden auf diese Finanzierungszusage für die elementare Bildung unserer Kin­der. Immerhin ist ja schon quasi Jahresende. Wie wir wissen, beginnt ein Kindergar­tenjahr bereits im September. Das heißt, es ist jetzt wirklich höchste Zeit, dass diese Finanzierungszusage kommt.

Das Zustandekommen dieser 15a-Vereinbarung war ja einigermaßen kurios. Zuerst wurden Kürzungen angekündigt, dann sind doch dieselben Mittel wie in den letzten Jahren auch zur Verfügung gestellt worden, diesmal für einen längeren Zeitraum, was wir auch begrüßen, weil das etwas Planungssicherheit schafft.

Dass man in diesen Bereich, in die elementare Bildung unserer Kinder weitaus mehr Mittel investieren müsste, um das ganze Potenzial der Elementarbildung zu heben, da stimmen wir, glaube ich, alle überein. Ich möchte an ein paar Beispielen verdeutlichen, was in diesem Bereich so dringend auf einen Schub, auf eine Innovation warten würde.

Vielleicht vorweg: Ich bin als Vorsitzende der Kinderfreunde in der Donaustadt für 24 Kindergärten und Horte zuständig und mache immer um den Jahreswechsel einen Besuch bei allen Leiterinnen dieser Einrichtungen, um zu hören, wo im Alltag der Schuh drückt und was gerade aktuell ist. Was ich zurzeit immer wieder höre, ist einer­seits Begeisterung und Dankbarkeit, dass die Elementarbildung endlich den Stel­lenwert in der politischen Debatte bekommt, den man sich schon so viele Jahre erhofft hat. Sie sagen: Endlich erkennt ihr den Wert unserer Arbeit! – Und gleichzeitig sagen sie: Wo bleibt die Ernsthaftigkeit? Wo bleibt die Honorierung dessen, was wir tun, und die Anerkennung, dass wir dafür ordentliche Rahmenbedingungen brauchen?

Ich möchte das noch mit einer Langzeitstudie aus England untermauern. Eine For­scherin, Kathy Sylva, hat Folgendes gezeigt: Sie hat über 15 Jahre Kinder begleitet, die unterschiedlich lange in unterschiedlichen elementarpädagogischen Einrichtungen waren. Folgendes ist sehr klar geworden: Der Erfolg der Elementarbildung ist dann be­sonders groß und nachhaltig auf die Bildungskarriere eines Menschen wirksam, wenn die Qualität der Einrichtung passt, wenn die Kinder diese Einrichtung einige Jahre be­suchen und wenn sie die Möglichkeit haben, mehrere Stunden am Tag in dieser Ein­richtung zu sein, weil die pädagogische Arbeit nur dann gut gelingen kann.

Da muss man jetzt ehrlicherweise sagen, dass mit der vorliegenden 15a-Vereinbarung eine Chance verpasst worden ist. Ich möchte aber konstruktiv sein, in die Zukunft bli­cken und auffordern, dass wir daran gemeinsam arbeiten. Was den wirklichen Unter­schied im pädagogischen Setting machen würde, ist die Änderung des Betreuungs­schlüssels, die Änderung der Gruppengröße, sprich: Wie viele Kinder hat eine Päda­gogin, ein Pädagoge tatsächlich zu bilden, zu betreuen, zu begleiten. Ich weiß, und das ist schlussendlich auch der springende Punkt, das ist eine Frage der Finanzierung, denn das kostet natürlich mehr. Ich weiß auch, dass das der Hemmschuh ist. Ich sage nur: Für die Zukunft sind das die Schrauben, an denen wir miteinander dringend dre­hen sollten.

Ein nächster Punkt sind die Rahmenbedingungen für die PädagogInnen selbst. Aktuell steht eine Elementarpädagogin im Kindergartenbereich – nicht in der Krippe – manch­mal mit 25 Kindern in einer Gruppe. Da ist zwar noch eine Assistentin dabei, aber wohl niemand von uns möchte tauschen und würde es jeden Tag lustig finden, mit 25 Kin­dern, die in diesem Alter natürlich äußerst unterschiedlich sind, all die Anforderungen an Pflege, an Bildungsangebote, die man setzen möchte, gut umzusetzen. Auch das spielt natürlich wieder in diesen Betreuungsschlüssel hinein.

Die PädagogInnen fragen mich zurzeit auch immer wieder: Was bedeutet denn dieser 12-Stunden-Tag für uns als Einrichtung? Bedeutet das, dass wir auch 12 Stunden offen haben müssen? Bedeutet das, dass wir diesen Kindergarten von 6 bis 18 Uhr


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offen halten müssen? Ehrlich gesagt sind da die Fahrzeiten der Eltern vom Arbeitsplatz zur Kinderbetreuungseinrichtung, um das Kind abzuholen, noch nicht dabei. Und be­deutet das für mich als Elementarpädagogin dann, dass ich noch länger brauche, weil ich dann mein Kind erst nach 14 Stunden wieder abholen kann? Diese Fragen sind also tatsächlich akut, und wir können noch nicht genau abschätzen, was diese Flexi­bilisierung der Arbeitszeit für unsere elementarpädagogischen Einrichtungen bedeutet. (Bundesrat Längle: Deswegen gibt es ja die Arbeitszeitflexibilisierung!)

Ein weiteres Thema ist die Sprachförderung. Wir alle wissen, dass es in diesem Be­reich natürlich mehr Mittel bräuchte, um dem Bedarf gerecht zu werden. Alle Prakti­kerInnen wissen, dass das eine Arbeit ist, die ganz stark individuell erfolgen muss, weil die Kinder auf sehr unterschiedlichem Niveau sind und man das natürlich nur mit sehr individueller Zuwendung ausgleichen und anheben kann. Durch die Verzögerung der Verhandlungen im Sommer war es in manchen Bundesländern tatsächlich so, dass die FörderpädagogInnen, die oft befristet angestellt sind, ihren Vertrag nicht verlängert bekommen haben, weil nicht klar war, wie das im Herbst weitergehen wird. Die haben sich dann nach anderen Stellen umgeschaut, und es ist tatsächlich so, dass jetzt in manchen Bundesländern für diesen Jahrgang SprachförderInnen und Sprachförderpä­dagogInnen fehlen, was natürlich bedauerlich ist.

Ein anderes Thema, das die PädagogInnen sehr bewegt, ist die Elternarbeit, die immer intensiver wird. Dadurch, dass man der Elementarpädagogik immer mehr Aufgaben zuschreibt, ist die Notwendigkeit, die Eltern als BildungspartnerInnen ins Boot zu holen, natürlich gestiegen. Diese Elternarbeit braucht aber Zeit, und die ist in der Stundenta­belle einer Pädagogin oft nicht abgebildet. Das passiert oft nur so zwischen Tür und Angel, schnell, schnell, wenn das Kind abgeholt wird; da kann man aber nur schwer ernsthafte Gespräche führen. Es braucht auch eine Qualifizierung, man muss sich als 18-jährige Absolventin einer Bafep zutrauen, solche Gespräche zu führen, ernsthafte Themen anzusprechen. Das müssten wir in die Ausbildung der ElementarpädagogIn­nen und bei einer Anstellung auch in die Stundentabellen einplanen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Warum macht ihr das nicht dort, wo ihr alles in der Hand habt? In Wien passiert das alles nicht!)

Es gäbe noch mehrere Themen, und das Schöne ist, dass sich in der Elementarbil­dung auch die Sozialpartner eigentlich sehr, sehr einig sind. Es gibt einen gemeinsa­men Maßnahmenkatalog der Industriellenvereinigung und der Arbeiterkammer, der Ge­werkschaft und so weiter, weil allen klar ist, was es in diesem Bereich braucht. Da sind alle diese Forderungen beschrieben. Da gehört dann noch die tertiäre Ausbildung für gruppenführende PädagogInnen dazu und so weiter.

Ich möchte noch ein Wort zum Wertekatalog verlieren, weil ich auch dazu gefragt habe. Ich war mit dem Katalog unterwegs und habe gefragt: Was haltet ihr von diesem Katalog? – Die Rückmeldung war, dass eigentlich alle Dinge, die dort grob skizziert sind, ohnedies schon seit 2009 im Bildungsrahmenplan beschrieben sind. Der steht in den Einrichtungen als Grundlage zur Verfügung, und auf dieser Grundlage wird gear­beitet. Insofern ist das also durch ein anderes Dokument bereits abgedeckt.

Was das Kopftuch betrifft, habe ich nachgefragt – die Kinderfreunde haben österreich­weit ungefähr 200 Einrichtungen –: Wir haben kein einziges Kind, das ein Kopftuch trägt. (Bundesrat Steiner: Darum geht’s ja nicht!) So wie dieses Thema medial dar­gestellt wird, habe ich insgesamt das Gefühl, dass anscheinend ein großes Problem zur Lösung ansteht, ohne dass man jemals die Fakten oder Zahlen erhoben hat, um welche Größenordnungen, um welche Zahlen es dabei eigentlich geht. (Bundesrat Steiner: Es geht nicht um eure Sozikindergärten, sondern vor allem um die öffentli­chen Kindergärten!) Ein Problem so zu lösen halte ich für reichlich unseriös, aber damit halte ich mich nicht so sehr auf, weil ich den großen Raum, den das Thema einnimmt, nicht für gerechtfertigt halte.


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Was wir in diesem Land für unsere Kinder wirklich brauchen würden, wäre ein einheitli­ches Bundesrahmengesetz, das für alle Einrichtungen, die gefördert werden, gilt, eine einheitliche Qualität der Ausbildung, der Öffnungszeiten, beim Betreuungsschlüssel. Ich finde, das könnten wir in den nächsten Monaten gemeinsam angehen. Da die Fi­nanzierung geklärt ist, sollte man sich auf die Inhalte konzentrieren und damit dann hoffentlich einen großen Sprung nach vorne in unserer Bildungslandschaft machen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

14.33


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Rosa Ecker. – Bitte.


14.34.04

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geschätzte Frau Minister! Sehr geehrte Damen und Herren hier und via Live­stream! Ja, Kollege Stögmüller, Gott sei Dank gibt es noch - - (Bundesrat Stögmüller, der den Saal verlassen wollte, dreht um und kehrt zu seinem Platz zurück.) – Ja ge­nau! Hier bleiben, ja genau, zuhören! Gott sei Dank gibt es noch Familien und Mütter, die auch aus nicht ideologischen Gründen ihre Kinder in den ersten Lebensmonaten und -jahren selbst betreuen, und dass es diese Wahlfreiheit gibt, dafür werden wir alles tun. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Damit eben diese Wahlfreiheit gegeben und eine freie Entscheidung möglich ist, gibt es Artikel-15a-Mittel, um die institutionelle Kinderbetreuung zu unterstützen. Erfreulich ist, dass es mit dieser Regelung mehr finanzielle Mittel gibt. Wir haben es heute schon gehört: 180 Millionen Euro für Betreuung und Elementarbildung, weil eben vom Bund 142,5 Millionen und von den Ländern 38 Millionen Euro – also in Summe tatsächlich mehr Geld – zur Verfügung gestellt werden.

Wir haben gehört, dass die drei Vereinbarungen, die es bis jetzt zu Artikel 15a gege­ben hat, zusammengefasst worden sind. Das heißt, die Gemeinden können das Geld flexibel einsetzen, entweder mehr in die Verbesserung des Betreuungsschlüssels oder mehr in Sprachförderung oder in die Ausweitung der Öffnungszeiten stecken. Das war bis jetzt so nicht möglich.

In den nächsten vier Jahren sind das 720 Millionen Euro, und das ist nicht gerade wenig Geld, Geld, das den Gemeinden direkt bei der Kinderbetreuung, den Institu­tionen, für die es notwendig ist, zugutekommt. Gemeinden engagieren sich grundsätz­lich sehr, sehr gerne für die Kinderbetreuung, für eine familienfreundliche Ausgestal­tung.

Wir waren letzte Woche in St. Wolfgang, wo die Verleihung der Zertifikate für die Audits familienfreundliche/kinderfreundliche Gemeinde stattfand. Gemeinden sind ja sehr stark engagiert, auch mit anderen Mitteln in diesem Bereich etwas zu machen. Wir haben da sehr schöne Projekte gesehen. Für den Ausbau des institutionellen Kinder­gartenangebots und für das verpflichtende Kindergartenjahr ist Unterstützung notwen­dig. Man kann auch sagen, es ist neben der direkten Steuerentlastung durch den Fa­milienbonus Plus eine zusätzliche indirekte Förderung von Frauen und Familien, denn jeder berufstätige Elternteil braucht während seiner Arbeitszeit jemanden, der seine Kinder beaufsichtigt und betreut. Damit sie Arbeit und Familie besser vereinbaren können, erwarten sich die Eltern ein qualitativ gutes Angebot, und das ist, das dürfen wir mit Sicherheit sagen, in Österreich auch gegeben.

Zum zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr: Wir alle wissen, dass die Betreuungs­quoten in diesem Altersbereich zwischen 97 und 98 Prozent liegen, und das wird sich mit einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr wahrscheinlich auch nicht an die 100 Prozent annähern, weil es immer wieder Kinder gibt, die aus verschiedenen


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Gründen den Kindergarten nicht in Anspruch nehmen werden. (Zwischenruf des Bun­desrates Stögmüller.)

Es ist, ich habe es vorher schon gesagt, möglich, die Betreuungsmodelle dem Bedarf der Eltern anzupassen, und das heißt nicht nur halbtags mit Mittagstisch oder ganz­tags, sondern eben auch so, wie es die Eltern brauchen, nämlich 6, 8 oder 10 Stunden. Bis jetzt war es ja nicht möglich, ein Kind in einer Institution 8 Stunden durchgehend betreuen zu lassen. Und wir haben es heute schon gehört: 8 Stunden bei einer Voll­zeitbeschäftigung für eine Mutter oder einen Vater sind mit Wegzeiten nicht machbar.

Darum begrüße ich auch die ergänzenden Maßnahmen, die in der Vereinbarung ent­halten sind, nämlich die verstärkte Ausbildung von Tageseltern und deren sozialrechtli­che Absicherung. Wir haben in Oberösterreich ein sehr gutes Angebot an Tageseltern und die Absicherung dazu. Also wer sich da etwas abschauen möchte: Nur nicht zu­rückhaltend sein! Diese Betreuungsform ist sehr flexibel und unterstützt die Eltern wirklich beim Wiedereinstieg in die Beschäftigung, weil die Kleinsten in einer familiären Form betreut werden.

Weiters steht in der Artikel-15a-Vereinbarung der Übergang vom Kindergarten in die Schule mehr im Fokus, und wir wollen gerade die Drei- bis Sechsjährigen altersgerecht auf die Schule vorbereiten. Wir wollen sie fordern und fördern. Ganz besonders wichtig ist, dass die Sprachförderung eine besondere Priorität erhält, denn wir wissen alle, dass es mittlerweile einen riesig anmutenden Bereich mit Problemen in der Sprach­kompetenz gibt.

Jetzt könnte man polemisch sagen: Sinnerfassendes Lesen erleichtert das Leben in allen Bereichen – no na ned. Wir alle wissen: Wer unsere Sprache nicht beherrscht, wer sie nicht hauptsächlich verwendet, der versteht das Gelesene nicht nur nicht sinn­erfassend, sondern er hat ein lebensbegleitendes Handicap. Daher ist die einheitliche Sprachstandserhebung in den Kindergärten absolut notwendig. Ich sehe selbst, dass im Kindergarten viel in Sprachförderung investiert wird und trotzdem sehr viele Kinder zum Schulbeginn der deutschen Sprache nicht so mächtig sind. Darum ist es eben auch wichtig, dass in den Kindergärten verstärkte Kontrollen zu diesen Ausbildungskri­terien gemacht werden.

Wie Kollegin Ess habe auch ich eine Tochter, meine ist mittlerweile schon 18 Jahre alt, aber man erinnert sich immer sehr gerne an die ersten Lebensjahre und auch an die Kindergartenzeit zurück. Sie war ein sehr energisches Mädchen mit längeren Haaren. Sie trug gern Spangen, geflochtene Zöpfe, Blumen im Haar. Wir alle kennen diese Bil­der, unbeschwerte Kinderbilder: gut gelaunt, lebendig, mitten in einer Zeit der mensch­lichen Entwicklung. Für vieles wird in dieser Zeit der Grundstein gelegt, genau für diese Selbständigkeit, die Herr Stögmüller vorhin gefordert hat, für dieses feministische Bild. Es entstehen Selbstvertrauen, Mut zum Ausprobieren und Wünsche, was man einmal werden wird und was man nicht möchte.

Sie werden mir recht geben: Kinder, kleine Mädchen haben kein eigenes Bedürfnis, ein Kopftuch zu tragen. Mit einem Kopftuch, das getragen werden muss, kann sich ein Kind nicht frei entfalten. Gegen diese Einschränkung, begründet durch den Glauben, können sich kleine Mädchen nicht wehren. Dieses Eingeengtsein bleibt aber ihr weite­res Leben lang vorhanden, im Gefühl, in der Kleidung, im Verhalten.

Einige äußerst traurige Schicksale haben uns berührt: wenn genau diese jungen Frau­en entscheiden, aus dieser Enge auszubrechen, wenn sie Freunde haben, die nicht dem Glauben entsprechen, wenn der Familienrat, oft ein männlicher, eingreift und ent­scheidet, massiv einzugreifen. Bis hin zum Mord an der eigenen Schwester ist auch in unserem Land nichts unbekannt. Sagen Sie mir, wie kann das sein, wenn ein Mädchen doch freiwillig vom Kindergarten bis ins Erwachsenenalter ein Kopftuch trägt! – Wir


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unterstützen diese kleinen Mädchen dabei, erst gar keines tragen zu müssen. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

14.41


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Ministerin Juliane Bogner-Strauß. – Bitte sehr.


14.41.22

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bun­desrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Herren auf der Galerie! Ich freue mich, dass wir hier über diese Artikel-15a-Vereinbarung spre­chen, dass wir auch ein bisschen darüber diskutieren, dass wir die unterschiedlichen Meinungen einholen. Ich bin der Meinung: Gut Ding braucht Weile, und uns ist gemein­sam mit den Ländern ein sehr, sehr guter Abschluss gelungen, und dafür möchte ich mich bei den Ländern ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Es wurde schon erwähnt: Die Kinderbetreuung hat vor allem zwei wichtige Ziele. Ers­tens ist sie die erste Bildungseinrichtung, und zweitens soll sie es den Eltern ermögli­chen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Genau darauf haben wir bei dieser neuen Arti­kel-15a-Vereinbarung abgezielt.

Herr Stögmüller! Ich darf Sie erinnern – Sie können sie gerne von uns haben; ich gebe Ihnen gerne die richtigen Zahlen, und ich möchte auch eine Lanze für meine Vorgän­gerin brechen –: In den letzten zehn Jahren haben wir 70 000 Plätze geschaffen. (Bun­desrat Stögmüller: Das Barcelonaziel wurde trotzdem nicht erreicht!) – Ja, aber wir haben vor zehn Jahren bei 14 Prozent angefangen und sind inzwischen bei 28 Pro­zent. Ja, und deshalb haben wir unseren Fokus darauf gelegt, die Betreuung für unter Dreijährige auszubauen, aber wir haben in den letzten zehn Jahren von 14 auf 28 Pro­zent erhöht. (Bundesrat Stögmüller: 33 Prozent sollten schon seit Jahren erreicht sein!) Das ist das Ziel, das wir erreichen möchten, und deshalb lege ich meinen Fokus im Ausbau auf unter Dreijährige. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei der FPÖ.) – Wir können immer nur einen Schritt nach dem anderen tun.

Auf der anderen Seite geht es darum, die Öffnungszeiten zu flexibilisieren. Sie haben es schon erwähnt: Das muss mit einer Vollzeitarbeit von Eltern zu vereinbaren sein, und deswegen haben wir gesagt, die Öffnungszeiten sollen vor allem in den ländlichen Gebieten so sein, dass es den Eltern möglich ist, Vollzeit zu arbeiten. Ich sage aber immer: Den Eltern soll es möglich sein, Vollzeit zu arbeiten, und deshalb möchte ich schon darum bitten, dass ein Elternteil das Kind bringt und vielleicht auch ein anderer Elternteil das Kind abholt. Die Kinderbetreuung muss nicht immer nur einem Elternteil zugeschrieben sein und dazwischen dann noch die Arbeitszeit. Ich glaube, es möchte auch niemand von uns – ich spreche aus Erfahrung mit drei Kindern zu Hause – ein Kind 10 Stunden im Kindergarten abgeben. Wir müssen allerdings auch an die denken, die ihre Kinder allein erziehen, und deshalb auch unser Fokus auf die Öffnungszeiten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Zahlen wurden schon erwähnt. Wir haben lange verhandelt, aber wir haben jetzt mehr Geld, als wir in den Jahren zuvor hatten: 180 Millionen Euro pro Jahr, 720 Millio­nen Euro für vier Jahre, und wir haben vor allem Planungssicherheit, das war ein ganz großer Wunsch der Bundesländer. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist, dass Sprachpädagoginnen und Sprachpädagogen nicht weiter angestellt wurden, denn wir haben den Ländern immer ganz, ganz klar gesagt, dass es die 70 Millionen Euro für das Gratiskindergartenjahr und die 20 Millionen Euro für die Sprachförderung hun­dertprozentig weiterhin geben wird. (Bundesrat Stögmüller: Das Geld muss man aber


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auch an die Länder auszahlen!) Wir haben nur verhandelt, was das restliche Paket und den Ausbau der Betreuungsplätze angegangen ist, alles andere war vorab klar festge­legt. Deshalb möchte ich da jetzt einmal sagen: Das ist ein Problem, das sich die Län­der selbst gemacht haben. Mit diesem Problem hat der Bund überhaupt gar nichts zu tun.

Worum es noch geht: Wir haben gesagt, wir haben mehr Geld. Die Länder kofinanzie­ren. Es muss auch klar sein: Das ist eine Anschubfinanzierung. Wir alle wissen: Die Länder leisten da Großartiges, sie nehmen pro Jahr für die Kinderbetreuung 2,5 Milliar­den Euro in die Hand. Wir leisten Anschub für Ziele, die wir erreichen möchten, wie das Barcelonaziel, einen guten Ausbau und bessere Öffnungszeiten.

Ein weiteres Thema ist das zweite Kindergartenjahr. Im ersten verpflichtenden Kinder­gartenjahr haben wir 98 Prozent der Kinder, weil doch einige Eltern ihre Kinder auch noch im letzten Jahr vor der Schule zu Hause erziehen möchten. Und im zweiten Jahr, im vorletzten Kindergartenjahr, haben wir 96 Prozent der Kinder. Ich sagte Ihnen, ich gebe Ihnen gerne die Daten dazu. Wo sehen Sie da den großen Unterschied? 96 Pro­zent der Kinder sind versorgt, und wir könnten alle Kinder versorgen, darum geht es. (Bundesrat Stögmüller: Sie wissen ja, dass es auch um die Kosten geht!)

Schauen wir nach Oberösterreich! Dort wurden Kinder wieder abgemeldet, weil offen­sichtlich - - (Bundesrat Stögmüller: Weil Gebühren eingeführt worden sind! Das ist doch unglaublich! – Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Nein! Da darf ich jetzt einmal ganz klar widersprechen. 30 Euro im Monat gestaffelt! Und ich sage Ihnen ehrlich, da müssen wir wirklich anfangen abzuwägen. Schauen wir nach Wien! Die Wünsche kommen ja gerade aus der Sozialdemokratischen Partei. Wien hat den schlechtesten Betreuungsschlüssel. Warum? – Wien will den Betreu­ungsschlüssel auch nicht verpflichtend verbessern. Wien hat sich bei den Verhandlun­gen gegen eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels gewehrt. Wir hätten das sehr gerne gemacht, aber es sind Verhandlungen mit den Bundesländern gewesen. Das heißt, man muss immer abwägen, was man möchte. Möchte ich eine bessere Sprach­förderung, möchte ich einen besseren Betreuungsschlüssel oder möchte ich für alle Gesellschaftsschichten alles gratis anbieten? Wir wissen, wir haben in allen Bundes­ländern gestaffelte Kinderbetreuungspreise. Jene, die weniger verdienen, zahlen auch ganz klar weniger. In den meisten Bundesländern ist auch das zweite Kindergartenjahr am Vormittag bereits gratis. (Bundesrat Stögmüller: Seit einem halben Jahr, ja!) – Das nur, um einmal die Tatsachen auf den Tisch zu legen, weil im Vorfeld einige Zahlen ein bisschen verdreht gekommen sind. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir möchten natürlich auch die Tageseltern weiterhin unterstützen. Für mich sind Ta­geseltern ein ganz, ganz wichtiges Modell, und deswegen haben wir auch gesagt, wir fördern die Ausbildung der Tageseltern weiter, aber nur jene, die auch das Qualitätsgü­tesiegel in der Ausbildung machen, weil wir natürlich die Ausbildung aller, die in diesem elementaren Bildungsbereich arbeiten, den Kindern zuliebe verbessern möchten.

Ich glaube, damit wurden alle Punkte von meiner Seite noch einmal ausführlich be­leuchtet, auch die Zahlen und Fakten klargestellt, die im Vorfeld hier etwas verdreht vorgebracht wurden.

Auf jeden Fall möchte ich mich – es ist das letzte Mal vor Weihnachten, dass wir uns sehen – ganz herzlich für die guten Diskussionen, die es hier immer wieder gibt, für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich wünsche Ihnen noch eine besinnliche Adventzeit und schöne Weihnachtsfeiertage und freue mich auf das nächste Zusammenkom­men im Jahr 2019. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Bundesrä­tin Dziedzic.)

14.49



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 101

Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ferdinand Tiefnig. – Bitte.


14.50.09

Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP, Oberösterreich): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren! Bildung ist das Fundament für Pflanzen, die ein Leben lang wachsen. Unsere Kinder sind die Pflanzen, die ein Leben lang wachsen, und mit dieser Förderung der Elementarpäda­gogik geben wir den Pflanzen das entsprechende Fundament, um auch in Zukunft den Herausforderungen gewachsen zu sein. Wichtig wird auf jeden Fall sein, die deutsche Sprache zu erlernen. Wir wissen, international ist Englisch gefragt, aber um sich im Land zu festigen, wird es wichtig sein, die entsprechende Sprachkenntnis zu haben.

Ich durfte gerade heute eine Familie kennenlernen. Die Mutter ist schon vier Jahre in Österreich und spricht kein Wort Deutsch. Das fünfjährige Kind musste alles überset­zen. Man sieht also: Kinder lernen schneller als Erwachsene. Ich glaube, es ist gut, dass wir den Kindern jetzt das Fundament geben, um in der sprachlichen Kompetenz weiter voranzuschreiten.

Das Thema Tagesmütter wurde angeschnitten. Ja, es ist besonders im ländlichen Raum wichtig, dass die Tagesmütter entsprechend unterstützt und ausgebildet werden. Ich sehe das in einer Landgemeinde, in der die Nachmittagsbetreuung teilweise nicht gefragt ist, aber Tagesmütter diese erledigen können und Kinder vom Dreijährigen bis zum 16-Jährigen betreuen.

