Plenarsitzung
des Bundesrates


Stenographisches Protokoll

 

890. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. März 2019

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

890. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 14. März 2019

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 14. März 2019: 9.02 – 17.46 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kin­derbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden

2. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Jahresvorschau des BMVRDJ auf Grundlage des Legislativ- und Ar­beitsprogramms der Europäischen Kommission für 2019 sowie des Achtzehnmonats­programms des rumänischen, finnischen und kroatischen Ratsvorsitzes

3. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2017

4. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2017

5. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz über die in den Jahren 2012 bis 2017 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrundeliegende Verfahren beendet wurde

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert wird

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innen­gesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsu­mentenschutz betreffend Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG

10. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ver­tragsbedienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesver­tragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonenge­setz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Be­triebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz, das Integrationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das EIRAG und das Marktordnungsgesetz 2007 geändert werden sowie ein Bundesgesetz zur kolli­sionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordir­land registrierten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich erlassen wird (Bre­xit-Begleitgesetz 2019 – BreBeG 2019)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 2

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird

12. Punkt: Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend EU Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Inge Posch-Gruska sowie eines Ersatzmitglieds des Bundesrates beziehungsweise Wahl eines Mitglieds und eines Ersatzmitglieds des Bundes­rates ................................................................................... 30

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandatsverzicht des Bundesrates Dr. Michael Raml sowie eines Ersatzmit­glieds des Bundesrates beziehungsweise Wahl eines Mitglieds und zweier Er­satzmitglieder des Bundesrates ................................................ 31

Angelobung der Bundesräte Günter Kovacs und MMag. Dr. Michael Schilch­egger                  10

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Gesundheitsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 238/A-BR/2017 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitäterge­setz – SanG), BGBl. I Nr. 30/2002, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 8/2016, geän­dert wird“, gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen – Ablehnung ................................  32, 143

Antrag des Bundesrates David Stögmüller, dem Kinderrechteausschuss zur Berichterstattung über den Selbständigen Entschließungsantrag 237/A(E)-BR/2017 der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hil­fen für junge Erwachsene“ gemäß § 45 Abs. 3 GO-BR eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen – Ablehnung .................................................................................  33, 144

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 111

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 111

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Ordnungsruf ................................................................................................................... 97

Aktuelle Stunde (69.)

Thema: „Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung für eine gut funktionierende Justiz und ein starkes Europa“ .................................................................................. 10

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................................................... 10

Martin Weber ................................................................................................................. 12


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 3

MMag. Dr. Michael Schilchegger ................................................................................ 14

Bundesminister Dr. Josef Moser .........................................................................  17, 25

Mag. Christian Buchmann ........................................................................................... 20

Stefan Schennach ........................................................................................................ 21

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 22

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ................................................................................................. 23

Bundesregierung

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt von Mitgliedern der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 27

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 32

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 32

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 27

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreu­ungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (584/A und 494 d.B. sowie 10131/BR d.B.) ....................................... 33

Berichterstatterin: Elisabeth Mattersberger ................................................................. 33

RednerInnen:

Mag. Daniela Gruber-Pruner ....................................................................................... 33

Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA ............................................................................... 36

David Stögmüller .......................................................................................................... 37

Rosa Ecker, MBA ......................................................................................................... 38

Hubert Koller, MA ......................................................................................................... 41

Mag. Martina Ess .......................................................................................................... 44

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 45

Bundesminister Dr. Josef Moser ................................................................................ 48

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Rückforderungen von Kinderbetreuungsgeld – Schluss mit den Schikanen“ – Ablehnung    47, 49

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 49

2. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Jahresvorschau des BMVRDJ auf Grundlage des Legisla­tiv- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2019 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des rumänischen, finnischen und kroatischen Rats­vorsitzes (III-675-BR/2019 d.B. sowie 10132/BR d.B.) .......................................... 49

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 50

RednerInnen:

Klara Neurauter ............................................................................................................ 50

Stefan Schennach ........................................................................................................ 52


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 4

Christoph Längle, BA .................................................................................................. 54

Bundesminister Dr. Josef Moser ................................................................................ 56

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-675-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 60

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2017 (III-655-BR/2018 d.B. sowie 10133/BR d.B.) ............................................................................................................... 60

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 60

4. Punkt: Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2017 (III-662-BR/2018 d.B. sowie 10134/BR d.B.) ............................................................................................................... 60

Berichterstatter: Robert Seeber .................................................................................... 60

RednerInnen:

Klara Neurauter ............................................................................................................ 61

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 63

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 65

Mag. Doris Schulz ........................................................................................................ 67

Bundesminister Dr. Josef Moser ................................................................................ 68

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, den Bericht III-655-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-662-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 69

5. Punkt: Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz über die in den Jahren 2012 bis 2017 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrundeliegende Verfahren beendet wurde (III-661-BR/2018 d.B. sowie 10130/BR d.B.) ...................................................... 69

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................... 69

RednerInnen:

Dr. Magnus Brunner, LL.M. ......................................................................................... 69

Michael Wanner ............................................................................................................ 70

Andreas Arthur Spanring ............................................................................................ 71

Bundesminister Dr. Josef Moser ................................................................................ 73

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-661-BR/2018 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 74

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (492 d.B. und 497 d.B. sowie 10126/BR d.B.)      ............................................................................................................................... 74

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 74

RednerInnen:

Korinna Schumann ...............................................................................................  75, 85

Marlies Steiner-Wieser ................................................................................................. 76

Dr. Gerhard Leitner ...................................................................................................... 78

Dr. Andrea Eder-Gitschthaler ..............................................................................  80, 86

Günter Kovacs .............................................................................................................. 82

Christoph Steiner ......................................................................................................... 83


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 5

David Stögmüller .......................................................................................................... 84

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ......................................................... 86

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 87

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert wird (535/A und 498 d.B. sowie 10127/BR d.B.)                        87

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 87

RednerInnen:

Mag. Bettina Lancaster ................................................................................................ 87

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................... 88

Elisabeth Mattersberger .............................................................................................. 89

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 90

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 91

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innenge­setz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden (606/A und 500 d.B. sowie 10125/BR d.B. und 10128/BR d.B.)....................................................... 91

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA ............................................................................ 91

RednerInnen:

Korinna Schumann ...................................................................................................... 91

Christoph Längle, BA .................................................................................................. 94

David Stögmüller .......................................................................................................... 96

Robert Seeber ............................................................................................................... 97

Rudolf Kaske ................................................................................................................ 99

Mag. Reinhard Pisec, BA MA .................................................................................... 102

Eva Prischl .................................................................................................................. 104

Martin Preineder ......................................................................................................... 105

Korinna Schumann (tatsächliche Berichtigung) ........................................................ 106

Anton Froschauer ...................................................................................................... 106

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 108

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 109

Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen, ge­gen den Beschluss des Nationalrates betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhege­setz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstarbeiter-Dienst­rechtsgesetz geändert werden (606/A und 500 d.B. sowie 10125/BR d.B. und 10128/BR d.B.), gemäß § 43 Abs. 1 GO-BR Einspruch zu erheben – Ablehnung  92, 111

Entschließungsantrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Karfreitag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“ – Ablehnung .......................  94, 113

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (namentliche Abstim­mung) ...................................................... 112

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 112


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 6

9. Punkt: Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Kon­sumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-672-BR/2019 d.B. sowie 10129/BR d.B.)   ............................................................................................................................. 113

Berichterstatterin: Rosa Ecker, MBA .......................................................................... 113

RednerInnen:

Ing. Bernhard Rösch .................................................................................................. 113

Ing. Bruno Aschenbrenner ....................................................................................... 114

Stefan Zaggl ................................................................................................................ 115

Stefan Schennach ...................................................................................................... 117

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ....................................................... 119

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-672-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 119

Gemeinsame Beratung über

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbe­dienstetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesver­tragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrperso­nengesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Studienförderungsge­setz 1992, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Integrationsgesetz, die Rechtsan­waltsordnung, das EIRAG und das Marktordnungsgesetz 2007 geändert werden sowie ein Bundesgesetz zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Ver­waltungssitz in Österreich erlassen wird (Brexit-Begleitgesetz 2019 – BreBeG 2019) (491 d.B. und 506 d.B. sowie 10135/BR d.B.)                         119

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 120

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird (507 d.B. sowie 10136/BR d.B.)                         119

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 120

RednerInnen:

Doris Hahn, MEd MA .................................................................................................. 120

Mag. Christian Buchmann ......................................................................................... 123

Mag. Dr. Ewa Dziedzic ......................................................................................  125, 133

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 127

Martin Weber ............................................................................................................... 129

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 131

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 134

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 11, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................. 134

12. Punkt: Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend EU Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-669-BR/2019 d.B. sowie 10137/BR d.B.) ............................................................................................................. 134

Berichterstatterin: Klara Neurauter ............................................................................. 134


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 7

RednerInnen:

Günther Novak ........................................................................................................... 135

Mag. Doris Schulz ...................................................................................................... 137

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 139

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ............................................................ 141

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Bericht III-669-BR/2019 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................. 143

Eingebracht wurden

Anfragen der BundesrätInnen

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Verbot von Feuerwerkskörper der Kategorie F2 in Ortsgebieten (3627/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Übergriffe auf Asyleinrichtungen im Jahr 2018 (3628/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Zunahme privater Waffenkäufe (3629/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Stand der Planungen betreffend Tschirganttunnel (3630/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Schutz von Frauen in Oberösterreich (3631/J-BR/2019)

David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesvertei­digung betreffend Inserate und Öffentlichkeitsarbeit des BM für Landesverteidigung (3632/J-BR/2019)

Stefan Zaggl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Verletzungen Polizeibeamte in Tirol (3633/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend „Opernball 2019“ (3634/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „Opernball 2019“ (3635/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend „Opernball 2019“ (3636/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend „Opernball 2019“ (3637/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend „Opernball 2019“ (3638/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend „Opernball 2019“ (3639/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend „Opernball 2019“ (3640/J-BR/2019)

Michael Wanner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Opern­ball 2019“ (3641/J-BR/2019)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 8

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betref­fend „Kassenreform“ (3335/AB-BR/2019 zu 3614/J-BR/2018)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend rechtswidrige Rückforderung von Kinderbetreuungs­geld durch die SVA (3336/AB-BR/2019 zu 3611/J-BR/2018)

des Bundeskanzlers auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kol­leginnen und Kollegen betreffend Massive Sicherheitslücke bei der informellen Tagung der EU-Außenministerinnen und -minister in Wien (3337/AB-BR/2019 zu 3610/J-BR/2018)

des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung des Bildungskompasses (3338/AB-BR/2019 zu 3613/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Normalisierung des Antisemitismus (3339/AB-BR/2019 zu 3608/J-BR/2018)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend Mitglied des Facebook-Auftrittes des Bundesministerium für Inneres (3340/AB-BR/2019 zu 3609/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bundes­rätInnen Mag. Dr. Ewa Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend gekürzte Mittel bei der Förderung des intermodalen Verkehrswesens des BMNT (3341/AB-BR/2019 zu 3607/J-BR/2018)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der BundesrätInnen Ingo Appé, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bearbeitungsrückstand bei der Neufestsetzung der Einheitswerte in Kärnten (3342/AB-BR/2019 zu 3606/J-BR/2018)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Bun­desrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Atomtransporte in Österreich (3343/AB-BR/2019 zu 3612/J-BR/2018)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Breitband­ausbau in Oberösterreich (3344/AB-BR/2019 zu 3616/J-BR/2019)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der BundesrätInnen David Stög­müller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Neuüberprüfung (Stichwort: Asyl auf Zeit) von Asylbescheiden im BFA 2018“ (3345/AB-BR/2019 zu 3615/J-BR/2019)


 


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 9

09.02.48Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Vorsitzende: Präsident Ingo Appé, Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M., Vize­präsident Hubert Koller, MA.

09.02.49*****


Präsident Ingo Appé: Ich eröffne die 890. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 889. Sitzung des Bundesrates vom 14. Februar 2019 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Dr. Peter Raggl.

Es freut mich, auch heute zahlreiche besondere Ehrengäste auf der Galerie begrüßen zu dürfen: ein herzliches Willkommen der Landtagspräsidentin des Bundeslandes Bur­genland Verena Dunst,

ebenfalls ein herzliches Willkommen der Landesrätin Mag. Astrid Eisenkopf,

dem Zweiten Landtagspräsidenten Ing. Rudolf Strommer,

der Klubobfrau Ingrid Salamon und dem Klubobmann Géza Molnár,

den Landtagsabgeordneten Mag. Christian Drobits, Wolfgang Sodl, Robert Hergovich und Peter Heger,

dem Präsidenten des Samariterbundes Johann Grillenberger sowie

dem Bundesratspräsidenten außer Dienst Michael Lampel. (Allgemeiner Beifall.)

09.04.36Mandatsverzicht und Angelobung


Präsident Ingo Appé: Eingelangt sind

ein Schreiben des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsverzichte bezie­hungsweise Wahl eines Mitgliedes und eines Ersatzmitgliedes des Bundesrates sowie

ein Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Man­datsverzichte beziehungsweise Wahl eines Mitgliedes und zweier Ersatzmitglieder des Bundesrates. (siehe S. 30)

Da Bundesrätin Inge Posch-Gruska und ein Ersatzmitglied mit Ablauf des 27. Februar 2019 beziehungsweise Bundesrat Mag. Dr. Michael Raml und ein Ersatzmitglied mit Ablauf des 6. März 2019 auf ihr Mandat verzichtet haben und da Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster ex lege auf das Mandat von Ewald Lindinger nachgerückt ist, sind die Wahlen neuer Mitglieder und Ersatzmitglieder des Bundesrates vom Burgen­ländischen Landtag beziehungsweise vom Oberösterreichischen Landtag entsprechend durchgeführt worden.

Die neuen Mitglieder des Bundesrates sind im Hause anwesend, ich werde daher so­gleich die Angelobung vornehmen.

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein. – Ich ersuche nun die Schriftführung um Ver­lesung der Gelöbnisformel.


Schriftführerin Marianne Hackl: Ich verlese hiermit die Gelöbnisformel für die Mit­glieder des Bundesrates: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Ös-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 10

terreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Ge­setze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Hackl leisten die Bundesräte Günter Kovacs und MMag. Dr. Michael Schilchegger die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“.)

*****

Herzlich willkommen im Bundesrat!


Präsident Ingo Appé: Auch ich darf die neuen Mitglieder des Bundesrates recht herz­lich in unserer Mitte willkommen heißen. (Allgemeiner Beifall. – Zahlreiche Bundesrä­tInnen begeben sich zu den neuen Mitgliedern des Bundesrates und beglückwünschen diese herzlich.)

09.07.53Aktuelle Stunde


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde zum Thema

„Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung für eine gut funktionierende Justiz und ein starkes Europa“

mit Herrn Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Jo­sef Moser, den ich herzlich willkommen heißen darf. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt: Zunächst kommt je ein Redner/eine Rednerin pro Fraktion zu Wort, dessen/deren Redezeit je­weils 10 Minuten beträgt. Dann folgt die Stellungnahme des Herrn Bundesministers, deren Dauer ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Danach folgt wiederum je ein Redner/eine Rednerin der Fraktionen sowie anschließend eine Wortmeldung der Bundesräte ohne Fraktionszugehörigkeit mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Zuletzt kann noch eine abschließende Stellungnahme des Herrn Bundesministers erfolgen, deren Dauer nach Möglichkeit 5 Minuten nicht überschreiten soll.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Magnus Brunner. Ich erteile es ihm und mache ihn darauf aufmerksam, dass entsprechend der Vereinbarung in der Prä­sidialkonferenz die Redezeit von 10 Minuten nicht überschritten werden soll. (Bundes­rat Brunner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Keine Sorge! – Allgemeine Heiterkeit.)


9.09.17

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den vergangenen Jahren in Europa gesehen, dass das Zusammengehörigkeitsge­fühl zwischen den Mitgliedstaaten und auch der Menschen untereinander in der EU doch eher abnimmt. Zusammengehörigkeit setzt Vertrauen voraus, deshalb hatte sich Österreich beim Ratsvorsitz zur obersten Priorität gemacht, dieses Vertrauen der Men­schen zueinander, aber auch der europäischen Mitgliedstaaten zueinander wieder zu stärken, und dazu braucht es gegenseitigen Respekt, gegenseitige Anerkennung und auch die Stärkung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit. Nur das sichert in un­serem Europa den Wohlstand und die wirtschaftliche Stabilität – und darum geht es be­sonders.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 11

Ob es im Justizbereich das Recht auf Schutz vor Diskriminierung, das Recht auf den Schutz des Eigentums oder das Recht auf Zugang zur Justiz ist, wir müssen alle diese Rechte fördern und schützen; und es braucht aus meiner Sicht dringend Impulse in Richtung einer neuen, starken und auch menschenrechtskonformen EU-Gesetzge­bung, denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rechtsstaatlichkeit ist der Grundpfeiler für eine funktionierende Demokratie und auch einer der zentralen Werte, auf die sich die Europäische Union gründet. Wir brauchen dieses gemeinsame Europa, wir brau­chen diese gemeinsamen Werte auch in Europa, weil es sonst kein Vertrauen in an­dere Rechtsordnungen gibt, und ein solches Vertrauen ist die Voraussetzung für die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen in anderen Mitgliedstaaten.

Österreich hat deshalb in der Zeit seines EU-Ratsvorsitzes sehr viel auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit unternommen – es gab zahlreiche Expertentreffen, zwei Justiz­ministerräte, ein informelles Justizministertreffen in Innsbruck, auch viele bilaterale Treffen des Herrn Bundesministers, aber auch auf Beamtenebene. Das Thema der Rechtsstaatlichkeit war in diesem halben Jahr des EU-Vorsitzes Österreichs bestim­mend und hat zu guter Letzt auch zur Annahme der Schlussfolgerungen des Europäi­schen Rates im Dezember geführt, die vor allem die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zum Inhalt hatten.

Auch im Hinblick auf die kommenden EU-Wahlen spielt das Thema der Rechtsstaat­lichkeit, aber auch der Rechtssicherheit eine sehr wichtige Rolle. Wir müssen auch da wieder zu mehr Vertrauen und zu mehr Sicherheit kommen, damit es zu keiner wei­teren Verunsicherung in der Bevölkerung und auch in der Wirtschaft kommt. Nur mit diesem Vertrauen und mit dieser Sicherheit können wir die europäische Zusammenar­beit weiterbringen.

Der Brexit hat uns allen schmerzlich vor Augen geführt, wie instabil eigentlich das Ver­trauen in die EU, in die Institutionen zumindest in manchen Ländern Europas ist. Na­türlich hätte man zuallererst nicht aus parteitaktischen, polittaktischen Gründen eine Abstimmung machen müssen – das ist klar –, aber genauso wichtig ist, glaube ich, die Frage: Warum haben sich die britischen Bürger für diesen Austritt entschieden, warum hat sich die Bevölkerung so entschieden? – Und da muss man sich schon auch die Frage nach den Ursachen stellen, fragen: Was ist in der EU falsch gelaufen oder wa­rum haben zumindest die Briten das als falsch gelaufen interpretiert?

Ich habe einen angeheirateten Onkel in England, er ist 85 Jahre alt, Uncle Bob. Bob ist Baumeister (allgemeine Heiterkeit) – Bob the Builder, Bob der Baumeister –, hat ein Einmannunternehmen. Onkel Bob der Baumeister hat sein Leben lang einen Bagger gehabt und hat mit diesem Bagger in der Umgebung seine Löcher gegraben. Der Grund dafür, dass ich das erzähle, ist, dass ich ihn kurz nach der Brexitabstimmung besucht habe – er ist mittlerweile, wie gesagt, 85, ist immer noch sehr rüstig – und er einer der Brexitbefürworter war. Er hat mir ganz klar gesagt, er hat für den Brexit ge­stimmt, und er hat dann in der Diskussion versucht – er ist oft schwer zu verstehen –, zu erklären, warum er so gestimmt hat: weil es niemanden gegeben hat, der ihm er­klären konnte, was der Sinn für ihn persönlich – Bob den Baumeister, mit seinem Bag­ger, in seiner Umgebung – wäre, was ihm die EU-Mitgliedschaft bringen könnte.

