BundesratStenographisches Protokoll888. Sitzung, 888. Sitzung des Bundesrates am 20. Dezember 2018 / Seite 163

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in die Hand drücken musste, das dann mit großen Tränen nach Hause schreiten musste, weiß, dass das nicht lustig ist. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt ja Vorgespräche!)

Die Ziffernnoten: Dadurch wird aus meiner Sicht die mühsam erkämpfte Schul­auto­nomie wieder eingeschränkt. Ich muss dann schon fragen: Warum lässt man denn die Entwicklungen in diesem Bereich nicht einmal wirken? (Ruf bei der FPÖ: Weil es nicht gewirkt hat!) Es ist ganz klar, wenn man eine bildungspolitische Maßnahme umsetzt, dass es einige Jahre dauert, bis sich etwas etabliert hat. Also die Zeit zu geben, dass es sich etabliert und es dann auch zu evaluieren, glaube ich, das hätte man schon tun können.

By the way: Singapur beispielsweise schafft die Ziffernnoten bis 8 gänzlich ab. Ich glaube, Singapur kann man nicht unterstellen, dass es sich da um linke Kuschel­pädagogik handelt, also in diese Verlegenheit kommen wir da nicht. Singapur hat näm­lich erkannt, dass sich Kinder auf ihren eigenen individuellen Lernfortschritt konzen­trieren sollen und sich nicht dauernd mit anderen vergleichen sollen, denn genau da liegt in Wahrheit der Fokus, dass es nicht auf die Noten und auf den Vergleich ankommt, sondern auf die individuellen Lernfortschritte. Singapur hat das erkannt und reagiert darauf, Österreich nicht.

Stichwort Neue Mittelschule. Das Wort neu im Namen soll gestrichen werden. – Eine aus meiner Sicht sinnbefreite Maßnahme, denn außer Unmengen an Folgekosten für neue Türschilderbeschriftungen und Briefköpfe sehe ich da wirklich keinerlei pädago­gischen Mehrwert. Ganz im Gegenteil! An meiner eigenen Schule beispielsweise hängt das Kürzel NMS auch direkt mit unserem Schulprofil, mit unserem Schulleitbild und auch mit unserer Corporate Identity zusammen. Logo und Leitbild können wir jetzt de facto kübeln, Jahre an Schulentwicklungsarbeit umsonst – ich weiß es nicht! (Zwi­schenruf des Bundesrates Köck.)

Die siebenteilige, siebenstufige Notenskala: Jetzt gibt es halt nicht mehr das Differen­zierungsniveau grundlegend und vertiefend, jetzt heißt es halt Standard und Standard AHS, de facto bleiben es sieben Stufen, weil ja die Noten 1 und 2 im höheren Niveau den Noten 3 und 4 im niedrigeren entsprechen, also wieder nur ein Aus­tauschen eines Schildes, aber noch mit dem schalen Beigeschmack von A- und B-Zug wie in den Siebzigerjahren, denn – und damit komme ich zum nächsten Stichwort, näm­lich den Differenzierungsmöglichkeiten – bisher waren die unterschiedlichen Lern­gruppen ja immer nur zeitlich begrenzt einzusetzen, es war also keine dauerhafte Einteilung in Leistungsgruppen vorgesehen, und zwar aus einem guten Grund: Wenn ich Kinder dauerhaft schubladisiere, sozusagen in gute und in schlechte Kinder, wird das Niveau erfahrungsgemäß eher nach unten denn nach oben nivelliert. Also zurück zur Hauptschule der Siebziger- und Achtzigerjahre, mit dem Hintertürl sozusagen zurück zu A- und B-Zug.

Stichwort Kompetenz- und Potenzialmessungen: Bisher waren diese freiwillig durch­zuführen, jetzt sollen sie verpflichtend werden – und das schon in der dritten Klasse Volksschule unter dem Deckmantel der direkten Rückmeldung an die Eltern zur Bil­dungslaufbahnentscheidung. Was wirklich dahintersteckt, ist klar: Erstens einmal sind es natürlich versteckte Aufnahmeprüfungen für die AHS. Es wird also noch früher selektiert als bisher schon. Und was noch dahintersteckt: Stellen wir uns einmal vor: Was passiert, wenn in einer Klasse herauskommt, dass 50 Prozent der Kinder die Kompetenzen nicht erreichen? – Na dann muss aber die Lehrerin oder der Lehrer ein/e ganz besonders schlechte/r gewesen sein.

Also diese Form des Misstrauens und der Kontrolle von oben haben sich die Leh­rerinnen und Lehrer in Österreich, die an jedem einzelnen Schultag ganz großartige Arbeit in den Klassen leisten, die einen ganz wesentlichen Beitrag für die Persönlich-


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