Ein weiterer Punkt ist schon angeschnitten worden, und ich habe mich ein bisschen darauf vorbereitet, weil ich mir schon gedacht habe, dass mein Kollege Stögmüller wie­der die Zahlen von Oberösterreich bezüglich des Beitrages, den die Eltern leisten müs­sen, bringen wird. In Oberösterreich waren nach der Beitragseinhebung trotzdem noch 92 Prozent der Kinder im Kindergarten, und der Rest hatte verschiedene Gründe, entweder sind sie verzogen oder aus anderen Gründen nicht mehr in den Kindergarten gegangen. Wir haben aber Gemeinden, in denen es einen Zuwachs von bis zu 6, 7 Prozent gegeben hat und mehr Kinder als vor der Beitragseinhebung in den Kinder­garten gegangen sind.

In Oberösterreich werden zurzeit 143 Kindergartenprojekte, 77 Krabbelstuben, 11 Hor­te vorangetrieben. Das ist sehr begrüßenswert. In Oberösterreich werden im kommen­den Jahr insgesamt 250 Millionen Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung in die Hand genommen. Ich hoffe, die Kinderbetreuung wird in anderen Bundesländern, die vielleicht von anderen Parteien regiert werden, auch so ernst genommen wie bei uns in Oberösterreich, denn unsere Kinder sind die Zukunft. Wir müssen schauen, dass die Fachkräfte der Zukunft, wie das mein Kollege Seeber schon gesagt hat, entwickelt und herangebildet werden.

Ich kann nur allen Pädagoginnen und Pädagogen, die diese Ausbildung der Kinder vo­rantreiben, allen Lehrkräften, die die weitere Entwicklung der Schulen vorantreiben, ein Dankeschön sagen. Die meisten Aufgaben liegen aber schon immer wieder bei uns El­tern, damit die Kinder das Fundament haben, um Pflanzen zu werden, die gedeihen.

In diesem Sinne ist es ein gutes Gesetz, und wir werden natürlich der Artikel-15a-Ver­einbarung zur Elementarbetreuung zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.53


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 102

14.53.48

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Bundesministerin! Liebe Zuhörerinnen und Zu­hörer! Das Entstehen dieser Artikel-15a-Vereinbarung, die wirklich wichtig ist, gestalte­te sich ein bisschen schwierig: zuerst eine Ankündigung, dass die Mittel für den Aus­bau der Kinderbetreuung massiv gekürzt werden, dann konnte durch großen politi­schen Druck doch noch erreicht werden, dass es nicht zu einer Kürzung kommt. Das alles war dann noch ein bisschen im letzten Atemzug vor Auslaufen der vorhergehen­den Vereinbarung und zu Beginn leider auch mit einer sehr ausgrenzenden Verhand­lungskultur praktiziert.

Die schwarz-blaue Bundesregierung hat eine Ausweitung der Arbeitszeit und eine Ver­kürzung der Ruhezeiten beschlossen. Für die Frauen, die einen Großteil der Betreu­ungspflichten in Österreich übernehmen, ist es damit noch schwieriger geworden, Beruf und Familie zu vereinbaren. Jede zweite Frau in Österreich arbeitet Teilzeit, sehr viele nicht freiwillig, weil die Kinderbetreuung einfach nicht im erforderlichen Ausmaß gegeben ist. 19,9 Prozent Einkommensunterschied und ein Pensionsunterschied von 42 Prozent zwischen Frauen und Männern – das alles sind Zahlen, die zum Handeln zwingen und Rahmenbedingungen erfordern, um Beruf und Familie wirklich gut verein­baren zu können.

Frau Bundesministerin! Um vor allem Frauen eine Chance auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie geben zu können, braucht es eine wirkliche Ausbauoffensive in der Kin­derbetreuung, und deren Ziel muss über das Erreichen des Barcelonaziels hinausge­hen. Es braucht eine Ausbauoffensive sowohl für die unter Dreijährigen als auch für die über Dreijährigen.

Nicht vergessen darf man, dass in allen Statistiken, die jetzt zur Kinderbetreuung vor­liegen, auch die guten Werte, die Wien hat, mit eingerechnet werden. In Wien haben fast 95 Prozent der Kinderbildungseinrichtungen über 9 Stunden am Tag geöffnet bei durchschnittlich 4,4 Schließtagen, und fast alle Kindergärten haben mehr als 47 Wo­chen jährlich geöffnet. (Beifall bei der SPÖ.)

Das schaut im ländlichen Raum leider ein bisschen anders aus, und ich kann mich nur dem Redebeitrag der Kollegin aus Vorarlberg anschließen: Es ist ganz, ganz schwierig, Beruf und Familie im ländlichen Raum zu vereinbaren, und dort einen noch stärkeren Ausbau der Kinderbetreuung zu forcieren, wäre ein ganz, ganz wichtiger Punkt, um die Regionen zu stärken. Ich glaube, da sind wir in alle Richtungen ganz einer Meinung. (Bundesrat Bader: Und den Betreuungsschlüssel schaffen wir auch ab!) – Nein, den brauchen wir nicht abzuschaffen, wir brauchen einen besseren Ausbau der Kinderbe­treuung. Das ist eine der Grundvoraussetzungen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Ein Argument würde ich ganz gern noch mitgeben, weil ich glaube, es ist ein nicht un­wichtiges: Derzeit ist die Betreuung, die private Betreuungsstruktur noch sehr stark da­rauf ausgerichtet, dass man damit rechnet, dass vor allen Dingen Großmütter Betreu­ungspflichten übernehmen. Das faktische Pensionsantrittsalter steigt und wird in Zu­kunft noch mehr steigen. Dadurch ist der Ausbau der Kinderbetreuung noch mehr ge­fordert, denn diese Möglichkeit der Betreuung wird zukünftig immer mehr wegfallen.

Die dauerhafte Finanzierung ist für die Gemeinden natürlich eine ganz wesentliche Frage. Daher ist es besonders schlimm, dass die Aufgabenorientierung aus dem Fi­nanzausgleich mit November dieses Jahres rückwirkend gestrichen wurde. Die Aufga­benorientierung sah vor, dass die gesamten Mittel für Kindergärten ab 2018 kriterien­gebunden vergeben werden, wie zum Beispiel nach Anzahl der Kinder, Öffnungszeiten et cetera. Die Ertragsteile hätten in jenem Verhältnis verteilt werden sollen, in dem die


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 103

Gemeinden im Bereich der Elementarbildung Aufgaben übernehmen. Es ist wirklich bedauerlich, dass die Vergabe der Mittel nach dieser Vorgangsweise nun nicht mehr möglich ist.

Einen besonderen Fokus möchte ich noch auf die ElementarpädagogInnen legen; das haben schon meine VorrednerInnen getan, aber es ist so wichtig. Auch in diesem Be­reich sind hauptsächlich Frauen beschäftigt, und sie leisten wirklich tolle Arbeit. Sie sind gut ausgebildet, und ihre Arbeit mit den Kindern ist pädagogisch ganz wesentlich für die Zukunft unserer Kinder.

Ich möchte die Geschichte eines Buben erzählen, der in einer Familie ohne migranti­schen Hintergrund aufgewachsen ist, mit dem aber einfach nicht viel gesprochen wur­de. Seine Sprachkompetenz war dadurch sehr gering. Er kam – und das war sein Glück – in einen Kindergarten, wurde von einer Elementarpädagogin gefördert und wurde von den anderen Kindern auch angeleitet. Damit hatte dieser Bub dann die Chance, mit dem gleichen Sprachniveau wie Kinder, die eine gute Förderung erhalten, in die Schule einzusteigen. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig.

Ich habe leider viele verärgerte und enttäuschte Rückmeldungen von Elementarpäda­gogInnen bezüglich des Wertekatalogs erhalten. (Bundesrat Steiner: Ja, bei den Kin­derfreunden!) – Nein, nein! (Bundesrat Schuster: Es geht die ganze Zeit um die Kin­derfreunde!) Ihre Aussagen waren unisono: Wir setzen die Inhalte des Wertekatalogs schon längst um. Das war ihre Antwort: Wir setzen die Inhalte des Wertekatalogs schon längst um! Weiß das die Regierung denn überhaupt nicht? Von uns wird immer mehr gefordert, aber unsere Arbeitsbedingungen verbessern sich nicht.

Frau Bundesministerin! Bitte setzen Sie sich im Interesse der Beschäftigten in der Ele­mentarpädagogik und im Interesse der betroffenen Eltern für ein bundeseinheitliches Rahmengesetz für Kinderbildungseinrichtungen ein. (Bundesrätin Mühlwerth: Fangt einmal in Wien an!) Das ist wie viele Aufgaben der Politik im Interesse der Frauen nicht ganz leicht, aber es ist sehr wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)

Österreichweit gleiche Regelungen der Kinderbildung, der Arbeitsbedingungen, der Be­zahlung und der Umsetzung der VIF-Kriterien zu erreichen, ist ein wesentlicher Schritt zu einer modernen und zukunftsgerichteten Betreuungsstruktur. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59


Präsidentin Inge Posch-Gruska: Danke sehr.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Georg Schuster. – Bitte.


15.00.07

Bundesrat Georg Schuster (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren im Bundesrat! Zuerst möchte ich schon eines festhalten: Wenn man Probleme aufzeigt und thematisiert, dann heißt das nicht, dass das gleich ein Bashing ist, meine Damen und Herren. Seien Sie ein bisschen weniger wehleidig! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Zunächst einmal freue ich mich, dass dieses Bundesgesetz heute von allen Fraktionen beschlossen wird, denn das zeigt die hohe Qualität der Gesetze dieser Bundesregie­rung und auch die Mitarbeit der Opposition. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es freut mich auch sehr, dass durch den Abschluss der Artikel-15a-Vereinbarung zwi­schen Bund und Ländern die Finanzierung der Kindergärten für die nächsten vier Jahre gesichert ist. Somit werden dringende Maßnahmen wie der Ausbau der Kinderbil­dungs- und -betreuungsangebote, die frühe sprachliche Förderung ab vier Jahren so­wie eine Verbesserung der Qualität im Hinblick auf den Betreuungsschlüssel und die Öffnungszeiten umgesetzt.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 104

Als Wiener Bundesrat ist mir natürlich die sprachliche Förderung ein ganz großes An­liegen. Wenn man meinen Vorrednerinnen Gruber-Pruner und Korinna Schumann von der SPÖ zuhört, dann könnte man ja glauben, dass in den Wiener Kindergärten alles Friede, Freude, Eierkuchen ist und dass es dort überhaupt keine Probleme gibt. (Bun­desrat Steiner: Ja, bei den Kinderfreunden!) Ich kann Ihnen jedoch versichern, meine Damen und Herren, dass diese Ihre Ausführungen die Realität in Wiens Kindergärten überhaupt nicht widerspiegeln. Wer von den SPÖ-Bundesräten aus Wien war in die­sem Jahr in einem Kindergarten in Wien, um sein Kind anzumelden, und damit meine ich keinen Kinderfreunde-Kindergarten? Wer war das? – Es war keiner! Das habe ich mir fast gedacht.

Ich darf Ihnen jetzt meine Erfahrungen diesbezüglich mitgeben, denn ich habe mich ja heuer schon auf die Suche nach einem Kindergartenplatz gemacht. Ich kann Ihnen eines sagen, meine Damen und Herren: Einen Kindergartenplatz in einem öffentlichen Kindergarten oder auch in einem privaten Kindergarten in Wien und dann noch mög­lichst einen Platz im Wohnbezirk zu bekommen, das ist eine echte Herausforderung, wenn nicht fast unmöglich.

Schaut man sich einen privaten oder öffentlichen Kindergarten genauer an, dann kann man nämlich Folgendes feststellen, meine Damen und Herren: Die Zahl der nicht Deutsch sprechenden Kinder liegt selbst in einem Bezirk mit einem geringeren Anteil an Bewohnern mit Migrationshintergrund bei gefühlten 85 Prozent. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn man mit den pädagogischen Leitern spricht, denn mir ist es auch wichtig, mit den Leuten vor Ort zu sprechen, denn ich möchte sichergehen, dass mein Kind gut aufgehoben ist, dann wird einem mitgeteilt, dass man aus Rücksicht auf an­dere Religionen beim Mittagstisch kein Schweinefleisch essen darf. Sprich: Österreichi­sche Küche wie das Wiener Schnitzel gibt es dann nur mit Putenfleisch und den Schweinsbraten gibt es überhaupt nicht mehr. Also mir ist Ernährung für meine Kinder im Kindergarten wichtig, Ihnen offensichtlich nicht, meine Damen und Herren! (Wider­spruch bei der SPÖ. – Bundesrat Bader: Das darf ja nicht wahr sein!)

Es geht sogar noch weiter: Christliche Feiertage dürfen von Pädagogen nicht mehr erklärt werden, da sie den nicht christlichen Kindern Angst einflößen könnten. Meine Damen und Herren, wir feiern heute – das ist also ganz aktuell – den Heiligen Niko­laus. (Ruf bei der SPÖ: Das haben Sie nur so gehört!) Das ist keine Unwahrheit, wie Sie behaupten. Weil heute Nikolaus ist: Ich habe mit einer Pädagogin gesprochen, die hat mir wirklich ins Gesicht gesagt: Die Geschichte des Heiligen Nikolaus ist ja so brutal, die kann man den Kindern nicht erzählen. Da fürchten sich die Kinder. (Bun­desrat Weber: Was redest du denn vom Nikolaus? Zu dir kommt der Krampus! – Bun­desrat Krusche: Dann war gestern dein großer Tag!) Bitte, was haben wir denn für Zu­stände in Wien, meine Damen und Herren? Das ist ja unglaublich!

Oder ein anderes Highlight aus einem privaten Kindergarten - - (Rufe und Gegenrufe zwischen SPÖ und FPÖ.) – Ich weiß schon, wenn Sie keine Argumente mehr haben, müssen Sie ins Plenum hineinrufen. Das ist leider sehr traurig. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ein anderes Highlight: Eine pädagogische Leiterin eines Kindergartens hat mir im Ge­spräch ganz stolz erzählt, dass auch ihr eigenes Kind im selben Kindergarten war und bis auf ein paar grammatikalische Sprachfehler nach dem Besuch des Kindergartens ohnehin alles super war. Ein paar grammatikalische Sprachfehler in einem privaten Kindergarten, meine Damen und Herren! Also wenn das in privaten Kindergärten schon Standard ist, wie schaut es denn dann im öffentlichen Kindergarten aus, wo wir bei 90 Prozent nicht Deutsch sprechenden Kindern sind, meine Damen und Herren? Das versteht doch kein Mensch mehr, meine Damen und Herren!


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Wir haben vorhin schon über religiöse Symbole gesprochen. Das Kreuz finden Sie auch in den Wiener Kindergärten fast schon nirgends mehr, aber das Kopftuch ist als religiöses Symbol in Ordnung und muss toleriert werden. Frau Kollegin, das, was Sie da vorhin erzählt haben aus Wien, ist ein kompletter - - Da leben Sie in einer eigenen Blase, nicht böse sein, ja. Genau das werden wir zum Glück mit diesem Gesetz än­dern. Das Kopftuch wird hoffentlich endlich aus den Kindergärten verschwinden oder verboten, denn das Kopftuch ist nämlich ein Symbol der Unterdrückung und hat in un­seren Kindergärten absolut nichts verloren, meine Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dabei geht es auch um den Schutz der muslimischen Kinder vor religiöser Frühindok­trinierung und Sexualisierung, aber auch Stigmatisierung. Auch die nicht muslimischen Kinder müssen wir vor der Ausgrenzung schützen, denn diese sind in Wiens Kinder­gärten bereits ganz klar in der Minderheit. Auch die verstärkten Kontrollen in islami­schen Kinderbetreuungseinrichtungen unter dem Aspekt des besonderen Schutzes von Frauen und Mädchen sind ein wichtiger und richtiger Schritt dieses Gesetzes. Dies vor allem in Wien, denn da hatten wir bereits in der Vergangenheit durch die fahr­lässige rot-grüne Bildungspolitik massive Probleme. Ich sage nur das Stichwort Islam­kindergartenstudie. Was da herausgekommen ist, unglaublich! Das verschweigen Sie heute natürlich.

Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Rich­tung. Gerade in Wien, wo es leider schon Parallelgesellschaften gibt, wird dieses Ge­setz maßgeblich dazu beitragen, diese Parallelgesellschaften zurückzudrängen, denn nur das Erlernen der deutschen Sprache bereits im Kindergarten und der Schutz unse­rer Kinder vor Symbolen der Unterdrückung wie dem Kopftuch wird die notwendige Integration nachhaltig verbessern. Diese Bundesregierung verschließt die Augen vor den Problemen nicht wie Sie, meine Damen und Herren von der Wiener SPÖ. Diese Bundesregierung handelt! – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.07

15.07.09


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

15.07.379. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Ab­schaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in sta­tionären Pflegeeinrichtungen erlassen wird und mit dem das Finanzausgleichs­gesetz 2017 geändert wird (327 d.B. und 362 d.B. sowie 10055/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir kommen nun zum 9. Punkt der Ta­gesordnung, zu dem ich Herrn Vizekanzler Heinz-Christian Strache bei uns sehr herz­lich begrüßen darf. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich bitte um den Bericht.


15.08.12

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Ausschusses


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für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über einen Zweckzuschuss aufgrund der Abschaffung des Zugriffs auf Vermögen bei Unterbringung von Personen in stationären Pflegeeinrichtungen erlassen wird und mit dem das Finanzausgleichsgesetz 2017 geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile es ihr.


15.09.13

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Die verfassungsrechtli­che Abschaffung des Regresses bei der Unterbringung von pflegebedürftigen Men­schen in stationären Pflegeeinrichtungen war ein wichtiger Schritt. Damit wurde eine überaus belastende Situation sowohl für die zu Pflegenden als auch für die Angehöri­gen beseitigt. Die Furcht vor dem Verlust des Ersparten oder Aufgebauten allein durch die Tatsache, dass man pflegebedürftig wird, ist nun endlich Geschichte.

Der Zweckzuschuss für die Länder beträgt nun 340 Millionen Euro. Diese Mittel sind zeitnah und transparent an die betroffenen Städte, Sozialfonds und Sozialhilfeverbän­de weiterzugeben. Die Endabrechnung erfolgt dann erst 2019, und die Länder müssen einen etwaigen Übergenuss zurückzahlen.

Die prozentuelle Verteilung der Mittel ist leider nicht wirklich nachvollziehbar. Auch wenn nach der Information des Ausschusses der Bedarf der Länder eingemeldet wur­de, ist es nicht nachvollziehbar, und das würde ich gerne am Beispiel von Wien erklä­ren. Welchen Schlüssel zieht man nun für die Verteilung der Mittel heran, zieht man den Bevölkerungsschlüssel heran oder den Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre? Wien erhält nun 16,61 Prozent der Mittel bei einem Bevölkerungsanteil von 18,9 Pro­zent über 65 Jahre. Der Anteil für Wien wurde mit 56,5 Millionen Euro festgelegt. Schon allein im ersten Halbjahr werden Kosten von 48 Millionen Euro zu erwarten sein. Jetzt kommt der Gedanke auf, dass die Verteilung der Mittel parteipolitisch motiviert ist.

Die Pflege wird aufgrund der altersmäßigen Entwicklung der Menschen in Österreich eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre. Hier müssen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Betreuung und Pflege älterer Menschen sicherzustellen. Ein würdiges Altern und Sterben muss für alle Menschen möglich sein, nicht nur für jene, die es sich leisten können.

Die angekündigte Generallösung der Regierung für die Pflegefrage bleibt leider in einer reinen Analyse stecken. Bei all den Erfahrungen und Handlungsweisen und der so­zialen Einstellung dieser Bundesregierung kann man sich nur große Sorgen machen, wie diese Generallösung dann praktisch aussehen wird. Es geht um Respekt im Um­gang mit den älteren Menschen, die keine Angst haben dürfen, ob sie sich zukünftig Betreuungsunterstützung oder Pflege leisten können. Die Pflege eignet sich nicht dazu – und das ist genauso bei der Gesundheit –, große wirtschaftliche Gewinne erzie­len zu wollen, und das auf Kosten der älteren und behinderten Menschen, deren Ange­hörigen und der Beschäftigten in Betreuung und Pflege.


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Pflege ist weiblich. Die Pflege und Betreuung wird in der Familie zum Großteil von Frauen übernommen. Die Beschäftigten in Pflege und Betreuung sind ebenfalls über­wiegend weiblich. Und Pflege ist eine schwierige Aufgabe. Sie ist physisch belastend – etwa das Heben von Menschen – und sie ist psychisch belastend, und das nicht nur bei dementen älteren Menschen. Die in der Pflege Beschäftigten leisten Enormes und besitzen große Empathie für die Menschen, die ihnen zugeteilt sind und die ihre Hilfe brauchen, aber sie leiden unter schweren Arbeitsbedingungen: zu wenig Personal und schlechte Bezahlung. Es besteht meist unglaublicher Zeitdruck in den Arbeitsabläufen, und die nötige gesellschaftliche Anerkennung erhalten sie keineswegs.

Eine Kollegin in der Pflege hat erst gestern zu mir gesagt: Du weißt, ich arbeite Teilzeit, aber ich möchte eigentlich gar nicht Teilzeit arbeiten, denn ich könnte das Geld brau­chen. Es ist einfach eine Tatsache, dass meine Arbeit so belastend ist, und es sind so wenige Kolleginnen da und der Druck ist so hoch, dass ich es in einer Vollzeitarbeit nicht schaffe!

Hier muss angesetzt werden. Das Berufsbild und die Arbeitsbedingungen in der Pflege und Betreuung müssen auf allen Ebenen aufgewertet werden. Häusliche und private Pflege beziehungsweise Betreuung dürfen zu keiner Falle werden, die in Abhängigkeit und Altersarmut führen. Menschen, die gerne ihre älteren Angehörigen pflegen möch­ten, sollen das auch tun können, und auch sie brauchen wirklich starke Unterstützung. Aber es darf insbesondere für Frauen kein unabdingbares Schicksal sein, ganz selbst­verständlich die Pflege von Angehörigen übernehmen zu müssen. Die qualitätsvolle stationäre und mobile Pflege müssen ausgebaut werden, mit österreichweit einheitli­chen Standards, auch im Interesse der Beschäftigten.

Es gilt, ein sicheres Pflegeplatzangebot für die Zukunft zu gestalten und stabil zu finan­zieren. Menschen sollen keine Angst davor haben, älter zu werden, und sie müssen nicht die bange Frage stellen: Wie werde ich im Älterwerden unterstützt? Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie ein sicheres Pflegesystem haben und ein Be­treuungsangebot, das nicht davon abhängt, unter welchen Vermögensbedingungen man lebt. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Ich frage mich, was ihr die letzten zwölf Jahre getan habt!)

15.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch zu Wort. Ich erteile es ihm.


15.14.53

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Wer­tes Präsidium! Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt Frau Bundesrätin Schumann zugehört habe, fällt mir nur eines ein: Der Unterschied zwischen SPÖ und der Regie­rung ist, dass die Regierung sozial ist und die SPÖ eben sozialistisch, denn was habt ihr die letzten Jahre wirklich gemacht? (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Kollege Hundstorfer hat es die ganze Zeit auf die lange Bank geschoben. Nun hat die Regierung sich über diese knifflige Frage drübergetraut und hat das endlich in die Gän­ge gebracht, weil man gesagt hat, dass es an und für sich unfair ist, wenn für Men­schen, die ein ganzes Leben gearbeitet und dann nicht das Glück der Mobilität im Alter haben, wenn für diese Menschen, die dann krank werden und gepflegt werden müs­sen, wo die ganze Familie vielleicht auch noch miteinbezogen ist, wenn die dann in ei­ner Pflegeeinrichtung sind, dann zum Schluss praktisch der Offenbarungseid übrig bleibt. Und genau davor hat sich die Sozialdemokratie, hat sich Hundstorfer wirklich davongeschlichen. (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn.)


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Jetzt wird endlich etwas gemacht, und wenn ich richtig informiert bin – ich habe nach­gelesen –, haben sich die Länder in Wirklichkeit ja geeinigt. Ich frage mich ja immer, was dieser Pulverdampf soll, der vielleicht noch aus der Historie kommt, aus der So­zialistischen Internationalen, wo man vielleicht noch vom letzten Gefecht träumt oder sonst irgendetwas. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Aber das ist doch nicht die heutige Politik. Die Menschen wollen ihren Frieden, die Menschen wollen mit ihrem Einkommen ein Auskommen haben, die Menschen wollen soziale Sicherheit haben.

Gott sei Dank ist diese Regierung jetzt angetreten und bringt soziale Sicherheit. Mit der Sozialdemokratie hätte es – wie schon in der Vergangenheit nicht – eine Abfertigung Neu, Elternteilzeitkarenz, Mehrstundenzuschlag für Teilzeitkräfte, Kindergeld und sol­che Sachen ja gar nicht gegeben; Kindergeld, wofür Jörg Haider noch ausgelacht wur­de, und, und, und – alles, was heute selbstverständlich ist –, Mehrstundenzuschlag, zu dem man 2003 in der Arbeiterkammer einen Antrag eingebracht hat, den die Sozialde­mokratie in der Arbeiterkammer damals abgelehnt hat, und so weiter, bis zur heutigen Regierung, die einen Familienbonus geschaffen hat, der den Familien wirklich etwas bringt. (Bundesrätin Hahn: Soziale Gerechtigkeit!) Und diejenigen, die keine Kinder ha­ben und trotzdem auch wenig verdienen, werden auch, wie wir es jetzt dann sehen werden, etwas zurückbekommen, wodurch auch die Kaufkraft gestärkt wird.

Wo war denn die Gewerkschaft – wenn ich Kollegin Schumann anschaue – in den letz­ten Jahrzehnten, als es darum gegangen ist, nicht die KV-Löhne zu verkaufen, als die Istlohnerhöhung teilweise unter der Inflation lag, als die Mittelschicht ausgedünnt wurde, die Mittelschicht immer weniger geworden ist und wirklich effektiv Kaufkraftver­luste da waren? Ich würde der Sozialdemokratie wirklich empfehlen, einmal darüber nachzudenken. Obwohl, wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie ganz einfach – das ist der europäische Verlauf – das Schicksal der Grünen teilen. (Heiterkeit und Bei­fall bei der FPÖ.)

15.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner zu Wort. Ich erteile es ihm.


15.18.44

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren! Mit der Abschaffung des Pflegeregresses ist vielen Men­schen in unserem Lande doch ein großer Stein vom Herzen gefallen. Es war ein unge­mein großer sozialpolitischer Schritt, der für alle Menschen in Österreich nachhaltig Gültigkeit hat und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet. Dies gilt natür­lich insbesondere für jene Menschen, die pflegebedürftig sind beziehungsweise pflege­bedürftig werden. Der enorme Druck des staatlichen Zugriffes auf das Hab und Gut ganzer Familien wurde genommen.