Das ist, glaube ich, schon ein Problem, das wir haben, auch als Politiker. Wir müssen es erklären, wir müssen die Vorteile der Europäischen Union erklären.

Um auf die EU-Wahl zurückzukommen: Wir brauchen ein starkes Europa. Wir brau­chen dieses starke Europa einfach auch, um die Zukunft und die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können; und da wäre natürlich eine hohe Wahlbeteiligung bei der kommenden EU-Wahl sicher nicht schlecht, auch um zu demonstrieren, wie wichtig uns Europa ist.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 12

Die EU-Justizpolitik, um auf das Thema der Aktuellen Stunde zurückzukommen, hat sich in den letzten Jahren aufgrund von vielen aufeinanderfolgenden Änderungen an den EU-Verträgen immer mehr an andere EU-Politikbereiche angenähert, vor allem natürlich auch durch den Vertrag von Lissabon; das war eigentlich die zentrale Än­derung. Damals sind das Europäische Parlament und der Rat in vielen Bereichen der Zusammenarbeit auf Justizebene, in Zivil- und Strafsachen, auch zu Mitgesetzgebern der Mitgliedstaaten geworden.

Die Europäische Kommission hat dann auf Basis der Erfahrungen die EU-Justizagenda entwickelt, in der sie die wichtigsten Herausforderungen für Europa im Justizbereich identifiziert hat. Die EU hat daraufhin auch Maßnahmen getroffen, um die Grundlage für einen – so hat sie es in dieser Agenda genannt – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen zu schaffen. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem EU-Parlament und dem Rat wurden dann wesentliche Fortschritte in Bezug auf einen besser funktionierenden und gemeinsamen europäischen Rechtsraum erzielt.

Dieser europäische Rechtsraum, der auf gegenseitiger Anerkennung, auf gegenseiti­gem Vertrauen beruht, wird durch eine Art Brückenschlag zwischen den verschiedenen Justizsystemen der Mitgliedstaaten erreicht. Diese Brücken zwischen den Rechtssys­temen müssen – und darauf müssen wir auch schauen – solide strukturiert sein. Das ist, glaube ich, sehr wichtig.

Mit ihrer Strategie hat sich die EU-Justizpolitik vor allem aufgrund der Finanz- und Staatsschuldenkrise, wie ich glaube, auch zu einem Instrument zur Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs, des Wachstums und auch der Strukturreformen in Europa entwickelt. Die EU hat Maßnahmen getroffen, um bei Unternehmen und Ver­brauchern gleichermaßen nach und nach das notwendige Vertrauen wieder aufzubau­en, damit der Binnenmarkt wirklich auch zugunsten von jedem Einzelnen, von jedem einzelnen Unternehmen, von jedem einzelnen Bürger, wie der heimische Markt funktio­niert.

Die Justizpolitik entwickelt sich vor allem auch durch die zunehmende Mobilität der Bürgerinnen und Bürger und auch der Unternehmen in Europa immer weiter. Sie entwi­ckelt sich dynamisch weiter, und genau deshalb wurden nicht zuletzt auch während des österreichischen Ratsvorsitzes Initiativen entwickelt, die die bestehende Politik und die bestehenden Rechtsinstrumente ergänzen und weiterentwickeln – und das immer mit dem Ziel, auf der einen Seite gegenseitiges Vertrauen zu stärken, auf der anderen Seite das Leben der Bürger zu vereinfachen, zu erleichtern und auch zu weiterem Wachstum in Europa beizutragen. Dabei muss man natürlich die Vielfältigkeit der Rechtssysteme und auch der Rechtstraditionen der einzelnen Mitgliedstaaten berück­sichtigen.

Die EU-Justizpolitik ist, glaube ich – damit komme ich zum Schluss –, für die europäi­sche Integration in den letzten Jahren immer wichtiger, immer entscheidender und für viele EU-Bürger auch greifbare Realität geworden, und dazu hat der österreichische Ratsvorsitz unter Minister Moser einen entscheidenden Beitrag geleistet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.18


Präsident Ingo Appé: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin We­ber. Ich erteile ihm dieses.


9.18.14

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Werte Kollegin­nen und Kollegen! Lieber Herr Bundesminister! Von Bob dem Baumeister im König­reich zurück in die österreichische Heimat! (Der Redner trägt – so wie seine Fraktions-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 13

kollegInnen – einen Button, auf dem vom durchgestrichenen Wort Feiertag ein Pfeil auf das Wort Urlaubstag zeigt.)

Ich möchte den heutigen Bundesratstag mit einem Lob an Sie, Herr Minister, beginnen: Ich schätze Sie sehr und ich meine das wirklich ehrlich, denn Sie treten gebührend se­riös und vernünftig auf, entsprechend Ihrem wichtigen Ressort. Sie sind kein Scharfma­cher. Sie sind nicht auf die schnelle und große Schlagzeile im Boulevard aus (Bundes­rätin Mühlwerth: So wie die SPÖ!), und man könnte fast meinen, Ihnen ist der Popu­lismus fremd. Im Vergleich zum Restkabinett Kurz/Strache heben Sie sich damit sehr, sehr positiv ab. (Bundesrätin Mühlwerth – in Richtung Bundesminister Moser –: Jetzt täte ich mich aber langsam fürchten!) Ich vermute, wahrscheinlich sind Sie auch des­wegen nicht der allerbeliebteste Kollege in der Regierungsmannschaft. Wir kriegen es ja mit: da und dort die Sticheleien, die Angriffe. In Zeiten der Message Control wie in den treuesten Moskautagen sind diese Sticheleien und Angriffe schon sehr bemer­kenswert, aber Sie werden das hoffentlich aushalten und stehen über diesem Niveau. Sie sind, meine ich, ein Mahner, versuchen, die Verfassung und auch die Menschen­rechte zu wahren und zu schützen. – Wir wissen ja, Kollegen von Ihnen auf der Regie­rungsbank wollen das ändern, beinahe je nach Tagesverfassung, meinen ja auch, Richter und Recht sollen uns unterstellt sein, uns folgen und nicht umgekehrt, nicht wir haben Recht und Verfassung zu beachten.

Sie sind also eine positive Erscheinung in dieser Bundesregierung, das meine ich ganz ernst, aber ich wünsche Ihnen bei Ihrer Arbeit mehr Erfolg. Es nützt am Ende des Ta­ges nichts, wenn sich ewig die Scharfmacher in der Regierung durchsetzen und Sie sich dann leider viel zu oft den Falken in der Regierung beugen und ihnen weichen müssen. Ich hoffe nicht, dass Sie das Feigenblatt sind. (Bundesrat Brunner: So schaut er nicht aus!) Ich hoffe! Ich hoffe, lieber Magnus.

Die österreichische Justiz, und jetzt gehe ich auf die Sache ein, befindet sich in einer doch schwierigen Situation, weil sie derzeit ganz einfach nicht mit ausreichenden Mit­teln ausgestattet ist und die Anzahl des Justizpersonals weit unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Der Ehrlichkeit halber muss man natürlich sagen, dass nicht Sie dafür verantwortlich sind, sondern in erster Linie die schwarz-blaue Bundesregierung mit Bundeskanzler Kurz und dem Finanzminister, der da als Sparer am falschen Platz auftritt.

Solange die österreichische Justiz nicht die entsprechenden Mittel erhält, kann sie nicht das leisten, was von ihr gefordert wird. Dazu muss man sagen, dass die Rich­terinnen und Richter, die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen und die Beamtenschaft in der Justiz, insbesondere auch das nicht richterliche Personal, im Rahmen der Um­stände doch eine ausgezeichnete Arbeit machen. Ich möchte dazu auch gratulieren und Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Brunner.)

Es sind in diesem Zusammenhang doch auch alarmierende Zahlen, die wir auf den Tisch legen. Solide, strukturierte Arbeit – von der mein Vorredner gesprochen hat – sieht anders aus. In Österreich kommen auf 100 000 Einwohner 20 Richter. Im Jahr 2016 lag der Durchschnittswert in Österreich noch bei 27,4 Richtern. Die Kanzleikräfte sind ebenfalls drastisch überfordert. Ähnlich ist die Situation bei den Staatsanwälten: Auf 100 000 Einwohner kommen in Österreich im Schnitt 4,1 Staatsanwälte, im europäi­schen Schnitt sind es hingegen 11,7 Staatsanwälte.

Einen eklatanten Personalnotstand beklagt auch die Justizwachegewerkschaft. So gibt es in der Justizvollzugsanstalt Josefstadt 1 200 Insassen, ausgelegt ist diese Anstalt aber für nicht einmal 1 000 Personen. Die zu geringe Anzahl der Justizwachebeamten muss mit dieser absolut schwierigen Situation tagtäglich fertig werden. Sie werden da­bei von der Bundesregierung leider nicht ausreichend unterstützt und alleine gelassen.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 14

Sollte der Innenminister mit seinem Ablenkungsmanöver – wir wissen alle miteinander, dass es ein Ablenkungsmanöver ist, was er in Sachen Haft vorhat – sozusagen weitere Einsperrmöglichkeiten schaffen, dann müssen wir jetzt schon anfangen, neue Gefäng­nisse zu bauen. Von Ihrem Vorschlag, dass die Sicherungshaft nur mit Zustimmung ei­nes Richters erfolgen darf, hält ja der Unsicherheitsminister rein gar nichts. Es scheint so zu sein, dass er sich wieder einmal gegen Sie durchsetzt. Es liegt noch keinen Ge­setzentwurf auf dem Tisch, aber die ersten Meldungen scheinen in diese Richtung zu gehen.

Bob der Baumeister hat einen Ausspruch: Ja, wir schaffen das! – Lieber Magnus, be­treffend Rechtsstaatlichkeit auf europäischer Ebene mag die Bundesregierung sehr viel getan haben, daheim sind wir leider ein wenig säumig gewesen, da gilt es viel aufzuho­len. Es ist ein grundsätzliches Problem, dass die derzeitige Bundesregierung der Justiz nicht den Platz gibt, der ihr gerechterweise zustehen würde. Das wird auch  auch wenn es nur ein kleines Symbol ist – mit dem Namen ausgedrückt, den Ihr Ministerium, geschätzter Herr Minister, trägt: Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – al­so die Justiz kommt an letzter Stelle.

Auch wenn der gegenwärtige Justizminister und seine Mitarbeiter – und ich schätze auch Ihren Generalsekretär Christian Pilnacek sehr – versuchen, aus dieser schwieri­gen Situation das Beste zu machen, reicht es nicht, wenn die Regierungsspitze die Justiz offenbar als eine Institution sieht, die sie nicht beherrschen kann, und diese des­halb auch benachteiligt. (Bundesrat Bader: Das glaubst aber selber nicht!)

Um auch etwas Positives zu sagen: Im internationalen Vergleich funktioniert die öster­reichische Justiz immer noch sehr gut, das gilt es zu wahren; doch diese Position müs­sen wir auch halten können. Wenn es nicht ein Umdenken in der Bundesregierung gibt, häufen sich nämlich Skandale wie jener im Vorjahr in Graz. Da sind bekanntlicherweise 14 als gefährlich eingestufte Dschihadisten auf freien Fuß gesetzt worden, weil die Staatsanwaltschaft nicht fristgerecht Anklage erhoben hat. Das muss man sich einmal vorstellen! (Bundesrat Längle: Wer hat sie entlassen?) Und das Gericht musste aus formalen Gründen die Enthaftung anordnen. (Bundesrat Längle: Wer war das ...? Ihr von der SPÖ ...!) Terrorverdächtige auf freiem Fuß, das ist eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung dieser schwarz-blauen Bundesregierung. (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Samt: Wer hat sie entlassen?)

Wir müssen den hohen Standard der österreichischen Justiz aufrechterhalten; da gilt es ganz einfach, mehr Mittel bereitzustellen. Ich hoffe, dass Sie auf diesem Weg erfolg­reicher sind. Die Anzeichen sind da, aber ich wünsche Ihnen mehr Durchsetzungskraft in dieser Bundesregierung. Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

9.26


Präsident Ingo Appé: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat MMag. Dr. Mi­chael Schilchegger. Ich erteile ihm dieses.


9.27.11

Bundesrat MMag. Dr. Michael Schilchegger (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren Kol­legen! Ja, wenn ich da „sicherheitspolitische Bankrotterklärung“ höre und wenn uns da „Populismus“ vorgeworfen wird, dann kann ich Ihnen, lieber Herr Kollege, nur entgeg­nen: Das, was uns auch immer wieder vorgeworfen wurde, geht noch einen Schritt wei­ter, Sie haben uns ja auch immer wieder vorgeworfen, wir wollen uns nicht an die Euro­päische Menschenrechtskonvention halten und sie überhaupt durch eine österreichi­sche Menschenrechtskonvention ersetzen.

Jetzt ist die österreichische Bundesregierung so weit und hat Pläne, dass man Fälle wie jenen in Dornbirn oder auch Fälle mit IS-Schläfern, die Sie angesprochen haben,


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 15

verhindert. (Bundesrat Weber: Dornbirn aufdecken, bitte!) Wir wollen auf Basis der Eu­ropäischen Menschenrechtskonvention und der europäischen Richtlinien eine Lösung umsetzen, die möglich ist. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie klammern sich nun sozusagen an diesen Rumpf der österreichischen MRK, den wir ha­ben, und an dieses Gold Plating, das nur einem dient, nämlich dem Schutz der IS-Schläfer und der Terroristen, die wir leider in diesem Land haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen schon noch eines zu bedenken geben, wenn Sie „sicherheitspoliti­sche Bankrotterklärung“ sagen: Ohne die sozialdemokratische Willkommenspolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte hätten wir diese fremden Gefährder gar nicht in unserem Land! (Beifall bei der FPÖ.) Wer ist denn verantwortlich, wenn nicht Ihre Politik der offenen Grenzen und der offenen Türen, mit oder ohne Seitenteile, meine Damen und Herren? (Bundesrätin Steiner-Wieser: Ganz genau! Zwischenruf des Bundesrates Samt.)

Ich darf also noch einmal zusammenfassen: Die Europäische Menschenrechtskon­vention, die uns allen ein Anliegen ist und die auch durchaus ein flexibles Instrument ist, lässt diese Sicherungshaft für fremde Gefährder bereits heute zu. Die EU-Auf­nahmerichtlinie lässt eine solche Sicherungshaft ebenso zu. Zahlreiche Nachbarländer und auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bereits heute so eine Siche­rungshaft. Und Sie stellen sich hier auf die Seite der fremden Gefährder und der IS-Schläfer und der Terroristen und sagen dann, wir hätten eine „sicherheitspolitische Bankrotterklärung“ zu verantworten, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Weber.)

Warten wir aber einmal ab, welche Teile der SPÖ sich denn in dieser Frage letztlich durchsetzen werden! Das ist ja bei Ihnen auch nicht immer so ganz klar. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Bleiben wir beim Thema Europa, meine Damen und Herren, beim Thema Rechtsstaat­lichkeit. Kollege Brunner hat hier schon sehr viele Initiativen genannt, die ja Sie, Herr Bundesminister, im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft angestoßen ha­ben. Zum Teil wurden sie ja bereits umgesetzt. Das betrifft auch einen weiteren Miss­stand, den wir Freiheitlichen immer wieder kritisiert haben, weil es nicht sein kann, dass es nicht möglich ist oder nicht möglich sein soll, zum Beispiel fremde Unionsbür­ger, die sich in unserem Land aufhalten und hier straffällig werden – ich nenne jetzt ir­gendeine Gruppe, ja, zum Beispiel irgendwelche Italiener oder Rumänen –, aus unse­rem Land in ihr Heimatland – nach Rumänien, nach Italien, wohin auch immer – abzu­schieben, weil es dort zu schlechte Haftbedingungen gibt, meine Damen und Herren, und deren Menschenrechte nicht gewahrt würden. Da ist es natürlich ganz wichtig, das Konzept Haft in der Heimat zu forcieren, eine Bewusstseinsbildung bei den anderen Kollegen im Europäischen Rat zu schaffen, damit bei den Haftbedingungen ein Min­deststandard betreffend Menschenrechte gewahrt wird, damit eine Haft in der Heimat möglich ist. – Ich danke Ihnen für diese Initiative, Herr Bundesminister, da haben Sie einen ganz richtigen Punkt getroffen. Ich hoffe, dass bald spürbare Ergebnisse bei den Haftzahlen zu sehen sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ja, jetzt ist die Ratspräsidentschaft schon wieder vorbei. Es gibt nach wie vor viel zu tun, was auch im Regierungsprogramm vereinbart wurde. Ich nenne hier – wenn wir schon beim Thema Strafrecht sind – einige wenige Punkte, die auch uns immer ein An­liegen waren, die auch den österreichischen Rechtsanwälten immer wieder ein Anlie­gen waren und die vielleicht da oder dort auf Widerstand stoßen, natürlich auch in Ih­rem Haus, weil ja die Justiz ein gewachsenes System ist und man sich oft schwertut, an alten, bewährten Systemen etwas zu ändern, und man in der Justiz womöglich den Zugang hat, am bewährten System nicht zu viel zu ändern. Aus der Sicht der Betroffe-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 16

nen, der Opfer, der Verteidiger gibt es aber da noch den einen oder anderen Verbesse­rungsbedarf.

Ich komme zum Punkt Akteneinsicht. Sie, meine lieben Damen und Herren Kollegen hier im Bundesrat, wissen, wie wichtig es ist, dass man, wenn man sich auf etwas vor­bereitet, auch die Möglichkeit hat, entsprechende Unterlagen zu erhalten. Das ist im Strafprozess grundsätzlich auch gewährleistet, als Verteidiger und auch als Opferver­treter hat man natürlich die volle Akteneinsicht. Das ist nicht der Punkt.

Der Punkt ist aber: Was im Zivilverfahrensrecht bewährter Standard ist, der seit Jahren mittlerweile auch in europäischen Ländern üblich ist, ist die Möglichkeit eines elektro­nischen Aktenzugangs, dass man also die Möglichkeit hat, über ein Web-ERV-System im Rechtsverkehr auch als Strafverteidiger direkt den Akt zu bekommen, und sozusa­gen nicht als Bittsteller darauf angewiesen ist, dass man die Staatsanwaltschaft telefo­nisch oder womöglich per E-Mail oder per Post erreicht. Das ist in Österreich nämlich von Bezirk zu Bezirk, von Staatsanwaltschaft zu Staatsanwaltschaft oft ganz unter­schiedlich, wie man zu diesen Unterlagen kommt. Die elektronische Akteneinsicht ist also ein ganz wesentlicher Punkt, der passt auch zum Schwerpunkt Digitalisierung un­serer Bundesregierung.

Ein zweiter, ganz wesentlicher Punkt: das Beschleunigungsgebot. Dass Strafverfahren möglichst rasch abgewickelt werden, ist nicht nur irgendein rechtspolitisch wünschens­wertes Thema, sondern das ist ein Menschenrecht, das wir als Teil eines fairen Verfah­rens in Artikel 6 EMRK verankert haben. Sie wissen das. Es ist ein Recht des Betrof­fenen, es ist für den Staat ebenso wichtig wie für den Beschuldigten wie auch für das Opfer, dass man ganz, ganz rasch Klarheit gewinnt, ob ein Beschuldigter wirklich der Täter war und verurteilt werden muss oder ob diese Verdachtsmomente haltlos sind und ein Freispruch oder eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgen müssen.

