BundesratStenographisches Protokoll888. Sitzung, 888. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2018 / Seite 109

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lich müsste unsere ganz vorrangige politische Aufmerksamkeit dem Schutz von Kin­dern und Jugendlichen gelten. Heute passiert aber genau das Gegenteil.

Wir gehen wieder ein paar Jahre zurück, wir installieren neun Landesgesetze. Damit ist es in Zukunft wieder möglich, dass ein Kind in Vorarlberg mehr wert ist, dass ihm andere Qualitätsansprüche zustehen als einem Kind zum Beispiel in Oberösterreich – oder umgekehrt. So etwas darf nicht sein. Für mich ist jedes Kind in Österreich gleich viel wert, egal ob es in Vorarlberg lebt, im Burgenland lebt oder sonst irgendwo. Man hat vonseiten der Bundesregierung von Anfang an die Fachexperten und -expertinnen, die tagtäglich da draußen stehen und sich um die Kinder und Familien kümmern, beinhart ignoriert; man hat sie nicht miteinbezogen. Die Verfassungsänderung wird durchgezogen, auch wenn sich noch so viele kritische Meldungen und Stellungnahmen im Postfach des Justizministers eingefunden haben.

Die Auflösung des Grundsatzgesetzes hat schwerwiegende Konsequenzen für die Kinder- und Jugendhilfe und für die Kinder und Jugendlichen da draußen, die eigentlich unsere Hilfe benötigen. Künftig kann jedes Bundesland selber definieren, was gut und richtig ist – je nachdem wie viel Geld man für die Kinder und Jugendlichen ausgeben möchte.

Es wird für die Kinder eine Frage des Zufalls sein – egal ob sie in Vorarlberg, in Oberösterreich oder eben irgendwo im Burgenland geboren werden –, wie der Lan­desgesetzgeber entscheidet und welche Landesregierung dort gerade an der Macht ist. Es ist Ländersache, ob es eine qualitativ hochwertige Unterstützung bis zum 21. Lebensjahr oder länger in kleinen Gruppen mit ausreichend Fachpersonal oder größere Gruppen und ein Ende der Maßnahmen mit 18 Jahren geben wird.

Eines muss Ihnen klar sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die später aufzeigen und diesem Gesetz zustimmen werden: Diese Vereinbarung widerspricht ganz klar und eindeutig den UN-Kinderrechten, die jedem Kind gleiche Chancen und Rechte zuge­stehen. Bedenken Sie das, wenn Sie dann zustimmen werden! Jenen, die heute ihr Gewissen beruhigen, indem sie sagen, dass es eh eine 15a-Vereinbarung gibt, muss klar sein, dass sich aus der 15a-Vereinbarung keine Rechtsfolgen für die Kinder und Jugendlichen ableiten lassen. Das bedeutet, die unterschiedlichen Standards können nicht eingeklagt werden, auch wenn diese unterschritten werden – es gibt keine Mög­lichkeit. Die einzige Möglichkeit bei einer 15a-Vereinbarung ist, dass ein Land ein anderes Land anzeigen kann, aber es gibt keine Rechtsfolge für die Kinder und die Jugendlichen. Eine 15a-Vereinbarung ist im Großen und Ganzen eine Willenserklärung ohne große rechtliche Relevanz.

Was mich massiv stört: Eigentlich wäre es höchste Zeit, die Standards des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes entsprechend der vom Parlament beauftragten Evaluierung und weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterzuentwickeln; dieser Weiterentwicklung wird aber mit dem heutigen Entschluss der Hahn abgedreht, sie wird verhindert.

Soviel ich weiß, hat die SPÖ auch im Nationalrat nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Evaluierung bis Ende des Jahres kommt. Heute um 10 oder 11 Uhr ist die Evaluierung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes vom Ministerium plötzlich in mein Postfach gekommen. Das ist um 11 Uhr des letzten Sitzungstages des Bun­desrates in diesem Jahr zugestellt worden – an jenem Tag, an dem das Bundesgesetz durch den Bundesrat geschleust wird. Es sind 300, 400, 500 Seiten (die genannte Unterlage in die Höhe haltend), und damit ist es unmöglich, es heute noch irgendwie zu evaluieren. Fertig ist es laut Vorgabe schon im Oktober gewesen; man hätte es also eigentlich noch vor der Gesetzgebung dem Parlament zustellen können.

 


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