Gleichzeitig mit der Abschaffung des Pflegeregresses wurde auch ein weiterer großer Schritt verlangt, nämlich für die Beschäftigten im Bereich der Pflege Maßnahmen zu setzen, um eine entsprechend fachlich fundierte Ausbildung zu ermöglichen. Weiters sollten 50 Prozent der Kosten für die mobile Hilfe aus einem Pflegefonds abgesichert werden. Erklärtes Ziel war es, im gesamten Bereich der Pflege auf die besonderen Be­dürfnisse jener Menschen, die Behinderungen beziehungsweise Einschränkungen ha­ben, besonders Rücksicht zu nehmen. Leider ist es nicht gelungen, die Zustimmung des damaligen Koalitionspartners zu einer nachhaltigen Finanzierung der Pflege zu er­halten. Vorgesehen war eine Finanzierung durch die Einführung einer Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Doch das war nicht möglich, und die Gründe dafür sind uns allen bekannt.

Nun kam es zu Sonderkonstruktionen, deren Qualität – wie man heute sieht – außer­ordentlich problematisch ist. Jetzt muss man die Pflegekosten finanzieren und einen


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Zweckzuschuss in Höhe von 340 Millionen Euro für das Jahr 2018 gewähren. Leider ist auch deutlich geworden, dass man sich nicht an jene Vereinbarungen hält, die mit den Ländern, den Ländervertretern, getroffen wurden. Man ist vonseiten des Bundes so aufgestellt, dass dieses Geld aus den Umsatzsteueranleihen des Bundes kommen soll und im Dezember an die Länder ausbezahlt wird. Aufgabe der Länder ist es dann, die­se Mittel transparent und zeitnah an die betroffenen Gemeinden, Städte, Sozialfonds und Sozialhilfeverbände zu verteilen. Die Endabrechnung ist erst im Nachhinein, 2019, vorgesehen. Die tatsächlich ermittelten Mehrkosten für das Jahr 2018 sollen dann auch als Grundlage für weitere Verhandlungen zwischen Bund und Ländern dienen.

Diese beabsichtigte Vorgehensweise entspricht nicht den Vereinbarungen mit den Län­dern. Es wurde kein absoluter Höchstbetrag in Höhe von 340 Millionen Euro zur Ab­geltung der Auswirkungen des Pflegeregresses an Länder und Gemeinden vereinbart. Diesen sind nach erfolgter Abrechnung die tatsächlichen Kosten zu ersetzen. Der Be­trag von 340 Millionen Euro wird nur als Akontierung für das Jahr 2018 in der vorge­sehenen Form akzeptiert. Die Abgeltung der den Gemeinden entstandenen tatsächli­chen finanziellen Auswirkungen hat durch den Bund zu erfolgen, und als Abrechnungs­termin kommt bestenfalls der 30. April 2019 infrage. Das ist das Ergebnis der Landes­hauptleutekonferenz, das einvernehmlich festgelegt und akzeptiert wurde.

Diese Kunstgriffe und Sonderfinanzierungsformen sind deshalb notwendig geworden, da andere Formen der Finanzierung, wie sie von den Sozialdemokraten vorgeschlagen wurden, bisher abgelehnt wurden. Heute, meine Damen und Herren, wurde von der SPÖ ein konkreter Plan zur Unterstützung Pflegebedürftiger und Angehöriger vorge­legt. Es geht bei einem so bedeutenden Thema, das für uns in der Zukunft noch rele­vanter wird, nicht allein darum, reflexartig alles schlechtzureden, sondern es geht da­rum, konkrete Lösungsmodelle zu präsentieren, Modelle, die eine Absage an eine schnelle Showpolitik sind, Modelle, die ein wirkliches Angebot für die Menschen bedeu­ten, eben Modelle, wie sie heute in einem SPÖ-Pflegekonzept zur nachhaltigen Lö­sung der Pflegefragen vorgelegt wurden. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Stögmüller.)

Der Dreistufenplan der SPÖ würde für eine nachhaltige Lösung der Pflegefragen sor­gen. Es wird einmal den Betroffenen ermöglicht, so lange zu Hause betreut zu werden, wie es geht, zum anderen müsste niemand Angst davor haben, sich eine qualitativ hochwertige Pflege nicht leisten zu können. Peter Kaiser, der Kärntner Landeshaupt­mann, der diese Vorschläge heute kommentiert hat, führt aus, dass die Pflegemilliarde, das heißt die Aufstockung des Pflegegarantiefonds um 1 Milliarde Euro, den Betrof­fenen die Inanspruchnahme eines hochwertigen Pflegeangebotes ermöglicht. Werden diese Angebote zusätzlich um die stundenweise Heimhilfe aufgestockt, dann können pflegebedürftige Menschen aus einem wirklich großen Pflegeleistungspool schöpfen.

Zur Finanzierung der zusätzlichen Kosten schlägt Kaiser eine ernsthafte Diskussion beispielsweise über eine Millionärssteuer in Form einer Erbschaftssteuer ab einem Geldvermögen von 1 Million Euro (Zwischenrufe bei der FPÖ) sowie über eine Digital­transaktionssteuer vor. Abzulehnen ist aber jegliche neoliberale Finanzierungsfantasie wie zum Beispiel eine Pflegeversicherung. Es ist Aufgabe der österreichischen Bun­desregierung, dafür Sorge zu tragen, die Steuereinnahmen so umzuschichten, dass Österreich als eines der reichsten Länder der Welt seinen Menschen ein bestens funk­tionierendes Pflegesystem anbieten kann. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Stögmüller.)

Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, den heute vorgelegten SPÖ-Pflegeplan als das wahrzunehmen, was er ist: ein konstruktiver Lösungsvorschlag, um das Pflege­wesen in Österreich auf qualitativ hohem Niveau zukunftsfit zu machen. Die Regierung


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kann die jetzige Diskussion auch als Chance aufgreifen und nutzen, um gemeinsam an einem Tisch und auf Augenhöhe eine Lösung zu finden.

Meine Damen und Herren, Pflege ist wichtig, Pflege muss finanziert werden. Daher wird die Zurverfügungstellung ausreichender Finanzmittel für die Pflege gefordert. Es kann keinen Deckel und keine Höchstgrenze geben für das Recht, in unserem Lande eine qualitativ hochwertige Pflege zu bekommen, wenn man sie braucht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

15.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gelangt Frau Dr. Andrea Eder-Gitschthaler. Ich erteile es ihr.


15.25.43

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Eine Freundin von mir hat, nachdem sie drei Kinder aufgezogen hat, zuerst den Vater, dann die Mutter zu Hause gepflegt, wirklich bis zum Rande der Erschöp­fung. Sie hat sich aufgeopfert. Und solche Menschen gibt es wirklich viele in Öster­reich. Das sind für mich die Heldinnen und Helden des Alltags. Diesen pflegenden An­gehörigen gehören zuerst einmal mein großer Respekt und meine Anerkennung für ih­re tägliche Leistung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Warum ich das sage? – Ohne diese Menschen könnten wir uns unser Pflegesystem schon gar nicht mehr leisten. Wir haben in Österreich ungefähr eine Million pflegende Angehörige, und die müssen wir unterstützen. Als Funktionärin des Seniorenbundes und des Hilfswerks sehe ich das täglich. Wir haben hier im Hohen Haus, wie schon meine Vorrednerinnen und -redner gesagt haben, am 29. Juni 2017 den Pflegeregress abgeschafft. Das war für mich auch ein großer Meilenstein und das war eine lang­jährige Forderung auch von uns im Seniorenbund. Das war wirklich richtig und wichtig, denn es hat ja Ungleichheiten gegeben. Sie alle kennen das: Wenn man nicht recht­zeitig übergeben hat, dann sind diejenigen zum Handkuss gekommen, et cetera.

Es gilt jetzt, das System nachhaltig zu gestalten und mittelfristig abzusichern. Dazu ha­ben wir in Salzburg bereits die Pflegeplattform gegründet, unter unserem Landeshaupt­mann-Stellvertreter Christian Stöckl und unserer Klubobfrau Daniela Gutschi, die auch im Hilfswerk Geschäftsführerin ist. Sie leisten hier wirklich hervorragende Arbeit und haben sich intensiv eingebracht.

Es gibt jetzt auch auf Bundesebene den Masterplan Pflege, der am Mittwoch vorge­stellt wurde. Und, Kollege Leitner, diese Regierung handelt und tut. Sie war bereits, ei­nen Tag bevor Ihre Parteivorsitzende ihren Plan auf den Weg gebracht hat, da. Die Dinge, die hier enthalten sind, sind sehr konkret und sehr, sehr wichtig, die werden auch weiterverfolgt. Diese Regierung tut und handelt, ja, die anderen haben zuge­schaut. Es tut sich etwas! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wie im Regierungsprogramm festgelegt, soll ein Konzept zur langfristigen Finanzierung der Pflege ausgearbeitet werden. Es wurde dieses 15-seitige Papier jetzt im Ministerrat beschlossen, und Ende 2019 wird unter Einbeziehung von vielen Expertinnen und Ex­perten ein fertiges Konzept in ein Gesetz einmünden.

Sie sehen, der Masterplan steht, und Sie können sicher sein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, das wird auch sicher etwas werden. Sie werfen uns immer vor, wir sind zu schnell, und jetzt sind wir auf einmal zu langsam, wie geht das? (Bundes­rätin Mühlwerth: Man kann es ihnen nie recht machen, es ist so wurscht! – Ruf: Die kommen nicht mit, weil wir so schnell sind!)


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Themenfelder, in denen die Regierung nun aktiv wird, unter der Prämisse „Pflege da­heim vor stationär“ natürlich: Wir wollen die pflegenden Angehörigen entsprechend un­terstützen, wir wollen die 24-Stunden-Betreuung künftig auf mehrere Personen aufteil­bar machen, es soll ein besseres Controlling geben, Stichwort Qualitätskontrolle. Auch wir im Seniorenbund haben das immer gefordert, denn es gibt derzeit 18 Prüforgane, das soll natürlich vereinfacht werden. Neu angedacht ist auch die Ausweitung des Frei­willigen Sozialen Jahres auf den Bereich der häuslichen Betreuung, wobei nicht nur die Pflege im Fokus stehen wird. Weitere Punkte sind natürlich die Verbesserung der Si­tuation der Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten, ich sage nur: Imageaufbesserung. Ich höre immer wieder, dass diese Damen und Herren, denen wirklich unser Dank für ihre tägliche Arbeit gebührt, sagen, sie leiden darunter, dass sie nicht entsprechend anerkannt werden. Auch das wurde erkannt und es wird gehandelt.

Auch über den Lückenschluss zwischen 15 und 18 Jahren, wo wir immer davon reden, dass wir die Jugendlichen in diesem Bereich behalten, wird nachgedacht, und unter Umständen über eine Pflegelehre. Das ist also ein sehr breites Diskussionsfeld, das sich jetzt auftut.

Meiner Meinung nach geht es aber auch noch um Themen wie mehr betreutes Woh­nen, mehr Seniorentagesbetreuungsstätten oder auch neue Formen der Heimunter­bringung. Das sind alles Dinge, die jetzt wirklich breitest durchdiskutiert werden. Und dafür möchte ich Ihnen (in Richtung Vizekanzler Strache) als Vertreter der Bundesre­gierung danken, dass das jetzt so aktiv auf den Weg gebracht wurde.

Wir haben schon von Kollegen Leitner gehört, dass das mit den 340 Millionen Euro ein Problem sei, dass es anscheinend keine Diskussion mit den Ländern gegeben hat. Ich habe da andere Informationen. Unser Landeshauptmannstellvertreter ist ein Sparfuchs, der lässt sich sicher keinen Euro entgehen, dieser Betrag wurde sicher gut mit den Ländern verhandelt. Und der Schlüssel, das wurde uns ja im Ausschuss genau erklärt, ist sehr wohl mit allen Ländern akkordiert und beschlossen worden. Also ich sehe da keine Problematik, ich frage mich nur, wenn Sie jetzt nicht zustimmen: Wie werden Sie das den Sozialhilfeverbänden und den Gemeinden erklären, dass Sie eigentlich dage­gen sind, dass die jetzt das Geld bekommen? – Aber das ist dann Ihr Problem und nicht meines. (Bundesrat Beer: Zu wenig Geld!)

Ich bin froh, dass wir heute diesen Beschluss fällen können, ich danke allen, die dazu beigetragen haben. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, vielleicht über­legen Sie es sich doch noch, dass Sie zustimmen! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm. (Bundesrätin Mühlwerth: Uns bleibt auch nichts er­spart!)


15.32.00

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Wertes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeu­gung, dass das Abschaffen des Zugriffs auf Vermögen bei der Unterbringung von Per­sonen in stationären Pflegeeinrichtungen ein ganz wichtiger und gerechter Schritt ist. Eine solidarische Gesellschaft beruht auf dem Prinzip, dass bessergestellte Menschen die Menschen, die weniger privilegiert sind, zu unterstützen haben, dass die jüngere Generation sich um die ältere Generation kümmert.

Genauso sehe ich es beim Thema Pflege und Betreuung von älteren Menschen, denn, ganz ehrlich, jeder von uns wünscht sich irgendwann einmal die Gewissheit, egal wie


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und wohin das Leben auch verlaufen ist, dass man im Alter nicht ganz alleine und auf sich gestellt ist. Gerade in Zeiten, in denen die Arbeitsmarktsituation immer prekärer wird, junge Menschen hinsichtlich ihrer Zukunft immer unsicherer sind, von Praktikum zu Praktikum springen müssen, braucht es eine Gewissheit, dass zumindest die Pen­sion, die Betreuung im Alter abgesichert ist.

Unsere Aufgabe als PolitikerInnen ist es, Sicherheit, soziale Sicherheit zu schaffen – und das beginnt nun einmal bei der Finanzierung. Wir Grüne haben bereits im Ju­li 2017, als die Abschaffung mittels Abänderungsantrag durch das Parlament gebracht worden ist, auf das Riesenproblem der Finanzierung hingewiesen; denn die 100 Millio­nen Euro, die der Pflegefonds zur Ausschüttung erhalten hat, sind – und man sieht es jetzt genau – unmöglich ausreichend, um den Entfall der Einnahmen für die Sozialhil­feverbände, für die Länder und die Gemeinden auszugleichen. Es wurde dazumal kei­ne Kostenabschätzung gemacht, es gab keine Vereinbarung mit den Ländern – und wir Grüne haben dieses Vorgehen auch hier im Bundesrat als Ländervertreter massiv kritisiert. Diese gerechte und längst überfällige Abschaffung des Pflegeregresses war damals leider als Schnellschuss ohne wirkliche Gegenfinanzierung dem Wahlkampf geschuldet. Und so ehrlich muss man sein, so positiv ich es auch finde: Man hätte das schon viel früher, viel stärker, viel durchdachter, viel sinnvoller umsetzen können.

Das wird jetzt ausgebessert, deswegen werden wir Grüne dem natürlich auch zustim­men, das ist überhaupt keine Frage. Ich möchte aber schon noch eines sagen, das muss ich bei dem wichtigen Thema Pflege ansprechen: Es braucht ein Konzept, um die Pflege zukunftsfit und auch finanzierbar beziehungsweise attraktiv zu gestalten. Ohne ein umfassendes Konzept wird die Betreuung von älteren Menschen gegen die Wand gefahren werden – das müssen wir begreifen und auch angehen –, denn auf­grund der demografischen Entwicklung und des zunehmend verringerten Pflegepoten­zials innerhalb von Familien wird sich die Situation zukünftig noch weiter zuspitzen.

Die Pflege innerhalb der Familie ist nach wie vor die wichtigste Pflegeform – Kollegin Schumann hat es schon angesprochen –, es sind nach wie vor mehrheitlich Frauen, die sich unentgeltlich um Angehörige kümmern. Dieses System gerät jedoch aufgrund der demografischen Entwicklung, der Veränderung von Haushaltsstrukturen, es gibt immer mehr Singlehaushalte, der Gesundheitsentwicklung und der erhöhten Erwerbs­beteiligung von Frauen immer mehr in Ungleichgewicht, immer mehr unter Druck. Die Frage, wie Langzeitpflege in den kommenden Jahren organisiert und finanziert werden kann, soll uns alle gerade auch hier im Bundesrat wirklich beschäftigen.

Aktuelle Studien gehen davon aus, dass die Ausgaben für das Pflegegeld bis zum Jahr 2050 um 67 Prozent und die Ausgaben für Pflege- und Betreuungsdienste sogar um 360 Prozent steigen werden – also da kommen noch ganz andere Hürden und He­rausforderungen auf uns zu. Es ist höchste Zeit, um eine langfristige finanzielle Absi­cherung der Pflege sicherzustellen. Der Pflegefonds, der Länder und Gemeinden mit Zweckzuschüssen finanziell unterstützt, leistet einen guten Beitrag dazu, das steht meiner Meinung nach außer Frage, er wird jedoch immer nur temporär finanziell aus­gestattet. Das bedeutet, es fehlt Bund, Ländern und Gemeinden einfach die langfristige Perspektive.

Für uns Grüne ist klar, dass man aufgrund der steigenden Kosten nicht ohne zusätzli­che Mittel aus Erbschafts- und Schenkungssteuer für die Pflege auskommen wird. Wir Grüne sprechen uns klar für die Beibehaltung eines Pflegesystems aus, das durch all­gemeine Steuern finanziert wird, denn dadurch ist auch in Zukunft – und das ist mir wichtig – sichergestellt, dass wirklich alle und nicht nur die privilegierten Menschen in Österreich einen Anspruch darauf haben.

Wir fordern eine massive Aufwertung der Carearbeit, die fast ausschließlich von Frau­en geleistet wird. 75 bis 80 Prozent der Pflegeleistungen werden informell geleistet,


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das heißt, 80 Prozent der zu pflegenden Menschen werden von Angehörigen, Ver­wandten, FreundInnen, Nachbarn oder sonst irgendjemandem betreut – und das, wie bereits gesagt, ohne Bezahlung. Diese wichtige Arbeit leisten die Frauen ohne Anrech­nungszeiten, ohne Versicherungszeiten und mit allgemein verschwindender Wertschät­zung bezüglich Sozialleistungen.

Es braucht nun endlich einmal einen bundeseinheitlichen Personalschlüssel in den sta­tionären Betreuungseinrichtungen, der sich auch wirklich an die aktuellen Herausfor­derungen, die aktuellen Situationen in den Pflegeeinrichtungen anpasst. Ich sage nur: Stichwort Demenz, Pflegestufe 3 – die Leute, die sich mit diesem Bereich beschäfti­gen, wissen, was ich meine.

Ein riesiges Problem, das auf uns zukommt, das noch gar nicht, glaube ich, wirklich an­gesprochen worden ist – und alle, die im Sozialhilfeverband, in den Bezirken und so weiter tätig sind, wissen es –, ist, dass es einfach keine Pflegekräfte mehr gibt. Wir ha­ben einen akuten Pflegekräftemangel draußen in der Peripherie, das ist ein Riesenpro­blem, das müssen wir angehen. Egal ob in der mobilen oder in der stationären Betreu­ung, da braucht es definitiv eine Anhebung der Löhne, moderne Arbeitszeitmodelle, Personalschlüssel, klare Kompetenzverteilung, Druck von den Pflegekräften. Ich glau­be, das wird für die langfristige Absicherung im Sinne der Pflege wirklich notwendig sein. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Problem. Das ist auch an Sie, Herr Vi­zekanzler, gerichtet: Vielleicht können Sie das dem Sozialministerium ausrichten, da braucht es wirklich Antworten, damit wir zukunftsfit werden.

Herr Vizekanzler, so ungern Sie das auch hören, reden wir doch bitte wirklich einmal über eine Erbschafts- und Schenkungssteuer mit einem Schonvermögen! Ich rede jetzt nicht von einem generellen Drüberfahren oder einer Massensteuer, wie es die Sozial­ministerin im Nationalrat behauptet hat (Bundesrat Schuster: Noch mehr Steuer! Ab­zocke!) – nein! –, sondern davon, dass es wirklich nur die trifft, die es sich leisten kön­nen, die Millionäre sind, die erben. Ich rede nicht von einer Angleichung von allen, ich rede von einer solidarischen Gesellschaft, davon, dass die Reichen etwas für die Ar­men hergeben, dass es eine solidarische Gesellschaft ist. In einer sozial abgesicherten Gesellschaft profitieren auch die reichen, die wohlhabenden Menschen, das wäre sinn­voll. Davon, dass es jemandem schlechter geht, profitieren ja die Reichen auch nicht. Wir brauchen eine solidarische, eine sozial abgesicherte Gesellschaft.

Hinsichtlich der Finanzen braucht es auch längerfristige Perspektiven der Finanzierung von Bund und Ländern, die über Legislaturperioden, über Finanzausgleichsperioden hi­nausgehen, und nicht jedes Jahr wieder neue Finanzverhandlungen. Es braucht fi­nanzielle Absicherungen für alle Stakeholder da draußen. Zudem muss es gelingen, dass im Rahmen des Pflegefonds eine österreichweite Vereinheitlichung des Pflege- und Betreuungsangebots erreicht wird. Das wäre notwendig, denn derzeit entscheidet de facto die Postleitzahl über das Ausmaß, die Kosten und die Qualität der Leistungen, die pflegebedürftige Menschen erhalten. Das ist ungerecht und das müssen wir än­dern.

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass die steigenden Kosten in der Pflege nicht nur als Problem, sondern auch als Chance gesehen werden. In einer gesamtwirt­schaftlichen Perspektive führen die Investitionen zu einer höheren Beschäftigung, zu Mehreinnahmen bei der Lohnsteuer und im Sozialversicherungssystem sowie geringe­ren Ausgaben in der Arbeitslosenversicherung. Pflegepolitik verlangt Weitblick und ein langfristiges Konzept, damit auch weiterhin jeder Mensch einen Zugang zu qualitätsvol­ler Pflege und Betreuung hat.

Ich hoffe wirklich, dass sich diese Bundesregierung dieses Themas ernsthaft annimmt. Es ist jetzt ein Entwurf gekommen – die Frau Kollegin hat da schon hineingeschaut –, wir werden ihn genau begutachten, wir werden darüber reden und, wie gesagt, wir


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Grüne werden uns konstruktiv, wenn gewollt, daran beteiligen, auch in den Ländern draußen. Ich glaube, es ist notwendig, dafür zwischen Bund und Ländern eine gute Ko­operation zu finden.

Ich sage vielen Dank, und natürlich werden wir dem heute zustimmen. – Danke. (Bei­fall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

15.40


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gelangt Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Ich erteile es ihm.


15.40.46

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viel­leicht sei nur eingangs erwähnt, dass ich dem, was ja heute so als Zwischenruf fest­gehalten wurde, nämlich dass der Familienbonus, der mit Jänner kommenden Jahres durch diese Regierung in Kraft gesetzt wird, keine so gerechte Errungenschaft sei, nur entgegnen kann: Der Familienbonus ist eine der größten Errungenschaften in der Zweiten Republik, wenn es um Familienentlastung geht, da natürlich all jene, die einen ganz wesentlichen Zukunftsbeitrag für unsere Gesellschaft leisten, indem sie Kindern das Leben schenken, als Familienangehörige für ihre Kinder Zusatzinvestitionen zu leisten haben. Diese Kinder werden es einmal sein, die überhaupt die Pflege, über die wir heute gerade auch diskutieren, finanzieren werden oder auch als Pflegekräfte zur Verfügung stehen; daher ist jede Entlastung für die österreichischen Familien ein ganz wesentlicher, sozialpolitisch wichtiger und gerechter und fairer Schritt. Das wollte ich nur einmal festhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das heißt, das ist eine ganz große, ja, die größte Familienentlastungserrungenschaft der Zweiten Republik, bei der alle Familien, auch die geringfügig Beschäftigten, die kei­ne Steuern zahlen, neben der Familienbeihilfe und dem Kindergeld für alle, eine Ent­lastung von 750 Euro pro Jahr – obwohl sie als geringfügig Beschäftige keine Steuern zahlen – pro Kind haben. Und jene, die Steuern zahlen, bekommen darüber hinaus ei­ne entsprechende Familienentlastung bis 1 500 Euro pro Jahr und pro Kind. Das ist gut so, denn wenn man von Steuerentlastung spricht, dann kann man das nur durch Steu­ersenkung erreichen, und nicht anders. – Auch das war einmal nur zur mathemati­schen Logik festzuhalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Einleitend vielleicht auch ganz kurz zum chronologischen Ablauf und Inhalt der gesetz­lichen Regelungen, zum heutigen guten Schritt, der ja sozusagen noch einmal eine Er­gänzung zu dem ist, was wir vor der letzten Wahl beschlossen haben, nämlich die gute und richtige Abschaffung des Pflegeregresses – und das ist ein wichtiger sozialpoliti­scher Schritt –: Der Nationalrat hat am 29. Juni 2017 mit einer breiten Mehrheit für die­se Abschaffung des Pflegeregresses gestimmt. Nur die NEOS haben damals dagegen­gestimmt, die wollten weiterhin den Zugriff aufs Vermögen, nämlich von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben und Erbin­nen sowie Geschenknehmern und Geschenknehmerinnen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten. Wir haben das zum Glück abgeschafft, mit 1. Jänner 2018 in Umsetzung gebracht – ein guter und richtiger sozialpolitischer Schritt, damit eben die pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörige in Zukunft auch eine Si­cherheit haben und nicht auf das Vermögen zugegriffen wird.

Jetzt muss man der Ordnung halber auch sagen, der Finanzminister hat die Aufgabe gehabt, neben den 100 Millionen Euro, die im Mai auch beschlossen und überwiesen worden sind, mit den Ländern zu verhandeln und auf Basis der Verhandlungsergeb­nisse mit den Landeshauptleuten, auf Basis auch der Meldungen der wirklichen Kos­ten, die jetzt einmal zu eruieren waren und die eingemeldet worden sind, eine Summe


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sicherzustellen. Das war jetzt einmal die vorläufige Einigung mit den Landeshauptleu­ten, und wir wollen in diesem Jahr, und das ist unser Anspruch, die noch fehlenden 240 Millionen Euro auch überweisen. Und, vollkommen richtig, dann muss man sich im nächsten Jahr zusammensetzen und auch wirklich bewerten, was denn die realen Kos­ten sind. Auf Basis der realen Kosten, die dann zu bewerten sind, muss man natürlich noch einmal beraten. Das ist auch so festgehalten worden, und das ist ja auch korrekt und richtig und ehrlich.

Ja, die Abschaffung des Pflegeregresses ist ein Meilenstein der österreichischen So­zialpolitik. Ich bin schon auch der Auffassung, dass ein sparsames Handeln in der Budgetpolitik natürlich auch einen maßgeblichen Beitrag zu einer guten Entwicklung leisten kann. Diese Regierung ist ja schon einmal mit gutem Beispiel vorangegangen. Das erste Mal seit 1954 macht die aktuelle Regierung keine neuen Schulden auf dem Rücken unserer Kinder und Kindeskinder. Das ist schon einmal ein richtiger Schritt, und das wird nicht mit zusätzlichen Steuern herbeigeführt, sondern wir machen keine neuen Schulden und machen zusätzlich Steuerentlastungen, entlasten zusätzlich die Menschen. Das ist genau der richtige Zugang.