Derzeit wirkt sich das Beschleunigungsgebot tatsächlich schon in der Praxis aus, man muss aber dazusagen: auch zum Nachteil des Opfers. Wenn das Hauptverfahren den Schuldbeweis erbracht hat und der Beschuldigte verurteilt wird, muss aber das Opfer auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden, weil es einfach zu lange dauern würde, die Ansprüche – die Höhe des Schmerzensgeldes, die Höhe des Schadenersatzes, was auch immer – im Detail zu klären. Also da greift ganz klar – und, wie ich meine, auch zu Recht – das strafrechtliche, strafprozessuale Beschleunigungsgebot, aber es ist na­türlich noch nicht lückenlos verwirklicht. Wir haben zwar jetzt mittlerweile seit einigen Jahren auch eine bestimmte Frist, die Staatsanwaltschaft darf grundsätzlich nicht län­ger als drei Jahre gegen einen Beschuldigten ermitteln, aber das Prinzip ist sehr lü­ckenhaft verwirklicht. Da gibt es immer wieder die Möglichkeit, diese Frist zu verlän­gern.

Wenn man sich die Medienberichterstattung anschaut, meine Damen und Herren Kol­legen, Sie kennen das: Man sieht immer diese ganz großen, spektakulären Wirt­schaftsstraffälle, die dann auch mediale Aufmerksamkeit verursachen und erhalten. Da sind wir weit weg von einer angemessenen Verfahrensdauer. Das dauert jahrelang. Schauen Sie sich den Buwog-Prozess an, wie lange da ermittelt wurde, wie lange jetzt schon das Hauptverfahren dauert. Ich gebe Ihnen schon recht, manchmal ist es auch darauf zurückzuführen, dass die Verteidigung entsprechend angelegt wird und die Ver­teidigung nicht sehr erpicht darauf ist, alles gleich von Beginn an offenzulegen. Das sind aber natürlich auch Rechte, die der Verteidiger wahrnehmen muss und die der Be­schuldigte auch wahrnehmen kann, das ist ein rechtsstaatlicher Grundsatz. Trotzdem muss man schauen, wie man das Beschleunigungsgebot im Strafprozess noch stärker verankern kann. Das ist ein ganz wesentliches Anliegen, das auch im Regierungspro­gramm verankert ist und von den Rechtsanwälten immer wieder gefordert wird.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 17

Ich komme damit schon zum allerletzten Punkt, den ich ansprechen möchte, der im Strafprozess auch ganz wichtig ist. Es ist grundsätzlich ein gutes System, wir haben auch die menschenrechtliche Vorgabe des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, Artikel 13 EMRK. Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bedeutet nichts ande­res, als dass es nicht sein kann, dass im Strafprozess eine Instanz über eine Verurtei­lung entscheidet und es anschließend aber nicht mehr möglich ist, dieses Urteil zu überprüfen. Da haben wir die Nichtigkeitsbeschwerde, das ist vom Gesetz her sehr gut angelegt, aber der Oberste Gerichtshof legt das sehr restriktiv aus. Da wäre es aus meiner Sicht und auch aus Sicht der Verteidiger und der Rechtsanwälte – und auch aus Sicht des Regierungsprogramms – wünschenswert, diesen wirksamen Rechtsbe­helf noch besser sicherzustellen, womöglich die Judikatur des Obersten Gerichtshofes etwas zu korrigieren. Da gibt es durchaus auch Kritik aus dem universitären Schrifttum, dass dabei das Rad etwas überdreht wurde und dass es eigentlich fast nicht mehr möglich ist, ein strafprozessuales Urteil nach einem Schöffen- oder Geschworenenver­fahren zu bekämpfen.

Sie sehen, Herr Justizminister, es gibt viel zu tun. Packen Sie es an, unsere Unterstüt­zung haben Sie! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.36


Präsident Ingo Appé: Zu einer ersten Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Ich erteile es ihm; auch seine Redezeit soll bitte 10 Minuten nicht überschreiten.


9.36.21

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bun­desräte! Meine sehr geehrte Frau Präsidentin des Burgenländischen Landtages, Mit­glieder des Burgenländischen Landtages und der Landesregierung, es ist mir eine be­sondere Freude, dass Sie heute da sind, da mich auch mit dem Burgenland sehr viel verbindet! Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch den neuen Bundesräten alles Gute für ihre weitere Tätigkeit wünschen. (Allgemeiner Beifall.)

Ich möchte mich auch für die Möglichkeit bedanken, dass ich heute über die Stärkung des gegenseitigen Vertrauens in Europa sprechen kann. Gerade vor den europäischen Wahlen ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es speziell im Justizbereich notwendig ist, ein leistungsfähiges und gleichzeitig wettbewerbsfähiges Europa zu haben. Das Vertrauen, dass Europa funktioniert, ist dafür eine wesentliche Grundlage.

Gerade die Entwicklungen, die in den letzten Jahren auch innerhalb Europas stattge­funden haben, haben gezeigt, dass das Thema Rechtsstaatlichkeit immer mehr an Be­deutung gewinnt. Rechtsstaatlichkeit ist – ich glaube, das ist uns allen bewusst – ein Grundpfeiler für eine funktionierende Demokratie und einer der zentralen Werte, auf die sich die europäische Union gründet. Wer Europa sagt, hat damit auch Rechtsstaat zu meinen. Diese Grundsätze sind auch in Artikel 2 der Europäischen Verträge, aber auch in Absatz 2 der Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union klar zum Ausdruck gebracht. Dennoch kann es aber ohne die Einhaltung der gemein­samen Werte kein gemeinsames Vertrauen, nämlich ein Vertrauen in andere Recht­sordnungen, geben.

Dieses Vertrauen ist wiederum auch eine Grundvoraussetzung für die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen. Die wechselseitige Anerkennung ist ein effizientes Mittel, um die Privatrechte der Bürger über die Grenzen hinweg zu schützen und durchzu­setzen und um die staatliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu stärken und gleichzeitig – wie Sie es angesprochen haben – auch zu beschleunigen. Gegenseitiges Vertrauen ist daher die Basis für die Europäische Union als eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 18

Leider gab es gerade in den letzten Jahren Entwicklungen, durch die das gegenseitige Vertrauen im europäischen Raum sehr stark gelitten hat, vorliegende, zu beachtende Mindeststandards wurden dabei nicht beachtet. Vor wenigen Jahren haben wir noch große Sorge im Zusammenhang mit der Türkei gehabt, nachdem dort im Juli 2016 ein Putsch fehlgeschlagen war und in der Folge grundlegende rechtsstaatliche Garantien außer Kraft gesetzt worden sind. Parallel dazu gab es Entwicklungen in Polen, in Un­garn und zuletzt auch in Rumänien, die von uns verlangen, dass wir uns intensiv mit dem Gedanken beschäftigen, wie eben dem drohenden Abbau der Rechtsstaatlichkeit in vielen Staaten Europas effizient begegnet werden kann.

Auch die jüngsten Diskussionen in Österreich über die Frage des Primats der Politik vor dem Recht haben die Rechtsstaatlichkeitsdiskussionen in den Fokus der Aufmerk­samkeit gerückt. Diese Diskussion gibt uns aber die Chance, wiederzuentdecken, was lange für selbstverständlich und gleichzeitig unumstößlich angesehen worden ist, näm­lich wie wichtig der Rechtsstaat in seinem Funktionieren für uns alle ist. Wir alle wol­len – da bin ich mir sicher, auch die Redebeiträge haben es gezeigt – einen konstrukti­ven Dialog führen. Dabei hat auch die Europäische Union eine ganz wichtige Funktion. Ich möchte dabei nur kurz auf die bereits zitierten Artikel-7-Sanktionsverfahren einge­hen, die zwar starke politische Signalwirkung haben, aber aufgrund der Mehrheitserfor­dernisse im Rat zu keinen herzeigbaren Ergebnissen führen werden.

Wohl in diesem Bewusstsein haben sowohl die Europäische Kommission als auch der Rat ergänzende Mechanismen ins Leben gerufen, die den Dialog mit den in diesem Fall problematisch erscheinenden Reformstaaten erleichtern und intensivieren sollen. Ich nenne da beispielsweise nur die Stichworte Frühwarnmechanismus beziehungs­weise Rechtsstaatlichkeitsdialog. Darüber hinaus bestehen aber auch Bemühungen, die Gewährung von Finanzmitteln der EU künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards zu koppeln. Es soll also der Finanzhaushalt der EU indirekt zu einer demo­kratischeren Union beitragen.

Mit dem Blick auf all das stellt sich die Frage, welchen Beitrag, das ist heute auch schon angeklungen, die Justiz auf europäischer Ebene zur Stärkung der Rechtsstaat­lichkeit leisten kann. Die Justiz ist, ich glaube, das ist uns allen bewusst, die dritte Staatsgewalt und damit ein zentraler Faktor, wenn es darum geht, Menschenrechte zu sichern. Außerdem steht außer Streit, dass sie nur dann ihre Aufgaben erfüllen kann, wenn sie den an sie gestellten Erwartungen auch gerecht werden kann, indem ihr Handeln auf Vertrauen stößt. Innerhalb der Europäischen Union ist das gegenseitige Vertrauen auch die Grundlage für die Instrumente der gegenseitigen Anerkennung und – wie ich bereits erwähnt habe – für eine Europäische Union als eine Union der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.

Gerade im Bereich der Zusammenarbeit in Strafsachen hat die Europäische Union ver­schiedene Instrumente auf der Grundlage des Prinzips der wechselseitigen Anerken­nung verabschiedet, wobei dieses Prinzip dem Bereich des freien Waren- und Dienst­leistungsverkehrs entlehnt worden ist. Sie alle kennen bereits die Instrumente, denn sie spielen in unserem täglichen Leben eine wichtige Rolle. Ich möchte da nur einige er­wähnen, nämlich den Europäischen Haftbefehl, die Europäische Ermittlungsanordnung oder die Europäische Schutzanordnung: Diese Instrumente haben zu einer grundle­genden Veränderung der justiziellen Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten ge­führt. Die Zusammenarbeit der Justizbehörden wurde dadurch deutlich erleichtert und beschleunigt, was auch zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer und der Dauer der Untersuchungshaft führte. Das Justizsystem wird im Zusammenhang mit E-Evidence, dem Zugang zu elektronischen Beweismitteln oder auch der Beschleunigung von Verfahren bei Kindesentführungen, nämlich der Brüssel-IIa-Verordnung, in seinen Funktionen erweitert.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 19

Dieses erfolgreiche System scheint nun aber massiv gefährdet zu sein. Gerade die aktuelle Rechtsprechung des EuGH hat gezeigt, dass einzelne Justizsysteme nicht mehr die Voraussetzungen erfüllen, aus denen ein gegenseitiges Vertrauen und eine gegenseitige Anerkennung abgeleitet werden können. So hat der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren auf Ersuchen aus Irland die Unabhängigkeit eines ge­samten mitgliedstaatlichen Justizsystems generell infrage gestellt und in seinem Urteil im Wesentlichen Folgendes ausgeführt – ich zitiere –: Im Fall von systematischen oder allgemeinen Mängeln im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz besteht eine be­gründete Gefahr der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, sodass eine Überstellung auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls nicht mehr möglich ist. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte, Sie sehen, dass es daher si­cherlich im Interesse von uns allen war, daraus die nötigen Schlüsse zu ziehen und das Thema Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung zu einem ganz besonderen Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft im Justizbereich zu ma­chen. Wir haben daher – beginnend bereits im Juli 2018 mit dem informellen Justizmi­nistertreffen in Innsbruck das Thema Rechtsstaatlichkeit bei allen Justizministertref­fen und in weiteren Gremien sowie bei zahlreichen Veranstaltungen und bei der Viel­zahl bilateraler Gespräche mit meinen Amtskollegen zum wesentlichen Inhalt gemacht. Ebenso ist bei der EU-Westbalkankonferenz im Oktober in Albanien die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Effizienz der Justizsysteme thematisch im Mittelpunkt gestan­den. Dort haben wir auch mögliche Wege diskutiert, um Justizreformschritte messen zu können.

Besonders hinweisen möchte ich auch auf eine Rule-of-Law-Konferenz, die in Wien stattgefunden hat, an der sämtliche Länder der Östlichen Partnerschaft, des Westbal­kans, Mitglieder der Europäischen Kommission und auch der Präsident des EuGH teil­genommen haben. Dort ist man der Frage nachgegangen, wie man die Rechtsstaat­lichkeit und das Zusammenwirken Europas stärken kann, denn ohne dieses Zusam­menwirken wird es nicht möglich sein, unsere nationalen Herausforderungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und im Sinne des Wirtschaftsstandorts auch tatsächlich erledigen zu können.

Als Ergebnis all dieser Bemühungen ist es beim letzten Justizministerrat im Dezem­ber 2018 schlussendlich gelungen, gemeinsame Schlussfolgerungen mit dem Ziel der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit anzunehmen. Unsere Initiative ist dabei aber nicht allein auf die Mitgliedstaaten beschränkt, ich habe es bereits erwähnt, sondern wir sind auch im Bereich der Vereinten Nationen aktiv. Auch dabei wollen wir im Zusammen­hang mit der Umsetzung der Sustainable Development Goals, des Ziels Nummer 16, Maßnahmen setzen, um die Rechtsstaatlichkeit weiter voranzutreiben.

Betrachten wir in dem Fall die EU-Wahlen, betrachten wir unsere Aufgabe! Gerade in Zeiten wie diesen muss uns angesichts der aktuellen Entwicklungen gewiss sein: Wenn wir Europa als Friedensunion tatsächlich stärken wollen, müssen wir unser be­sonderes Augenmerk gerade auf den Bereich der Rechtsstaatlichkeit legen und gleich­zeitig alles unternehmen, dass sich die Bürger in Europa frei bewegen können, Unter­nehmensgründungen auch über die Grenzen hinweg ohne Bürokratie und ohne Schranken durchgeführt werden können. Dafür ist die Justiz sicherlich ein guter An­satz.

Ich habe an Ihren Redebeiträgen gemerkt, dass Sie auch in diese Richtung gehen und gleichzeitig diesen Bereich unterstützen. Da auch der Bereich in Österreich angespro­chen wurde, möchte ich auch erwähnen, was in diesem Zusammenhang für mich lo­gisch ist und ich Ihnen auch versichern kann: Die Justiz als dritte Säule der Republik wird sich – das ist auch ein großes Anliegen von Bundeskanzler Kurz – niemals außer-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 20

halb der Menschenrechtskonvention, außerhalb der Rechtsstaatlichkeit bewegen, son­dern sie wird Maßnahmen setzen, die notwendig sind, um die Sicherheit der Bevölke­rung im höchstmöglichen Ausmaß zu gewährleisten. Gleichzeitig wird sie aber nicht in Menschenrechte eingreifen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Lassen Sie mich vielleicht mit einem kurzen Zitat enden: Es braucht Jahre, um Ver­trauen aufzubauen, Sekunden, um es zu brechen, und ewig, um es wiederherzustellen.

Wenn wir in diesem Sinne handeln und unser Tun danach ausrichten, glaube ich an eine positive Zukunft in einem gemeinsamen Europa. Ich danke Ihnen. (Allgemeiner Beifall.)

9.46


Präsident Ingo Appé: Ich danke dem Herrn Bundesminister.

Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Minu­ten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile ihm dieses.


9.47.08

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer Europa sagt, der meint Menschenrechte, der meint Menschenwürde, der meint Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sowohl die Demokra­tie als auch die Rechtsstaatlichkeit sind Garanten für Freiheit und Sicherheit. Der Herr Bundesminister hat gerade die Grundfreiheiten der Europäischen Union angesprochen. Die Sicherheit, die sich unsere Bürgerinnen und Bürger aus dem Vollzug der Rechts­staatlichkeit erwarten, ist, glaube ich, uns allen ein Anliegen. Wenn der Herr Bundesmi­nister gerade gesagt hat, dass die Rechtsstaatlichkeit „ein Grundpfeiler für eine funktio­nierende Demokratie und einer der zentralen Werte, auf die sich die Europäische Uni­on gründet“, ist, dann ist das, glaube ich, etwas, was wir alle gemeinsam hier im Hohen Haus – auch im Bundesrat – vollinhaltlich unterstützen.

Ich bin Herrn Bundesminister Moser, aber auch Frau Staatssekretärin Karoline Edt­stadler sehr dankbar dafür, dass sie während der österreichischen Ratspräsidentschaft ein sehr ambitioniertes Programm verfolgt haben, dass sie uns als Parlamentariern aber auch auf europäischer Ebene im Rahmen der Cosac, das ist die parlamentarische Dimension der Ratspräsidentschaften, immer Rede und Antwort gestanden sind und dass insbesondere Herr Bundesminister Moser die Stärkung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt hat. Die Stärkung dieses Raums ist uns allen, glaube ich, ein großes Anliegen.

Was ist damit gemeint? – Damit ist gemeint, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, eine europaweite Erschwerung von Geldwäsche sowie eine effizientere und strengere Sanktionierung des Betrugs mit und der Fälschung von unbaren Zahlungsmitteln – et­was, was jeden Bürger im Einzelnen treffen kann – zu erreichen, gemeint sind aber auch die Verbesserung der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen durch effizien­tere und umfassendere Sicherstellung und Einziehung kriminellen Vermögens und die Ermöglichung des rascheren Zugangs zu elektronischen Beweismitteln im Ausland.

Alles das sind Punkte, die uns alle treffen, die teilweise sehr technisch oder technokra­tisch klingen, aber im täglichen Leben dann sehr konkrete Auswirkungen haben. Das kann im Interesse der Bürger nur gemeinsam vollzogen werden, diese Themenberei­che können nur umgesetzt werden, wenn es – Magnus Brunner hat es mehrfach ange­sprochen gegenseitiges Vertrauen und internationale Zusammenarbeit gibt.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 21

Ich möchte ganz kurz drei Schlaglichter auf Themen richten, die mir wichtig sind. The­ma Nummer eins ist der Mehrjährige Finanzrahmen. Wir haben im EU-Ausschuss jüngst die Möglichkeit gehabt, uns mit EU-Kommissar Oettinger auszutauschen, da sind Initiativen geplant. Auch der Punkt, finanzielle Mittel in die Qualifizierung von Mit­arbeitern im Justizbereich zu investieren, wird meines Erachtens sehr unterstützt.

Thema Nummer zwei ist die Stärkung des Europäischen Wirtschaftsraums. Da gibt es viele Anliegen; auch der Bereich der Digitalisierung ist da ganz wesentlich. Ich ersu­che, insbesondere in Bezug auf Verbandsklagen et cetera nicht einer neuen Klagsin­dustrie das Wort zu reden, da nicht eine neue Industrie aufzubauen, mit der Verfahren verzögert werden und Bürokratie ausgelebt wird, sondern den Schutz des Bürgers in den Mittelpunkt zu stellen.

Thema Nummer drei, das mir persönlich ein ganz besonderes Anliegen ist, hat der Herr Bundesminister in seinen Ausführungen schon angesprochen: Es geht um die Nachbarschaft, um die gute Nachbarschaft, es geht um den Westbalkan. Die Vetting­initiative betreffend Albanien ist da ganz besonders hervorzuheben. Ich glaube, wenn wir wollen, dass die Länder des Westbalkans, insgesamt die Länder der Östlichen Partnerschaft näher an Europa heranrücken, dann ist zu berücksichtigen, dass die Fra­gen der Freiheit, der Demokratie und insbesondere der Rechtsstaatlichkeit den Men­schen in Europa und in diesen Regionen ein ganz wesentliches Anliegen sind.

