BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 18

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Leider gab es gerade in den letzten Jahren Entwicklungen, durch die das gegenseitige Vertrauen im europäischen Raum sehr stark gelitten hat, vorliegende, zu beachtende Mindeststandards wurden dabei nicht beachtet. Vor wenigen Jahren haben wir noch große Sorge im Zusammenhang mit der Türkei gehabt, nachdem dort im Juli 2016 ein Putsch fehlgeschlagen war und in der Folge grundlegende rechtsstaatliche Garantien außer Kraft gesetzt worden sind. Parallel dazu gab es Entwicklungen in Polen, in Un­garn und zuletzt auch in Rumänien, die von uns verlangen, dass wir uns intensiv mit dem Gedanken beschäftigen, wie eben dem drohenden Abbau der Rechtsstaatlichkeit in vielen Staaten Europas effizient begegnet werden kann.

Auch die jüngsten Diskussionen in Österreich über die Frage des Primats der Politik vor dem Recht haben die Rechtsstaatlichkeitsdiskussionen in den Fokus der Aufmerk­samkeit gerückt. Diese Diskussion gibt uns aber die Chance, wiederzuentdecken, was lange für selbstverständlich und gleichzeitig unumstößlich angesehen worden ist, näm­lich wie wichtig der Rechtsstaat in seinem Funktionieren für uns alle ist. Wir alle wol­len – da bin ich mir sicher, auch die Redebeiträge haben es gezeigt – einen konstrukti­ven Dialog führen. Dabei hat auch die Europäische Union eine ganz wichtige Funktion. Ich möchte dabei nur kurz auf die bereits zitierten Artikel-7-Sanktionsverfahren einge­hen, die zwar starke politische Signalwirkung haben, aber aufgrund der Mehrheitserfor­dernisse im Rat zu keinen herzeigbaren Ergebnissen führen werden.

Wohl in diesem Bewusstsein haben sowohl die Europäische Kommission als auch der Rat ergänzende Mechanismen ins Leben gerufen, die den Dialog mit den in diesem Fall problematisch erscheinenden Reformstaaten erleichtern und intensivieren sollen. Ich nenne da beispielsweise nur die Stichworte Frühwarnmechanismus beziehungs­weise Rechtsstaatlichkeitsdialog. Darüber hinaus bestehen aber auch Bemühungen, die Gewährung von Finanzmitteln der EU künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu koppeln. Es soll also der Finanzhaushalt der EU indirekt zu einer demo­kratischeren Union beitragen.

Mit dem Blick auf all das stellt sich die Frage, welchen Beitrag, das ist heute auch schon angeklungen, die Justiz auf europäischer Ebene zur Stärkung der Rechtsstaat­lichkeit leisten kann. Die Justiz ist, ich glaube, das ist uns allen bewusst, die dritte Staatsgewalt und damit ein zentraler Faktor, wenn es darum geht, Menschenrechte zu sichern. Außerdem steht außer Streit, dass sie nur dann ihre Aufgaben erfüllen kann, wenn sie den an sie gestellten Erwartungen auch gerecht werden kann, indem ihr Handeln auf Vertrauen stößt. Innerhalb der Europäischen Union ist das gegenseitige Vertrauen auch die Grundlage für die Instrumente der gegenseitigen Anerkennung und – wie ich bereits erwähnt habe – für eine Europäische Union als eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

Gerade im Bereich der Zusammenarbeit in Strafsachen hat die Europäische Union ver­schiedene Instrumente auf der Grundlage des Prinzips der wechselseitigen Anerken­nung verabschiedet, wobei dieses Prinzip dem Bereich des freien Waren- und Dienst­leistungsverkehrs entlehnt worden ist. Sie alle kennen bereits die Instrumente, denn sie spielen in unserem täglichen Leben eine wichtige Rolle. Ich möchte da nur einige er­wähnen, nämlich den Europäischen Haftbefehl, die Europäische Ermittlungsanordnung oder die Europäische Schutzanordnung: Diese Instrumente haben zu einer grundle­genden Veränderung der justiziellen Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten ge­führt. Die Zusammenarbeit der Justizbehörden wurde dadurch deutlich erleichtert und beschleunigt, was auch zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer und der Dauer der Untersuchungshaft führte. Das Justizsystem wird im Zusammenhang mit E-Evidence, dem Zugang zu elektronischen Beweismitteln oder auch der Beschleunigung von Verfahren bei Kindesentführungen, nämlich der Brüssel-IIa-Verordnung, in seinen Funktionen erweitert.

 


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