Ja, ich verstehe schon, dass das manchen nicht gefällt, denn natürlich war man bis dato von Kanzlern, vor allen Dingen von sozialistischen Kanzlern, gewohnt: Geld spielt keine Rolle, solange es nicht meines ist und solange es Steuergeld ist, kann ich es ja ausgeben! – Und am Ende zahlen es eh die Steuerzahler, denn jede Steuerentlastung, die man auf der einen Seite vornimmt, ist mit einer Steuererhöhung auf der anderen Seite wieder kassiert worden, und teilweise sogar noch mehr. Das heißt, wenn man in die linke Tasche der Bürger irgendeine Steuerentlastung hineingesteckt hat, hat man es auf der rechten Seite eh wieder durch andere Steuererhöhungen und Belastungen herausgenommen. Das ist kein nachhaltiger und kein ehrlicher Zugang und den haben wir jetzt zum Glück einmal durchbrochen: keine neuen Schulden, effizientere Systeme, nicht mit dem Geld sorglos herumwerfen, sondern verantwortungsbewusst damit um­gehen – das sind Steuergelder –, die Menschen entlasten, die in der Gesellschaft et­was leisten, und jenen helfen, die unsere Hilfe brauchen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das ist der Grundsatz, diesem Grundsatz folgen wir. Und es stimmt, da ist der jetzt aktuellen Regierung von Vorgängerregierungen aus den letzten zwölf Jahren einiges hinterlassen worden, nämlich an Baustellen. Da gibt es die Pflegebaustelle, und da gibt es die gesundheitspolitische Baustelle, da gebe ich Ihnen recht. Die Pflegebaustelle und die gesundheitspolitische Baustelle müssen wir jetzt in Angriff nehmen, aufräumen und neu aufsetzen. Das ist eine Riesenverantwortung, da stimme ich Ihnen zu.

Genau dieser Verantwortung kommen wir nach, indem wir ganz konkret im Rahmen eines Masterplans Pflege analysieren werden, woran es krankt. Da krankt es ja seit zwölf Jahren an vielen Ecken und Enden. Wenn man sich heute herstellt und sagt, diese Probleme sind da und die Bundesregierung muss endlich tätig werden – richtig, das tun wir auch! Wer hat es uns aber durch Untätigkeit seit zwölf Jahren hinterlassen? Das ist die entscheidende Frage. Wir nehmen es in Angriff, aber die, die es teilweise einfordern, haben es zwölf Jahre lang nicht gemacht und das hinterlassen.

Wir reparieren das jetzt, und wir werden mit dem Masterplan Pflege natürlich genau dort ansetzen müssen, wo es entscheidend ist. In Österreich sind heute eine Million Menschen in Pflege und Betreuung von pflegedürftigen Personen involviert – das sind eine Million Menschen –, und hinzu kommen rund 450 000 Pflegegeldbezieher. Also insgesamt sprechen wir, wenn wir über den Pflegebereich sprechen, von 1,4 Millionen Menschen, die irgendwie mit dem Pflegebereich verbunden sind und damit zu tun ha­ben.

Dann haben wir weitere Baustellen. Der Bereich Ausbildung ist seit mehr als zwölf Jah­ren eine ganz große Baustelle in Österreich, weil man nämlich hinsichtlich Ausbildung


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kläglich versagt hat. Alleine in Wien, wenn ich nur an das rote Wien denke (Bundesrat Weber: Schon wieder!), da habe ich schon vor 20 Jahren eingefordert: Bitte macht doch für die Pflege gescheite Ausbildungsplätze, reglementiert das nicht mit 200, 300 pro Jahr! Wir brauchen nicht 300 ausgebildete Pfleger pro Jahr, wir brauchen 1 000, 1 500, 2 000 pro Jahr! – In Wien ist es ja so gehandhabt worden, dass man bei dieser Ausbildung gespart hat, und wenn sich mehr als 300 gemeldet haben, hat man sie nach Hause geschickt (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller), weil man gesagt hat: Das können wir uns nicht leisten, das wollen wir uns nicht leisten!

Das ist ja die Unverantwortlichkeit der letzten Jahre, auf die wir immer wieder hinge­wiesen haben, und deshalb muss mit dem Masterplan Pflege genau das angegangen werden, nämlich die Verantwortung hinsichtlich der Ausbildung für Pflegekräfte, und auch das Image des Pflegeberufs ist endlich zu optimieren. Da geht es um Image, da geht es um Bewertung, da geht es um Bezahlung. Ja, wo sind da die Grünen in Wien, frage ich mich, wenn da immer hineingerufen wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.)

Das ist ja genau der Punkt, den wir jetzt aufarbeiten müssen. Da geht es natürlich auch um die Pflege zu Hause, nämlich darum, die Pflege zu Hause natürlich besonders zu fördern und zu unterstützen, damit man nach Möglichkeit die Pflegebedürftigen nicht ins Heim – stationär – abschiebt. Natürlich ist das unser Anspruch, denn wir wissen, dass heute die meisten, nämlich in der überwiegenden Zahl der Fälle, pflegebedürf­tigen Menschen gerne in ihrer gewohnten Umgebung, sprich zu Hause, gepflegt werden. Und dankenswerterweise gibt es Hunderttausende Angehörige, vorwiegend Frauen – ja, weiblich –, die Verantwortung leben und für ihre pflegebedürftigen Ange­hörigen da sind. Genau die dürfen wir nicht im Stich lassen.

Das ist der Ansatz, den der Kollege zu Recht angesprochen hat, da müssen wir na­türlich überlegen, Pflegegeldbezieher auch besserzustellen, Pflegegelder zu erhöhen, Valorisierungen und Erhöhungen des Pflegegeldes endlich sicherzustellen, was in den letzten zwölf Jahren in vielen Bereichen nicht wirklich passiert ist; da hat man eher auf dem Rücken der Pflegegeldbezieher und der Pflegebedürftigen gespart. Das war wie­der die Vorgängerregierung, nur um es in Erinnerung zu rufen. Ja, da haben wir Hand­lungsbedarf.

Wir haben natürlich auch im stationären Bereich Handlungsbedarf, wir müssen uns einmal anschauen, wie die stationäre Pflege erfolgt, ob sie effizient ist, ob sie, was die Kosten- und Pflegestruktur betrifft, auch wirklich effizient und gut aufgestellt ist, oder spielt vielleicht doch eher der geschäftliche Zugang dort eine Rolle. Auch das muss man einmal hinterfragen, inwieweit man dort vielleicht auch Optimierungen umsetzen kann, denn da geht es natürlich um eine Gesamtverantwortung, die wir haben, und die werden wir auch leben und der werden wir nachkommen.

Da möchte ich natürlich auch eines festhalten: Es gibt ja im Zusammenhang mit der Abschaffung des Pflegeregresses bekanntlich auch Kritik, nämlich dass angeblich bei den Fällen in der Übergangszeit eine gewisse Rechtsunsicherheit herrscht und ge­herrscht hat. Dazu kann man nur noch einmal festhalten, wie es auch Frau Ministerin Beate Hartinger-Klein richtigerweise immer getan hat, dass die gesetzlichen Regelun­gen klar und eindeutig sind. Sie hat immer auch kommuniziert, dass jegliche Verfahren, die auf einen Vermögenszugriff abzielen, seit 1. Jänner 2018 unzulässig und daher un­gerechtfertigt sind. Die Rechtsansicht der Frau Bundesminister wurde auch bestätigt, nämlich durch Entscheide des Obersten Gerichtshofes und auch des Verfassungsge­richtshofes – um das nur der Ordnung halber noch einmal abrundend mitzuteilen.

Abschließend möchte ich betonen, dass es Bundesministerin Hartinger-Klein und na­türlich der gesamten Regierungsmannschaft ein großes Anliegen ist, dass wir die


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240 Millionen Euro noch heuer an die Länder fließen lassen, denn diese brauchen das, und deshalb ist es auch wichtig, das heute hier zu beschließen. Und ja, ich halte noch einmal fest, eine Gesamtbewertung muss folgen, denn alles andere wäre natürlich nicht fair und nicht gerecht. Man muss sich auch anschauen, was die Endkosten sind, und sollten diese höher sein, dann muss man darüber reden.

Was die Kritik aus Wien betrifft: Ja, natürlich, jede Kritik muss man ernst nehmen und sich das auch genau und fair anschauen, aber in Wien sind natürlich schon auch die alternativen Wohnformen dazugerechnet worden, die da halt nicht hineingehören. Es betrifft die stationären Pflegebereiche und nicht die alternativen Wohnformen, die da teilweise von Landesrat Hacker hineinreklamiert worden sind; und deshalb muss man schon auch genau differenzieren, eine Endbewertung wird aber folgen.

Das ist ein sehr, sehr gutes Gesetz, ein sozialpolitisch wesentlicher und richtiger Schritt, und so gesehen kann man nur sagen: Schön, dass diese Bundesregierung um­setzt und tut und handelt und das dankenswerterweise vor der letzten Nationalratswahl möglich geworden ist, aus Angst vor der Nationalratswahl! Da haben wir damals schon aus der Opposition heraus vieles erreicht. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

15.53


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm.


15.53.33

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr geehr­te Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Bei der Abschaffung des Pfle­geregresses waren sich damals alle Parteien einig – bis auf die NEOS, das wurde er­wähnt, aber die hier vertretenen Parteien waren sich eben einig –, dass kein Zugriff auf das Vermögen, auf das Hab und Gut, auf die Erbschaft und dergleichen erfolgen soll; das wurde im Nationalrat und im Bundesrat auch von den hier anwesenden Parteien beschlossen.

Vorgesehen ist jetzt, dass dieser finanzielle Abgang abgedeckt wird. Wir sprechen da von 340 Millionen Euro: 116 Millionen Euro für die Langzeitpflege, 15 Millionen Euro für die stationäre Betreuung und Pflege und dann nochmals 209 Millionen Euro Mehrkos­ten aufgrund der sozialen Hilfe. Das ergibt gesamt 340 Millionen Euro. Das Ziel dieses Gesetzes ist es, diese Finanzierungslücke zu schließen, die Finanzierbarkeit zu ge­währleisten und auch die Aufrechterhaltung des Pflegesystems zu gewährleisten.

Ich selbst habe auch über 20 Jahre lang jemanden gepflegt, der pflegebedürftig war, und ich möchte hier für all jene Menschen, die im Pflegebereich tätig sind, eine Lanze brechen und ihnen ein großes Lob und ein großes Danke aussprechen. Ich kann nur sagen: Wechseln Sie einmal bei einem erwachsenen Menschen, der schon im fortge­schrittenen Alter ist, drei-, vier-, fünfmal täglich die Windel! So brutal das klingt, aber da gehört schon auch Courage dazu. Das kann man nicht oft genug betonen: All jenen Personen, die in der Pflege tätig sind – danke, dass ihr das macht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Bezüglich der Finanzierungslücke wurde von der Landeshauptleutekonferenz am 18. Mai 2018 einstimmig beschlossen, dass diese 340 Millionen Euro kommen, um die Lücke zu schließen. Ich denke, dass das eine sehr gute Sache ist. Wer sich das Ge­setz anschaut, der liest dort, dass jeweils im Folgejahr durch die Buchhaltungsagentur des Bundes eine Kostenerhebung stattfindet und dann die tatsächlichen Kosten ver­rechnet werden. Ich meine, das ist eigentlich eine sehr gute Sache.

Ich möchte auf die Punkte eingehen, die von Kollegen Stögmüller, von Frau Kollegin Schumann und von Kollegen Leitner gekommen sind. Fangen wir mit dem zeitlichen


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Ablauf an: Die Kritik war, dass das zu lange dauert, man das zu spät gemacht hat oder nicht schnell genug dran war. Der Beschluss im Nationalrat war am 29. Juni 2017. Der Beschluss im Bundesrat folgte dann schon am 6. Juli, das heißt, das wurde vor der Sommerpause von beiden Kammern verabschiedet. Ich darf an dieser Stelle sagen, dass die alte Regierung und auch der Sozialminister der SPÖ bis Ende des Jahres ja noch in Amt und Würden waren. Also wenn es euch wirklich so ein Anliegen gewesen wäre, das so schnell zu machen, dann hättet ihr das ja noch machen können, ihr wart ja noch in der Regierung und habt ja auch den zuständigen Minister gestellt!

Betreffend Zeit noch ein zweiter Punkt, Herr Kollege Leitner: Ihr hättet heuer auch ge­nügend Zeit gehabt, einen Antrag einzubringen, aber vorhin, vor 5 Minuten, zu kom­men und zu sagen: Wir haben heute beziehungsweise in diesen Tagen unser Pflege­modell parat!, das ist dann halt schon etwas spät; dann herauszukommen und uns zu kritisieren, weil wir das jetzt umsetzen, das halte ich halt schon für dürftig, Herr Kollege. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Frau Schumann, Sie haben da mehrere Beispiele gebracht; ob die stimmen oder nicht, das sei jetzt einmal dahingestellt, aber Sie haben gesagt, dass es sehr schlimm ist, dass es in der Pflege so viele Missstände gibt, dass dort Dinge passieren, die so nicht tragbar sind. Da muss ich Sie schon fragen: Wenn das wirklich der Fall ist, wer war denn seit Jahrzehnten in diesem Bereich in der Verantwortung? Wer hat seit Jahrzehn­ten den Minister gestellt? Da hättet schon auch ihr etwas machen können, denn ihr wart ja auch in der Regierungsverantwortung! Also das verstehe ich überhaupt nicht. Und wenn es wirklich so schlimm ist und wenn es euch ein wirkliches Anliegen ist, warum kommt ihr dann genau an dem Tag, an dem wir diese Gesetzesänderung be­schließen, her und erzählt uns das? Ihr hättet schon im Frühjahr kommen können, das zur Debatte stellen, eine Dringliche Anfrage stellen, einen Entschließungsantrag ein­bringen können, was auch immer, aber ihr hättet es thematisieren können. Jetzt, da das Gesetz endverhandelt wird, herauszukommen und das zu sagen, das ist halt auch dürftig.

Dann noch ein paar Worte zu den Dingen – auch Kollege Stögmüller war da dabei –, die da bezüglich der Erbschaftssteuer gefordert werden: Ich persönlich halte es für sehr tragisch, dass das von eurer Seite gefordert wird. Ich möchte das an einem Bei­spiel verdeutlichen: Wir haben in Österreich Regionen, in denen es sehr, sehr teuer ist, Eigentum zu schaffen. In meiner Heimat Vorarlberg – und es gibt auch andere Re­gionen, insbesondere die größeren Städte, die Landeshauptstädte, Salzburg, Inns­bruck – ist es sehr, sehr teuer. Da sprechen wir bei einer Eigentumswohnung, nicht einmal besonders groß, im Bereich zwischen drei und vier Zimmern, rund 80 bis 100 Quadratmeter, von 370 000, 400 000 Euro aufwärts. Das ist sehr teuer. Wenn man noch einen kleinen Garten oder einen kleinen Balkon, also ein bisschen mehr Lebens­qualität haben will, dann ist man jenseits von 500 000 Euro.

Und jetzt geht die Person, die sich das irgendwann einmal finanzieren muss, tagtäglich arbeiten, und das Gehalt, das diese Person bekommt, ist natürlich versteuert, recht hoch versteuert, wie wir alle wissen, sie muss von ihrem Gehalt mehr oder minder die Hälfte oder zumindest einen großen Teil wegen der Steuern abgeben. Mit dem, was netto übrigbleibt, muss sie dann den Handwerker bezahlen, muss sie die Firma be­zahlen, die dann die Eigentumswohnung oder vielleicht das kleine Haus erbaut, das ist auch alles besteuert, Mehrwertsteuer zum Beispiel; dann die Einrichtung, da sind über­all Steuern darauf.

Das heißt, vom Farbanstrich an der Wand bis zum Sofa, bis hin zur Küche, bis hin zum Gemäuer, das ist alles mehrfach versteuert worden. Das alles wurde mit dem Gehalt bezahlt, das auch versteuert war. – Dann herzukommen und zu sagen: Du hast 40, 50 Jahre lang gearbeitet, hast 25, 30 Jahre lang den Kredit abbezahlt, hast eh alles


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fünffach versteuert, ja, aber jetzt versteuern wir dir das noch einmal, machen eine Erb­schaftssteuer und da gibst du halt noch einmal etwas ab!, also das halte ich für so et­was von schlimm, so etwas von ungerecht und das kann es bitte doch nicht sein. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

Irgendwo muss schon auch das gelten, dass ich mir ein Ziel stecken kann, und ir­gendwo muss ich dann auch am Ende des Tunnels ein Licht sehen und für mich sagen können: Jawohl, ich habe alles erfüllt, aber das gehört jetzt mir! Und dann ist der De­ckel drauf, dann kann auch nicht mehr der Staat herkommen und sagen: Jetzt musst du es noch einmal versteuern! (Zwischenruf des Bundesrates Leitner.) – Da Sie jetzt da herausrufen und fragen, wer das gesagt hat: Wir können das gerne auch in den Stenographischen Protokollen nachschauen. Ich habe das vorhin ganz sachlich ge­sagt, es wurde die Erbschaftssteuer von Herrn Stögmüller erwähnt und es wurde die Erbschaftssteuer auch von Frau Schumann beziehungsweise von Ihnen, Herr Kollege Leitner, erwähnt. Wir können gerne nachschauen.

Was man aber sicher findet: Die Forderung nach der Erbschaftssteuer ist in Ihrem SPÖ-Parteiprogramm. Das wurde von Ihren Parteispitzen mehrfach gefordert, auch im Wahlkampf. Das ist von der SPÖ gefordert worden. Ich bin aber offen, wir können das gerne nachrecherchieren; aber jetzt zu sagen, man habe die Erbschaftssteuer nie er­wähnt, das finde ich auch irgendwie nicht ganz nett. (Bundesrat Steiner: Die nehmen sich, was ihnen zusteht!)

Ich glaube, dass wir hier über ein sehr wichtiges Thema sprechen. Es geht um Pflege, und alle, die wir hier sitzen, auch wir werden einmal älter und werden dann die Pflege auch irgendwann einmal in Anspruch nehmen. Da ist es mir eben wichtig, dass hier sachlich vorgegangen wird, dass die Pflege gewährleistet wird, denn das ist eine wich­tige Säule in unserer Gesellschaft und die Menschen werden immer älter.

Zu verweisen ist auch noch auf das, was der Herr Vizekanzler bezüglich dem Master­plan Pflege gesagt hat, der jetzt von der Regierung angedacht ist. Selbstverständlich hoffe ich, dass wir auch in Würde altern können, denn es ist wirklich wichtig, und dass hier eben alles abgedeckt wird, von der Finanzierung bis hin zur Pflege – quasi ein Komplettprogramm von A bis Z. Dem Gesetz werden wir selbstverständlich gerne un­sere Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.03


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bruno Aschenbrenner. – Ich erteile es ihm.


16.03.40

Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zu­hörerinnen und Zuhörer! Es freut mich durchaus, hier im Bundesrat in meinem ersten Statement, das ich abgeben darf, das Wort zu einem Thema zu haben, das mir vor allem als Bürgermeister durchaus auch unter den Nägeln brennt. Es wurde schon sehr viel von meinen Vorrednern behandelt, Pro und Kontra dargelegt. Gestatten Sie mir nun einen kleinen Ausflug!

Gestern war ein besonderer Tag, auf den sich die Kinder schon lange gefreut haben – der Nikolaus wurde heute schon angesprochen, bitte lachen Sie jetzt nicht –, ich war gestern in meiner Gemeinde selbst als Nikolaus unterwegs (Beifall bei ÖVP und FPÖ), in der Volksschule, im Kindergarten, in vielen Haushalten in meiner Gemeinde, aber auch in unserem Pflegewohnhaus. Sie können sich gar nicht vorstellen, mit welcher Freude ich dort aufgenommen wurde, teilweise mit Tränen in den Augen, teilweise mit feuchten Händen vor Aufregung – so wie ich sie jetzt auch habe. Die Seniorinnen und Senioren haben sich teilweise an Zeiten zurückerinnert, die sie zu Hause erlebt haben,


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in den eigenen vier Wänden, in der Geborgenheit ihrer Familie, und diese Abende teil­weise Revue passieren lassen. Glauben Sie mir, sie wären nach wie vor gerne zu Hau­se bei ihren Lieben gewesen, aber aufgrund ihres Gesundheitszustandes, ihrer kör­perlichen Beeinträchtigung ist das halt nicht mehr möglich.

Bei vielen Menschen in Österreich ist das der Fall, die Zahlen sind heute angespro­chen worden. Wir haben circa 460 000 Pflegegeldbezieher in Österreich, davon sind zum Glück circa 392 000 noch zu Hause und werden in ihrer gewohnten Umgebung gepflegt, 6,5 Prozent, circa 30 000, werden durch 24-Stunden-Pflegepersonal betreut. 20 Prozent davon nehmen mobile Dienste in Anspruch, 12,5 Prozent, das sind circa 57 000 Personen, sind in stationären Einrichtungen.

In der Steiermark – es wurde heute schon angesprochen, ob die Finanzmittel nicht un­gerecht verteilt wurden – sind es 12 500 Personen in 219 bewilligten Einrichtungen, die öffentlich, privat-gemeinnützig oder privat-gewerblich geführt werden. In meinem Hei­matbezirk, dem Murtal, sind es seit Abschaffung des Pflegeregresses 21 Einrichtungen mit 1 055 Betten mit einer Auslastung von nahezu 100 Prozent, 190 zusätzliche für Länder und Gemeinden zu zahlende Betten, und das sind, wenn man den Durchschnitt von 2 200 Euro pro Bett und Monat hernimmt, 5 Millionen Euro für unseren Bezirk, 2 Millionen Euro für unsere Gemeinden. Für 2018 sind es für die Steiermark 60,63 Mil­lionen Euro und damit 17,8 Prozent des Gesamtanteiles der 340 Millionen Euro, über die wir heute hier zu befinden haben.

Das macht vielleicht andere Bundesländer weniger froh, dass die Steiermark einen hö­heren Anteil erhält als ihr nach dem Bevölkerungsschlüssel zustehen würde, es zeigt aber auch ganz klar ein Problem der Altersstruktur und die hohe Anzahl an Klientinnen und Klienten in der Langzeitpflege.

Die Entscheidung im Juni 2017, den Pflegeregress abzuschaffen, war eine richtige, denn wenn Menschen in dieser Situation sind, dass sie in ein Pflegeheim müssen, ma­chen sie das nicht leichtfertig; dann ist es nur gut und teuer, wenn unser Sozialstaat unterstützend eingreift. Der Nationalrat und die damalige Bundesregierung haben ver­sichert, dass Gemeinden und Länder die Kosten nicht zu tragen haben.

In der gestrigen „Kleinen Zeitung“ hat die neue SPÖ-Parteivorsitzende auf die Frage, ob die Pflegekosten über Steuern oder in einer Pflegeversicherung über Versiche­rungsbeiträge finanziert werden sollen, keine Antwort gegeben. Sie hat nur gesagt – ich zitiere aus der „Kleinen Zeitung“ –: „Der Staat muss die Pflege finanziell absichern.“

Ich sage hier ein herzliches Dankeschön an die jetzige Bundesregierung, ein herzli­ches Dankeschön an dieser Stelle an Finanzminister Löger, der durch seinen Einsatz eine Einigung zwischen dem Bund und den Ländern erzielen konnte.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, bei all der Diskussion über den 2017 zugesag­ten beziehungsweise zugesicherten Ausgleich bei Entfall des Pflegeregresses – einer guten Entscheidung – darf man aber jene Damen und Herren nicht vergessen, die ihre Angehörigen und Klienten zu Hause betreuen. Es wurde schon angesprochen, circa 950 000 Menschen – und das sind circa 10 Prozent der Bevölkerung Österreichs – leisten somit einen mehr als wesentlichen Beitrag in unserem Sozialstaat. Ein großes Dankeschön an alle Menschen, die in der Pflege tätig sind, ein Dank an alle Menschen in ganz Österreich, die Tag für Tag einen wertvollen Beitrag in und an unserer Ge­sellschaft leisten! – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.10

16.10.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 121

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.10.3610. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (442/A und 364 d.B. sowie 10056/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 10 der Ta­gesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich bitte um den Bericht.


16.11.04

Berichterstatter Christoph Längle, BA: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Ich komme zum Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ar­beitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird.

Der Bericht ist Ihnen schriftlich zugegangen. Ich darf daher gleich zur Antragstellung kommen.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile es ihm.


16.11.54

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätztes Plenum! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause! Der gegenständliche Gesetzestext, der Beschluss des Nationalrates zur Ände­rung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes (Bundesrätin Mühlwerth: Arbeits­marktpolitik-Finanzierungsgesetz! Ein schwieriges Wort!) – es ist ein schwieriges Wort, ja, danke für die Hilfe! –, soll heute im Bundesrat abgesegnet werden.

Dieses Gesetz korrigiert an und für sich ein im Frühjahr beschlossenes Gesetz und zielt darauf ab, dass zumindest in zwei Bereichen – bei den Lehrlingen und bei den freiwillig versicherten Selbständigen – die Beiträge gesenkt werden.

Schauen wir uns die Lehrlinge an! Die Senkung bei der Arbeitslosenversicherung für Lehrlinge, die 1 506 Euro bis 1 696 Euro Lehrlingsentschädigung bekommen, wird von 3 auf 2 Prozent herabgesetzt, und das bei einer relativ kleinen, überschaubaren Grup­pe. Es ist aber trotzdem eine gute Sache, denn Lehrlingen, die ihren Lehrvertrag seit 31. Dezember 2015 haben, kommt diese Herabsetzung zugute. Wir finden, dass dieser Schritt ein richtiger ist, denn Menschen, die wenig Einkommen haben und in Ausbil­dung sind, sollen gefördert und unterstützt werden.

Der zweite Teile ist die Senkung der Beiträge für freiwillig versicherte Selbständige. Da wird der Beitrag von 6 auf 3 Prozent reduziert. Das ist in diesem Bereich eine Ent­lastung von 538 Euro im Jahr, und das rückwirkend ab Mitte des Jahres. Da heißt es


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 122

jetzt schon, ein bisschen genauer hineinzuschauen, denn es wird immer kolportiert: Ja, das kommt Kleinverdienern zugute, das kommt Firmenstartern, Firmengründern zu­gute! Es kommt aber auch den Gut- und Besserverdienenden zugute, die ebenfalls diesen Bonus beziehungsweise diese Beitragssenkung bekommen. Das geht in Rich­tung Okkasion. Es ist keine kostenfreie freiwillige Versicherung, aber es ist schon eine gewaltige Okkasion. Das halten wir nicht für sozial gerecht und schon gar nicht für so­zial treffsicher.