Danke, Herr Bundesminister Moser, für dein Engagement in diesen Fragestellungen! Es bringt uns in Fragen der Sicherheit ein Stück weiter, und das ist, glaube ich, auch die Aufgabe der Politik in sehr komplexen Fragen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Koller.)

9.51


Präsident Ingo Appé: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.


9.52.07

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bun­desminister! Europa schützt – und Europa schützt seine Bürger und Bürgerinnen auch dadurch, dass es einen gemeinsamen Rechtsraum von geschützten Freiheiten und geschützten Verpflichtungen gibt. Die Grundlage ist damals in Tampere geschaffen worden, und die Weiterentwicklung erfolgte dann durch den Vertrag von Lissabon, des­sen Wichtigkeit ich an diesem Rednerpult – vor allem in unserem alten Haus – dut­zendfach verteidigt habe.

Gerade im EU-Ausschuss haben wir über eine Periode von über zehn Jahren die Kom­petenzverlagerungen vom nationalen Bereich in den europäischen Bereich im Rahmen der Prüfungen von Subsidiarität und Proportionalität sehr intensiv durchgeführt und sind da im weitesten Sinne sehr einheitlich vorgegangen. Es gab immer ein klares Ja des EU-Ausschusses des Bundesrates zu einer Europäischen Staatsanwaltschaft. Wir haben alle Bereiche unterstützt, in denen es darum geht, Erleichterungen zu schaffen, wie zum Beispiel Zeugeneinvernahmen außerhalb des Heimatlandes zu ermöglichen oder die Anwendung der eigenen Sprache zu ermöglichen. Da gibt es zwei Ebenen, und das Tolle ist eben, dass wir das auf zwei Ebenen geschafft haben: Die eine ist die strafrechtliche, über die hier heute schon viel gesprochen wurde, die andere ist die zivilrechtliche. In einem gemeinsamen Europa gibt es zum Beispiel österreichische Erblasser, die sich in Dänemark niedergelassen hatten, und auch das gilt es leichter abzuwickeln und so weiter.

Es wurde die Institution Eurojust geschaffen, und diese Institution – ich glaube, im Au­genblick sind 2 300 Fälle anhängig – ist genau der richtige Rahmen für die Koordina­tion zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten im Bereich der Bekämpfung von Terroris-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 22

mus, Drogenhandel, Menschenhandel, Betrug, Korruption, Computerkriminalität und so weiter. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie Olaf, Frontex, aber auch Cepol ist wichtig.

Europa schützt seine Bürger. Was heißt das im Zivilbereich? – Wenn eine österreichi­sche Firma zum Beispiel einen Exekutionsbefehl gegen eine spanische Firma hat, dann wird dieser auch auf europäischer Ebene vollzogen. Da Europa auch ein gemein­samer Raum von Konsumenten und Konsumentinnen ist, ist es sehr wichtig, dass die­se Rechte auch europäisch gestützt werden. Wichtig ist vor allem – schon angespro­chen worden ist zum Beispiel der Westbalkan –, dass das auch in allen Beitrittskandi­datenverfahren angewendet wird.

Europa schützt die Bürger aber auch noch in einer anderen Weise: nämlich gegen Rechtswillkür populistischer Regierungen. Da gibt es zum Beispiel das Artikel-7-Ver­fahren gegen Polen, das die unabhängige Justiz im Grunde eliminieren wollte, und das Artikel-7-Verfahren gegen ein Land wie Ungarn, das in menschenrechtlichen Fragen, aber auch in Fragen der bürgerlichen Freiheit eine extreme Entwicklung genommen hat. Ein Grundprinzip der Europäischen Union ist, die Grundrechte zu verteidigen, die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, die sogenannten Fundamental Rights zu verteidi­gen. Man kann daher gar nicht genug unterstreichen, wie wichtig dieser Schutz zum Beispiel für die Menschen in Polen und in Ungarn ist, dass die Regierung nicht einfach Richterinnen und Richter, Höchstrichterinnen und Höchstrichter absetzen kann – das ist ein prinzipieller Eingriff in die Gewaltenteilung! Die justizielle Zusammenarbeit hat sich zur dritten Säule in der EU entwickelt, deshalb sei auch jede nationale Regierung davor gewarnt, in die Rechtsstaatlichkeit einzugreifen.

In diesem Sinne, Herr Bundesminister: Nehmen Sie doch bitte die Kompetenz der Ge­setzesentwicklung wieder in das Justizministerium zurück, denn es kann nicht sein, dass ein Innenministerium Gesetzentwürfe vorlegt, die nicht aus der Hand des eigent­lich zuständigen Ministeriums kommen, nämlich des Justizministeriums! Dieses ist für Gesetzesbereinigungen, für Klärungen zuständig und hat die Kompetenz.

Eines kann ich in diesem Sinne auch mit Sicherheit sagen: Einer Sicherungshaft wer­den wir nie zustimmen, denn diese verstößt gegen die Konvention und gegen die Grundrechte in Europa. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic. – Bun­desrätin Mühlwerth: Das sieht der Doskozil aber ein bissl anders!)

9.57


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses.


9.57.57

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist jetzt schon sehr viel gesagt worden, aber das ist normal, wenn man weiter hinten auf der Rednerliste ist. Ich stelle fest, bei gewissen Dingen herrschen eine gewisse Einigkeit und ein gewisser Konsens hier im Bundesrat vor, bei anderen wieder nicht.

Das Vertrauen der Bürger, das ja heute schon sehr oft angesprochen worden ist, ist etwas sehr Wichtiges – der Bürger muss aber auch das Gefühl haben, dass er ver­trauen kann, auch der Justiz, sowohl in Österreich als auch in Europa. Auch wenn To­mandl einmal in einem Buch geschrieben hat, dass Recht nicht unbedingt etwas mit Gerechtigkeit zu tun haben muss, heißt das nicht, dass der Bürger nicht das Gefühl haben möchte, dass es bei der Rechtsprechung doch wenigstens einigermaßen ge­recht zugehen sollte.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 23

Wir lesen, wenn wir die Zeitungen aufschlagen, oft genug Berichte, die uns zeigen, dass zum Beispiel ein Kinderschänder eine niedrigere Strafe bekommt als einer, der ein Wirtschaftsdelikt begangen hat. Das ist aber etwas, das die Bürger zu Recht ver­unsichert und dafür sorgt, dass sie das Justizsystem nicht mehr ganz verstehen. Es ist daher, sehr geehrte Damen und Herren, natürlich schon wichtig, immer wieder darüber zu diskutieren, und davon kann auch die Justiz nicht ausgenommen sein.

Wie mein Kollege Schilchegger schon gesagt hat, neigt die Justiz natürlich dazu, am bewährten System nicht zu viel zu ändern – wie übrigens wir alle, denn wir Menschen sind schon sehr statisch und hätten gerne, dass das, was wir kennen und sich bewährt hat, auch weiterhin so bleibt. Wir können aber nicht stehen bleiben, weil sich die Welt rund um uns auch verändert, und dementsprechend müssen wir natürlich auch diesen Gegebenheiten Rechnung tragen, das heißt, wir müssen in einer sich verändernden Welt auch im Justizsystem nachjustieren; das ist völlig klar.

Wenn wir heute über die EU-Wahlen sprechen und darüber, dass der Bürger zu wenig Vertrauen in die EU hat, dann ist es immer angeraten, auch bei sich selbst einmal den Fehler zu suchen, nicht zu sagen, jemand, der – so wie es die FPÖ immer getan hat – kritisch auf Fehler in der Entwicklung der Europäischen Union hinweist, sei der Schul­dige, sondern sich mit der Kritik auseinanderzusetzen, zu prüfen, was davon stimmt, was vielleicht übertrieben ist, was nicht stimmt. Es muss ein Diskussionsprozess statt­finden, und das gilt auf allen Ebenen und für alle Bereiche.

Natürlich hat sich die Justiz auch dadurch verändert, dass wir 2015 eine völlig unkon­trollierte Zuwanderung gehabt haben, dass Tür und Tor aufgemacht worden sind, dass der spätere Kanzler Kern, damals ÖBB-Chef, mitgeholfen hat, diese Menschen zu transportieren. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Jetzt haben wir Menschen hier, die mit unseren Werten, unserer Kultur in Österreich überhaupt nichts am Hut ha­ben und auch offen sagen – nicht immer 100 Prozent, aber bei allen Befragungen im­mer ein überwiegender Teil –, dass sie mit unseren Werten überhaupt nichts zu tun ha­ben. Auch da muss natürlich die Justiz nach innen und nach außen handeln. Das Si­cherheitsbedürfnis besteht ja sowohl nach innen als auch nach außen, und nach innen bedeutet das: Wir wollen die Straftäter, die bei uns Frauen vergewaltigen, ermorden et cetera, nicht in Österreich haben; wir wollen aber gar nicht erst, dass sie über unsere Grenzen der Europäischen Union beziehungsweise des Schengenraums hereinkom­men.

Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen, betreffend die der Herr Justiz­minister im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft wirklich viele Schritte ge­setzt hat. Einiges davon konnte abgeschlossen werden, andere Themen sind an die künftigen Ratspräsidentschaften – jetzt Rumänien, dann Finnland – übergegangen. Wir hoffen, dass das Ergebnis dann für alle Mitglieder der Europäischen Union, aber vor al­lem auch – wir sagen ja immer: Österreich zuerst – für die Österreicher zufriedenstel­lend sein wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.02


Präsident Ingo Appé: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic. Ich erteile dieses.


10.02.48

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Galerie! „Alle Juristen dieser Re­publik sind in Alarmbereitschaft“ – ich weiß nicht, ob Sie diesen Artikel gelesen haben; so hat vor circa drei Monaten die „Süddeutsche Zeitung“ getitelt. Da ging es in einem Interview darum, wie sich seit Schwarz-Blau, Türkis-Blau die Republik verändert hat. Unter anderem ging es darum, dass die ÖVP auf der einen Seite ihre konservative und


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 24

sehr einseitig wirtschaftsfreundliche Politik umsetzt – Sie wissen es: Lockerung von Umweltauflagen, Kürzung von Sozialleistungen, Stärkung eben nur der Unternehmer; der gestohlene Feiertag wird ja heute noch Thema sein –, während sich die FPÖ auf reine Symbolpolitik beschränkt; auch da kennen Sie die Kritik: von Tempolimit über Rauchen in der Gastronomie bis zu Verschärfungen, wo es nur möglich ist. (Ruf bei der FPÖ: Themenverfehlung!)

Es ging aber auch darum, wie sich eben das Justizwesen in Österreich nicht nur ver­ändert, sondern vor welchen Herausforderungen es steht. Es reicht die Zeit hier nicht, um auf die Vorfälle betreffend Verfassungsschutz und die BVT-Affäre einzugehen, ge­nauso wenig wie auf das permanente Agitieren gegen den Verfassungsgerichtshof in Österreich. Es ging auch um das Vertrauen. Dieses ist ja heute auch Thema, nicht nur auf Europaebene, sondern eben auch, wie ich meine, zwischen ÖVP und FPÖ – gera­de, was das Justizwesen anbelangt. (Bundesrat Steiner: Mach dir keine Sorgen!)

Bleiben wir ganz kurz auf Europaebene: Sie werden ja selbst wissen, dass es – da Sie sich mit Marine Le Pen und Matteo Salvini ganz stark machen – doch Unstimmigkeiten mit der ÖVP-Delegation gibt, die da natürlich klarer gegen die FPÖ auftritt als in Öster­reich. Es gibt dort auch Unstimmigkeiten dahin gehend, wie sich die ÖVP zum Bei­spiel – Stichwort Rechtsstaatlichkeit – einem Herrn Orbán gegenüber positionieren wird; das wird uns im aktuellen EP-Wahlkampf sicher noch stärker beschäftigen.

Was die Justizagenden in Österreich selbst anbelangt, ist zu erwähnen, dass Sie ja durchaus Überlegungen angestellt haben, was da verbessert gehört. Das weiß ich in­sofern zu schätzen, als die von Ihnen aufgegriffenen Themen durchaus von Relevanz sind.

Die Digitalisierungsoffensive wurde angesprochen, dazu nur ganz kurz: Natürlich ist das enorm wichtig, muss aber auch entsprechend budgetiert werden; und da sind wir beim ersten Problem. Wir wissen ja, dass die massiven Einsparungen beim Justizbud­get infolge der letzten Verhandlungen genau den Bereich Digitalisierung getroffen ha­ben, genauso wie die Gerichtspraktika oder auch die Fortbildung. Wir wissen auch über den eklatanten Personalmangel bei den Gerichten Bescheid, wir wissen, dass beim Bundesverwaltungsgericht 40 000 Fälle unbearbeitet sind. – Da bräuchte es wirk­lich nicht nur eine Initiative von Ihnen, sondern auch ganz viel Budget.

Der zweite Bereich, den Sie angehen wollten, von dem ja schon ein Teil – unter Anfüh­rungszeichen – „erledigt“ ist, ist die Verschärfung des Strafrechts. Diesbezüglich möch­te ich schon festhalten, dass Sie sich zwar schon bemühen und da eine Schlüsselrolle einnehmen, aber es erscheint sehr oft so, als wären Sie mit dem Schlüssel im falschen Haus. Es ist ja nicht nur so, dass der Innenminister Sie als Justizminister bei diesen Verschärfungen ein wenig ausgebootet hat, sondern Karoline Edtstadler hat ja nicht einmal auf die Experten und Expertinnen der Taskforce gehört, ganz zu schweigen davon, dass die erst kürzlich erfolgte große Strafrechtsänderung nicht einmal evaluiert worden ist.

Zu einem von Ihnen erwähnten Punkt, Frau Mühlwerth: Wir wissen, dass eine Straf­rechtserweiterung nicht unbedingt zum gewünschten Ziel führt – im Gegenteil: Die Ex­pertInnen warnen davor, dass die betroffenen Frauen in diesem Fall, wenn es um Se­xualdelikte geht, eher davon absehen werden, jemanden anzuzeigen. Meine Redezeit reicht nicht aus, um betreffend dieses Thema auf all das einzugehen, das wichtig wäre. Auch die Sicherungshaft wird uns hier im Bundesrat noch beschäftigen, genauso wie die Kompetenzentflechtung hier noch Thema sein wird.

Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, der mir heute ganz, ganz wichtig ist. Die EU-Ratspräsidentschaft ist angesprochen worden, und auf der anderen Seite stehen wir eben kurz vor dem EP-Wahlkampf: Sie, Herr Bundesminister, haben in einer Pres-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 25

semeldung gemeint, dass für Sie die Initiative Haft in der Heimat oberste Priorität habe, das heißt, dass ausländische Häftlinge ihre Strafen in den jeweiligen Heimatländern absitzen. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass dieses Konzept bereits seit einem EU-Rahmenbeschluss 2008 gültig ist und seitdem einfach nur nicht umgesetzt wurde. Wenn es hier heute um Vertrauen geht, dann muss man sich anschauen, was es denn schon an bestehenden Gesetzen gibt, die einfach nicht umgesetzt worden sind, und was uns hier von Türkis-Blau als Innovation verkauft wird.

Es gäbe, wie gesagt, noch sehr viel anderes zu sagen – ich weiß, die FPÖ freut sich enorm, dass das Lämpchen am Rednerpult leuchtet und ich nicht auf weitere Kritik­punkte eingehen kann. (Bundesrat Krusche: Freuen tun wir uns nicht, erleichtert sind wir!)

Mit einer Bemerkung möchte ich abschließen: Ich finde es ganz, ganz wichtig, dass Sie heute mehrmals betont haben, dass die Demokratie nicht nur davon lebt, dass die Rechtsstaatlichkeit ganz stark ist, dass Ungarn und Polen keine Vorbilder für uns sein dürfen. (Bundesrat Krusche: Redezeit!) Ich appelliere aber gleichzeitig auch an Sie, wohl wissend, dass es seitens des Koalitionspartners massive Angriffe in genau Ihre Richtung beziehungsweise betreffend das Justizwesen gibt: Bleiben Sie unbeugsam, bleiben Sie neutral und unabhängig und stellen Sie sicher, dass sich die Rechtsstaat­lichkeit in Österreich nicht an Orbán und Kaczyński orientiert, damit Österreich nicht in dunkle Zeiten zurückfällt!

Die Angriffe habe ich schon angesprochen: Ihr Koalitionspartner wünscht sich ja be­kanntlich viel stärkere Eingriffe im Justizbereich, und das wird uns natürlich nicht nur im EP-Wahlkampf beschäftigen, sondern auch darüber hinaus. (Zwischenruf des Bundes­rates Steiner.)


Präsident Ingo Appé: Bitte zum Schluss kommen.


Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (fortsetzend): Ich denke, Österreich darf nicht ris­kieren, dass die Europäische Union – das wird später auch noch Thema sein – wie im Fall von Ungarn auch Österreich im negativen Sinne zitiert, Österreich darf keine Ver­urteilungen riskieren.

In diesem Sinne: Bleiben Sie unbeugsam, bleiben Sie besonnen! Ich hoffe, dass wir diese Angriffe gegen die Rechtsstaatlichkeit mit Ihnen gemeinsam abwehren können. – Vielen Dank. (Beifall des Bundesrates Stögmüller.)

10.10


Präsident Ingo Appé: Zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme hat sich nochmals der Herr Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Jus­tiz zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm dieses und darf ihn bitten, die Redezeit von 5 Mi­nuten nach Möglichkeit einzuhalten.


10.11.08

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich noch einmal bedanken, weil gerade aus den Ausführungen hervorgegan­gen ist, dass für uns alle die Rechtsstaatlichkeit eine besondere Bedeutung hat. Gleichzeitig stellen wir auch außer Streit, dass gegenseitiges Vertrauen die Grundlage für gegenseitige Anerkennung ist und damit als Basis für ein Europa als eine Region von Freiheit, Sicherheit und Recht unverzichtbar ist.

Ich darf in diesem Zusammenhang auch darum ersuchen, die Bemühungen, die wir im Rahmen des Ratsvorsitzes gesetzt haben, weiter voranzutreiben, denn es hat sich eben gezeigt, dass diese trotz unterschiedlicher Zugangsweisen zu einem Erfolg füh­ren können. Ich möchte erwähnen, dass es uns trotzdem, obwohl gegen Polen und Un-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 26

garn gerade Artikel-7-Verfahren laufen, gelungen ist, sehr wohl Schritte zu setzen, die gezeigt haben, dass die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit auch in diesen Ländern ein Anliegen ist. Das hat auch dazu geführt, dass alle Länder den Entscheidungen zuge­stimmt haben, die in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Überstellung von Straf­tätern in ihr Heimatland – etwa nach Rumänien oder in andere Länder –, Haft in der Heimat, möglich ist.

Sie haben recht, wenn Sie ausführen, das sei keine Erfindung von mir und keine neue Erfindung, dass man von Haft in der Heimat spricht. Es ist schon lange her, dass man darauf Bezug genommen hat – aber leider wurde Haft in der Heimat nicht gelebt bezie­hungsweise konnte sie aufgrund der rechtsstaatlichen Standards nicht durchgeführt werden. Wir müssen daher einen besonderen Fokus darauf legen, dass Rechtsstaat­lichkeit und gegenseitiges Vertrauen gestärkt werden.

