Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Ewa Dziedzic. – Bitte.
Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Landeshauptmann! Werte Kollegen und Kolleginnen! Das Thema Europa könnte ja nicht aktueller sein, nicht nur im Vorfeld der anstehenden EU-Wahl am 26. Mai, sondern auch deshalb, weil wir noch nie in der Geschichte der Europäischen Union – wage ich zu sagen – vor größeren Herausforderungen gestanden sind als aktuell; darin sind wir uns, glaube ich, hier parteiübergreifend – ich sehe, auch die ÖVP nickt – einig. Nur die Antworten sind natürlich unterschiedlich – auch das wenig überraschend, da wir unterschiedlichen Fraktionen und Parteien angehören.
Heute war schon Thema, dass mit Großbritannien zum ersten Mal ein Land diese Gemeinschaft verlassen wird und uns das natürlich auch in Österreich vor große Herausforderungen stellt. Da zeigt sich aber schon die Unterschiedlichkeit, auch in der Perspektive: Die einen legen den Fokus nur auf österreichische Interessen, die anderen sind mehr bemüht, gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten zu schauen, wie wir diesen Verlust, diesen Brexit gut über die Bühne bringen und womöglich auch kompensieren.
Im Gründungsland Italien, das werden Sie wissen, regieren ja mittlerweile Antieuropäer. In Polen, in Rumänien, in Ungarn – auch das sind immer wieder genannte Beispiele – werden der Rechtsstaat, die Demokratie, aber auch die Selbstbestimmungsrechte der Frauen angegriffen. Leider muss man sagen, dass diese Entwicklung auch vor Österreich nicht haltmacht, und daran – dies ist auch meine Kritik, die Sie mittlerweile schon kennen – ist die österreichische Regierung nicht ganz unbeteiligt.
Aber nochmals ganz zurück zur Metaebene: Wir wissen, dass die transatlantische Partnerschaft, die ja als Garant auch für unsere Sicherheit gegolten hat, mittlerweile am seidenen Faden hängt, weil auch in den USA ein Rechtspopulist regiert, dem internationales Recht nicht mehr so wichtig zu sein scheint und der Europa auch zum wirtschaftlichen Feind erklärt hat. Währenddessen und gleichzeitig sind wir damit konfrontiert, dass Menschen weltweit vor Krieg, vor Verfolgung und Hunger fliehen, dass unser Planet sich rasant erhitzt und dass die Vielfalt mittlerweile nicht als etwas Bereicherndes empfunden wird, sondern als Bedrohung.
Die Unsicherheit der Menschen wird von den einzelnen europäischen Regierungen natürlich auch deshalb zum Thema gemacht, weil man daraus sehr gut politisches Kleingeld schlagen kann. Die Antworten sind nicht differenziert, sondern sehr oft vereinfacht, und genau darin sehe ich das größte Problem, vor dem Europa gerade steht. Der Populismus, der herrscht, wird zudem durch die Unfähigkeit der europäischen Regierungen genährt, die darin liegt, dass sie sich in dieser Frage eben auf das Regionale, auf das Föderale beschränken. Das ist zwar nicht immer schlecht, aber die Beschränkung führt dazu, dass man die Weitsicht verliert und hier in einer Kurzsichtigkeit agiert, die weder Österreich noch Europa guttut noch die globalen Herausforderungen tatsächlich bewältigen kann.
Ein Beispiel dafür ist sicherlich – ich gehe jetzt nicht weiter auf die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs ein, die ja vor zwei Monaten erst geendet hat (Bundesrat Längle: Die war sehr gut, ja!), aber ein Beispiel sei erwähnt, weil das ja bis heute Auswirkungen hat und uns in Europa weiterhin beschäftigen wird; das war nämlich gleichzeitig auch ein Tiefpunkt dieser Ratspräsidentschaft – der Beschluss der Familienbeihilfenindexierung. Ich erwähne dieses Beispiel deshalb, weil es nämlich, wenn wir über Europa reden, über Solidarität reden, über Souveränität reden, natürlich sehr gut deutlich macht, wie sich Österreich aktuell innenpolitisch und Europa gegenüber positioniert: Es
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