Wer muss jetzt diesen Ausfall von circa 320 000 Euro (Bundesrat Rösch: Esoteriker, das ist sozial super!) stemmen und finanzieren? – Es sind wieder einmal die Arbeitneh­merinnen und Arbeitnehmer, denn dieser Vorschlag hat weder eine Gegenfinanzierung noch einen Gegenfinanzierungsvorschlag. Es ist, milde gesagt, für freiwillig versicherte Selbständige ein Rabatt in der Versicherung. (Bundesrat Rösch: Jetzt ist es ein rich­tiger Blödsinn! 160 000 bei 8 ...! Zwischenruf bei der ÖVP.)

In Wahrheit ist es aber der Griff in die Geldbörse der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer und die Umverteilung von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu den Selbständigen. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.– Ist so! Da könnt ihr schon jammern, ihr beschließt es ja. Es ist Klientelpolitik, so wie es die ÖVP immer gesagt hat, aber dass die ÖVP da mitgeht und wieder einmal den Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmern eines auswischt, das verstehe ich überhaupt nicht. Ich verstehe es nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Fakt ist, dass der Arbeitsmarktförderung Mittel in beträchtlicher Höhe abhandenkom­men, und das in Zeiten, wo man zwar gute Arbeitsmarktzahlen hat, aber doch Ausbil­dung und Qualifikation in den Vordergrund stellen sollte. (Bundesrat Bader: Um wie viel geht es da?) – In dem Fall geht es um 320 000 Euro pro Jahr, aber das ist ja keine Summe. Kollege Seeber hat heute schon bei einem anderen Thema gesagt, dass in Österreich Fachkräftemangel herrscht und dass das auch die Wirtschaft so sieht. Für mich geht es völlig daneben, wenn ich dann auch noch mitkriege, dass Fachkräftesti­pendien gekürzt werden, Mittel für sozialökonomische Betriebe gekürzt werden und (Bundesrätin Ecker: Wo wird gekürzt?) bei der Lehrlingsausbildung im Rahmen über­betrieblicher Ausbildung gekürzt wird. Also da verstehe ich die FPÖ jetzt überhaupt nicht. (Bundesrätin Ecker: Ich verstehe es auch nicht!)

Um gut ausgebildete Arbeitskräfte zu bekommen, braucht es nicht nur eine klasse Aus­bildung und Geld, sondern es braucht auch gute Arbeitsbedingungen. Es braucht eine gute Bezahlung und eine verträgliche Arbeitszeit, dass man solche Fachkräfte be­kommt. Regionale Mangelberufslisten dürfen nicht dazu führen, dass sich die Gehalts­schraube immer weiter nach unten dreht. Die Verringerung von Mindestentgelten darf nicht zum Lohndumping führen, daher fordern wir eine ausreichende Finanzierung der Arbeitsmarktförderung.

Wir Sozialdemokraten könnten bei dem einen Teil mitgehen, leider geht das bei uns im Bundesrat nicht, im Nationalrat war es möglich, deswegen können wir dem gesamten Verhandlungsgegenstand nicht zustimmen. Die Okkasion bei den Beiträgen ist ein Griff in das Geldbörserl der Arbeitnehmer und kann von uns nicht mitgetragen werden. (Bei­fall bei der SPÖ.)

16.18


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.


16.18.27

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geschätzter Herr Vize­präsident! Sehr geschätzter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal und via Livestream! Ja, es wird mühsam heute Nachmittag, man merkt es. Seit


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Juli dieses Jahres bezahlen 900 000 Menschen geringere Arbeitslosenversicherungs­beiträge. Durch diese Maßnahme bekommen Bezieher von niedrigeren Einkommen im Durchschnitt ungefähr um 30 Euro netto mehr.

Zur Erinnerung: Einkommen bis 1 648 Euro zahlen keine Beiträge, Einkommen bis 1 798 Euro zahlen reduzierte Beitragssätze – das heißt, de facto 1 Prozent statt 2 Pro­zent – und in weiterer Folge fallen für Einkommen bis 1 948 Euro nur mehr 2 Prozent Arbeitslosenversicherungsbeiträge an. Die Arbeitgeber tragen nach wie vor 3 Prozent.

Bis jetzt konnten aber zwei Gruppen davon nicht profitieren. Einerseits sind das die Selbständigen, die freiwillig selbst in die Arbeitslosenversicherung einbezahlen, und andererseits ein Teil der Lehrlinge. Bei ersteren handelt es sich, wir haben es im Aus­schuss gehört, um etwa 900 Unternehmer. Wir sprechen da schon von Arbeitnehmern, die einmal so quasi die Seite des Schreibtisches gewechselt haben, von Menschen, die den Mut haben, sich ohne Auffangnetze eine berufliche Basis zu schaffen.

Herr Kollege Wanner, wir reden da sicher nicht von Spitzenverdienern. Von Okkasion zu sprechen, Herr Bundesrat, ist tatsächlich sehr, sehr weit hergeholt (Beifall bei FPÖ und ÖVP), denn – das finden Sie auch in den Unterlagen – zwei Drittel dieser 900 Un­ternehmer befinden sich in der niedrigsten Beitragsstufe und müssen sich innerhalb von sechs Monaten nach Gründung für diese Selbstversicherung entscheiden. Machen sie das nicht – und leider machen das tatsächlich manche nicht –, sind sie dann im Falle des Scheiterns der Selbständigkeit nicht einmal arbeitslosenversichert. Das be­deutet, machen sie das nicht, können sie sich erst nach acht Jahren wieder dafür ent­scheiden. Es wird da nicht den großen Wechsel und eine Okkasion geben.

Ebenso betroffen und nicht berücksichtigt waren Lehrlinge im Einkommensbereich von 1 798 bis 1 948 Euro mit Lehrbeginn vor dem 1. Jänner 2016. Sie waren von dieser Beitragsreduktion bis jetzt ausgenommen. Wir wissen, dass diese Höhe der Lehr­lingsentschädigungen wenn überhaupt erst im vierten Lehrjahr, wie etwa im Bauge­werbe und den Nebengewerben, wo es einfach höhere Lehrlingsentschädigungen gibt, beziehungsweise von Menschen, die im zweiten Bildungsweg eine Lehre absolvieren und daher eine höhere Entlohnung erhalten, erreicht wird.

Bei Lehrlingen und denjenigen, die im zweiten Bildungsweg noch eine Lehre machen, ist der Personenkreis – wir haben im Ausschuss nachgefragt – zahlenmäßig nicht er­fasst. Es sind sicher nicht so viele, die es betrifft, aber für diese Menschen und für je­den Einzelnen von ihnen ist diese Entlastung spürbar, gerade bei Lehrlingen, die sich ihr Lebensumfeld aufbauen, die in das erste Auto oder die erste Wohnung investieren.

Mit dieser Änderung im Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wird laut Gesetz ab sofort rechtlich eindeutig dieselbe Systematik wie bei den anderen hergestellt und da­mit die Gleichbehandlung gewährleistet. – Natürlich tragen wir diese Gesetzesände­rung gerne mit. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile es ihr.


16.22.08

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Kollege Wanner! Sozialpart­ner, glaube ich, kennen Sie nicht, denn sonst würden Sie nicht so reden. Erstens ein­mal, Punkt eins betreffend Lehrlinge: Für uns ist es ganz wichtig, dass da auch die Re­duktion über ein Arbeitslosengesetz eintritt, denn Lehrlinge werden ja kaum arbeits­los – zumindest nicht bei uns in Niederösterreich –, weil wir sozialpartnerschaftlich schauen, dass sie wieder woanders unterkommen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 124

Auf der anderen Seite werden gerade die überbetrieblichen Einrichtungen verstärkt. Wir geben in Niederösterreich gerade für Jugendliche, die nicht ausbildungsfähig sind, 46 Millionen Euro aus. Wir versuchen ganz einfach, sie in Einrichtungen zu bringen, um ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, damit sie in ihrem weiteren Leben eine Chance haben.

Weiters haben wir die Initiative Let’s Walz. Dabei schicken wir junge Leute ins Ausland, wo sie ein Praktikum von vier Wochen machen. Wir machen das gemeinsam mit un­seren Sozialpartnern, ein vierwöchiges Praktikum kostet uns 2 700 Euro. Voriges Jahr haben wir 162 junge Leute ins Ausland geschickt. Es ist uns einfach wichtig, dass die­se jungen Leute stolz darauf sind und Freude daran haben, dass sie eine duale Aus­bildung machen. Die kommen alle zurück und sind ganz stolz darauf, dass sie in den anderen Ländern in ihren Berufen für das Können, das sie haben, so viel Anerkennung bekommen. Da wir das als Wirtschaftskammerorganisation nicht alleine stemmen kön­nen, machen wir das gemeinsam mit unseren Sozialpartnern, mit der Arbeiterkammer. Heuer haben wir 69 junge Leute ins Ausland geschickt. Ich denke also, es wird da wirklich sehr viel gemacht.

Betreffend die Selbständigen, die uns auf der Tasche liegen: Wie kommen Sie denn darauf, dass uns die überhaupt auf der Tasche liegen? – Die zahlen 3 Prozent, so wie alle anderen auch, also lassen wir die Kirche im Dorf! Nur damit wir überhaupt wissen, wovon wir reden: Wir reden davon, dass wir eine Unterstützung geben, dass wir den Leuten auch ein Sicherheitsnetz geben, damit sie sich wirklich voll und ganz auf ihre Tätigkeit konzentrieren können. Ich habe mein Unternehmen auch selbst gegründet und weiß, was das heißt und welche Herausforderungen es da gibt. Es ist schon auch schön, wenn man ein wenig Sicherheitsgefühl haben kann.

Schauen wir uns die Situation an: Bei uns gründen pro Tag 115 Personen ein Unter­nehmen, das sind 30 000 in Österreich, 5 700 bei uns in Niederösterreich. Nicht be­rücksichtigt sind da Personenbetreuer, denn Niederösterreich ist das Land mit den meisten Personenbetreuern, wir haben 18 000.

Wenn ich mir das anschaue, dann erkenne ich, dass von zehn Unternehmen nach fünf Jahren noch immer sieben am Markt sind. Das heißt, dass diese Leute schon sehr überlegt ein Unternehmen gründen. Ich kann nur sagen: Wir haben ein Gründerser­vice, dort beraten wir Leute, die sich gerne selbständig machen möchten. Wir beraten im Jahr zwischen 14 000 und 15 000 Menschen, davon machen sich 5 700 selb­ständig. Da sieht man schon, dass eine Beratung wichtig ist und die Leute sehr über­legt ein Unternehmen gründen.

Wie schaut die Situation überhaupt aus? – 82 Prozent der Betriebe – das ist aber der Großteil, in dem unsere Leute beschäftigt sind – haben nur bis zu neun Mitarbeiter. Natürlich ist es uns auch wichtig und wir freuen uns auch darüber, dass wir gerade für die kleinen Betriebe eine Unterstützung haben. Ich denke da an das Krankengeld: Ab dem 43. Tag kriegt man ab dem vierten Tag rückwirkend ein Krankengeld. Wir haben die Mindestbeitragsgrundlage auf die Geringfügigkeitsgrenze gesetzt, damit wir da un­terstützen können. Wir haben die Halbierung beim Selbstbehalt, wenn jemand sehr sorgfältig mit seiner Gesundheit umgeht und zur Kontrolle geht.

Ich freue mich, dass ich es geschafft habe, die Betriebshilfe zu einem Österreichmodell zu machen. Wenn aus einem Unternehmen mit bis zu vier Mitarbeitern jemand durch Krankheit oder einen Unfall länger als 14 Tage ausfällt, bekommt das Unternehmen für bis zu 70 Tage eine Kraft zur Verfügung gestellt. Das ist wirklich nur für die Kleinsten.

Weil Sie gesagt haben, dass das so viel ausmacht, habe ich mir das angesehen: Wir haben in Niederösterreich 85 000 Versicherte. Wie viele kommen davon in den Ge­nuss? – Ganze 96! Wir haben 96 Personen, die davon profitieren, die dann im Monat statt 90 nur 45 Euro zahlen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 125

Sie haben vergessen, zu sagen, dass es da ja ein Stufensystem gibt. Die, die besser verdienen und in der zweiten und dritten Stufe sind, die haben ja keinen Vorteil davon, die zahlen das weiterhin. In Niederösterreich profitieren von den 85 000 eben die 96 in Stufe 1, ich bin sehr froh darüber. 33 Versicherte sind in Stufe 2, die zahlen 180 Euro im Monat, und 35 sind in Stufe 3, die zahlen 270 Euro im Monat und kommen nicht in den Genuss.

Ich denke also, dass man da wirklich ein Gesetz mit Augenmaß macht, gerade für die, die es brauchen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.27


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


16.27.57

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Ich will noch einmal alle herzlich be­grüßen und darf noch einmal auf Kollegen Wallner zurückkommen! (Ruf bei der SPÖ: Wanner!) – Entschuldigung!

Wenn man sich sozialdemokratisch nennt und in die Geschichte schaut ist es einfach wirklich schlimm (Ah-Rufe und Zwischenrufe bei der SPÖ) – das habt ihr schon einmal gesagt! –, wenn man so kleinlich ist. Es geht um 900 Menschen, die meist wirklich nicht viel haben, bei denen es um jeden Euro im Jahr geht. Auf der anderen Seite – und weil ihr das Wienbeispiel immer so gerne habt (Bundesrat Wanner: Bin kein Wie­ner!) –: Man hat aus dem AKH damals nichts gelernt! Man hat sich beim Krankenhaus Nord mit einer Selbstverständlichkeit keinen Spitalserrichter genommen, und obwohl man wusste, dass man es nicht kann, hat man das Krankenhaus Nord gemacht (Bun­desrat Weber: Themenverfehlung!), hat dort einen Esoteriker beschäftigt, der mehr kostet als das, was die Lehrlinge oder die freiwillig Versicherten bekommen.

Da gehen die Sozialisten in einer Neiddebatte gegen Arbeitnehmer vor, gegen Men­schen, die in Wirklichkeit nicht viel haben (Bundesrätin Mühlwerth: Seid ihr gegen die Lehrlinge? Schämt euch!), ist missgünstig, spricht denen das ab. – Es ist ein Affront gegen Arbeitnehmer. Ich sage es euch: Ihr vertretet die Arbeitnehmer nicht mehr! (Bei­fall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ihr habt ganz einfach den Sprung in dieses Jahrhundert nicht mitvollzogen. Es mag sein, dass ihr in Geschichtsbüchern darüber lesen könnt, dass irgendwelche Vorfah­ren, die anders waren, als ihr es seid, Errungenschaften zusammengebracht haben. Ihr verteidigt im Nadelstreifsozialismus aber ganz einfach nur mehr eure Pfründe, indem etwa die Arbeiterkammer, der sozialistische Tempel, die Sicherheit für einen Gusen­bauer darstellt. (Zwischenruf des Bundesrates Beer.– Nein, ich sage es euch nur!

Wenn man so missgünstig gegen die ist, die nicht viel haben, dann müsst ihr uns auch zugestehen, euch daran zu erinnern, wie Gusenbauer, als er abgetreten ist, in die Ar­beiterkammer aufgenommen wurde – denn das sind in Wirklichkeit ja sozialistische Pfründe. Als dann Frau Gabi Burgstaller gekommen ist, ist sie wie selbstverständlich dort aufgefangen worden. Der Bürgermeister – wie er heißt, weiß ich gar nicht (Zwi­schenruf der Bundesrätin Kahofer) – und viele, viele andere sind praktisch überall dort wie selbstverständlich aufgefangen worden. Aber um welches Geld? – Um das Geld der arbeitenden Menschen, die sich nicht einmal dagegen wehren können. Ihr habt euch die Pfründe und so weiter so zurechtgelegt, dass ihr davon sehr, sehr gut leben könnt. (Vizepräsident Lindinger übernimmt den Vorsitz.)

Bei einem Lehrling oder irgendeinem Selbstversicherten – es geht da um 900 Perso­nen, um 320 000 Euro im Jahr bei einem Volumen von 8 Milliarden Euro; 360 000 sind


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es – da seid ihr missgünstig und vergönnt ihnen das nicht. Also ich kann nur mehr sa­gen: Macht weiter so, es wird euch bald nicht mehr geben (Heiterkeit bei der SPÖ Bundesrat Koller: Das Christkind kommt gleich!), aber ihr könnt euch dabei auch schämen. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

16.31


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Vizekanzler Stra­che. – Bitte.


16.31.45

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, mit dem vorliegenden Gesetzesbeschluss wird natürlich ein wichtiger Schritt in Rich­tung Gleichbehandlung aller in die Arbeitslosenversicherung einbezogenen Erwerbstä­tigen mit geringer Beitragsgrundlage gesetzt. Da geht es vor allem um die Niedrigver­diener, das ist ja auch gut und richtig und logisch. Wir haben ja vonseiten der Bun­desregierung den Schritt gesetzt, dass vor allem die Bezieher kleinster Einkommen das ist ein wichtiger sozialpolitischer, fairer und gerechter Schritt –, die Gruppen mit niedrigem Verdienst in Zukunft keine Arbeitslosenversicherungsbeitrage mehr zahlen.

Das vielleicht nur in Erinnerung rufend: Früher war es ja so, dass man ab 1 381 Euro Monatsbruttoverdienst die Arbeitslosenversicherung sehr wohl zahlen musste. Wir ha­ben jetzt sichergestellt, dass man bis zu einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1 648 Euro keine Arbeitslosenversicherung mehr zahlen muss, und dann gibt es Abstu­fungen: ab 1 648 Euro 1 Prozent, zwischen 1 798 und 1 948 Euro 2 Prozent und ab 1 948 Euro brutto 3 Prozent. Das ist, das sage ich jetzt ganz bewusst, auch für die Bezieher kleiner Einkommen eine schöne, eine gute, gerechte soziale Staffelung. Dank der Regierung ist das möglich geworden.

Jetzt stellen wir im Sinne der Gerechtigkeit natürlich auch sicher, dass sich die Bei­tragssenkung für unselbständig Erwerbstätige auf selbständig Erwerbstätige mit gerin­ger Beitragsgrundlage erstreckt, die freiwillig in der Arbeitslosenversicherung versichert sind. Die bei Arbeitslosigkeit zustehende Leistung aus der Arbeitslosenversicherung hängt von der Beitragsgrundlage ab. Es widerspricht einfach dem Versicherungsprin­zip, wenn Berufstätige bei gleicher Beitrags- und Bemessungsgrundlage für dieselbe Leistung unterschiedlich hohe Beiträge vom Lohn in die Arbeitslosenversicherung ein­zahlen.

Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag ist von den Arbeitgebern und von den unselb­ständig Erwerbstätigen zu gleichen Teilen und von den Selbständigen zur Gänze zu tragen. Das heißt nichts anderes, als dass sich die Unselbständigen ihren Beitrag zur Arbeitslosenversicherung mit dem Arbeitgeber teilen, während Selbständige den Bei­trag mit niemandem teilen, sondern eben zur Gänze selbst einzahlen. Was noch da­zukommt: Bei unselbständig erwerbstätigen Niedrigverdienern entfällt der Arbeitneh­meranteil, bei selbständig erwerbstätigen Niedrigverdienern entfällt dieser Anteil nicht. Sie müssen den Beitrag ja alleine zahlen, denn sie haben keinen Arbeitgeber, mit dem sie sich den Beitrag aufteilen. Also auch wenn diese Selbständigen so wenig verdie­nen, dass sie in der niedrigsten Beitragsgruppe unter den Selbständigen sind, zahlen sie den Beitrag zur Gänze selbst. Beim unselbständig erwerbstätigen Niedrigverdiener, zum Beispiel bei einem Hilfsarbeiter, zahlt nur der Arbeitgeber den Beitrag. So war es bisher. Dieser unfaire Zustand wurde beseitigt. Im Sinne einer gebotenen Gleichbe­handlung sollen eben Selbständige mit einer niedrigen Beitragsgrundlage ebenso nur mehr den halben Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu leisten haben – wie es dem Ar­beitgeberanteil entspricht.

Selbständig Erwerbstätige können seit 2009 freiwillig der Arbeitslosenversicherung bei­treten. Beim Eintritt in die Arbeitslosenversicherung stehen drei Beitragsgruppen zur


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 127

Auswahl, nämlich auf unterschiedlichen Ebenen. Das kann man halt im Vorhinein schwer wissen, weil man ja nicht weiß, wie viel man verdienen wird. Die Beitragsgrund­lage beträgt ein Viertel, die Hälfte oder drei Viertel der Höchstbeitragsgrundlage, und die beiden höheren Beitragsgruppen liegen deutlich über den für eine Beitragsabsen­kung in Betracht kommenden Beträgen.

Die niedrigste Beitragsgrundlage lag im Jahr 2018 bei 1 496 Euro. Bei einer solch nied­rigen Beitragsgrundlage fällt für unselbständig erwerbstätige Pflichtversicherte ab 1. Juli 2018 kein Beitrag mehr an, lediglich der vom Arbeitgeber zu tragende Anteil von 3 Prozent ist sozusagen weiterhin zu leisten. Im Sinne einer Gleichstellung sollen da­her auch freiwillig versicherte Selbständige statt 6 Prozent eben nur mehr 3 Prozent zahlen, das ist fair und gerecht.

Der weitere Punkt, die Lehrlinge: Der vorliegende Antrag enthält eine gesetzliche Klar­stellung zur Gleichbehandlung von Lehrlingen. Auch das ist wichtig, denn für Lehrlinge, deren Lehrverhältnis ab 2016 begonnen hat, beträgt der Arbeitslosenversicherungs­beitrag nur 2,4 Prozent. Die Hälfte davon, also 1,2 Prozent, haben die Lehrlinge selbst zu tragen, die andere Hälfte der Lehrherr. Bei geringeren Lehrlingsentschädigungen greift die Absenkung auf 0 oder 1 Prozent anstatt 1,2 Prozent Arbeitnehmeranteil, bei höheren Lehrlingsentschädigungen soll von den Lehrlingen selbst aber nie ein höherer Beitrag als 1,2 Prozent zu entrichten sein. Das betrifft – wie gesagt  Lehrlinge, deren Lehrverhältnis ab 2016 begonnen hat.

Für Lehrlinge, deren Lehrverhältnis vor 2016 begonnen hat, war in den ersten Lehr­jahren gar kein Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu entrichten. Der Arbeitslosenversi­cherungsbeitrag beträgt für diese Lehrlinge im letzten Lehrjahr dann allerdings 6 Pro­zent, der von den Lehrlingen zu tragende Anteil daher 3 Prozent. Eine Absenkung des von Lehrlingen zu tragenden Anteils von 3 auf 2 Prozent ist nunmehr nicht ausge­schlossen. Natürlich hat Frau Sozialministerin Beate Hartinger-Klein dafür Sorge getra­gen, dass die bisher geltenden Bestimmungen bereits verfassungskonform ausgelegt werden und gesetzliche Bestimmungen möglichst klar und verständlich sind.

Nunmehr wird mit dieser Novelle sichergestellt, dass das Arbeitsmarktpolitik-Finanzie­rungsgesetz in der Praxis verfassungskonform interpretiert und angewendet wird. – Das durfte ich jetzt in Vertretung der Frau Ministerin noch einmal festhalten und dar­legen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.37

16.37.46


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.38.0211. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz TSchG) BGBl. 118/2004, zuletzt geändert mit BGBl Nr. 37/2018, geändert wird (402/A und 349 d.B. sowie 10054/BR d.B. und 10060/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich bitte um den


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 128

Bericht.


16.38.29

Berichterstatter Ing. Bernhard Rösch: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Gesundheit über den Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutz­gesetz TSchG) BGBl. 118/2004, zuletzt geändert mit BGBl. Nr. 37/2018, geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Gesundheit stellt nach Beratung der Vorlage am 4. Dezember 2018 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes keinen Einspruch zu erheben und die erforderliche Zustimmung zu erteilen.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile dieses.


16.39.32

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vize­kanzler! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank, Herr Bundesrat Rösch, dass Sie die Sozialdemokratische Partei schon für tot erklären. Das wird euch wahrscheinlich nicht gelingen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das macht ihr schon selber!) – Wir werden länger leben, als euch lieb ist. Glaubt mir das! (Beifall bei der SPÖ.)

Eines sage ich euch an dieser Stelle auch: Ihr werdet eure Wunder noch bei der Wahl in Wien erleben, denn das, was ihr heute da aufführt, ist allein auf die Wahl 2020 in Wien gerichtet. (Zwischenruf des Bundesrates Rösch.) Wenn eine Kollegin von euch da herauskommt und erklärt, heute werde es mühsam mit den Sozialdemokraten: Ist das ein Stil in der Politik? – Anscheinend nicht! (Bundesrat Schuster: Seid nicht so wehleidig!) Wenn sich Herr Pisec heute am Nachmittag an dieser Stelle dazu versteigt – er hat sich bis jetzt noch nicht entschuldigt – und Aleppo mit der Wiener Stadtregierung, die in der Stadt Bauaktivitäten durchführt, vergleicht und sagt, Aleppo ist damit vergleichbar, wo Baschar al-Assad Tausende Tote hinterlassen hat, der mit den Iranern und den Russen dort unten gekämpft und die schärfsten Waffen eingesetzt hat - - (Zwischenruf des Bundesrates Schennach. – Bundesrat Rösch: Weil ihr einen Arbeitnehmerbetrug macht!)

Lieber Herr Kollege, es ist Zeit, dass du dich entschuldigst dafür, was du heute hier an­gestellt hast. Es ist Zeit! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Wien zerstört ja Kulturgut! Vom Otto-Wagner-Spital bis zum Heumarkt! Wir reden nicht vom Krieg, wir reden vom Kulturgut! – Bundesrat Todt: Ihr habt angefangen, die Sozialdemokratie würde einen Bürgerkrieg anzetteln! – Bundesrat Rösch: Das ist wie in Aleppo! – Bun­desrat Todt: Dort herrscht Krieg und dort sterben Leute! Seid vorsichtig!)

Eigentlich geht es jetzt um das Thema Tierschutzgesetz. Ich habe gar nicht vorgehabt, mich darüber so aufzuregen, aber kommen wir zur Ist-Situation: Die Fraktionen von ÖVP und FPÖ haben einen Initiativantrag eingebracht und damit beantragt, dass Hun­de und Katzen im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten „in Zoofachhandlungen und an­deren gewerblichen Einrichtungen, in denen Tiere angeboten werden, zum Zwecke des Verkaufs nicht gehalten und ausgestellt werden“ dürfen. Ich habe es deshalb jetzt einfach heruntergelesen, weil es so dem Gesetzestext entspricht.