Ein Punkt, der wichtig ist, wenn man versucht, andere zu überzeugen, war auch etwas, das Sie, Herr Bundesrat Schennach, im Zusammenhang mit der Brüssel-IIa-Verord­nung angesprochen haben. Es wurde nämlich schon in den Neunzigerjahren in Tam­pere darauf Bezug genommen, dass es notwendig ist, die Verfahren bei Kindesentfüh­rungen, die mehrere Jahre gedauert haben, zu verkürzen. Das war nicht möglich, weil alle 28 Staaten zustimmen müssen, damit es zu dieser Weiterentwicklung im Zivilrecht kommt. Wir haben es geschafft. Nach langen Verhandlungen, nach schwierigen Ver­handlungen, nachdem ich in ganz Europa herumgereist bin, haben wir es geschafft, jetzt die Brüssel-IIa-Verordnung zu verabschieden. Diese legt fest, dass in Zukunft Ver­fahren im Bereich der Kindesentführung nicht länger als 18 Wochen dauern dürfen und die Vollstreckung nicht länger als sechs Wochen.

Ich glaube, das ist der Weg, den wir brauchen: Wenn wir unseren Bürgerinnen und Bürgern in die Augen sehen wollen, wenn wir unsere Unternehmen stärken wollen, brauchen wir Europa und müssen einen Beitrag dazu leisten. Es freut mich daher auch, dass wir im Rahmen der noch kommenden Debatte, in der es um die Jahresvor­schau geht, ausführen können, warum gerade diese Arbeit, diese Dossiers, die wir an­genommen haben, zu einer Weiterentwicklung und auch zu einer Stärkung Europas führen werden.

Es sind im Rahmen der Debatte auch Themen angesprochen worden, die mein Res­sort in Bezug auf die Innenpolitik betreffen. Sie haben recht – das hat Frau Bundesrätin Mühlwerth angesprochen –, dass auch die Justiz sich den Herausforderungen zu stel­len hat. Die Justiz hat dabei die Aufgabe, Sicherheit zu schaffen und nicht Unsicherheit zu schüren, dementsprechend betreiben wir im Bereich der Justiz auch diese Politik, die vom Bundeskanzler und vom Koalitionspartner voll mitgetragen wird.

Unser Thema ist, Sicherheit zu schaffen und in diese Richtung auch das Recht weiter­zuentwickeln, wenn es notwendig ist. Da ist auch wieder ein Punkt: Sie können sicher sein, dass jede Entwicklung, die stattfinden wird, im Rahmen der Menschenrechte ge­schehen wird – dazu stehe ich –, und eine Abweichung von Menschenrechten oder ei­ne Beeinträchtigung der Menschenrechte kommt für mich und insbesondere auch für den Bundeskanzler nicht in Betracht. Ich glaube, es ist wichtig, das hier auch zu er­wähnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Koller.)

Einige Themen sind noch erwähnt worden, ganz kurz: Digitalisierung, Beschleuni­gungsgebot, Verbandsklage, um nur ein paar zu nennen – diese Themen stehen auf der Tagesordnung. Die Digitalisierung wird vorangetrieben, es soll noch heuer ein vol­ler Zugang zur elektronischen Akteneinsicht, zur Erkundigung über den Verfahrens­stand kommen. Eine interaktive digitale Bürgerplattform ist geplant, und was wir dies­bezüglich auf Europaebene bereits beschlossen haben oder noch vorantreiben könn­ten, werde ich dann später noch ausführen. Beim Beschleunigungsgebot sind wir auch


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 27

dabei, weitere Maßnahmen zu setzen, auch dafür zu sorgen, dass ausreichend Sach­verständige, die auch eine angemessene Bezahlung bekommen, zur Verfügung ste­hen. Betreffend die Verbandsklage wird man in die Richtung gehen müssen, darauf zu achten, dass eben nicht ungerechtfertigte Mehrfachbestrafung stattfindet, sondern dass man den Punkt trifft, Fehlverhalten entsprechend sanktionieren zu können.

Die Sicherungshaft ist angesprochen worden: Wir sind gerade dabei, den Vorschlag, der eine Verfassungsänderung betrifft, auszuarbeiten. Sie können sich dabei sicher sein, dass dieser Vorschlag sowohl mit der EMRK als auch mit der Aufnahmerichtlinie und auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrech­te in vollem Einklang stehen wird. Dafür stehe ich, dafür steht auch Bundeskanzler Kurz, und dementsprechend werden wir das auch umsetzen. – Ich danke Ihnen. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

10.16


Präsident Ingo Appé: Danke, Herr Bundesminister.

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

10.16.05Einlauf und Zuweisungen


Präsident Ingo Appé: Hinsichtlich der eingelangten, vervielfältigten und verteilten An­fragebeantwortungen,

der Schreiben des Burgenländischen Landtages und des Präsidenten des Oberöster­reichischen Landtages betreffend Mandatsverzichte beziehungsweise Wahl von Mit­gliedern und Ersatzmitgliedern des Bundesrates sowie

eines Schreibens des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl am 13. März abends und am 14. März beziehungsweise am 17. März abends und am 18. März in Brüssel

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Ebenso verweise ich hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und de­ren Zuweisungen im Sinne des § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung auf die gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen, die dem Steno­graphischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangt sind:

1. Anfragebeantwortungen:

(Anlage 1) (siehe auch S. 8)

2. Schreiben der Landtage:

Schreiben des Burgenländischen Landtages betreffend Mandatsverzichte bzw. Wahl eines Mitgliedes und Ersatzmitgliedes des Bundesrates (Anlage 2)

und

Schreiben des Präsidenten des Oberösterreichischen Landtages betreffend Mandats­verzichte bzw. Wahl eines Mitgliedes und zweier Ersatzmitglieder des Bundesrates (Anlage 3)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 28

B. Zuweisungen

1. Gesetzesbeschlüsse (Beschlüsse) des Nationalrates:

(siehe Tagesordnung)

2. Vorlagen der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder:

(siehe Tagesordnung) sowie

Bericht des Bundesministers für Finanzen betreffend EU-Jahresvorschau 2019 (III-680-BR/2019 d. B.)

zugewiesen dem Finanzausschuss

*****


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 29

*****


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 30

*****


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 31


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 32

*****

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Ingo Appé: Weiters eingelangt ist ein Schreiben des Verbindungsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt von Frau Bundesministerin für Frau­en, Familie und Jugend Dr. Juliane Bogner-Strauß von 10. bis 14. März 2019 in New York bei gleichzeitiger Beauftragung von Herrn Bundesminister für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser mit ihrer Vertretung.

*****

Eingelangt sind und den zuständigen Ausschüssen zugewiesen wurden jene Beschlüs­se des Nationalrates beziehungsweise jene Berichte, die Gegenstand der heutigen Ta­gesordnung sind.

Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschuss­berichte erstattet.

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Ingo Appé: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlags beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 3 und 4 sowie 10 und 11 jeweils unter einem zu verhandeln.

Erhebt sich dagegen ein Einwand? – Dies ist nicht der Fall.

Fristsetzungsanträge


Präsident Ingo Appé: Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich bekannt, dass Bun­desrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäfts-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 33

ordnung eingebracht hat, wonach dem Ausschuss für Gesundheit zur Berichterstattung über den Gesetzesantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz – SanG), BGBl. I Nr. 30/2002, zuletzt geän­dert mit BGBl. I Nr. 8/2016, geändert wird“, eine Frist bis 11. April 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

Vor Eingang in die Tagesordnung gebe ich weiters bekannt, dass Bundesrat David Stögmüller einen Fristsetzungsantrag gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung einge­bracht hat, wonach dem Ausschuss für Kinderrechte zur Berichterstattung über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 11. April 2019 gesetzt wird.

Den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend werde ich den Fristsetzungs­antrag nach Erledigung der Tagesordnung zur Abstimmung bringen.

10.20.201. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldge­setz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (584/A und 494 d.B. so­wie 10131/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gehen in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersberger. – Ich bitte um den Be­richt.


10.20.49

Berichterstatterin Elisabeth Mattersberger: Hohes Präsidium! Geschätzter Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner. – Bitte.


10.21.49

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen und Gäste auf der Galerie! Wir beschäftigen uns heute also mit drei Gesetzesmaterien: dem Familienlastenausgleichsgesetz, dem Kinderbetreuungsgeldgesetz und dem Fa­milienzeitbonusgesetz. Was steckt hinter diesen drei Themen? – Zum einen, und da­rauf möchte ich mein Hauptaugenmerk legen, geht es um Krisenpflegeeltern und die Krisenpflege von Kindern. Dazu muss man sagen, dass Krisenpflegeeltern eine sehr spezielle Gruppe von Eltern sind: Sie kommen nämlich dann zum Einsatz und über­nehmen Betreuung, Pflege und Erziehung von Kindern, wenn die Herkunftsfamilie – aus welchen Gründen auch immer, da möchte ich überhaupt nicht urteilen oder wer­ten – ausfällt, also wenn es eine Krise gibt.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 34

Das ist dramatisch, besonders für die betroffenen Kinder. Man muss sich das einfach einmal kurz vorstellen: Zu Hause passiert etwas – ob das Gewalt oder Verwahrlosung ist oder ob ein Elternteil erkrankt –, und plötzlich kommt man in eine ganz neue Fami­lie. Dann ist sehr unklar, ob man wieder in die Herkunftsfamilie zurückkann, und vor al­lem auch, wann dieser Zeitpunkt sein wird und ob man dann dauerhaft wieder in die ei­gene Familie kommt oder nur vorübergehend.

Das sind schon unvorstellbare Ereignisse, die so ein Kind da durchmacht; doch zum Glück gibt es Menschen, die es zu ihrer Berufung und damit auch zu ihrem Job ge­macht haben, genau diese Kinder aufzufangen. Auch sie wissen zu Beginn, wenn sie dieses Kind übernehmen, meistens nicht, wie lange dieses Kind bei ihnen zu Hause sein wird – aber egal, sie kümmern sich um das Kind und geben diesem Stabilität und Sicherheit, und das ist etwas wirklich Großartiges.

Ich durfte vorgestern, am Dienstagabend, ein langes Telefonat mit einem Krisenpflege­papa führen – er ist einer der wenigen Krisenpflegepapas, wie er mir gesagt hat, Män­ner sind da anscheinend etwas sehr Rares –, und sein Engagement und seine Be­schreibung haben mich sehr, sehr berührt. Er hat geschildert, dass die größte Heraus­forderung gar nicht der Umgang mit den Kindern selbst ist. Das muss man sich einmal vorstellen: Diese Kinder bringen natürlich alle einen Rucksack an Erfahrungen und Er­lebnissen mit, aber er sagt, das ist noch das Allerwenigste. Die wesentlich größeren Herausforderungen sind zum Beispiel die leiblichen Eltern dieser Kinder, die natürlich die neuen Eltern, die vorübergehenden Eltern, die Krisenpflegeeltern, als Konkurrenz und als neue Bezugspersonen sehen. Da sind natürlich Emotionen im Spiel, die schwer aus­zuhalten sind.

Er sagt aber auch: Was noch schwierig ist, ist oft das Umfeld, sind die Blicke der Men­schen im Ort oder dort, wo sie auf Ausflug hinfahren, wenn eine Familie mit Kindern unterschiedlichster Hautfarbe auftaucht, vielleicht auch ein behindertes Kind dabeihat. Er erzählt, wie oft man da angegafft wird und auch Sprüche hören muss, die schwer auszuhalten sind.

Eine dritte Herausforderung, sagt er, sind durchaus die Strukturen und die Rahmenbe­dingungen für diese Familie. Das sind die Behördenkontakte und die Bürokratie, die dahintersteckt, aber oft auch unsichere Situationen und Personen in der Kinder- und Jugendhilfe, die oft nicht erreicht werden können. Man fühlt sich also alleingelassen.

Auch die finanzielle Absicherung ist durchaus ein großes Thema, sagt dieser Krisen­pflegepapa. Er ist auch noch Handwerker, nämlich Tischler, und er sagt, er macht die­sen Job bewusst noch zusätzlich nebenbei, um sich finanziell sozusagen absichern zu können. Das finde ich in gewisser Weise schon verrückt, dass er zusätzlich arbeiten muss, damit er sich diesen Job als Krisenpflegepapa leisten kann.

Diese Krisenpflegeeltern sind ja ab dem Tag eins, aber der Stunde eins im Einsatz und müssen Aufwendungen für diese Kinder erbringen. Die Kinder kommen oft, wie er sagt, nur mit dem, was sie am Leibe haben, weil sie oft aus der Einrichtung abgeholt wer­den, also muss man sie mit allem ausstatten. Die Krisenpflegeeltern wissen ja nicht, wie lange dieses Kind bleibt, also muss man eine gewisse Grundausstattung an­schaffen. Man möchte ja auch, dass für diese Kinder möglichst schnell wieder klare Verhältnisse geschaffen werden – das wollen sie und das will auch die Jugendhilfe, aber trotzdem ist das nicht immer so leicht. Alle wollen, dass das Kind möglichst schnell wieder von der Krisenpflegefamilie in stabile Verhältnisse kommt, und trotzdem wird die Krisenpflegefamilie dafür bestraft, wenn das schnell gelingt. Das ist eigentlich ein Dilemma, weil das eine doch spezielle Situation ist.

Es liegt für mich einfach auf der Hand, dass diese Familien sehr, sehr besonders sind und mit anderen Familien nicht gleichgesetzt werden können. Da ist jetzt immer die Ar-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 35

gumentation, man müsste Gleichheit zwischen den Familien herstellen und keine Fa­milienform bevorzugen, aber das ist nun einmal eine sehr spezielle Situation. Es braucht deshalb, finde ich, da auch rechtliche Ansprüche und eine gute Ausstattung für diese Familien, sonst geht sich das nicht aus. Wir als SPÖ fordern daher, dass es die­ses Kinderbetreuungsgeld ab dem Tag eins geben muss. Eine neue Regelung ist not­wendig, denn diese Krisenpflegeeltern brauchen und verdienen das. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Ess.)

Eine Nebenbemerkung des Krisenpflegepapas war noch: Er hat derzeit ausnahmswei­se ein Krisenpflegekind mit einer Behinderung, mit Downsyndrom, und er sagt, für die­ses Kind bekommt er zum Beispiel keine erhöhten Aufwendungen, die eigentlich nor­mal wären. Das erstaunt ihn einfach, weil er sich fragt, warum ihm das nicht zusteht.

Jetzt denke ich mir: Ganz ehrlich, um wie viel Geld kann es da insgesamt gehen? – Wir haben im Ausschuss gehört, dass es im Ministerium keine genauen Statistiken darüber gibt, aber es geht österreichweit größenordnungsmäßig um 200 Krisenpflegefamilien. Diese fair zu entlohnen, denke ich mir, kostet hochgerechnet wirklich nicht die Welt: ein paar Inserate weniger, vielleicht einen Generalsekretär eingespart, und man könnte dieses Geld in die Kinder investieren. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: So wie das der Faymann gemacht hat oder wie?)

Die Frau Ministerin hat ja auch mehrfach versprochen, dass die Krisenpflegeeltern Kin­derbetreuungsgeld bekommen würden. Darauf haben diese Krisenpflegeeltern gebaut, und dieses Versprechen wurde nicht gehalten. Noch dazu gibt es seit dem Sommer, seit diese Gesetzwerdung in Vorbereitung ist, für diese Familien gar kein Kinderbetreu­ungsgeld, auch wenn es sich um mehr als 91 Tage handelt. Das ist wirklich existenz­bedrohend für diese Familien, und ich finde, das ist eine Geringschätzung.

Dieser Krisenpflegepapa hat mir noch gesagt, was ein Idealfall wäre: wenn es eine ordentliche Anstellung für diese Krisenpflegeeltern gäbe, wie es zum Beispiel in Wien der Fall ist. Das würde einfach vieles entspannen, und das würde er sich wünschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt ist dieses Thema aus meiner Sicht ein Puzzleteil von etwas, das System hat und mich mittlerweile wirklich aufregt: Seit diese Regierung im Amt ist, wird immer bei jenen Kindern eingespart und wird für jene Kinder kein Geld hergegeben, die es am aller­schwierigsten im Leben haben. Die gestern verkündete Änderung der Mindestsiche­rung ist schon wieder eine Bestätigung dafür; diese trifft arme Kinder besonders hart. Nachhilfeprojekte, die benötigt werden, werden eingespart, Mädchenberatungsstellen werden eingespart und auch der Familienbonus ist für genau diese Familien nicht ge­dacht, denn genau diese armen Familien profitieren von dieser Regelung nicht. Da fra­ge ich mich: Warum möchte man diesen Kindern keine ordentliche Ausstattung, keine ordentlichen Lebensumstände ermöglichen? Was hat man gegen diese Kinder? (Vize­präsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Ich kann das einfach nicht nachvollziehen, und darum bleibe ich dabei: Wir, die SPÖ, fordern das Kinderbetreuungsgeld für Krisenpflegeeltern ab dem ersten Tag, wir for­dern da eine neue Lösung.

Das Lämpchen am Rednerpult leuchtet schon – den Papamonat wird hoffentlich einer meiner Kollegen ein bisschen später ansprechen. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 36

10.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck. Ich er­teile es ihr.


10.31.20

Bundesrätin Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehr­ter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich wohne in einer Gegend, in der ganz viele junge Familien leben. Da wird gespielt, da wird gelacht, da kommen Verwandte zu Be­such, und manchmal wird auch ein bisschen gestritten. Kurz gesagt ist aber, glaube ich, genau das spürbar und täglich erlebbar, was die allermeisten von uns als ihr urei­genes Familienbild vorgelebt bekommen haben beziehungsweise auch selbst leben und aktiv weitertragen.

Dann gibt es aber mitten in diesem Wohngebiet, gar nicht weit von mir daheim entfernt, eine Einrichtung für Menschen, bei denen genau dieses Familienbild komplett aus den Fugen geraten ist. Dort werden Kinder betreut, die eine akute Krisensituation durchle­ben, die auf professionelle Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Diese Einrichtung ist Teil des Sozialpädagogischen Betreuungszentrums Hinterbrühl, sie wurde ziemlich auf den Tag genau vor zehn Jahren eröffnet und trägt den Namen: die Brücke. Ein passender Name, denn sie tut genau das: Sie baut Brücken – Brücken zu jungen Men­schen, die ein für uns unfassbares Schicksal tragen, Brücken, um Kindern wieder ein Stückchen Stabilität und Geborgenheit zu geben, und Brücken zwischen der hochqua­litativen, liebevollen Betreuung der Kinder auf der einen Seite und der Einbeziehung ih­rer Eltern.

Ich denke, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort leisten wirklich täglich Großartiges. Wir in Niederösterreich und in ganz Österreich können uns glücklich schätzen, dass es Einrichtungen wie die Brücke in der stationären Kinder- und Jugendhilfe gibt, und dafür möchte ich herzlich Danke sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei BundesrätInnen der SPÖ.)

Im ambulanten und mobilen Bereich sind es die Krisenpflegeeltern, die oft eine Rolle als solche Brückenbauer in Notsituationen einnehmen. Auch sie bewältigen Unvorstell­bares, sie leisten einen wesentlichen und wertvollen Beitrag für die Kinder, für ihre El­tern und für die gesamte Gesellschaft, und auch ihnen möchte ich im Namen meiner Fraktion heute ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt möchte ich zu den Fakten kommen und zu dem, was wir heute beschließen möchten oder, besser gesagt, was wir reparieren wollen, denn um nichts anderes geht es: Wir reparieren die Ungleichbehandlung von Krisenpflegeeltern und schaffen Gleich­heit – Gleichheit von Krisenpflegeeltern, Pflegeeltern und Eltern. Notwendig geworden ist diese Reparatur nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der festge­stellt hat, dass Krisenpflegepersonen keine Eltern im Sinne des § 184 ABGB sind. Die­ses Urteil musste umgesetzt werden, und damit hatten Krisenpflegepersonen plötzlich von einem Tag auf den anderen keinen Anspruch mehr auf Kinderbetreuungsgeld.