Das damit beabsichtigte Ziel, nämlich ein Verbot des Haltens von Hunden und Katzen in Zoofachhandlungen generell zu erreichen, ist unseres Erachtens jedoch nicht ein­deutig genug geregelt. Mit der beantragten Änderung des Tierschutzgesetzes wird nämlich kein eindeutiges und gesamtheitliches Verbot geschaffen, es bleiben immer noch Ausnahmen, mit welchen man dieses Verbot umgehen kann. Solche Ausnahmen wären etwa im Werbe-, Vermittlungs- und Pflegezweckbereich, außerdem werden Tei­le der Tierschutz-Sonderhaltungsverordnung obsolet, womit eigentlich nicht klar ist,


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 129

dass der Zoofachhandel der Behörde melden muss, wenn er eine Pflegestelle für diese Haltung bedienen sollte. Eigentlich wäre unsere Forderung eine klare und unmissver­ständliche Regelung des Verbots der Haltung in Zoofachhandlungen gewesen, wir wollten ein umfassendes Halteverbot ohne Möglichkeiten der Umgehung.

Die SPÖ kann diesem Initiativantrag zur Änderung des Tierschutzgesetzes im Gesam­ten in diesem Fall nicht zustimmen. Uns hat auch Folgendes ein bisschen gestört – was heißt ein bisschen?, wir sind es schon gewohnt –: Wir haben festgestellt, dass man sich eigentlich in der Vergangenheit, was das Thema Tierschutzgesetz anbelangt, immer mit den Tierschutzsprechern abgesprochen hat. Kollege Keck hat mir erzählt – so lange bin ich auch noch nicht da –, dass man mit Herrn Vock von der FPÖ – der wird wahrscheinlich nicht mehr hier sein – in den letzten 18 Jahren immer versucht hat, gemeinsam ein Tierschutzgesetz zu machen beziehungsweise sich abzusprechen. Wir waren ja nicht gar so weit entfernt, es geht nur um einen Teil dieses Gesetzes, der umgesetzt werden müsste.

Es war aber – das müssen wir mit Bedauern einmal mehr feststellen – nicht möglich, in dieser Angelegenheit parteiübergreifend Vorgespräche zu führen. Der Initiativantrag der Regierung zu diesem Tierschutzgesetz wurde erst am Abend – das ist auch bekannt und ist auch nicht das erste Mal – übermittelt. Diese Vorgangsweise zeigt ei­gentlich wieder einmal deutlich, dass offensichtlich eine Zustimmung oder eine Ver­handlung mit der Opposition im Grunde genommen gar nicht gesucht wird, weil es eh völlig wurscht ist, was die Opposition sagt– Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Bundes­rätin Mühlwerth: Das hat die SPÖ noch nie gemacht! Noch nie!)

16.44


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Ich begrüße den Herrn Bundesminister. – Herzlich willkommen!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Thomas Schererbauer. – Bitte.


16.45.07

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Herr Vorsitzender! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Ich werde mich gleich dem Tier­schutzgesetz widmen. Wie groß das Herz eines Menschen ist, können wir daran erken­nen, wie er mit Tieren umgeht. Die Änderungen in diesem Bundesgesetz zum Schutz der Tiere beinhalten wichtige Schritte zur Verbesserung der aktuellen Situation.

Aus heutiger Sicht ist es nicht mehr im Sinne eines modernen Tierschutzes, dass Hunde und Katzen in Zoofachgeschäften gehalten und ausgestellt werden, nur damit man diese verkaufen kann. Das ist in keiner Weise eine Kritik an den Zoofachge­schäften, die ihre Arbeit mit Sicherheit gut und gewissenhaft machen. Es ist nicht mehr notwendig und weder im Interesse der Tiere noch der Menschen, daher wurde ein Schlussstrich gezogen und das Halten und Ausstellen von Hunden und Katzen in Zoo­fachgeschäften verboten.

Weiters ist es in einigen Bundesländern zu Problemen bei der Zulassung von Tier­schutzorganisationen gekommen, da die Betriebsstätten nicht mehr genehmigt wurden. Das ist ein unzumutbarer Zustand und schadet den Vereinen, ohne die eine Aufrecht­erhaltung des Tierschutzes mit hohen Standards nicht mehr möglich ist. Es wurde schnell reagiert und im Gesetz definiert, was eine Betriebsstätte ist und wann eine wirt­schaftliche Tätigkeit im Sinne des Tierschutzgesetzes ist. Damit wurde Rechtssicher­heit für die Tierschutzvereine geschaffen und den Behörden die Vollziehung verein­facht. Damit können wir auch weiterhin auf die wichtige und gute Arbeit der Tier­schutzvereine bauen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 130

Das heikle Thema der rituellen Schlachtung wurde ebenfalls in Angriff genommen und neu definiert, ohne dabei die Religionsfreiheit einzuschränken. Es wurde auch keine neue Rechtslage geschaffen, vielmehr wurde durch die Landestierschutzreferenten der Wunsch geäußert, man solle das bestehende Verbot ausdrücklicher formulieren und ein Zuwiderhandeln zum Verwaltungsstraftatbestand erklären. Es wurde daher eine Konkretisierung im Sinne der Landestierschutzreferenten eingefügt, um so für Rechts­sicherheit zu sorgen. Damit wird den Behörden ein ordnungsgemäßes, zielgerichtetes und freies Einschreiten ermöglicht.

Das Problem der Ausbreitung von invasiven Tierarten und deren punktuelle Entnahme wurde ebenfalls geregelt. Es ist leider Faktum, dass sich fremde Tierarten schnell ausbreiten und die heimischen Arten verdrängen können. Hier geht es nicht um den Wolf oder den Bären, die geschützt sind, es geht um Schildkröten, Signalkrebse, Fi­sche, Eichhörnchen und so weiter. Um diese artgerecht und auch effizient zu entfernen und damit unsere heimischen Arten zu schützen, kann die Frau Bundesminister mit Verordnung jene Fähigkeiten und Kenntnisse festlegen, die jemand aufweisen muss, um invasive Arten zu reduzieren. (Bundesrat Krusche: Immer gegen die Ausländer!)

Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist das verschärfte Vorgehen gegen sogenannte schwarze Schafe unter den Tieranbietern. In den neuen Bestimmungen ist vorgese­hen: Egal wer ein Tier verkauft oder vermittelt, jeder muss über die Vorgeschichte und die Eigenschaften des Tieres aufklären. Damit wird sichergestellt, dass nicht nur Zoo­fachhandlungen zu informieren haben, sondern auch Vereine und Private. Der Käufer soll damit abgesichert und rechtlich bessergestellt werden. Es werden ausländische Verkäufer und Vermittler verpflichtet, eine Versicherung vorzulegen, die für die Rücker­stattung des Kaufpreises beziehungsweise für die Behandlungskosten aufkommt. Es sollen die Käufer zumindest finanziell abgesichert werden, um dem Tier die notwendige Versorgung zukommen zu lassen. Diese Maßnahmen treffen vor allem unseriöse An­bieter und – auch das ist eine lange Forderung – den illegalen Welpenhandel.

Zur Problematik der Lebendtiertransporte: Ich weiß, dass zur Verbesserung der Situa­tion während des österreichischen EU-Ratsvorsitzes schon einige positive Akzente gesetzt wurden. Ich bitte darum, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass das Leid der Tiere durch diese Lebendtiertransporte beendet wird und zukünftig keine Schlagzeilen mehr wie kürzlich in einer Tageszeitung zu lesen sind. Es sind Bilder, die sich ins Gedächtnis einbrennen: schreiende Kälber, eng zusammengepfercht in einem Vieh­transporter, kein Wasser, keine Nahrung, über und über bedeckt mit ihren eigenen Ex­krementen, geschwächte Kälber, die sich kaum noch auf den Beinen halten können, aber dennoch zu ihrer nächsten Station geprügelt werden. Das passiert in der Europäi­schen Union.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So etwas kann und darf uns nicht egal sein, denn dort, wo unser Mitleid aufhört, dort hört auch unsere Menschlichkeit auf! Summa summarum wurde mit dieser Novelle ein deutliches Signal für den Tierschutz gesetzt, den Menschen im Sinne des Tierschutzes die Hand gereicht und für eine Verbesse­rung des Rechtsschutzes gesorgt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit den Worten des britischen Naturwissenschaftlers Charles Darwin schließen, der einmal gesagt hat, woran wir ab und zu denken sollten: „Die Tiere empfinden wie der Mensch Freude und Schmerz, Glück und Unglück.“ – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.50


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Ewa Dziedzic. – Bitte.



BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 131

16.50.28

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Herr Vizekanzler! Werte Kollegen und Kolleginnen! Sichergestellt hat diese Novelle so ziemlich wenig. Ich weiß nicht, ob die Regierungsparteien im Vorfeld mit Experten und Expertinnen aus dem Tierschutzbereich gesprochen haben oder ob wir da einfach gänzlich andere Personen kennen, denn jene, mit denen ich gesprochen habe, sind nicht der Meinung, dass diese Novelle irgendwelche Verbesserungen mit sich bringen würde, im Gegenteil, sie schafft hier und da noch mehr Unsicherheit.

Beispielsweise die Tierhaltung in Zoofachgeschäften wurde angesprochen, wo es jetzt möglich ist, aber nur, wenn es auch eine Art Pflegeeinrichtung gibt. Wie diese auszuse­hen hat, wie groß die sein muss, welche Kriterien die erfüllen muss, das ist nirgendwo definiert. Das heißt, wir werden uns erst in der Praxis anschauen müssen, was das be­deutet, wie viele Zoofachhandlungen das weiterhin umgehen werden und inwiefern die­se Novelle zumindest diesbezüglich hinfällig ist.

Was den Vollzug anbelangt, dürften Sie eben nicht nur mit den Experten und Exper­tinnen nicht gesprochen haben, sondern auch nicht mit den Ländern. Der Vollzug ist Ländersache, wie Sie wissen werden, aber auch da gab es keinerlei Einbindung. Ge­rade in der Länderkammer sei nochmals betont, dass diese sehr wichtig gewesen wä­re, denn auch da haben wir jetzt keinerlei Sicherheit, wie dieser Vollzug, wie diese Um­setzung vonstattengehen soll.

Und so geht das munter weiter. Ich würde gerne damit schließen, dass Sie nicht nur im Nationalrat diesen wirklich weitreichenden Abänderungsantrag erst am Vorabend ein­gebracht haben, sondern dass Sie im Vorfeld auch überhaupt nicht ein Gesetz vorge­legt haben, das ausgegart ist, geschweige denn, wie gesagt, mit entsprechenden Ex­perten, Expertinnen oder den Länderzuständigen akkordiert worden ist.

Alles in allem: Es ist ein bisschen ein House of Chaos hier, seit Türkis-Blau auf der Re­gierungsbank sitzt. (Bundesrat Seeber: Das Gegenteil! – Bundesrätin Mühlwerth: Aber halblang! – Bundesrat Krusche: Das ist nicht Chaos, das hat System!) Diese No­velle macht das gut sichtbar.

Auch wenn Sie Darwin zitieren, liebe FPÖ: Es ist so, dass die Tiere tatsächlich keine eigene Stimme haben, denn sonst würden sie Ihnen wahrscheinlich genau das Gleiche wie ich sagen, nämlich dass diese Novelle sicherlich nicht zu grundlegenden Verbes­serungen führen wird. Im Gegenteil, wir werden uns erst in der Praxis anschauen müssen, ob diese Novelle nicht dazu führt, dass gewisse Kriterien erst recht umgangen werden. – Vielen Dank. Nehmen Sie es zumindest als Kritik mit! (Beifall bei Bundes­rätInnen der SPÖ und des Bundesrates Stögmüller. – Bundesrat Krusche: Danke, verzichte! – Bundesrätin Mühlwerth: Ach, die Frau Dziedzic!)

16.53


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Silvester Gfre­rer. – Bitte.


16.53.45

Bundesrat Silvester Gfrerer (ÖVP, Salzburg): Geschätzter Herr Präsident! Lieber Herr Bundesminister! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie! Wenn wir heute vom Tierschutz sprechen, könnte man auch die Tiere fragen, wie es ihnen geht. Das Tierschutzgesetz ist die Grundlage, dass es den Tieren gut geht.

Wie fühlen sich die Tiere? Welche Bedürfnisse haben unsere Tiere? Wie geht es ihnen grundsätzlich – sei dies in den landwirtschaftlichen Betrieben mit ihren Nutztieren, sei es in Häusern, in Wohnungen, wenn Haustiere aller Art gehalten werden, und auch in


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der freien Natur, die wild lebenden Tiere? Da wir unsere Tiere aber nicht fragen kön­nen, wie es ihnen geht, sind wir als Politiker, die Experten, die Tierschutzvereine und viele darüber hinaus verpflichtet, sowohl die gesetzliche Grundlage zu schaffen als auch die praxisorientierte Betreuung, die wirtschaftliche Betreuung unserer Tiere 365 Ta­ge im Jahr zu ermöglichen.

Voraussetzung dafür ist sicherlich eine gute Ausbildung, das fachliche Wissen im Um­gang mit unseren heimischen Nutztierarten. Ganz wesentlich dabei ist sicher auch die richtige Fütterung und der persönliche Bezug zur Kreatur.

2015 wurde das Bundestierschutzgesetz beschlossen; nachfolgend gab es laufend kleinere und größere Anpassungen. 2017 ist unter Einbindung vieler Experten des Tierschutzrates, der Tierschutzvereine und vieler mehr eine umfangreiche Novelle aus­gearbeitet, diskutiert und beschlossen worden.

Aktuell diskutieren wir heute das Halten von Hunden und Katzen in Zoofachhandlun­gen zur Verkaufspräsentation. Dies sollte verboten werden; das ist sehr gut, weil der Stress den Tieren nicht zumutbar ist.

Ein Teil dieses Gesetzes ist auch die Informationsweitergabe zur Vorgeschichte der Tiere an den neuen Tierhalter, um eventuelle Eigenschaften, Charakter, Besonderhei­ten zu erkennen und dem neuen Tierhalter mitzugeben. Dies ist auch deshalb notwen­dig, damit der neue Tierhalter eben die Bedürfnisse kennt und von Anfang an richtig reagieren kann, um so auch Reklamationen und eventuelle Garantieansprüche zu ver­meiden.

Somit beschließen wir heute das neue Tierschutzgesetz, das wesentlich höhere Stan­dards als im EU-Recht festlegt aufweist, aber auch wesentlich höhere Standards als andere EU-Länder und auch Länder außerhalb der EU garantiert.

Ein gutes, modernes, sehr strenges Tierschutzgesetz, das praxisorientiert und zum Wohl der Tiere festgeschrieben wird, ist untrennbar mit der Produktion hochwertigster regionaler Lebensmittel verbunden. (Bundesrätin Hahn: Hunde und Katzen?) Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die österreichischen land­wirtschaftlichen Familienbetriebe im Wettbewerb mit allen EU-Ländern, aber auch mit Importen aus Drittstaaten stehen, die eigentlich wesentlich günstiger produzieren kön­nen.

Was heißt das, auf dem Weltmarkt dabei sein zu müssen mit unseren kleinstruktu­rierten landwirtschaftlichen Familienbetrieben? – Das heißt, liebe Kolleginnen und Kol­legen, zum einen, dass es in Österreich aufgrund klimatischer Bedingungen, speziell im Berggebiet, keine Alternative zur Grünlandwirtschaft und zur Nutztierhaltung gibt. Das heißt weiter, dass unser Grünland bis hinauf auf unsere Almen Grundlage für die naturnahe regionale Produktion unserer hochwertigen Lebensmittel ist. In diesem Zu­sammenhang möchte ich mich wirklich bei allen Konsumentinnen und Konsumenten herzlich bedanken, die beim Einkauf bewusst darauf schauen, wo und wie unsere Lebensmittel produziert werden. In diesem Bereich gibt es nach wie vor natürlich noch weiter Luft nach oben.

Durch die Bewirtschaftung mit Rindern, Schafen, Ziegen, Pferden und vielen anderen Tierarten ist auch sichergestellt, dass Tierwohl und Tierschutz im höchsten Maße ga­rantiert ist und unsere Kulturlandschaft in ihrer Einzigartigkeit erhalten bleibt.

Für die Zukunft muss es gelingen, die Wettbewerbsnachteile aufgrund eines sehr strengen Gesetzes und der wesentlich schärferen Tierhaltungsrichtlinien und ‑verord­nungen als in anderen Ländern, der erschwerten Bewirtschaftungsgrundlagen in be­nachteiligten Gebieten und der höheren Produktionskosten in der neuen Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik besser zu berücksichtigen.


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Das neue Tierschutzgesetz tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft, und zwar mit einigen Über­gangsbestimmungen, damit sich Zoofachhandlungen, die eine aufrechte Bewilligung haben, besser darauf einstellen können.

Mit großer Sorge beobachte ich die Entwicklung bei den Kleintieren, im Speziellen bei den Schafen und Ziegen. Wir hatten in unserem Bezirk im Frühjahr des heurigen Jah­res sechs Wolfsrisse innerhalb von drei Wochen zu verzeichnen. Die betroffenen Bau­ern, sehr kleine Betriebe, züchten Schafe und Ziegen, die zum großen Teil hochgefähr­deten Tierrassen angehören. Für den Erhalt dieser vom Aussterben bedrohten Rassen bezahlen die EU, Bund und Land Prämien.

Nebenbei sei noch bemerkt, dass der Bestand dieser Tiere wesentlich gefährdeter ist als zum Beispiel die Wolfspopulation mit circa 30 000 Stück in Europa. Da stellt sich für mich unweigerlich die Frage: Wo bleibt in diesem Bereich der Tierschutz? Wer schützt die vom Aussterben bedrohten Tierarten? Das Ergebnis dieser Risse waren in unse­rem Bezirk 25 Stück zerfetzte Schafe und Ziegen.

Es ist heute in einigen Punkten betreffend die Landwirtschaft speziell die Berglandwirt­schaft eigentlich von allen Fraktionen sehr positiv dargestellt worden. Wenn wir die kleinstrukturierte Landwirtschaft im Berggebiet und speziell in der Almwirtschaft für die Zukunft absichern wollen, muss der Schutzstatus des Wolfes, sprich die FFH-Richtlinie der EU, abgeändert werden. Kommt der Wolf, geht der Bauer, darüber müssen wir uns im Klaren sein. (Bundesrat Stögmüller: Geh, keine Schwarzmalerei!)

Im Regierungsübereinkommen wird die Wichtigkeit des Tierschutzes für Österreich, für unsere Menschen und unsere Tiere hervorgehoben. Ich möchte abschließend noch darauf hinweisen, dass Tiere nicht als Weihnachtsgeschenke geeignet sind, weil man damit weder dem Beschenkten noch dem Tier etwas Gutes tut. Tierhaltung heißt Verantwortung, Verantwortung jeden Tag. Mit diesem Gesetz, denke ich, kommen wir dem ein Stück näher. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.03


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. – Bitte.


17.03.12

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde schon sehr viel über das Thema Hund und Katze gesagt. Vorweg: Ich schließe mich den Ausführungen mei­nes Freundes Günther Novak an.

Durch die Tierschutz-Sonderhaltungsverordnung ist es auch für Zoofachgeschäfte möglich, Tiere in Pflegestellen unterzubringen, und daher ist es nicht mehr erforderlich, dass Hunde und Katzen in Verkaufs- und Ausstellungsräumen von gewerblichen Tier­haltungen ausgestellt oder gehalten werden.

Es geht bei diesem Gesetz ja erstens einmal um den Inhalt und zum Zweiten ist es auch entscheidend, wie dieses Gesetz zustande gekommen ist. Es muss in dem Ge­setz klar formuliert sein, dass das Halten von Hunden und Katzen in Zoofachgeschäf­ten verboten ist, meine Damen und Herren! Der Tierschutz hat kein Mascherl, es geht nicht darum, aus Prinzip eine Gesetzesänderung abzulehnen oder einfach dagegen zu sein. Gefordert wird vielmehr, dass man sich mit Änderungen zeitgerecht befassen kann und sie vor einer Beschlussfassung auf Augenhöhe diskutiert und besprochen werden können.

Der vorliegende Antrag geht weit über das hinaus, was im Gesundheitsausschuss des Nationalrates besprochen wurde, es wurde schon darauf hingewiesen. Im Antrag wer­den EU-Verordnungen und auch Themen, die die Länder betreffen, zitiert. Es sind


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Länderverordnungen enthalten, obwohl die Länder nach Auskunft nicht ausreichend in die Gestaltung beziehungsweise in die zu treffenden Maßnahmen eingebunden und dazu befragt wurden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das kann vorkommen!)

An sich ginge es darum, meine Damen und Herren, einen Konsens über alle Partei­grenzen hinweg zu finden, so wie es früher einmal gehandhabt wurde. (Bundesrätin Mühlwerth: Ja, das war früher!)

Der derzeitige Wortlaut im Gesetz „zum Zwecke des Verkaufes“ lässt noch andere Zwecke und Formen einer Haltung zu, und da ist eine klare Formulierung absolut erfor­derlich, meine Damen und Herren.

Der gesamtändernde Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen zum Tierschutzge­setz wurde kurzfristig an die Oppositionsparteien übermittelt, und es gab keinerlei Mög­lichkeiten, die umfangreiche Novellierung des Tierschutzgesetzes zu diskutieren und sich partnerschaftlich damit auseinanderzusetzen. Eine solche Vorgehensweise ist de­mokratiepolitisch bedenklich, sie spiegelt erneut den Habitus der Regierung wider nach dem Prinzip: Wir sind wir! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Das habt ihr oft genug gemacht! – Bundesrat Schuster: Rot-Grün in Wien macht das genauso!)

Es wird einfach versucht, zu bestimmen, was zu geschehen hat, ohne Gespräche, oh­ne Dialog und ohne Einbeziehung aller Betroffenen. Diese Vorgehensweise wirft auch die Frage auf, ob es überhaupt erwünscht war oder ist, ernsthafte Gespräche mit der Opposition und anderen interessierten und befassten Kreisen zu führen, oder ob be­wusst der Weg gewählt wurde, einen Beschluss ohne Zustimmung einer Oppositions­fraktion zu erreichen.

Aus diesen genannten Gründen und mit Bedauern darüber, dass die Durchsetzung der angeblichen Autonomie der Regierung vorherrscht, ist dieser Antrag von uns abzuleh­nen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrätin Mühlwerth: Kindisch! – Bundesrat Krusche: Beleidigt, auf Kosten der Tiere!)

17.06


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Bun­desrat Thomas Schererbauer zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.06.45

Bundesrat Thomas Schererbauer (FPÖ, Oberösterreich): Frau Kollegin Dziedzic, nur ganz kurz: Sie haben behauptet, man wisse nicht, wie Pflegestellen dann ausschauen.

Dazu ist festzuhalten, dass eine Pflegestelle Vorgaben hat, die aber nicht im Gesetz, sondern in der Tierhaltungsverordnung geregelt sind. In der 1. und in der 2. Tierhal­tungsverordnung steht genau drinnen, wie die Tiere zu halten sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.07


Vizepräsident Ewald Lindinger: Abschließend hat sich Herr Vizekanzler Heinz-Chris­tian Strache zu Wort gemeldet. – Bitte.


17.07.14

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Bun­desräte! Tierschutz ist sicherlich grundsätzlich etwas ganz, ganz Wichtiges, und Tiere sind schützenswerte Wesen; so gesehen sollten wir das außer Streit stellen. Hoffent­lich gelingt es auch, dass wir irgendwann einmal im Tierschutz so weit kommen, zu sa­gen, dass Tiere keine Sache sind, sondern schützenswerte Lebewesen auf unter-


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schiedlichen Ebenen, ob das jetzt Wildtiere, Haustiere oder Nutztiere sind. Wir sollten dabei auch irgendwann einmal gemeinsam in der Definition vorankommen, um von dem Begriff Sache wegzukommen, denn das wäre auch ein guter und verantwortungs­voller Schritt.

Ziel der Novelle des Tierschutzgesetzes war das Verbot der Hunde- und Katzenhaltung in Zoofachgeschäften und anderen gewerblichen Einrichtungen. Grund dafür war die Umsetzung der Meinung der Bevölkerung, dass die Haltung dort eben nicht mehr tier­schutzkonform ist und dass es da andere Möglichkeiten, Wege und Lösungen geben kann.

Der politische Wille, dass Hunde- und Katzenhandel weiterhin möglich sein soll, ist ja vorhanden und spiegelt sich auch in diesem Gesetz wider, aber die Haltung der Tiere im Welpenalter im Fachhandel zu verbieten, ist schon etwas Gescheites. Es ist ja nicht mehr zwingend notwendig, dass das Vorzeigen der Tiere und der Welpen im Geschäft, vor Ort, unter nicht gerade würdigen Bedingungen stattfindet, sondern man kann das eben auch tiergerecht gestalten und auslagern, die Tiere über Monitore sichtbar ma­chen. Wenn dann Kaufinteresse da ist, wird es auch in Zukunft nicht verboten sein, den Kauf des jeweiligen Tiers, das sich jemand wünscht, im Geschäft vorzunehmen.

Das ist ja in dem Gesetz so geregelt, und damit wurde man dem Tierschutzgedanken und letztlich gleichzeitig auch den Zoofachhandlungen gerecht, wo ja weiterhin Hunde und Katzen zum Verkauf angeboten werden können, ohne sie vor Ort auszustellen. Sie können die Welpen und die Tiere in entsprechenden, dafür vorgesehenen Pflegestellen betreuen und sie dann etwa über einen Monitor sichtbar machen.

Dies wurde übrigens unter der seinerzeitigen ÖVP-FPÖ-Regierung ab dem Jahr 2000 beschlossen, dann leider von der SPÖ-ÖVP-Regierung wieder erlaubt und rückgängig gemacht. Im Rahmen der Gesetzgebung wurde zudem der Vorschlag der SPÖ aus dem Gesundheitsausschuss eingearbeitet, dass auch die Vermittlung durch Zoofach­geschäfte explizit verboten wurde, um Unklarheiten auszuschließen. Wie gesagt, der Verkauf ist weiterhin möglich, aber es geht darum, Tierschutz zu garantieren und an­gemessene Tierpflege- und Tierunterbringungsstandards vorzugeben, damit die Tiere, nämlich Welpen, nicht in der Art und Weise wie heute leiden müssen.

Wir haben für die betroffenen Zoofachhandlungen eine Übergangsfrist vorgesehen; das ist auch wichtig, denn man kann das ja nicht von heute auf morgen machen. Das ist, glaube ich, ein vernünftiger und gerechter Vorgang, dass wir dies mit einer großzü­gigen Übergangsfrist bis 31. Dezember 2019 sicherstellen.

Da es in zwei Bundesländern bei der Zulassung von Tierpflegestellen und Tierschutz­vereinen zu massiven Problemen gekommen ist und auf informativem Weg eine Berei­nigung nicht möglich war, ist nunmehr legistisch definiert und noch einmal klargestellt worden, was unter Betriebsstätte zu verstehen ist und welche Tätigkeiten unter die Notwendigkeit einer Betriebsstätte fallen. Damit haben wir zeitgerecht für Rechtssi­cherheit gesorgt, sodass die für den Tierschutz so wichtigen Tierschutzvereine und Tierpflegestellen eben nicht mit Jahresende zusperren müssen, sondern gerettet und gesichert werden. Hätten wir das nicht getan, so hätten die Vereine in zwei Bundes­ländern ab 1. Jänner 2019 keine Tiere mehr aufnehmen und diese nicht mehr versor­gen können. Das war daher ein ganz wichtiger und notwendiger Schritt.

Ganz Europa, und daher auch Österreich, ist davon betroffen, dass – wie heute schon debattiert – gebietsfremde invasive Arten – so nennt man das sperrig – einwandern. Das bedeutet, dass es sich dabei um Tiere handelt, die eben nicht in Österreich hei­misch sind und heimische Arten verdrängen – das betrifft nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen und andere Bereiche, die von der Europäischen Union in Verordnungen definiert sind. Auf dieser Basis wurde eine Liste dieser gebietsfremden invasiven Arten


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erstellt, die nun laufend adaptiert wird. Es wurde zu Recht gesagt, dass der Wolf und der Bär natürlich nicht dabei sind. Pflanzenarten werden darin genauso definiert, aber das ist jetzt nicht Gegenstand der Debatte.

Wichtig ist: Aufgrund dieser Liste ist es möglich, einzelne Stücke zu entnehmen oder sogar den Bestand da oder dort zu minimieren, wenn es notwendig ist und genehmigt wird. Das kann man dann nicht einfach so machen, sondern es braucht dafür eine Genehmigung. Das ist wichtig, denn bisher war es ja nur dem Amtstierarzt möglich, solche Entnahmen durchzuführen, was sich als nicht gerade praxistauglich erwiesen hat.

Ein Beispiel: Der Flusskrebs wird besser von einem Fischer als von einem Tierarzt bekämpft werden können, was natürlich logisch ist, denn in der Regel hat der Fischer wahrscheinlich mehr Ahnung als der Tierarzt. So gesehen ist es logisch, gut und richtig, dass man das definiert und entsprechend erweitert hat. Man kann nun per Ver­ordnung festlegen, welche Ausbildung, welche Kenntnisse, welche Fertigkeiten jene Personen haben müssen, die das handhaben können und beauftragt werden – genau so steht das drinnen. Das ist ein wichtiger Begriff, denn es wird immer wieder be­hauptet – Teile der Opposition behaupten das –, dass ab jetzt zum Beispiel jeder Jäger einen Biber erlegen kann. – Nein, dies ist nicht so, denn die zuständige Behörde muss ausdrücklich die Entnahme genehmigen. Somit kann garantiert werden, dass das Ganze kontrolliert ablaufen wird und nicht einfach aus der Hüfte heraus passieren kann.

Zu großer Verunsicherung bei den Landwirten hat im Sommer der Erlass über die Schlachtung für den Eigenbedarf geführt. Das wurde mit einem Schächtungsverbot verwechselt, wobei nur klargestellt werden sollte, was wirklich unter Eigenbedarf zu verstehen ist. Teilweise basierte diese Unsicherheit auf einer unscharfen Formulierung des Verbots von rituellen Schlachtungen außerhalb zugelassener Schlachtanlagen. Um hier Rechtssicherheit zu schaffen, wurde die Bestimmung neu formuliert, ohne da­bei den Inhalt zu verändern. Nunmehr ist klar, dass jegliche Art von rituellen Schlach­tungen, unabhängig von der Religion, nur noch in zugelassenen Schlachtanlagen oder mit einer besonderen Bewilligung erlaubt sind. Konsequenterweise wurde daher ein Verstoß gegen diese Bestimmung erstmals unter Strafe gestellt.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass nur noch die Länder durch ihre Organe tatsächlich gegen die illegale rituelle Schlachtung vorgehen und Strafen verhängen können, und fernab der Religionsausübung muss bei der rituellen Schlachtung das Tierwohl bestmöglich geschützt werden. Diese nochmalige Klarstellung war ein Anlie­gen der Landestierschutzreferentenkonferenz. Diese Bestimmung ist jetzt aufgrund dieser Anregungen nachgebessert und optimiert worden, das wurde nachgeholt.

Als letzte große Maßnahme verstehen wir die Schaffung gleicher Rahmenbedingungen für den Tierbesitzer wie für den Tierverkäufer und -vermittler beim Erwerb von Haus­tieren. Natürlich betrifft dies nicht landwirtschaftliche Tiere, für die Sonderregelungen gelten. Für alle Verkäufer und Vermittler gilt nunmehr, dass die Haltungsbedingungen gleichermaßen gelten und keine Ausnahmen mehr gemacht werden dürfen, die eine nicht artgerechte Haltung zur Folge haben. So gesehen, hoffe ich auf Zustimmung.

Ich verstehe, dass man da oder dort vielleicht manche Dinge differenziert betrachtet, aber im Großen und Ganzen waren alle drei heute debattierten Gesetzesvorhaben sehr, sehr gute und vernünftige. Ich glaube, dass das in allen drei Segmenten, ob Ab­schaffung des Pflegeregresses, mehr Netto vom Brutto für Arbeitnehmer, selbständig Beschäftigte, unselbständig Beschäftigte bis hin zu den Lehrlingen, und nun zum Tier­schutz, vernünftige Maßnahmen sind, bei denen man sich abseits der ideologischen


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Parteigrenzen wiederfinden kann. Mein Dank geht daher an all jene, die das möglich machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.16

17.16.16


Vizepräsident Ewald Lindinger: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.16.3212. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Patentamtsgebührengesetz geändert wird (278 d.B. und 360 d.B. sowie 10062/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Georg Schuster. Ich bitte um den Bericht.


17.16.51

Berichterstatter Georg Schuster: Herr Präsident! Ich erstatte den Bericht des Aus­schusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des National­rates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentamts­gebührengesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorla­ge am 4. Dezember 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. – Bitte.


17.17.35

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Patentamtsgebührengesetz ist nun sicherlich keine sehr große Sache und wird die Masse der Menschen nicht un­mittelbar tangieren, aber es ist ein weiterer Schritt zur Stärkung des Forschungsstand­ortes Österreich. Damit wird die digitale Einreichung von Anmeldungen und Anträgen erleichtert, es werden Gebühren gesenkt und wieder einmal wird die Verwaltung ver­einfacht.

Im Einzelnen sind fünf wesentliche Eckpfeiler in diesem Gesetz enthalten:

Erstens, die Einführung des sogenannten Onlinebonus: Das heißt, es kommt zu gerin­geren Gebühren bei Onlineanmeldungen, und zwar dadurch, dass die geringeren Ver­waltungskosten, die bei der Onlineanmeldung entstehen, an den Anmelder weiterge­geben werden. Außerdem ist dies ein weiterer Schritt in Richtung Digitalisierung.

Zweitens wird die Einmalgebühr bei gleichen Anträgen auf Firmenwortlaut- bezie­hungsweise Namensänderungen eingeführt. Bisher war dies wie folgt: Wenn eine Fir­ma, die beispielsweise zwölf Patente und 17 Marken hat, ihren Namen änderte, so musste sie dafür 29-mal zahlen, also zwölf plus 17. Jetzt muss sie nur noch zweimal zahlen: einmal für das Patent, einmal für die Marke.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 138

Der dritte Punkt ist eine Gebührensenkung. Anträge zur Streichung oder Löschung von Patenten und Marken kosten nunmehr nur noch 550 Euro statt wie bisher 700 Euro.

Der vierte Punkt ist, dass die Bagatellgebühren überhaupt entfallen können.

Schließlich der fünfte wesentliche Punkt: Es kommt generell zu mehr Transparenz. Da die Gebühren in mehreren Gesetzen geregelt sind, war es für den Kunden schwierig, sich einen Überblick über sämtliche anfallenden Kosten zu verschaffen. Nun sind alle Gebühren auf der Homepage des Patentamts klar ersichtlich.

Somit kann man sagen: Ein weiteres gutes Gesetz für den Wirtschaftsstandort Öster­reich! – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.20


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gelangt Herr Vizepräsident Bundesrat Dr. Mag­nus Brunner. – Bitte sehr.


17.20.48

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tom Fishburne ist ein großer Marken- und Patentexperte. Er hat letzthin bei einem Konvent gesagt, dass ein strengerer Spießrutenlauf nicht zu besseren Ideen, sondern nur zu vorsichtigeren Ideen führt. – Nicht, dass das bisher im Patentamt bei Patentanmeldungen so üblich war, aber jede Verbesserung in diesem Bereich ist gut. An dieser Stelle kann man, glaube ich, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Patentamtes einen großen Dank aussprechen, da sie keinen leichten Job haben. Sie müssen zu Beginn abschätzen, ob es Sinn macht, das Patent im Detail überhaupt anzuschauen. Sie haben auch mit un­terschiedlichsten Charakteren zu tun, auf der einen Seite von Genies bis zu beseelten Menschen – um das vorsichtig auszudrücken –, auf der anderen Seite von tollen Erfin­dern bis zu Unbelehrbaren, die nie etwas einsehen. – Ein breiter Mix also.

Dieses Gesetz aber baut bürokratische Hürden ab, bringt mehr Transparenz und ver­einfacht. Es wird billiger. Kollege Krusche hat es schon im Detail ausgeführt, vom On­linebonus bis zu Mehrfachgebühren, die wegfallen, ist alles schon gesagt worden. Ins­gesamt soll das 240 000 Euro bringen. Es ist nicht die Megasumme, aber es geht schon auch um eine Einstellung. Das betrifft jetzt weniger die großen Unternehmen, aber viele kleine Unternehmen oder solche, die zum ersten Mal einen Patentantrag stellen. Für sie kommt es zu Erleichterungen, was auch gewisse Hemmschwellen in diesem Bereich senkt.

Um auf den Beginn zurückzukommen: Mehr Ideen und bessere Ideen für mehr Inno­vation in Österreich: das bringt dieses Gesetz. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.22


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. – Bitte.


17.22.55

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Patentamtsgebührengesetz hört sich wirklich nach sehr technokratischem Zeugs an. Dieses Gesetz aber wurde so gestaltet, dass es dank all der Möglichkeiten, die uns die Technik heutzutage bietet, wirklich einen Sprung in die Zukunft gibt.

Es sind schon einige Dinge angerissen worden, die erläutern, was dieses Gesetz bes­ser macht. Es sind dies eben die Gebührensenkungen und dass es einfacher sein wird, Feststellungen vom Patentamt zu erhalten. Dadurch werden wir in Österreich ganz einfach wieder innovativer sein können und wir könnten mit diesem Gesetz die Firmen dazu bringen, hier in Österreich mehr Patente anzumelden.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 139

Es ist nicht so, wie schon einmal in einem anderen Jahrhundert in England gesagt wurde: Wir schließen das Patentamt, denn es gibt nichts mehr zu erfinden. – So ist es nicht.

Wir schauen, dass wir in eine neue Zukunft kommen, und glauben, es ist ein recht gu­tes Gesetz. (Allgemeiner Beifall.)

17.24

17.24.58


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesräte und Bundesrätinnen, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.25.1413. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 22. November 2018 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Markenschutzgesetz 1970 geändert wird (294 d.B. und 361 d.B. sowie 10063/BR d.B.)

Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Gerd Krusche. Ich bitte um den Bericht.


17.25.30

Berichterstatter Gerd Krusche: Ich erstatte den Bericht des Ausschusses für Inno­vation, Technologie und Zukunft über den Beschluss des Nationalrates vom 22. No­vember 2018 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Markenschutzgesetz 1970 ge­ändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorla­ge am 4. Dezember 2018 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. – Bitte.


17.26.27

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Marken­schutzgesetz und allgemein zu Erfindungen und Markenrechten: Ihre Anzahl ist auch eine Kennzahl für die Qualität einer Volkswirtschaft, so wird es zumindest nach außen interpretiert und international analysiert. Insofern sind die Verschlankung, die Vereinfa­chung und der einheitliche europäische Zugang zu diesen Markenrechten – in dem Fall natürlich auch zu den Patentrechten – eine wesentliche Sache, um die Kreativität der Menschen und des Individuellen zu fördern.

Die Novelle zum Markenschutzgesetz entspricht einer Richtlinie aus dem Jahr 2015 zur Harmonisierung des europäischen Markenrechtes. Es ist eine Angleichung an das heutige Zeitalter – das Zeitalter der Digitalität, der Multimediengesellschaft –, weil sich das Markendesign natürlich vielfältig zeigt. Das ist vor allem für die Werbung wichtig, um es mit verschiedenen Möglichkeiten in verschiedenen Medien präsentieren zu kön­nen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 140

Die vielfältigen Methoden der geschützten Marken sind wichtig, damit sich diese prä­sentieren können, weil die Marke ja auch ein Symbol für die Qualität eines Produktes ist. Ich möchte hier die Top 10 jetzt nicht ausführlich beschreiben, aber dennoch anfüh­ren. Die Liste der wichtigsten Marken Österreichs liest sich auch wie ein Who’s who der österreichischen Industrie und des Handels. An erster Stelle steht Red Bull, ein ganz toller Mäzen des internationalen Leistungssports, den wir hier – im Unterschied vielleicht zur SPÖ in der Vergangenheit – in Österreich sehr schätzen.

Top 2, Swarovski: auch ein ganz toller Unternehmer, eine Unternehmerfamilie aus Ti­rol, die soeben vom ganz genialen Künstler André Heller die Kristallwelten neu gestal­ten lässt. Top 5: die Österreichischen Bundesbahnen, die eine ganz tolle Leistung für die österreichische Wirtschaft auch in Form der Rail Cargo Austria erbringen.

Ein paar Worte noch zum Patentamt: Das Patentamt hat seine Gründung bereits 1899 erlebt – Schutz der Marken, der Muster und natürlich der Erfindungen –, aber es hat auch schon eine Zeit davor mit über 90 000 privilegierten Rechten gegeben; so hat es damals geheißen: nicht patentierte Schutzrechte, sondern privilegierte Schutzrechte. Das Patentamt hat dazu ein ganz tolles Archiv, das vielleicht – um nur eine kleine Anregung vermerken zu dürfen – eine Onlinestellung verdienen würde, damit man die Erfindungen und Markenrechte dieses genialen Zeitalters des 19. Jahrhunderts inter­national und national einsehen kann.

Es ist ein sehr gutes Gesetz, das der Kreativität der österreichischen Wirtschaft si­cherlich förderlich ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Andrea Wag­ner. – Bitte.


17.29.44

Bundesrätin Andrea Wagner (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause! Was bedeutet der Begriff Marke und was ist die Geschichte der Marke? – Der Begriff Marke lässt sich einerseits auf den französischen Begriff marque – Kennzeichen, Zeichen zur Erkennung – zurückführen. Andererseits beruht er auf der urgermanischen Bezeichnung marka, die für Grenzen setzen, sein eigenes Gebiet von anderen abgrenzen, Grenze zur Unterscheidung steht.

Die Geschichte der Marke geht auf die Zeit zurück, in der Händler begannen, die bis­lang in namenlosen Säcken beschafften Produkte – zumeist Lebensmittel – mit einem Etikett zu versehen. Die Ware wurde in eine Art Händlerverpackung abgefüllt. Somit waren zumindest im Lebensmittelbereich die Handelsmarken die ersten Marken ihrer Zeit. Marken dienten und dienen der Qualitäts- und Originalitätssicherheit für die Kon­sumentinnen und Konsumenten dieser Waren und Dienstleistungen.

Das Besondere an Marken ist, dass sie Beziehungen zu Kunden mittels Geschichten und Erlebnissen aufbauen, die auf Attraktivität und Vertrauen basieren. Es ist eine emotionale Beziehung, die bei starken Marken deutlich stärker ist als die rationale Nutzenbeziehung der Kunden zum zumeist standardisierten Produkt.

Hinter jeder starken Marke steht eine einzigartige Bedeutungswelt, eine Identität. Star­ke Marken schaffen eine Identität und erzeugen eine emotionale Erlebniswelt. Damit schaffen sie Identifikation. Marke erzeugt also primär Emotion, Marke ist Kopfkino. Pro­dukte verkaufen die Befriedigung von Bedürfnissen wie Durst oder Hunger, Marken hingegen verkaufen Träume, Sehnsüchte.

Da aus diesen Gründen Marken immer mehr an Bedeutung gewinnen, ist die Moder­nisierung des Markenschutzgesetzes von 1970 wichtig und notwendig. Mit der heute


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zu beschließenden Änderung im Markenschutzgesetz von 1970 wird der zweite Teil der EU-Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken umgesetzt. Es erfolgt damit ein Schritt hin zu einem modernen Markenbegriff.

Bisher mussten Marken mit grafischen Mitteln dargestellt werden, was im Hinblick auf moderne Werbe- und Marketingformen unzureichend ist. In Zukunft wird es neue, mo­derne Markenformen geben. Marken werden also durch allgemein zugängliche neue Technologien, zum Beispiel Videos, dargestellt. Es wird Klangmarken, Bewegungsmar­ken, Multimediamarken geben. Die Kreativität hat hier also freien Lauf.

Der Markenschutz wird dem Stand der Technologie, dem digitalen Zeitalter angepasst. Auch die mit einer Markenanmeldung verbundenen Kosten sollen gesenkt und dadurch der Zugang zum Markenrecht vereinfacht werden. In dieser Novelle sind auch Schritte zur effektiven Bekämpfung von Produktpiraterie vorgesehen.

Da die ersten Marken im Lebensmittelbereich entstanden sind, mache ich jetzt noch­mals einen kurzen Schwenk in den Lebensmittelbereich.

Im Lebensmitteleinzelhandel gibt es schon eine große Bandbreite an Marken, vor allem die des Handels, die auch die Produzenten vor gewisse Herausforderungen stellen. Ich möchte aber auf einen immer wichtiger und größer werdenden Bereich, die Außer-Haus-Verpflegung, kurz eingehen. Die Veränderung, die Komplexität unseres Tages­ablaufes erfordert immer häufiger, außer Haus – im Kindergarten, in der Mensa, in der Kantine oder über Catering in der Gastronomie et cetera – zu essen. Dabei ist schwer bis gar nicht erkennbar, woher die Zutaten für die Mahlzeiten kommen. In diesen Berei­chen reichen also Marken alleine nicht.

In diesen Bereichen brauchen wir verstärkt eine Herkunftskennzeichnung, durch die nachvollziehbar ist, woher die Produkte kommen. Ich bitte daher darum, sämtliche Ini­tiativen hinsichtlich Lebensmittelkennzeichnung und Herkunftskennzeichnung zu unter­stützen, denn die Konsumentinnen und Konsumenten wollen österreichische Lebens­mittel, und es ist gut zu wissen, woher unser Essen kommt.

Abschließend darf ich nochmals um Unterstützung für die Modernisierung des Marken­schutzgesetzes bitten und darf an diese Bitte auch einen Appell knüpfen: Stärken wir gemeinsam die Marke Österreich! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.34


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Beer. – Bitte.


17.34.49

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Das war eine wirklich sehr ausführliche Beschreibung von Kolle­gin Wagner über den Markenschutz. Wir haben also, wie schon gesagt, den Marken­schutz an europäisches Recht angepasst. Es gibt doch einige Veränderungen, die viel­leicht erwähnenswert sind.

Im Bereich des Markenschutzes hatte bis jetzt niemand die Möglichkeit, ruhende Mar­ken aufzulassen. Das wird in Zukunft vielleicht etwas leichter passieren. Es war ganz einfach so, dass Firmen einen Markennamen geschützt haben und niemand anderer konnte ihn dann benutzen. Jetzt muss aber auch nachgewiesen werden, dass dieser Markenname oder diese Marke weiterhin in Verwendung ist.

Was auch ganz wesentlich ist, kommt bei Zollkontrollen von gewissen Marken zum Tragen. Bis jetzt war es nur möglich, dass man gefälschte Marken am Ausgangspunkt, der Erzeugung, und am Vertriebspunkt der Fälschung beschlagnahmen konnte. Jetzt haben wir die Möglichkeit, dass bereits beim Transport Kontrollen durchgeführt und


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diese Marken dann sofort beschlagnahmt werden können. Das ist natürlich ein Schutz für diejenigen, die eine Marke entwickelt haben, und diejenigen, die ganz einfach auch darauf angewiesen sind, dass nicht so seltsame Dinge wie ein achtbeiniges Krokodil vorgestellt werden und jeder dann glaubt, er habe ein ganz tolles Leiberl gekauft.

Da die Methoden der Fälscher immer besser werden, ist es in unserer Zeit ganz ein­fach notwendig, zu reagieren und ihnen das Handwerk zu legen. – Danke. (Allgemei­ner Beifall.)

17.37


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Ing. Norbert Hofer. – Bitte.


17.37.11

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte betonen, wie wichtig es ist, Marken zu schützen. Wenn man sich überlegt, wie lange es dauert, bis sich eine Marke einen Ruf erwerben kann, wie viel an Aufwand dahinter steckt, was Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens leisten müssen, damit das Produkt die gleiche Qualität über Jahre hinweg innehaben kann und die Marke entsteht, dann muss uns vollkommen klar sein: Der Schutz der Marke ist von besonders großer Be­deutung.

Es hat vor einigen Jahren den Fall gegeben, dass beim Hersteller von Liftanlagen in Österreich ein Anruf aus dem asiatischen Raum eingegangen ist, weil die Liftanlage defekt war. Allein, der Hersteller hatte dort keinen Lift errichtet. Der Doppelmayr-Lift ist dort kopiert und nachgebaut worden, und als er dann nicht mehr funktionierte, hat man die Firma Doppelmayr angerufen. Es ist also sehr wichtig, dass wir das, was es bei uns gibt, auch tatsächlich schützen.

Jetzt geht es darum, dass sich Marken weiterentwickeln und auch Videosequenzen zu Marken werden können. Ich darf das Beispiel des berühmten Rufes „Almdudler“ in der Werbung bringen. Das ist ein schützenswerter Ruf. Es kennt ihn jeder in Österreich, und nun kann er als Marke mitgeschützt werden.

Sie haben sowohl beim Punkt davor in der Tagesordnung – bei den Patentamtsgebüh­ren – als auch jetzt inhaltlich bereits alles gesagt. Es ist bei Themen, die dann unstrittig sind, immer so, dass der Minister dann in der undankbaren Situation ist, nichts mehr in­haltlich Neues vorbringen zu können.

Eines möchte ich jedoch noch anfügen, weil es mir besonders wichtig ist: Ich möchte Sie alle einladen, im neuen Jahr einmal die Gelegenheit zu nutzen, das Patentamt zu besuchen, wenn Sie noch nicht dort waren. Das ist ein unglaublich moderner Betrieb mit einer sehr fähigen Präsidentin, Mariana Karepova, die dieses Patentamt wirklich auf sehr, sehr moderne Beine gestellt hat, mit hervorragenden Mitarbeitern. Heute wurde bereits einmal erwähnt, wie schwierig es für einen Prüfer ist, festzustellen, ob die Person, die mit einer Idee kommt, seriös ist, ob das wirklich eine Idee ist, die um­setzbar, machbar ist, oder ob es jemand ist, der etwas vorstellt, was in Wirklichkeit nicht umsetzbar ist.

Es kommen jedes Jahr sehr, sehr viele Versuche, ein Perpetuum mobile als Patent zu schützen, und es ist oft sehr schwer, den Menschen, die kommen, begreifbar zu ma­chen, dass so etwas niemals funktionieren kann. Genau dieses Fingerspitzengefühl gepaart mit Fachwissen, Empathie und sozialer Kompetenz muss ein Prüfer am Pa­tentamt aufweisen, und das ist dort auch wirklich in hohem Maße der Fall.

Wenn Sie also irgendwie Zeit haben, schauen Sie sich das an! Man kann sich auch alte Patente ansehen. Es gibt vor Ort alte Urkunden, anhand deren man sieht, was schon alles in Österreich entwickelt und erfunden worden ist.


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Wir sind bei den Anmeldungen europaweit und weltweit immer ganz weit vorne mit dabei, bei den Pro-Kopf-Quoten sowieso. Das heißt, diese Erfindungskraft in Öster­reich, diese Innovationskraft ist ungebrochen.

Auch wenn diese Maßnahmen, die jetzt bei den beiden Tagesordnungspunkten be­schlossen worden sind oder beschlossen werden, vielleicht klein erscheinen mögen, es sind wieder wichtige Bausteine, um das Patentamt in Österreich weiter zu stärken, es den Menschen leichter zu machen, ihre Patente einzubringen, es leichter zu machen, die Marken zu schützen und Österreich wieder ein gutes Stück vorwärts zu bringen.

Noch einmal: Wenn es irgendwie geht, fahren Sie zum Patentamt! Die Frau Präsidentin freut sich bestimmt, Sie begrüßen zu dürfen, und es ist einen Besuch wert. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ.)

17.40

17.41.00


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.41.2714. Punkt

Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2017 (III-658-BR/2018 d.B. sowie 10064/BR d.B.)


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich bitte um den Bericht.


17.41.42

Berichterstatter Mag. Reinhard Pisec, BA MA: Ich erstatte den Bericht des Aus­schusses für Innovation, Technologie und Zukunft über den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2017.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorla­ge am 4. Dezember 2018 den Antrag, den Tätigkeitsbericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung 2017 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Gerd Krusche. Ich erteile es ihm.


17.42.13

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung betreffend das Jahr 2017 ist Thema dieses letzten heutigen Tagesordnungspunktes. Laut Definition auf der Homepage dieses Rates ist die Hauptaufgabe die systemati­sche, unabhängige und fundierte Beratung der Bundesregierung in Fragen der For­schungs-, Technologie- und Innovationspolitik. Der Vorsitzende ist übrigens Dr. Han­nes Androsch.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 144

Der Bericht beschäftigt sich umfassend mit der Thematik und gliedert sich im Wesent­lichen in einen Teil, der sich mit den Perspektiven befasst, und einen Teil mit Empfeh­lungen an die Bundesregierung und Stellungnahmen zu Vorhaben der Bundesregie­rung in durchaus kritischer Weise. Ein weiterer Teil beschäftigt sich mit Analysen und Studien.

Der Perspektiventeil hat diesmal den digitalen Wandel zum Inhalt, ein Thema, mit dem sich auch der Bundesrat in Enqueten, Debatten et cetera bereits ausgiebig beschäftigt hat. Der Rat kommt zum Schluss, dass in Europa ein proaktiver Gestaltungswille not­wendig ist, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, denn China und die USA wollen die Schlüsselkompetenzen, die sie in diesem Bereich haben, weiter ausbauen und stärken.

Das Ganze wird auch am Beispiel der Halbleiterproduktion dargestellt, denn Mikrochips fungieren als Bindeglied zwischen realer und digitaler Welt. 2018 hat der Umsatz in diesem Bereich weltweit 430 Milliarden Euro betragen. Diese Technologie hat eine erhebliche Hebelwirkung. Seit 1985 sind 45 Prozent der Produktivitätssteigerung in den Industrien durch diese Hebelwirkung generiert worden. 80 Prozent der Innovationen im automotiven Bereich haben mit Halbleitertechnik zu tun. Aktuelle Schätzungen be­sagen, dass im Jahr 2020 zwischen 30 und 45 Prozent des europäischen BIPs mit die­ser Technologie erwirtschaftet werden. Eine wesentliche Schlussfolgerung ist logi­scherweise, dass wir in Europa dabei nicht ins Hintertreffen geraten dürfen. Die Inves­tition von Infineon in Villach, die jetzt getätigt wird, ist aus österreichischer Sicht sicher­lich ein wesentlicher Beitrag dazu.