Mit dem heute anstehenden Beschluss reparieren wir das. Wir stellen den Zustand von vor dem Urteil wieder her, und jene Krisenpflegepersonen, die vor dem Urteil Kinderbe­treuungsgeld bekommen haben, werden das auch in Zukunft wieder bekommen. Sie werden es rückwirkend bis zu jenem Datum bekommen, an dem die Zahlungen einge­stellt wurden. Wir bauen damit ebenfalls eine Brücke, wir schließen eine Lücke, wenn ich so sagen darf.

Zur Schaffung von Gleichheit: Die Krisenpflegeltern auch per Definition als Eltern in das Gesetz aufzunehmen bedeutet in weiterer Konsequenz nun auch, Gleichheit zu schaf­fen in Bezug auf das, was auch für leibliche Eltern gilt. Leibliche Eltern haben ab 91 Ta­gen Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld, und das gilt in dieser Form zukünftig auch für Krisenpflegeeltern. Was das in der Praxis für die Treffsicherheit des Kinderbe­treuungsgeldes bedeutet, werden wir genau beobachten – das wird ja evaluiert, das


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 37

hat auch der Familienausschuss des Nationalrates bereits so fixiert. Neben dem An­spruch auf Kinderbetreuungsgeld stellen wir mit dieser Änderung heute auch den An­spruch auf Familienbeihilfe für Krisenpflegekinder wieder sicher.

Ich möchte mich an dieser Stelle daher sehr herzlich bei unserer Familienministerin Ju­liane Bogner-Strauß und bei unserer Bundesregierung für die Brücken, die sie bauen, für das Schließen von Lücken bedanken. Wir beschließen eine Gesetzesreparatur, aber darüber hinaus schaffen wir auch Rechtssicherheit, und wir stellen die Arbeit der Krisenpflegeeltern auf finanziell und gesetzlich sichere, solide Beine. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Das stimmt nicht!)

Wir haben von Kollegin Gruber-Pruner viele Vorschläge gehört, dazu möchte ich an dieser Stelle eines klar festhalten: Das Krisenpflegewesen liegt in der Kompetenz der Länder. Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe sind da nur ein kleiner Teil, und da sind wir alle gefordert, weitere Schritte zu setzen – gerade wir als Bundesrat, als die Länderkammer.

In diesem Sinne möchte ich noch einmal um breite Zustimmung bitten (Bundesrätin Grimling: Das werden wir sicher nicht!) und alle herzlich einladen, gemeinsam Brü­cken zu bauen. Ich glaube, in der Familienpolitik braucht es uns alle, um allen Kindern eine Chance zu geben und Familien in Österreich weiter zu stärken. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.36


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm.


10.37.09

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin überrascht, dass von der FPÖ zu ei­nem solch wichtigen Thema niemand spricht. (Bundesrat Steiner: Sicher! Musst halt schauen! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ. – Bundesrätin Ecker: Ich weiß schon, dass ich nicht deine Lieblingskollegin bin ...!) – Ach so, Entschuldigung, da habe ich jetzt nicht geschaut – Entschuldigung! Nein, Pardon – okay, dann gehen wir wieder zu­rück zum Thema.

Wir haben heute hier eine Gesetzesänderung, bei der es über ein halbes Jahr gedau­ert hat, dass wir diese besprechen. Manche Gesetzesvorlagen werden durch das Par­lament gepeitscht, da kommt man gar nicht mehr zum Hineinlesen – heute steht oh­nehin noch eine solche auf der Tagesordnung, da kommt am nächsten Tag schon der Gesetzentwurf daher –, und bei dieser Gesetzesinitiative hat es über ein halbes Jahr gedauert, bis überhaupt einmal ein Antrag vorliegt und eine Lösung vorgeschlagen wird – wobei: „Lösung“ unter Anführungszeichen – und auch da wieder in Form eines Entschließungsantrags ohne Begutachtung. Das ist schon ein Kritikpunkt: Als Verfas­sungsminister müssten Sie das wirklich ernst nehmen, dass Gesetze einer ordentli­chen Begutachtung und einer Durchsicht bedürfen!

Unserer Meinung nach, aus Sicht der Grünen, hat diese Regierung eine riesengroße Chance für die Krisenpflegeeltern vertan. Sie hat eine Chance gehabt, das Gesetz wur­de aufgemacht, es gab eine Verbesserungsmöglichkeit, und diese Chance, hier wirk­lich Verbesserungen für diese zu ermöglichen, wurde vertan.

Die Krisenpflegeeltern – ich glaube, das ist unbestreitbar, und das ist eines der weni­gen Male, dass es hier einen riesengroßen Konsens gibt – leisten einen unglaublich wichtigen Dienst für die Kinder und für die Menschen in Österreich. Ich möchte daher all jenen Eltern Danke sagen, die diese Aufgabe übernehmen.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 38

Es ist nicht selbstverständlich, dass man sich bereit erklärt, zu jeder Tageszeit, zu je­der Uhrzeit auf Abruf zur Verfügung zu stehen, und wenn die Behörde plötzlich anruft und sagt: Da gibt es ein Kind!, man dieses übernimmt und sich darum kümmert. Da muss man wirklich einmal Danke sagen: vielen Dank an all die Menschen da draußen, die sich entschieden haben, diese Aufgabe zu übernehmen! (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätinnen Dziedzic und Ecker.)

Das ist ein 24/7-Job mit ständiger Bereitschaft, und jetzt hätte, wie gesagt, die Bundes­regierung die Chance gehabt, da wesentliche Verbesserungen für diese engagierten Menschen zu ermöglichen – aber nein, man entscheidet sich dafür, das Gesetz eigent­lich nur zu flicken, das zu beheben, den vorherigen Zustand wiederherzustellen, aber nicht zu verbessern.

Das wäre aber das, was wir uns eigentlich erwartet hatten, das aber halt so nicht ge­kommen ist. Die Regierung ist nicht selbst draufgekommen, dass da eine Verbesse­rung oder eine Korrektur notwendig ist. Stattdessen sind die Familien selbst vor Gericht gegangen und haben es eingeklagt, erstritten. Sie sind vor Gericht gezogen, haben Gerichtskosten auf sich nehmen müssen, um die Bundesregierung wachzurütteln und aufzuzeigen, dass da ein Missstand besteht – ich denke, diese Mühe haben sich die Kriseneltern eigentlich nicht verdient.

Prinzipiell ist anzumerken, das möchte ich auch noch sagen, dass das Gehalt der Kri­senpflegeeltern unserer Meinung nach einfach definitiv zu gering ist, da braucht es auch Nachbesserungen. Der Punkt ist, die Regierung hätte da die Möglichkeit gehabt, nachzubessern, was diese drei Monate Wartefrist betrifft, bis endlich das Kinderbetreu­ungsgeld ausbezahlt wird. (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, eigentlich nicht!) – Doch, hätte sie schon, liebe Frau Kollegin Mühlwerth, hätte sie schon, da hätte sie die Mög­lichkeit gehabt, aktiv zu werden!

Frau Bogner-Strauß hat das selbst noch im Radio gesagt, sie wolle, dass die Krisen­pflegeeltern von Anfang an das Kinderbetreuungsgeld bekommen – es ist etwas kom­plett anderes gekommen, es ist etwas anderes beschlossen worden, und das ärgert uns massiv.

Unserer Meinung nach müssten Krisenpflegeeltern ab der ersten Stunde Kinderbetreu­ungsgeld bekommen, denn das hätten sie sich verdient. Im Schnitt bleiben die Kinder nämlich sechs bis acht Wochen bei den Krisenpflegeeltern in Pflege, das heißt, für sechs bis acht Wochen bekommen diese nur das Gehalt, aber kein Kinderbetreuungs­geld. Das ist genau der Punkt, an dem es hapert, und da würden wir uns von der Re­gierung auch ein bisschen Sensibilität wünschen, um genau diese Eltern zu unter­stützen.

Wie gesagt, wir werden heute nicht für diese Gesetzesänderung stimmen und diese auch nicht unterstützen, denn für uns ist das definitiv zu wenig. (Bundesrat Krusche: Das macht uns aber traurig!)

Es handelt sich um eine vertane Chance, denn die Eltern mussten die Verbesserung selbst einklagen, und jetzt auf einmal meint die Regierung, sie hätte da etwas Gutes gemacht. Das ist es definitiv nicht! – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätin Dziedzic.)

10.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. Ich erteile es ihr.


10.42.25

Bundesrätin Rosa Ecker, MBA (FPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister, heute als Vertretung! Sehr geschätzte Damen und Herren


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 39

hier und zu Hause! Es ist schwierig, meine Damen und Herren Kollegen, wenn man nach euch sprechen muss, denn ich glaube – ohne dass ich besonders stolz darauf bin –, ich bin wirklich die Einzige im Saal, die weiß, worüber wir da sprechen – das ist eine Tatsache. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Ich halte mich jetzt aber einmal an mein Manuskript, denn das ist ein sehr emotionales Thema. Ich werde mich aber trotzdem bemühen, Krisenpflegeeltern nicht dazu zu missbrauchen, irgendwie politische Wellen zu erzeugen, wie das gemacht wurde.

Es gibt Fremde, es gibt Freunde, es gibt Familie. Es gibt Fremde, die zu Freunden werden und zur Familie werden: Krisenpflegeeltern, Pflegeeltern. Wir brauchen sie für die Schwächsten in unserer Gesellschaft, wir haben es schon gehört, für Kinder, die in ein schwieriges Umfeld hineingeboren werden, die dort leben, bis sie wieder heraus­kommen. In diesen Fällen greift die Kinder- und Jugendhilfe ein und gibt Hilfestellung für die Kinder. Eines möchte ich betonen, weil die Kinder- und Jugendhilfe oft den Schwarzen Peter zugeschoben bekommt: Die Kinder- und Jugendhilfe leistet sehr viel Unterstützung, sie wirkt oft sehr positiv auf Familien ein und hilft, leider gelingt das nicht in allen Fällen.

Dann übernehmen zu 98 Prozent Krisenpflegeeltern diese minderjährigen Kinder: für Tage, für Wochen, für Monate, für Jahre. Ich hatte Krisenpflegekinder, die eineinhalb Jahre, ein anderes zwei Jahre bei uns in der Familie waren – ich kenne sehr, sehr we­nige Krisenpflegeeltern, die nur kurzfristig Kinder hatten.

Meine kürzesten Zeiten waren eine Woche beziehungsweise zwei Monate, alles ande­re war länger als vier Monate. Es wäre schön, wenn es anders möglich wäre, es ist aber oft nicht möglich. Es ist oft nicht möglich, weil das Kind etwas anderes braucht, weil eine große Beeinträchtigung vorliegt, weil man sonst keine Pflegeeltern findet, bis die Situation für das Kind ganz abgeklärt und Rückstände aufgeholt sind. Es ist oft nicht möglich, weil Gerichtsverfahren so lange dauern, denn natürlich wollen die leibli­chen Eltern ihre Kinder zurück und erhalten dabei auch sehr viel Unterstützung, was Krisenpflegeeltern und Pflegeeltern oft gar nicht verstehen können.

Wie kommt es zu solchen Situationen? – Eben genau deswegen, weil es Eltern gibt, die nicht erziehungsfähig sind. Das ist keine Unterstellung, das wird wirklich attestiert. Es gibt Mütter und Väter, die in der heutigen Zeit keine Personen haben, die sich um ihre Kinder kümmern können, wenn sie längere Zeit im Krankenhaus sind oder etwas anderes passiert, und, das darf ich hier auch einmal festhalten, es gibt Väter und Müt­ter, die einfach kein Interesse daran haben, ihre Kinder selbst zu versorgen und sie tat­sächlich freiwillig abgeben. Das heißt, die behalten sich oft das Sorgerecht, geben aber die Pflege und Erziehung an das Jugendamt ab. Das ist dann in der Situation, schnell handeln zu müssen und die Kinder wo unterzubringen – auch das gibt es. Es gibt auch Familienverhältnisse, die eine Gefahr für die Kinder darstellen; da sind uns viele Bei­spiele aus den Medien bekannt.

Wie gesagt, meine Familie und ich haben das einige Jahre gemacht, bis zum Anfang meiner Bundesratstätigkeit und noch einige Monate darüber hinaus. Wir haben immer wieder festgestellt, wir sind eine Familie zum Ausleihen: Man muss den Kindern – und seien sie noch so klein – beim Wickeln erklären, warum sie jetzt da sind, wie lange sie da sind, wozu das gut ist und was nachher sein kann. Man muss ihnen erklären, sie könnten vielleicht wieder zurück zur leiblichen Familie, sie kommen vielleicht zu Pflege­eltern; größere Kinder kommen oft auch in eine Einrichtung.

Krisenpflegeeltern stellen sich mit ihrer ganzen Fürsorglichkeit, mit ihrer Liebe, mit ihrer gesamten Familie – denn sonst geht das nämlich nicht! – und mit dem ganzen Zuhau­se zur Verfügung. So sind Eltern eben, und darum verstehen Krisenpflegeeltern nicht, warum irgendjemand, und sei es ein noch so hohes Gericht, auf die Idee gekommen


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 40

ist, zu sagen, sie wären keine Eltern. Sie haben sich entschieden, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche da zu sein und das zu machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP so­wie des Bundesrates Koller.)

Krisenpflegeeltern bemühen sich, dieses Pflegeverhältnis und den Übergang in das nächste Betreuungsverhältnis gut zu gestalten, und das ist eine enorme Leistung! Wenn ein Kind zwei Jahre bei einer Familie ist und dann vielleicht im Alter von vier Jahren von der Krisenpflege zu Pflegeeltern wechseln muss, steigt es ins Auto ein, nicht freiwillig, es winkt tieftraurig, weil es weg muss – aber voll gestärkt und mutig, dass es das schafft. Das ist dann ein gutes Gefühl für Krisenpflegeeltern, ein gutes Ge­fühl für die Pflegeeltern, wenn es zu diesen kommt, und das ist das, warum Krisenpfle­geeltern so wichtig sind: Sie geben den Kindern ein Lächeln, sie geben ihnen Hoff­nung, sie geben ihnen wieder Vertrauen in Menschen und sie geben ihnen Mut. (Beifall bei FPÖ, ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Eines kann ich mit Fug und Recht behaupten: Krisenkinder hinterlassen mit ihren klei­nen Füßen große Spuren in unseren Herzen. Ich hatte, glaube ich, nur zwei Krisenkin­der, die zu den leiblichen Eltern zurückgekommen sind – das ist bei ihnen gut so, darü­ber habe ich mich auch gefreut. Wir haben aber zu allen anderen Kindern Kontakt, denn wir sind ein Stück ihrer Biografie und nicht nur für die Gesellschaft wichtig. (Bun­desrätin Schumann: Ja! Super!)

Warum muss man das immer wieder betonen? Jede Woche, wenn ich erzähle, was ich tue, mache ich die Erfahrung, dass die Leute draußen das oft gar nicht mitbekommen. Das sind so kleine Inseln in den Dörfern, das ist ein Thema, das immer noch tabuisiert ist. Wenn man dann Menschen erklärt, was das bedeutet, sagen sie: Super, dass ihr das macht – aber ich könnte mir das nicht vorstellen! Wie geht denn das eigentlich wirklich? Schafft man das so leicht? Was sagen da die Kinder dazu? Was sagt die Um­gebung dazu? Das hat Daniela Gruber-Pruner schon ausgeführt. Es ist wichtig, dass man darüber spricht.

Zum Thema Kinderbetreuungsgeld: Ja, es ist schlimm, dass das ab Juli nicht mehr ausbezahlt wurde. Ich unterscheide da aber immer, denn es gibt auch eine Ungleich­behandlung zwischen den Krisenpflegeeltern, nämlich zwischen den Krisenpflegeel­tern, die ein Kind übernehmen, das Kinderbetreuungsgeldanspruch hat und länger als 91 Tage bleibt – aber ich sage es euch jetzt, wie es ist –, und den vielen Krisenpflege­eltern, die ein 1,3-jähriges Kind übernehmen und es besteht gar kein Anspruch auf Kin­derbetreuungsgeld mehr. Es gibt Kinder bei uns, die gar keine Geburtsurkunde ha­ben – da gibt es auch kein Kinderbetreuungsgeld. Es gibt Kinder bei uns, die haben keinen Familienbeihilfenanspruch – da gibt es auch kein Kinderbetreuungsgeld. (Ruf bei der SPÖ: Irgendwie passt das jetzt nicht zusammen, oder?) – Nein, das sind zwei verschiedene Sachen, und wir reden heute hier vom Kinderbetreuungsgeld!

Ich schließe mich Daniela Gruber-Pruner an: In Oberösterreich werden Krisenpflegeel­tern bei Plan B angestellt – da bin ich auch angestellt, aber als Pflegemutter –, und da kriegt man für ein - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich glaube, es macht im Interesse der Kinder Sinn, wenn Sie zuhören! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da gibt es in Oberösterreich eine Viertelanstellung für ein Kind. Das heißt, man muss vier Krisenpflegekinder gleichzeitig betreuen, was meiner Meinung nach fast unmöglich ist, wenn das nicht eine Geschwisterangelegenheit ist. 2018 hat man dafür 464 Euro netto bekommen. – Das ist eigentlich das Problem, dass Krisenpflegeeltern und Pfle­geeltern arbeitsrechtlich und sozialrechtlich ordentlich abgesichert werden müssten! (Bundesrat Weber: Tut es doch!)

Ich wehre mich schon dagegen, wenn die SPÖ-Fraktion – ich wollte das gar nicht an­sprechen, weil das für mich einfach nicht fair ist – jetzt sagt: Daran ist die jetzige Regie­rung schuld. Das OHG-Urteil ist nämlich nicht voriges Jahr gefällt worden, sondern das


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 41

OHG-Urteil ist in der Zeit eurer eigenen Regierungsbeteiligung gefällt worden! (Zwi­schenruf der Bundesrätin Gruber-Pruner.) Ihr hättet auch anleiern können, dass das geändert wird! (Bundesrätin Mühlwerth: Vor allem reparieren!) – Das ist das Erste.

Das Zweite: Wenn man glaubt, man braucht eine bundesweite Anstellung, dann sage ich: Ich wäre immer dafür gewesen. Das hätte man auch machen können. Jetzt ist es so weit, dass die Länder in Verantwortung sind. (Bundesrat Weber: Sind Sie in Ober­österreich dabei? Ich glaube schon!) Oberösterreich und Wien haben ein gutes Sys­tem. Es gibt eine Anstellung, aber natürlich mit sehr viel Luft nach oben, denn von 464 Euro netto kann man, wie gesagt, nicht leben. Das ist existenzbedrohend. Das ist eine Mindestpension für die, die genau das auffangen, was unsere Gesellschaft nicht leisten kann! (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

Diese Gesetzesänderung, die wir heute beschließen, stellt auf jeden Fall einmal den Status quo her, der vorher bestand. Ich denke mir, dass jetzt alle ambitioniert sind und man – wie die Familienministerin auch im Nationalratsausschuss gesagt hat – versu­chen wird, bei der nächsten Evaluierung beim Kinderbetreuungsgeld diese 91 Tage wegzubekommen. Das hilft aber, wie gesagt, nur den Krisenpflegeeltern, die Kinderbe­treuungsgeld bekommen; die anderen haben genauso wenig. – Das ist das, was mich in diesem Fall einfach emotional aufrührt.

Die Bundesregierung hat jetzt eine Lösung für das gefunden, was in der letzten Regie­rungsperiode nicht abgearbeitet wurde. Es hat lange genug gedauert!

Zum Thema Familienzeitbonus: Man kann aus einer Mücke einen Elefanten machen! Ich hatte einige Kinder, die Asthmaprobleme hatten, ich hatte ein Mädchen mit Down­syndrom, und ich war jede Woche, als die Kinder im Krankenhaus waren, mit ihnen auch 24 Stunden am Tag im Krankenhaus. Das tun fast alle Krisenpflegeeltern. – Man kann also, wie gesagt, im Zusammenhang mit dem Thema Familienzeitbonus aus ei­ner Mücke einen Elefanten machen.