Der Bereich Empfehlungen beschäftigt sich naturgemäß mit zahlreichen Vorschlägen zur Forschungsfinanzierung; auf diese möchte ich hier nicht im Einzelnen eingehen. Bereits in der letzten Nationalratssitzung ist der Forschungs- und Technologiebe­richt 2018, der vom Ministerium vorgelegt wurde, diskutiert worden. Vielleicht wird der Herr Bundesminister noch auf die eine oder andere aktuelle Umsetzung dieser Vor­schläge eingehen.

Eine immer wiederkehrende wesentliche Zielsetzung ist die Steigerung der F&E-Quote. Das ist in Anbetracht der aktuellen Situation durchaus ambitioniert, denn das euro­päische Ziel ist 3 Prozent, und das wurde von Österreich bereits 2015 erreicht. Wir sind also in diesem Bereich hinter Schweden auf dem zweiten Platz und liegen um ein Drit­tel höher als der europäische Schnitt, der bei 2 Prozent liegt. Weltweit liegen wir auch sehr gut, lediglich Israel, Südkorea und Japan liegen vor uns. Aktuell haben wir eine F&E-Quote von 3,2 Prozent, und ich als Steirer habe da natürlich besonders leicht lachen, denn die Steiermark ist mittlerweile mit einer F&E-Quote von 5 Prozent die füh­rende Region in Europa und hat damit den bisherigen Leader, die Großregion Stutt­gart, überholt.

Ein anderer wichtiger Indikator ist die Innovationseffizienz. Dazu gibt es komplexe sta­tistische Berechnungen, die das Verhältnis zwischen Input in Forschung und Entwick­lung und Output feststellen. In diesem Bereich ortet der Bericht einen Verbesserungs­bedarf. Führend sind Deutschland und Dänemark, aber auch Länder wie Spanien, Un­garn oder Italien sind sehr gut. Obwohl sie weniger ausgeben, haben sie doch einen hohen Output. Österreich liegt in diesem Bereich im oberen Mittelfeld vor Schweden, Finnland und den Niederlanden.

Interessant ist auch, dass einer der Einflussfaktoren natürlich Unternehmensgrün­dungen sind. Dazu gibt es eine interessante Untersuchung. Faktoren, die eine hem­mende Wirkung auf Unternehmensgründungen haben, sind Bürokratie, Abgaben und Steuern, soziokulturelle Normen, die Finanzierung, Arbeitskosten und Regulierungen am Arbeitsmarkt. Gerade betreffend den ersten und den letzten dieser aufgezählten Faktoren ist die Bundesregierung auf einem sehr, sehr guten Weg. Erste Schritte wur-


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 145

den bereits gesetzt. Ich denke da nur an das Arbeitszeitgesetz, das eine Deregulierung des Arbeitsmarktes bringt. Mit Spannung können wir die Steuerreform erwarten, die sicherlich wesentlich zur Entlastung der Arbeitskosten und auch zur Steuerentlastung für Unternehmen beitragen wird. (Bundesrat Weber: Für die Unternehmer!)

Natürlich wird in diesem Bericht der Bildung breiter Raum gewidmet, vor allem den Universitäten und Fachhochschulen. Ich möchte nicht näher darauf eingehen; dafür ist ein anderes Ministerium zuständig. Nur so viel: In Bezug auf das Ranking der Univer­sitäten wird ja immer wieder angeprangert, dass die österreichischen Universitäten, sprich die, die überhaupt aufscheinen, nämlich die Uni und die TU jeweils in Graz und in Wien, eher im hinteren Bereich liegen. Ich sehe das aber eher entspannt, denn die Messgrößen sind durchaus zu hinterfragen. Ich freue mich vielmehr über spezielle Rankings in kleineren Bereichen, die wesentlich zielorientierter und genauer sind. Da liegt beispielsweise die Werkstoffkompetenz an der Montanuniversität Leoben ganz, ganz weit vorne.

Das waren jetzt nur einige Streiflichter aus diesem umfangreichen und interessanten Bericht, für dessen Erstellung ich sehr herzlich danken möchte. Man kann nur sagen: Österreich befindet sich grundsätzlich auf einem guten Weg. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.51


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Marlene Zeidler-Beck. Ich erteile ihr dieses.


17.51.13

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Innovation macht den Unterschied zwischen einem Anführer und einem Anhänger hat Steve Jobs einmal gesagt. Mit der FTI-Stra­tegie hat sich Österreich bereits 2011 genau dieses Ziel gesetzt, vom Innovation Follo­wer zum Innovation Leader aufzusteigen – nicht zum Selbstzweck, sondern weil wir einfach erkannt haben, dass Innovation Leadership für unsere exportorientierte Volks­wirtschaft schlichtweg überlebensnotwendig ist.

6 von 10 Euro werden heute auf internationalen Märkten verdient. Hochinnovative Pro­dukte und Dienstleistungen sind Grundvoraussetzung, damit wir im internationalen Wettbewerb bestehen können. Vor diesem Hintergrund möchte ich noch einmal einen kurzen Blick auf den Bericht des Rates für Forschung und Technologieentwicklung für das Jahr 2017 werfen.

Kollege Krusche hat es schon gesagt: Wir haben in Österreich definitiv kein Inputpro­blem, nein, wir führen die europäische Champions League mit unserer F&E-Quote an. Wenn ich mir das von der Bundesregierung angestrebte Ziel, die Steigerung der F&E-Quote auf 3,76 Prozent des BIPs bis 2020, vor Augen führe, kann ich sagen, wir werden diese Leaderposition weiter festigen. Wenn wir uns aber anschauen, was dabei herauskommt, was der konkrete Output ist, dann sehen wir, wir stehen ein wenig anders da. Da liegen wir im Mittelfeld, Tendenz gleichbleibend in den letzten Jahren, aber, wenn Sie so wollen, in Lauerstellung. Beim europäischen Innovation Scoreboard liegt Österreich derzeit auf Platz sieben, also sozusagen an der Spitze der Verfolger­gruppe. Eines muss man aber dazusagen: Der Abstand zu den Innovation Leaders war 2017 gleich groß wie 2009.

Was empfiehlt der Rat daher? – Kollege Krusche hat schon einige Maßnahmen ange­sprochen, ich möchte sie wie folgt zusammenfassen, und so ist es auch im Editorial des Berichts beschrieben: „Doch wenn der Wind der Veränderungen bläst, gilt es die


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 146

Segel zu setzen, anstatt sich in die trügerische“ Sicherheit „einer Gartenlaube zu flüch­ten.“ – Das gilt, glaube ich, für jeden von uns.

Innovation fängt im Kleinen an, sie fängt bei unseren Jüngsten an; da geht es um das Heranführen an die Digitalisierung, an Innovation von klein auf. Da setzt unsere Bun­desregierung mit dem Masterplan Digitalisierung an. Auch in der Wirtschaft fängt In­novation im Kleinen an, bei unseren KMUs. Sie sind nicht nur Rückgrat der österreichi­schen Wirtschaft, sie sind auch echter Motor für Innovation in Österreich. Gerade in diesem Bereich haben wir in den vergangenen Jahren mit verschiedenen Initiativen und Förderungen, vor allem aber mit der Möglichkeit zum Austausch, zur Vernetzung einen Grundstein für das Gründen, für das Forschen, für das Entwickeln gelegt. Diesen Weg gehen wir jetzt mit der Digitalisierungsstrategie weiter, mit den Innovation Hubs beispielsweise.

Wenn ich heute auf meinen Heimatbezirk Mödling schaue, kann ich Ihnen sofort zahl­reiche Beispiele von Familienbetrieben nennen, die sich auf den Weg in die Zukunft gemacht haben. Unternehmer haben ihre Produkte und Dienstleistungen gemeinsam mit den Kunden weiterentwickelt. Sie haben Innovationen auf den Markt gebracht, mit denen sie heute höchst erfolgreich neue Geschäftsfelder besetzen – dafür ein großes Dankeschön.

Unsere Bundesregierung hat mit ihrem Amtsantritt eine große Zukunftsoffensive für Forschung, Technologie und Innovation ins Leben gerufen. Sie hat bereits im ersten Jahr einiges umgesetzt. Sie hat eine Gesamtforschungsstrategie für die nächsten zehn Jahre erarbeitet, sie hat eine Exzellenzinitiative zur Stärkung der kompetitiven Grund­lagenforschung gestartet, und wir alle haben das Forschungsfinanzierungsgesetz für mehr Planungssicherheit beschlossen. Somit warte ich heute nicht nur zuversichtlich auf den Bericht 2018 – ich bedanke mich an dieser Stelle beim Rat für Forschung und Technologieentwicklung für seine Tätigkeit –, sondern bin vor allem zuversichtlich, dass wir in Zukunft statt hätte, sollte, könnte, würde öfter ein: Los geht’s! hören.

In diesem Sinne: Gehen wir gemeinsam den Weg zum Innovation Leader! – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

17.55


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile ihr dieses.


17.56.06

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! In Anbetracht der doch schon recht vorgeschrittenen Stunde werde ich jetzt nicht noch einmal im Detail auf die Zahlen eingehen. Wir haben ja bereits viele Zahlen ge­hört und können sie im Detail auch sehr genau im wirklich umfassenden Bericht des Rates nachlesen.

Wir als Sozialdemokratie sehen es jedenfalls entsprechend positiv, dass die For­schungsquote in den vergangenen Jahren auf 3,14 Prozent des BIP weiter gesteigert werden konnte. Gerade in Zeiten der Digitalisierung, der Automatisierung, der Robo­terisierung ist das aus meiner Sicht ein wichtiges Signal und, wie ich glaube, ein rich­tiger Schritt auf dem Weg zum – wir haben es gerade gehört – Innovation Leader und somit zum Erreichen des Ziels der FTI-Strategie, wenngleich, und das muss man schon auch einschränkend bemerken, der Rat für Forschung und Technologieentwick­lung im Bericht zu bedenken gibt, dass wir uns angesichts der durchaus positiven Ten­denz, die festzustellen ist und die ja vor allen Dingen unter sozialdemokratisch ge­führten Regierungen begonnen und weiterentwickelt wurde, da auf gar keinen Fall aus­ruhen dürfen.


BundesratStenographisches Protokoll886. Sitzung, 886. Sitzung des Bundesrates am 6. Dezember 2018 / Seite 147

Der Rat weist unter anderem darauf hin, dass Österreich in den wichtigsten interna­tionalen Rankings gerade im Bereich Innovationsperformance beispielsweise besten­falls im vorderen Mittelfeld liegt. Um das gesteckte Ziel der Strategie im FTI-Bereich zu erreichen, werden die von der aktuellen Regierung im Budget fixierten Summen laut Berechnungen des Rates trotzdem nicht ausreichen, auch wenn positiverweise da und dort eine Erhöhung festzustellen ist.

In diesem Sinne wäre es wünschenswert gewesen, dass man schon im Ausschuss mit Vertreterinnen und Vertretern der zuständigen Ministerien in den Austausch hätte treten können, um weitere geplante Maßnahmen und vor allem den aktuellen Status quo der Strategie nachvollziehen zu können. Wir haben es gerade gehört: Im Natio­nalrat wurde bereits der Bericht des Jahres 2018 besprochen. Es hat im Ausschuss durchaus Diskussionsinteresse gegeben, aber es war niemand aus den Ministerien da, dem man dazu Fragen hätte stellen können. Ich bitte wirklich, das in Zukunft im Sinne eines konstruktiven Dialogs mitzubedenken.

Jetzt aber kurz zurück zu den Inhalten und vor allem zu den Empfehlungen des vor­liegenden Tätigkeitsberichts. Dort heißt es: „Gefördert werden sollten die Menschen und ihre Ideen, nicht Projekte“ – ein starker, ja fast mächtiger Satz, wie ich finde.

Der Rat empfiehlt ein Umdenken und betont die immanente Bedeutung des Erfinder­geists, der Kreativität, die es in der österreichischen Mentalität wohl noch zu verankern und zu stärken gilt. Wir Österreicher neigen offenbar immer noch zu einer gewissen Risikoaversion und zu einer primären Marktausrichtung von Beginn des Forschungs­prozesses an. Beides hemmt natürlich die Entwicklung von Innovationen und von ex­perimenteller, also ergebnisoffener Forschung. Daher formuliert der Rat eine ganze Reihe von Maßnahmen und Empfehlungen, angefangen vom Ermöglichen von nieder­schwelligen Experimentierräumen, über die Förderung von erfinderischen Ideen auch ohne konkrete Marktausrichtung bis hin zu innovativen Auswahlverfahren von Förde­rungskandidaten.

Dazu gehört für den Rat eine zukunftsgerichtete strukturelle Weiterentwicklung des Bildungssystems gerade, aber nicht nur im tertiären Bereich, mit einem stärkeren Blick auf den Fachhochschulsektor, einem qualifizierten Studienplatzmanagement und vie­les, vieles mehr. Dazu gehören aber auch eine Adaption beziehungsweise eine gene­relle Neukonzeption der FTI-Strategie 2020 hin zu einer Strategie 2030 sowie eine Steigerung der Effizienz und der Effektivität der Forschungsförderung an sich. Effi­zienzbarrieren müssen abgebaut werden, gerade im Bereich der Jungunternehmen, der Start-ups, so der Rat im Bericht.

Die 17 aus meiner Sicht sehr konkret formulierten Empfehlungen des Rates haben je­denfalls eines im Fokus, und das kann man nur unterstreichen: Die Qualität des Hu­manpotenzials bestimmt in weiterer Folge natürlich auch die Qualität der Forschung. Die Politik muss das Ihre dazu beitragen, damit Forschung mutig und unter Umständen auch experimentell passieren kann und damit Forschungsförderung auch treffsicher eingesetzt werden kann.

In diesem Sinne nehmen wir den Bericht des Rates für Forschung und Techno­logieentwicklung natürlich gerne zur Kenntnis und sind schon sehr gespannt auf die Ausführungen des Herrn Bundesministers. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesra­tes Stögmüller.)

18.01


Vizepräsident Ewald Lindinger: Zu einer abschließenden Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Ing. Norbert Hofer zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.


18.01.09

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rat für Forschung und Tech-


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nologieentwicklung hat eine ganz, ganz wichtige Aufgabe: Er erstellt Berichte – auch diesen Bericht, der heute diskutiert wird –, gibt Studien in Auftrag, gibt Empfehlungen ab. Wir haben in diesem Bericht acht wesentliche Empfehlungen, drei Stellungnahmen, zum Regierungsprogramm, zu Datenschutz, zu Universitäten, und Studien zu den The­men wissenschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit Österreichs, Entwicklung der F&E-Quote, Standortattraktivität, Universitäten, Unternehmensgründungen und so weiter.

Der Rat wird aus Mitteln des BMVIT finanziert, das sind 1,8 Millionen Euro pro Jahr, und zwar ausschließlich aus dem BMVIT, und – es ist schon erwähnt worden – Dr. Hannes Androsch leitet den Rat.

Da das Input- und Output-Problem angesprochen worden ist: Die Zahlen sind Ihnen ja bekannt, wir sind wirklich auf einem guten Weg, was die F&E-Quote anlangt. Wir wer­den diesen Weg noch weiter intensivieren, mit einem Forschungsfinanzierungsgesetz, das für Forschende die Sicherheit schaffen soll, dass die finanziellen Mittel nicht nur heuer vorhanden sind, sondern auch in den drei Jahren, die folgen, damit man sich auf das Forschen konzentrieren kann und sich keine Sorgen machen muss, ob man dann auch ausreichend Geld dafür zur Verfügung hat.

Dr. Androsch spricht auch immer wieder an, dass zu wenig an Output vorhanden ist. Das gefällt nicht immer jedem, denn wir wollen natürlich auch die positive Seite sehen und unterstreichen, wie gut wir auf dem Weg in Richtung Innovation Leader unterwegs sind, aber ich glaube, dass es in der Politik schon sinnvoll ist, wenn es auch Menschen gibt, die einem mit Rat zur Seite stehen, die vielleicht die Dinge auch einmal ein bisschen kritischer sehen. Ansonsten kann es sehr leicht passieren, dass man sich nur mit Menschen umgibt, die einem jeden Tag erzählen, wie gut alles läuft und wie toll alles ist, und nach einiger Zeit kommt man dann drauf, dass man eigentlich niemanden hatte, der einen so ein bisschen zurück auf die richtige Spur gebracht hat. Androsch macht das bestimmt, vielleicht übertreibt er auch ein bisschen dabei – das haben mit Sicherheit auch meine Vorgänger, die seiner eigenen Partei angehören, zu spüren bekommen –, aber ich schätze seine Expertise sehr und auch seinen Rat und ich höre auch sehr genau zu.

Ich glaube aber, dass wir durch die enge Vernetzung, durch die enge Kooperation mit Universitäten und Wirtschaft auf einem guten Weg sind, wenn es darum geht, dass das, was wir an Mitteln investieren, auch im Lebensalltag und in der Wirtschaft an­kommt. Ich habe heute die Gelegenheit gehabt, mit Forschenden zu sprechen, die zum Beispiel im Rahmen des Recyclings von Kunststoff völlig neue Wege gehen, und zwar dort, wo Leichtbau gefragt ist, im Flugzeugbau oder auch im Fahrzeugbau. Dort ist die Kohlefaser immer stärker im Einsatz – nicht recycelbar, in Wirklichkeit. Der neue Weg ist, weg von Duroplasten hin zu Thermoplasten zu gehen, wo man den Kunststoff in Form bringen kann und damit Kohlefaser verstärkt und später, wenn es als Bauteil nicht mehr gebraucht wird, die Thermoplaste wieder herauslöst, die Kohlefaser heraus­nimmt oder – der zweite Weg – es schreddert und dort einsetzt, wo nur kurzfaserige Kohlefasern gebraucht werden. Also das ist ein typischer Sektor, wo das, was erforscht wird, auch sehr rasch im Lebensalltag der Menschen Eingang finden wird und nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Umwelt sehr zugutekommt.

Die Zahlen der F&E-Ausgaben kennen Sie, auch die neuesten Zahlen: Wir liegen bei 12,34 Milliarden Euro Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung – das ist nicht auf 2017, sondern schon auf 2018 bezogen –, wir werden uns im Vergleich zum Vor­jahr um 657 Millionen Euro oder 5,6 Prozent steigern. Der Unternehmenssektor finan­ziert fast die Hälfte der Ausgaben im Forschungsbereich, der Staat wird in diesem Jahr etwa 4,2 Milliarden Euro ausgeben. – Also da wird, glaube ich, im richtigen Sektor investiert, da Österreich nur dann das Ziel erreichen kann, das wir uns gesetzt haben,


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die 3,76 Prozent, wenn wir genau in diesem Bereich eben nicht sparen und auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.

Die Digitalisierung ist heute schon angesprochen worden. Ich darf auf etwas hinwei­sen, das mir besonders wichtig ist, nämlich den Rat für Robotik und Künstliche Intelli­genz, der im Ministerium eingerichtet worden ist. Das ist deshalb von so großer Bedeu­tung, da sich mit dem Internet der Dinge, mit Robotik, mit AI der Lebensalltag der Men­schen völlig verändern wird. Wir müssen uns nicht nur fragen, was das in technischer Hinsicht bedeutet, sondern auch, was die sicherheitstechnischen Merkmale sind, was es heißt, wenn in Zukunft zum Beispiel einmal das 5G-Netz ausfallen sollte, wenn es ein Internet der Dinge gibt und eine kritische Infrastruktur dann nicht mehr vorhanden ist, wenn autonomes Fahren dann nicht funktioniert oder wenn Drohnen, die unterwegs sind, dann plötzlich nicht mehr ordentlich gesteuert werden können.

Was heißt das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von gewissen Wirtschaftszwei­gen, zum Beispiel von Fahrschulen, wenn man in Zukunft das Lenkrad nicht mehr selbst in die Hand nehmen muss? Wird es dann so sein, dass es diesen Zweig, dass es diese Mitarbeiter nicht mehr geben wird, oder wird es eher so sein, dass sich Fahrschulen umstellen und viel mehr auf Sicherheitstrainings setzen, weil der Mensch dann eingreifen wird, wenn es eine wirklich kritische Situation geben könnte, auf einer schneeglatten Fahrbahn zum Beispiel?

Oder: Wie ist das Verhältnis zwischen Roboter und Menschen? Wenn tatsächlich auch im Pflegebereich in gewissen Sektoren einzelne Aufgaben, die für den Menschen viel­leicht zu schwierig sind, das Heben des Patienten zum Beispiel, von einem Roboter übernommen werden, welche Beziehung entwickelt der Mensch zu dieser Maschine? Ich habe schon einmal gesagt, es gibt ganz viele Männer, die eine sehr enge Bezie­hung zu ihrem Fahrzeug entwickelt haben. Man stelle sich vor, man ist pflegebedürftig, es gibt einen Roboter, der einem täglich hilft – was bedeutet das psychologisch? – Alle diese Dinge werden eben auch im Rat für Robotik und Künstliche Intelligenz mitbe­leuchtet.

Oder Datensicherheit: Ich gehöre auch zu jenen Menschen, die ein Gerät von Amazon zu Hause im Einsatz haben, nämlich die sogenannte Alexa. Ich weiß ganz genau, dass da mitgehört wird. Das ist bei mir zu Hause nicht kritisch, aber in anderen Bereichen, wo es um den Schutz des Staates geht, wo vielleicht Dinge gesagt oder transportiert werden, die für die Sicherheit des Landes oder für die Sicherheit eines Unternehmens wesentlich sind, ist das wiederum etwas ganz anderes. In welchem Ausmaß können wir bei gewissen Projekten noch Unternehmen aus dem Ausland an Bord holen oder auch nicht? Wo sollen wir nicht zulassen, dass große Technologieunternehmen aus einem völlig anderen Land bei uns in wirtschaftlichen Bereichen stark sind, wo genau diese Datensicherheit gegeben sein muss?

All das sind Fragen, die sich uns stellen und die in mancherlei Hinsicht auch neu sind. Wir haben uns vor zehn Jahren mit diesen Fragen nicht auseinandersetzen müssen, aber in der technischen Entwicklung gibt es halt immer mehrere Phasen: Da gibt es immer die ganz kleinen Schritte, und dann gibt es diese disruptiven Entwicklungen, wo innerhalb von wenigen Jahren alles anders wird. Als wir begonnen haben, über Blockchain zu sprechen, da war das halt nur im Zusammenhang mit Bitcoins, aber dass Blockchains auch im Rahmen der Flugsicherheit alles verändern könnten, daran hat man damals noch nicht gedacht. Dass die Vernetzung der Dinge über das Internet alle Lebensbereiche erfassen wird und möglicherweise auch dafür sorgen könnte, dass große Lebensbereiche im Krisenfall zusammenbrechen, damit haben wir uns bisher nicht beschäftigt. Deswegen ist auch die Sicherheitsforschung ein Sektor, dem wir un­sere ganz besondere Aufmerksamkeit widmen müssen.


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Und wir müssen auch – das möchte ich auch unterstreichen –, wenn es darum geht, Industrie 4.0, autonomes Fahren, autonomes Fliegen und so weiter umzusetzen, bei der Infrastruktur noch mehr und verstärkt auf den Breitbandausbau setzen, in Kombi­nation mit dem 5G-Ausbau, denn es gibt keinen 5G-Ausbau, wenn es keine schnellen Datenleitungen zu den Antennen gibt.

Es gibt also viele, viele Aufgaben für uns, und ich bin sehr dankbar dafür, dass es bei diesen Themen einen sehr breiten Parteienkonsens gibt, uns allen bewusst ist, welche Herausforderungen auf uns zukommen, dass wir aber auch nicht vergessen dürfen, dass sich die Technik schnell entwickelt, der Mensch und die Gesellschaft aber trotz­dem im Mittelpunkt bleiben. Die Technik muss sich um den Menschen herum entwi­ckeln, und deswegen brauchen wir eben auch eine Beratung durch den Rat für Robo­tik, durch den Rat für Forschung und Technologieentwicklung, um die richtigen Maß­nahmen und Schritte setzen zu können.

Sie haben vorhin gesagt, es ist schon eine sehr, sehr späte Stunde. Ich bin froh, dass es noch nicht so spät ist, denn in den letzten Tagen in Brüssel ist es immer bis nach Mitternacht gegangen, Pressekonferenz um 1 Uhr Früh. Ich darf aber die Gelegenheit nutzen, da ich glaube, dass ich viele vor Weihnachten nicht mehr sehen werde, mich für die gute Zusammenarbeit mit dem Bundesrat zu bedanken. Die Sitzungen hier sind meistens von großer Sachlichkeit geprägt, die Redebeiträge sind weniger angriffig, als man das aus anderen Gremien in dieser Republik kennt. Ich glaube, dass man insge­samt sehr, sehr froh sein kann, dass es den Bundesrat gibt. Ich weiß, es gibt immer wieder Debatten, ob man den Bundesrat braucht. Ich meine, man braucht den Bun­desrat, das möchte ich dreifach unterstreichen.

Ich möchte mich noch einmal bedanken, freue mich auf die Kooperation im nächsten Jahr und darf Ihnen allen eine sehr, sehr ruhige Weihnachtszeit wünschen. (Bundesrat Koller: Ja, aber wir arbeiten noch!) – Gibt es noch eine Sitzung vorher? (Bundesrat Koller: Ja, am 19. und am 20.!) – Ja, aber da bin ich, glaube ich, nicht dabei; wenn Sie mich herzitieren, komme ich natürlich, sehr gerne. – Und für den Fall, dass wir uns nicht mehr sehen: Alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

18.11

18.11.46


Vizepräsident Ewald Lindinger: Danke, Herr Bundesminister. Ich glaube, wir werden uns morgen bei der Tunnelfreigabe auf der Pyhrn Autobahn sehen.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stim­meneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.12.25Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Ewald Lindinger: Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Gesundheits­ausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 238/A-BR/2017 der Bundesräte Stög­müller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sanitätergesetz eine Frist bis 20.12.2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.


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Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichter­stattung über den Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der Bundesräte Stögmül­ler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 20.12.2018 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag zu­stimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

18.13.56Einlauf


Vizepräsident Ewald Lindinger: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten Sitzung beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zwölf Anfragen, 3590/J-BR/2018 bis 3601/J-BR/2018, eingebracht wurden.

Weiters ist eine an die Frau Präsidentin des Bundesrates gerichtete Anfrage der Bun­desrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Veranstal­tung „Krampus, Nikolo und Co – Geschichte eines Brauchtums“ im Palais Epstein ein­gelangt.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermine werden Mittwoch, 19. Dezember, 14 Uhr, und Donners­tag, 20. Dezember, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 18. Dezember, 14 Uhr, vorgesehen.

Diese Sitzung ist geschlossen.

18.15.08Schluss der Sitzung: 18.15 Uhr

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