Ich bedanke mich bei allen Kollegen, die Pflegeeltern sind, weil alles, was heute be­sprochen wurde, eins zu eins auch die Pflegeeltern betrifft. Ich danke den Krisenpfle­geeltern für ihre Geduld und für ihr Engagement. Sie sind, wie ich gesagt habe, in der Biografie dieser Kinder unverzichtbar, und sie sind für unsere Gesellschaft unverzicht­bar. (Bundesrätin Schumann: Ja, das stimmt!) Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.52


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Hubert Koller. Ich erteile es ihm.


10.52.57

Bundesrat Hubert Koller, MA (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Lie­ber Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuhörer hier im Saal und zu Hause via Livestream! Frau Kollegin Ecker, es ist natürlich toll, wenn wir unter den Bundesrätinnen und Bundesräten Leute haben, die in der Ma­terie so fest drinnen sind, das und auch die Aussagen hier sind sehr wertvoll für uns, aber schlussendlich reden Sie beziehungsweise redest du auch zu anderen Themen, obwohl du nicht gerade beruflich damit zu tun gehabt hast. Deshalb steht es auch uns zu, uns zu Themen, auch wenn wir nicht selbst damit arbeiten, zu Wort zu melden. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrä­tin Ecker: Eh klar!)

Frau Mag. Zeidler-Beck! Sie wollen Brücken bauen. Das ist sehr schön. Bauen Sie Brücken zu Krisenpflegeeltern, welche die Kinder weniger als 91 Tage betreuen, und geben Sie denen das Kinderbetreuungsgeld! Sie können das auch Überbrückungsgeld nennen, wichtig ist aber, dass sie es bekommen. (Beifall bei der SPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 42

Wir haben heute gehört, dass die vorgelegte Lösung festlegt, dass Krisenpflegeeltern, die Kinder weniger als 91 Tage betreuen, künftig kein Kinderbetreuungsgeld erhalten. Dadurch können sich die meisten Krisenpflegeeltern diese verantwortungsvolle und aufwendige Tätigkeit eben schwerer leisten. Das ist für die SPÖ-Fraktion unverständ­lich! Sie haben ausgeführt, dass das auch zutrifft, wenn die Kinder keine Geburtsur­kunde haben. – Wenn die Krisenpflegeeltern allerdings ab dem ersten Tag das Geld erhalten, dann ist es wurscht, ob die Kinder eine Geburtsurkunde haben oder nicht!

Es ist für die SPÖ-Fraktion unverständlich, dass an Krisenpflegeeltern, die bereit sind, sich für die Krisenbetreuung speziell auszubilden und spezielle Umstände in Kauf zu nehmen, um bei familiären Notfällen rasch und zuverlässig helfen zu können, das Kin­derbetreuungsgeld nicht ab dem ersten Tag ausbezahlt wird. Die Gewährung des Kin­derbetreuungsgeldes ab dem ersten Tag wäre der richtige und beste Weg, und das wäre auch der Weg der vollen Anerkennung und Wertschätzung dieser Leistungen der Krisenpflegeeltern anstatt nur schöner Worte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ebenso ist unsere Fraktion der Meinung, dass das Kind speziell nach der Geburt beide Elternteile braucht, und fordert deshalb einen Rechtsanspruch auf einen Papamonat mit Kündigungsschutz ein. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag wurde im Natio­nalrat eingebracht, aber leider durch die Regierungsparteien abgeschmettert. Aus die­sem Grund wird unsere Fraktion diesem Gesetz eben nicht zustimmen. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.)

Dieses Gesetz hätte auch Luft nach oben gehabt, um diese Dinge zu regeln und Bes­serstellungen zu erreichen.

Geschätzte Damen und Herren! Die Frau Bundesminister für Frauen, Familien und Ju­gend, Frau Bogner-Strauß, hat bereits im Sommer 2018 versprochen, dass das Geld für Krisenpflegeeltern nicht gekürzt wird und diese in Zukunft auch Kinderbetreuungs­geld bekommen, und zwar selbst dann, wenn sie die Kinder weniger als drei Monate haben. Das hat sie selbst gesagt.

Weiters hat sie im Parlament die Aussage getätigt, dass noch vor Dezember 2018 ein diesbezüglicher Gesetzesantrag vorliegen wird, um das zu reparieren. – Jetzt haben wir schon März 2019!

Das war aber wieder einmal – und das muss ich kritisieren – ein Initiativantrag von ÖVP und FPÖ. Das heißt, dieser Antrag wurde kurzfristig eingebracht, ohne Begutach­tung, ohne Diskussion, ohne die Möglichkeit, da Experten einzubeziehen. (Bundesrat Längle: Das ist ganz normal im parlamentarischen Verfahren! Das ist gesetzeskon­form!) – Schön langsam bekommt das aber wirklich System, und das bedauere ich per­sönlich sehr, denn das ist demokratiepolitisch sehr bedauerlich, Herr Kollege Längle! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Längle: Wir arbeiten stringent!)

Die SPÖ hat weitere Gespräche gefordert, und sie hat nicht umsonst einen Abände­rungsantrag im Nationalrat eingebracht, dass dieses Geld ab dem ersten Tag zustehen soll. Sie hat auch einen Entschließungsantrag eingebracht, mit welchem die Bundesre­gierung aufgefordert wird, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, die in einem ersten Schritt einen Rechtsanspruch auf einen Papamonat für alle Väter inklusive Kündigungsschutz vorsieht. – Leider sind beide Anträge nicht ange­nommen worden. (Bundesrätin Mühlwerth: Warum habt ihr den Papamonat nicht schon längst eingeführt?) – Sie werden immer wieder fragen: Warum wurde das und jenes nicht getan? (Bundesrat Samt: Verschlafen!) Das Wichtige ist: Sie sind jetzt in der Regierung! Sie können das ab heute machen! Wir sind dazu bereit. Wir werden die Zustimmung dafür geben. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Guten Morgen! Guten Morgen!)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 43

Zu den Krisenpflegeeltern haben wir heute schon einiges gehört, und ich möchte wirk­lich nichts ergänzen, weil das richtig war, was meine Kollegin und was Sie, Frau Kol­legin, gesagt haben: Krisenpflegeeltern übernehmen in diesem Zusammenhang eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe.

Ich habe mich ein bisschen in der Steiermark umgehört: Dort beträgt die grundsätzliche Dauer, die genehmigt wird, sechs Monate, und man kann noch einmal um eine Verlän­gerung um drei Monate ansuchen. Aber in Fällen, in denen schon eine längere Betreu­ungszeit abzusehen ist, wird eben bereits eine Dauerpflegefamilie gesucht. Oft muss rasch reagiert werden. Die Betroffenen sind meist alleinerziehende Mütter mit wenig oder keinem familiären Rückhalt.

Ich habe mich umgehört, denn ich war lange bei uns im Sozialhilfeverband im Vorstand und meine Nichte Martina arbeitet in diesem Bereich, im Sozialressort einer Bezirks­hauptmannschaft in der Steiermark. Sie sagt: Abgesehen von den Tragödien, die na­türlich passieren, wenn man das Kleinkind nicht gleich mit nach Hause nehmen kann, welche Umstände auch immer dazu beitragen, dass das nicht geht: Öfters muss ein Baby wirklich über Nacht zu Krisenpflegeeltern gegeben werden, und diese müssen dann sofort im Hinblick auf ein Gitterbett, auf Nahrung und so weiter reagieren.

In der Steiermark haben wir die Lösung, dass die Leute über die Organisation A:pfl ge­ringfügig beschäftigt werden.

Richtig ausgeführt: Man braucht mehrere dieser Kinder, um eine Vollzeitbeschäftigung zu erreichen. Hier bräuchte es wirklich einen Anstoß, das neu und besser zu regeln. Mit Stichtag 31.12.2018 waren in der Steiermark 99 Personen als Pflegeeltern bezie­hungsweise Krisenpflegeeltern angestellt. Vom Pflegeelternverein konnte ich erfahren, dass 2018 in der Steiermark 198 Kinder auf einem Krisenpflegeplatz untergebracht wa­ren, und ein Viertel davon weniger als 91 Tage. Das ist zwar keine große Zahl, aber ein Viertel dieser Krisenpflegeeltern sind eben davon betroffen und erhalten dieses Betreu­ungsgeld nicht.

Die Aussage der Frau Ministerin, das zu evaluieren, nehmen wir natürlich freudig auf. Sie hat aber gesagt, dass sie sich zumindest drei Jahre Zeit nehmen wird, um das zu machen – das hat sie im Nationalrat so gesagt. Man sieht also schon, dass manche Kolleginnen und Kollegen in den Regierungsparteien dem Gesetzestext selbst auch kritisch gegenüberstehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch das zweite Thema, das ich angeschnitten habe, ist für uns ein ernstes Thema: Eltern, die nach der Geburt das Baby noch nicht mit nach Hause nehmen dürfen, müssen, um den Familienzeitbonus, also den Papamonat, dennoch in Anspruch nehmen zu können, nachweisen – es muss also vom Kranken­haus bestätigt werden –, dass beide, Mama und Papa, das Baby vier Stunden pro Tag betreuen und pflegen. Das ist praktisch einfach nicht möglich! Ist es nicht so, dass El­tern gerade in dieser frühen Phase sowieso leiden, wenn sie dauerhaft von ihren Kin­dern getrennt sind? Krankenhausabläufe sind zu Recht streng, und diese Regelung ist für die Eltern und auch – wie ich sagen muss – für das Personal im Krankenhaus eine Bürde, fast eine Schikane.

Der Papamonat soll doch auch der Frau nach der Geburt zugutekommen, und die Mut­ter kann die Unterstützung durch den Papa auf jeden Fall gebrauchen, egal, ob sie selbst noch im Spital sein muss oder das Baby noch im Spital ist. Und in diesem Sinn wurde ein entsprechender Entschließungsantrag im Nationalrat eingebracht, der aber, wie schon erwähnt, erfolglos geblieben ist.

Meine Damen und Herren! Es gibt Luft nach oben. Leider können wir der vorliegenden Regelung nicht zustimmen. Die SPÖ wird dagegen stimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller.)

11.02



BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 44

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Martina Ess. Ich erteile es ihr.


11.02.27

Bundesrätin Mag. Martina Ess (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhörer, die gera­de hier auf der Galerie eingetroffen sind! Herzlich willkommen! Sehr geehrte Zuseher und Zuseherinnen via Livestream! Wenn man die laufende Debatte verfolgt, dann fällt auf, dass uns doch etwas verbindet, was erfreulich ist, nämlich dass wir Krisenpflegeel­tern sehr wertschätzen, weil sie eine Arbeit leisten, die wirklich für die gesamte Gesell­schaft entscheidend ist. Das verdient größte Anerkennung und Respekt. (Allgemeiner Beifall.)

Mich hat betroffen gemacht und nachdenklich gestimmt, was Kollegin Rosa Ecker ge­schildert hat. Auch ich habe mich in Vorarlberg umgehört und werde darauf noch zu sprechen kommen.

Mir hat eine Krisenpflegemutter gesagt – und das ist heute noch nicht so konkret gefal­len –, dass es eben ohne lückenlose Unterstützung von amtlicher Seite nicht funktio­nieren kann. In Vorarlberg sind die Leute froh, dass sie die Behörden haben. – Daher an dieser Stelle ein Dankeschön an alle, die sich hier engagieren, dass die krisenge­schüttelten Kinder in dieser Zeit vorübergehend ein sicheres Zuhause haben! (Allge­meiner Beifall.)

Der Anruf kann jederzeit kommen. Von einer Stunde auf die nächste ist nichts mehr normal, nicht für das betroffene Kind, nicht für die leiblichen Eltern und auch nicht für die Krisenpflegeeltern. Das ist ein ganz gravierender Einschnitt in das Familienleben und ein großes Paket an Verantwortung. – Das ist ein Auszug aus dem Gespräch mit der Krisenpflegemutter aus Vorarlberg, und wir haben das schon mehrfach gehört: Es handelt sich um eine Extremsituation, ein Kind kurzfristig aufzunehmen, es lieb zu ge­winnen und es wieder abgeben zu müssen. Ich glaube, alle Väter und Mütter unter uns können das in der Gesamtheit gar nicht nachvollziehen, und auch ich als zweifache Mutter kann das nicht.

Es wurden schon ein paar Bundesländer erwähnt, ich möchte jetzt aber nochmals – wir sind der Bundesrat, also die Länderkammer – einen Blick darauf werfen, wie denn der Aufwand der Krisenpflegeeltern abgegolten wird und wie diese bezahlt werden. Wir ha­ben es nur am Rande öfters hier erwähnt: Das ist in erster Linie Ländersache.

Ich habe mich mit Vertretern des Vorarlberger Kinderdorfs getroffen und möchte kurz schildern, wie es konkret abläuft, wenn ein solches Kind aufgenommen wird. Ab dem ersten Tag, an dem das Kind zu den Krisenpflegeeltern kommt, bekommen sie aliquot, berechnet hinsichtlich der Tage, an denen das Kind bleiben muss, darf beziehungs­weise kann, vom Land Pflegegeld. Das ist in jedem Bundesland unterschiedlich gestaf­felt, und es gibt auch unterschiedliche Beitragshöhen. Wichtig ist auch, dass das Alter des Kindes berücksichtigt wird. Wichtig ist für das Vorarlberger Kinderdorf – und das richte ich jetzt schon ein bisschen in die Richtung der SPÖ –, dass grundsätzlich kon­zeptionell angestrebt wird, dass man das Kind vor Ablauf dieser 91 Tage entweder zu den leiblichen Eltern zurückführen oder Dauerpflegeeltern zuführen kann.

Ich habe folglich auch gefragt, wie das denn in der Praxis aussieht. In Vorarlberg ha­ben wir eine ähnliche Situation wie in der Steiermark: Immerhin drei Viertel der Fa­milien betreuen die Kinder jeweils länger als 91 Tage; das ist auch in Vorarlberg der Fall. – Genau für diese Situation kommt die Reparatur dieses Gesetzes zum Tragen: Für Kinder, die länger als 91 Tage in einer Krisenpflegefamilie untergebracht sind, be­kommen diese zusätzlich zum Pflegegeld des Landes Unterstützung vom Bund. Das


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 45

war auch vor dem OGH-Urteil der Fall. Außerdem steht den Krisenpflegeeltern auch die Familienbeihilfe zu.

Wir reparieren dieses Gesetz heute also ganz im Sinne der Krisenpflegeeltern. Wir stellen den ursprünglichen Zustand her.

Jetzt aber noch ein Punkt, der bislang ein bisschen zu kurz gekommen ist: Wir sind gesetzlich, verfassungsrechtlich im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes, auch dazu ver­pflichtet, leibliche Eltern, Pflegeeltern, auch Adoptiveltern und Krisenpflegeeltern gleich zu behandeln, und da fallen eben diese 91 Tage hinein.

Sehr häufig kam die Frage: Warum überhaupt diese 91 Tage? Warum können wir das Geld nicht ab dem ersten Tag ausbezahlen? – Der Grund ist, dass wir dem Gleich­heitsgrundsatz unterworfen sind und in dieser Zeit geprüft werden muss, ob diese Fa­milien die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld überhaupt er­füllen. Das betrifft wesentliche Punkte, die ich erwähnen möchte: Es wird unter ande­rem geprüft, ob die Eltern dauerhaft in einem gemeinsamen Haushalt wohnen. Es wird geprüft, ob die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gemacht werden. Es wird geprüft, ob die Zuverdienstgrenze eingehalten wird. Das ist ein sehr komplexes Gebiet, und es sind in diesem Zusammenhang auch andere Themen relevant, wie unter anderem Auf­enthaltsrichtlinien.

Entscheidend für die Eltern ist letztlich, dass das Geld rückwirkend ab dem ersten Tag bezahlt wird, an die leiblichen Eltern ab dem Tag der Geburt und an die Krisenpflege­eltern ab dem ersten Tag der Betreuung. Außerdem werden – das hat meine Kollegin schon erwähnt – auch alle, die den Anspruch seit dem OHG-Urteil verloren haben, das rückwirkend bekommen. Es verliert also niemand etwas. Es wird auch nichts gekürzt. Meines Erachtens ist das Gegenteil der Fall.

Ich darf noch einmal anmerken, weil heute einmal von Bestrafung geredet wurde: Für mich ist das alles andere als eine Bestrafung! Ich danke, auch wenn sie heute nicht hier ist, Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß und stellvertretend der Regierung für diese wirklich kompetente und rasche Reparatur des Gesetzes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Am Rande – darauf ist man auch eingegangen – wurde der Evaluierungszeitraum er­wähnt, dem diese Regelung jetzt unterworfen ist. Die Bundesministerin wird sich dafür drei Jahre Zeit nehmen, und ich kann das nur begrüßen. Das ist klug und das ist auch ehrlich. Ich denke, dass es unerlässlich ist, in der politischen Arbeit für Qualitätsent­wicklung und auch für Qualitätssicherung zu sorgen. Es geht darum, nachzufragen, sich zu vergewissern, zu schauen, ob etwas funktioniert und wo wir bessere Lösungen finden können und letztlich auch zu steuern.

Das ist doch unser aller politischer Anspruch. Wir müssen gemeinsam effektivere Lö­sungen finden. Es muss ein klares Ja auch im Bereich des Kinderbetreuungsgeldes geben. Diesbezüglich müssen wir uns einig sein. Meinerseits gibt es ein klares Ja. Ich finde das richtig und gut, und ich danke, dass Sie mir zugehört haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.09


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Vielen Dank.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann. Ich er­teile es ihr.


11.09.19

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Mi­nister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Was die Wertschätzung


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 46

für die Krisenpflegeeltern betrifft, sind wir uns einig. Wir bringen den Krisenpflegeeltern die höchste Wertschätzung entgegen. Was uns aber unterscheidet – und das hat auch meine Kollegin Daniela Gruber-Pruner zum Ausdruck gebracht –, ist, dass wir auch die größtmögliche finanzielle Unterstützung für Krisenpflegeeltern haben wollen.

Wie auch meine Vorrednerin ausgeführt hat, sind natürlich die Anspruchsvorausset­zungen genau zu prüfen – das ist selbstverständlich –, aber wir sollten nicht formalju­ristische Argumente vorschieben, um den Krisenpflegeeltern dringend notwendige fi­nanzielle Unterstützung zu verwehren. Ich bitte Sie, diesbezüglich schon in sich zu ge­hen und auch analoge Fälle anzuschauen!

In anderen Fällen – ich nenne jetzt zum Beispiel das Pflegegeld – wird auch genau ge­prüft, dann aber rückwirkend ab dem Tag der Antragstellung ausbezahlt. Das heißt, das könnte man ja analog auch bei den Krisenpflegeeltern machen. Natürlich soll ge­nau geprüft werden, dann aber wirklich die volle Summe ausbezahlt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Bitte schieben Sie da nicht irgendwelche an den Haaren herbeigezogene formaljuristi­sche Argumente vor, die hinten und vorne nicht halten!

Ich wollte jetzt eigentlich gar nichts dazu sagen, weil meine Vorrednerin und auch Kol­lege Koller sowohl zu den Krisenpflegeeltern als auch zum Papamonat schon sehr ausführlich gesprochen haben, aber zum Papamonat noch einmal zur Klarstellung: Wir wollen einen Papamonat für alle Väter, nicht nur für Politiker, nicht nur für öffentlich Be­dienstete, sondern auch für privat Beschäftigte, und zwar mit Rechtsanspruch, mit Ent­geltanspruch und mit Kündigungsschutz. Das sage ich jetzt nicht nur, weil wir heute erfreulicherweise so viele junge Herren im Publikum haben, die ich auch ganz herzlich begrüße, sondern vielmehr geht es darum, dass wir wirklich Gerechtigkeit für alle Väter in Österreich herstellen und dass wir vor allem diese Vater-Kind-Beziehung in den ers­ten Lebensjahren stärken und intensivieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus den freiheitlichen Reihen ist heute der Zwischenruf gekommen: Warum habt ihr das denn nicht gemacht, während ihr in der Regierung wart? (Bundesrat Rösch: Weil ihr geschlafen habt!) – Nun ja, wir hatten halt auch einen Koalitionspartner, der die strategische Devise - - (Bundesrat Steiner: Guten Morgen!) Sie leiden zum Teil ja selbst darunter. Schauen Sie sich Ihre Wahlergebnisse der Arbeiterkammerwahl in Kärnten an! Da ist es jetzt so, dass die - - (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich sage Ihnen auch gleich, warum: weil die ÖVP die strategische Direktive ausgege­ben hat, dass, solange sie nicht den Kanzler stellt, in dem Land nichts weitergehen darf. Deshalb sind Sie überall auf der Bremse gestanden! (Beifall bei der SPÖ. – Bun­desrätin Mühlwerth: Das ist jetzt eine Ausrede der Verzweiflung! – Bundesrat Steiner: Das reden Sie sich in den Therapiesitzungen ein, um den Kanzlerverlust zu bewälti­gen!)

Es gibt unzählige Beispiele dafür, wo wir weiter gehen wollten, als die ÖVP uns ge­lassen hat. Jetzt sind teilweise andere Personen am Werk, das wissen wir schon. Es gab einen Wechsel von Schwarz zu Türkis, schauen wir, welche Farben Sie noch spie­len werden. Aber das ist die Tatsache.

Nun zu meinem Thema, weil die anderen Themen schon ausführlich erläutert wurden: Ich möchte Sie auf eine Problemlage hinweisen, weil es im Bundesrat auch aufgrund der längeren Redezeit Gelegenheit gibt, einzelne Problemfälle deutlicher anzuspre­chen und auszuführen: Unlängst wurde ich von einer verzweifelten Frau aus der Stei­ermark kontaktiert, die als Selbstständige von der SVA, also der Sozialversicherungs­anstalt der gewerblichen Wirtschaft, aufgefordert wurde, das gesamte Kinderbetreu­ungsgeld zurückzuzahlen, und zwar mit der Begründung, Sie habe es verabsäumt, bin­nen einer Zweijahresfrist eine genaue Abgrenzung ihres Jahresverdienstes vorzulegen,


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 47

nämlich wie viel sie innerhalb und wie viel sie außerhalb des Zeitrahmens des Kinder­geldbezuges verdient hat.

Dazu muss aber auch noch gesagt werden: Sie wurde von der SVA nie dazu aufge­fordert, das zu tun, und nach der Rückzahlungsaufforderung gab es für diese Frau kei­ne Möglichkeit mehr, mit Unterlagen die Korrektheit ihres Anspruchs – weil wir darauf ja alle sehr viel Wert legen – nachzuweisen. Demgegenüber hat zum Beispiel die SVA, die Gegenseite, aber sehr wohl die Möglichkeit, innerhalb von fünf Jahren Rückzahlun­gen zu fordern. Da besteht also ein absolutes Ungleichgewicht.

Wir haben dann festgestellt, dass die Mütter beziehungsweise die Eltern, die bezugs­berechtigt sind, nach diesen zwei Jahren kein Beleg- und Beweisrecht mehr haben. Und der Fall dieser Steirerin ist, wie wir festgestellt haben, bei Weitem kein Einzelfall. Es gibt unzählige solcher Fälle in ganz Österreich.

Beispielsweise musste eine freie Grafikerin aus Wien plötzlich aus heiterem Himmel 9 000 Euro zurückzahlen. Es handelt sich diesfalls um eine Selbstständige. Wie wir aber wissen, sind Selbstständige nicht immer Krösusse, sondern oft sind sie kleine Selbstständige, die mit ihren Einkünften teilweise ohnehin nicht über die Runden kom­men, und wir haben auch das Problem der Scheinselbstständigkeit und, und, und. Wir sprechen da also keineswegs von Großverdienerinnen und -verdienern, sondern von Menschen, die es im Leben ohnehin schwer haben, und diese werden dann plötzlich aufgefordert, hohe Summen nachzuzahlen.

Betroffen sind rund 3 500 Familien in ganz Österreich. Wir haben wieder einmal keine genauen Zahlen, aber jedenfalls sind nicht wenige dann tatsächlich mit solchen Rück­zahlungsforderungen konfrontiert, nämlich ungefähr 500 bis 1 000, und das bringt die­se Menschen natürlich in Bedrängnis.

Das wirklich Skandalöse ist, dass nach glaubhaften Aussagen eines Bediensteten der SVA – und „Der Standard“ hat auch darüber berichtet – das Ministerium für Frauen, Familien und Jugend die SVA sogar explizit angewiesen hat, Selbstständige nicht mehr über fehlende Unterlagen beziehungsweise über diese Vorlagepflicht insgesamt zu in­formieren. Insbesondere das hat zu einem Ansteigen der Zahl der Fälle geführt, und das hat natürlich immense Folgen für die Betroffenen. Da braucht es wirklich dringend eine Lösung, dass die erforderlichen Unterlagen auch nachgereicht werden können.

Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rückforderungen von Kinderbetreuungsgeld – Schluss mit den Schikanen“

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 584/A

Die unterfertigten Bundesrätinnen und Bundesräte stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, wird aufgefordert die rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, dass BezieherIn­nen von Kinderbetreuungsgeld, die vor Ablauf der zweijährigen Frist keine Aufforde­rung erhalten haben, die Möglichkeit bekommen fehlende Unterlagen für eine erforder­liche Abgrenzung erwirtschafteter Einkommen während eines Bezugs von Kinderbe­treuungsgeld nachzureichen. Eine entsprechende Beratungs- und Informationsoffensi-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 48

ve soll unverzüglich sowohl für Selbständige als auch unselbständig Beschäftigte um­gesetzt werden.“

*****

Bitte geben Sie sich wenigstens da einen Ruck! – Vielen herzlichen Dank für Ihre Auf­merksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

11.17


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Der von den BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Rückforderungen von Kinderbetreuungs­geld – Schluss mit den Schikanen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Moser. – Bitte.


11.18.18

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Es ist mir eine besondere Freude, gerade bei diesem Thema Bundesministerin Bog­ner-Strauß vertreten zu können, weil das eine absolut wichtige Materie ist. Sie, Frau Bundesrätin Ecker, haben gerade auch mit persönlicher Betroffenheit angesprochen, dass in diesem Bereich etwas getan werden muss.

Genau mit dieser Regierungsvorlage beziehungsweise dem Antrag, der heute zur Ab­stimmung steht, wird diesfalls etwas getan. Es wird ein Nachteil beseitigt, der dadurch entstanden ist, dass der Oberste Gerichtshof in Zusammenhang mit dem Unterhalts­recht festgestellt hat, dass Krisenpflegeeltern eben keine Eltern im Sinne des Allge­meinen Bürgerlichen Gesetzbuches sind, da zu dem Kind keine kindähnliche Bezie­hung bestehe. Diese Rechtsprechung hatte auch zur Folge, dass für Krisenpflegeeltern mangels Erfüllung des Elternbegriffs kein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld mehr bestand. Gerade mit dieser Vorlage soll dieser Nachteil beziehungsweise die beste­hende Rechtsunsicherheit beseitigt werden.

Es ist klar, dass man in die Richtung geht und sagt: Ich will mehr! Ich glaube aber, die­se Vorlage geht in die Richtung, dass der Nachteil beseitigt wird und Krisenpflegeeltern mit Eltern gleichgestellt werden. Deshalb wäre es sicherlich zweckmäßig und notwen­dig, dass Sie gerade dieser Vorlage auch Ihre Zustimmung geben, obwohl ich – so wie sicherlich auch die Frau Bundesministerin – Verständnis dafür habe, dass in diesem Bereich sehr wohl noch weitere Maßnahmen notwendig sein werden.

Ich möchte auch erwähnen, dass es gerade der Frau Bundesministerin, wie ihre Aus­führungen auch immer zeigen, ein besonderes Anliegen ist, dass unsere Kleinsten und gleichzeitig Schwächsten bestmöglich betreut, begleitet und auch unterstützt werden. Es ist ganz klar, und ich glaube, das steht außer Streit, dass gerade Kinder aus Krisen­familien in vielen Fällen traumatisiert sind und versorgt, gefördert und gleichzeitig auch gestärkt werden müssen. Gerade in diesem Zusammenhang ist diese Vorlage, die heute auf der Tagesordnung steht, wichtig, weil dadurch zum einen sehr wohl die Aner­kennung der Krisenpflegeeltern wiederum in den Mittelpunkt gerückt wird und zum an­deren gleichzeitig der Nachteil, der derzeit besteht, beseitigt wird.

Angesprochen wurde, dass das sehr lange gedauert hat und nach dem Urteil des OGH nicht rechtzeitig angegangen wurde. Ich möchte dazu erwähnen, dass diese Vorlage auch vorsieht, dass rückwirkend ab 1. Juli 2018 der Status, der vor der Rechtspre-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 49

chung des OGH bestanden hat, wiederhergestellt wird. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, damit den Krisenpflegeeltern kein Nachteil entsteht.

Ein Punkt ist auch noch zu erwähnen, der der Frau Bundesministerin ein besonderes Anliegen ist: die Gesetzesreparatur zum Thema Familienzeitbonus für Frühchen. Der Familienzeitbonus kann in Zukunft in Anspruch genommen werden, wenn Eltern und Kind einen gemeinsamen Wohnsitz haben. Das macht Sinn, da der Vater sowohl die Mutter als auch das Kind unterstützen und dadurch eine innige Beziehung früh aufge­baut werden soll. Wir haben aber derzeit das Problem, dass in einigen Fällen bei Spi­talsaufenthalten aufgrund einer Frühgeburt keine Möglichkeit für einen Familienzeitbo­nus bestanden hat, weil sich das Kind im Krankenhaus aufgehalten hat. Deshalb wird in Zukunft der Anspruch auf Familienzeitbonus auch Vätern zustehen, wenn sich das Frühchen im Krankenhaus befindet, denn dadurch soll bereits eine frühzeitige Bindung mit dem Nachwuchs eingegangen werden.

Wie Sie sehen, werden in diesem Bereich wichtige Schritte gesetzt, und es ist auch be­reits angesprochen worden, dass gleichzeitig eine Evaluierung durchgeführt wird, und zwar insbesondere betreffend das Kinderbetreuungsgeldkonto und den Familienzeitbo­nus. Nach Vorliegen der Evaluierung wird es sicherlich zweckmäßig sein, noch weitere Schritte zu setzen beziehungsweise Maßnahmen zu adaptieren.

Ich appelliere also noch einmal, gerade dieser Vorlage, nachdem sie einen Nachteil beseitigt und wieder Gleichbehandlung herstellt, zuzustimmen, wohl wissend, dass aus Ihrer Sicht sehr wohl noch Maßnahmen gesetzt werden sollten. Ich würde daher auch im Sinne der Frau Bundesministerin ersuchen, dieser Vorlage Ihre Zustimmung zu ge­ben. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.22

11.22.50


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Mag. Elisabeth Grossmann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschließung betreffend „Rückforderungen von Kinder­betreuungsgeld – Schluss mit den Schikanen“ vor.

Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag auf Fassung der gegenständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

11.23.422. Punkt

Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Jus­tiz betreffend Jahresvorschau des BMVRDJ auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2019 sowie des Achtzehn­monatsprogramms des rumänischen, finnischen und kroatischen Ratsvorsitzes (III-675-BR/2019 d.B. sowie 10132/BR d.B.)



BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 50

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu Punkt 2 der Tages­ordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um den Bericht.


11.24.18

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Be­richt des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betref­fend die Jahresvorschau des BMVRDJ auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitspro­gramms der Europäischen Kommission für 2019 sowie des Achtzehnmonatspro­gramms des rumänischen, finnischen und kroatischen Ratsvorsitzes zur Kenntnis brin­gen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung am 12.3.2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Jahresvorschau des BMVRDJ auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission für 2019 sowie des Achtzehnmonatsprogramms des rumänischen, finnischen und kroati­schen Ratsvorsitzes (III-675-BR/2019 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.


11.25.15

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer hier und via Livestream! Von diesem emotionalen Thema komme ich nun zu einer tro­ckenen Materie, die aber auch sehr wichtig ist.

Bundesminister Moser stellt in seinem Bericht über die EU-Jahresvorschau klar, dass die bereits während der österreichischen Ratspräsidentschaft von seinem Ressort ver­folgte Initiative zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Europa im Brennpunkt bleiben soll. Das trifft ebenso für sämtliche Anstrengungen zur Einführung und Erhaltung hoher Standards im Bereich der Grund- und Menschenrechte zu. Das gelte es in der Union zu verteidigen und auszubauen. – Dieser Aussage im Bericht kann man in jeder Weise zustimmen.

Die Europäische Union will auch im Jahr 2019 weiter an der Vollendung eines Rechts­raums, der auf gegenseitigem Vertrauen basiert, und der Stärkung der Grundrechte ar­beiten, wobei auch die Umsetzung der Sicherheitsunion einen dauerhaften Vorrang bil­den wird. Dieses gegenseitige Vertrauen muss sich aber auf ein gleich hohes Niveau der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten stützen können.

Für Österreich ist die im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission angekündig­te Vollendung der Sicherheitsunion besonders wichtig. Unter anderem sollen die Vor­schläge für die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugriffs der Strafverfolgungs­behörden auf elektronische Beweismittel angenommen werden. Geplant sind außer­dem Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte sowie die Erweiterung des Mandats der Europäischen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus.

Österreich unterstützt alle Maßnahmen zur Vollendung der Sicherheitsunion, denn da­mit engt die EU das Operationsfeld für Terroristen deutlich ein. Die angestrebte Ver­besserung des Europäischen Strafregistersystems konnte bereits durch eine Einigung


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 51

mit dem Europäischen Parlament noch unter dem österreichischen Ratsvorsitz im De­zember 2018 erreicht werden. Aufgrund der anhaltenden Gefährdung der Rechtsstaat­lichkeit in einigen Mitgliedstaaten will die Kommission überdies eine schon länger an­gekündigte Initiative zur weiteren Stärkung des 2014 geschaffenen Rechtsstaatlich­keitsrahmens vorlegen.

Aus dem aktuellen Achtzehnmonatsprogramm der Triopräsidentschaft Rumäniens, Finnlands und Kroatiens hebt der Bericht vor allem das Bekenntnis zur weiteren Stär­kung der internationalen justiziellen Zusammenarbeit sowohl im Zivilrechtsbereich als auch im Strafrechtsbereich hervor. Dies soll insbesondere durch Erweiterung der An­wendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung geschehen. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt bei der Erleichterung der grenzüberschreitenden Erlangung elektro­nischer Beweismittel und der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft. Es wird vor allem auch um die Bekämpfung und Prävention von Radikalisierung und Ex­tremismus und um verstärkte Bemühungen betreffend die Entfernung terroristischer In­halte aus dem Internet gehen.

Im Bericht des Herrn Bundesministers heißt es weiter, dass die europäische Justiz­politik einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung aktueller Herausforderungen leiste, wie etwa der Bedrohung durch Terrorismus und organisierte Kriminalität insgesamt, aber auch der Unterwanderung der europäischen Grundwerte durch Eingriffe in rechtsstaat­liche Prinzipien. Es ist klar, dass eine europäische Justizpolitik im Kampf gegen die Un­terwanderung der gemeinsamen Grundwerte notwendig ist. Dazu ist es – wie bereits betont – unabdingbar, dass ein hohes Niveau in der Rechtsstaatlichkeit in allen Mit­gliedstaaten entsteht. Jedes Land soll seine Defizite selbst erkennen und beheben. Um europäische Instrumente zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger auch in der Praxis bestmöglich einsetzen zu können, ist eine Konzentration auf ausgewählte Bereiche notwendig, gepaart mit Maßnahmen für bessere Rechtsetzung und Implementierung.

Dieser begrüßenswerte Ansatz findet seinen Niederschlag im aktuellen Arbeitspro­gramm der Kommission und der Triopräsidentschaft. Das aktuelle Präsidentschaftstrio übernimmt in weiten Teilen die Prioritäten des österreichischen Ratsvorsitzes, was sehr erfreulich ist und zeigt, dass wir gut gearbeitet haben.

Die von Bundesminister Josef Moser eingeleiteten Initiativen zur Stärkung der Rechts­staatlichkeit in Europa sollten weiter im Mittelpunkt bleiben. Wichtig ist aber auch das Bemühen um einen angemessenen sozialen Ausgleich. Dieser Wert sollte in der Union verteidigt und ausgebaut werden. Wie wir vorgestern im Ausschuss auch diskutiert ha­ben, ist es schwierig, Prognosen abzugeben, was bis zur EU-Wahl noch möglich ist.

Betreffend den Europäischen Staatsanwalt gibt es noch Meinungsverschiedenheiten über die Besetzung, wobei sich Österreich sowie das EU-Parlament für die so hoch qualifizierte Persönlichkeit aus Rumänien ausspricht. Ich hoffe nur, dass durch die Um­stände und Schwierigkeiten bei der Besetzung kein Schatten auf das so wichtige Amt fallen wird.

Abschließend möchte ich wiederholen, dass Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wich­tige Werte unseres abendländisch geprägten Europa sind, die mit allen Mitteln zu si­chern und zu verteidigen unser Anliegen sein sollte.

Sehr geehrter Herr Minister! Danke für Ihre Bemühungen und für den informativen Be­richt, den ich bitte zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 52

11.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile es ihm.


11.31.51

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzter Herr Bundesminister! Sie haben vorhin bei der Besprechung des vorherge­henden Tagesordnungspunktes gesagt, dass Sie von der Einsicht der zuständigen Mi­nisterin überzeugt sind. – Ich stimme da nicht mit Ihnen überein, das müssen Sie ver­stehen: Ich habe noch nie so wenig Sozialkompetenz in einer Bundesregierung erlebt! (Bundesrätin Zwazl: Na bitte!)

Nur ein Satz zu den Kriseneltern: Ich war selber pädagogischer Leiter des SOS-Kin­derdorfs Imst. Ich war beim Steiner im Tal mitverantwortlich für die Schließung einer der schlimmsten pädagogischen Einrichtungen, der Bubenburg. Außerdem war ich in Wien für sozial- und milieugestörte Kinder tätig.

Dort hatte ich den Fall eines sechsjährigen Christian aus Niederösterreich, der von ei­nem Wochenende zurückgekehrt ist und dessen Rücken so ausgeschaut hat wie die Typen, die sich in schlagenden Burschenschaften herumtummeln, nämlich mit Schmis­sen und Blutungen. Glauben Sie mir: Das Gespräch mit diesem Sechsjährigen war ei­ne der schwierigsten Entscheidungen meines Lebens! Es ging erstens darum, zu be­antragen, dass er von seiner Familie wegkommt, zweitens musste mit dem Familien­gericht ausgemacht werden, dass er bis zur Findung einer Pflegefamilie bei mir bleibt, weil er zu mir Vertrauen hatte, und drittens musste dem kleinen Christian klargemacht werden, dass er jetzt nicht mehr nach Hause, sondern zu einer Pflegefamilie kommt. – Das war vor vielen Jahrzehnten, aber ich denke noch immer daran! Deshalb sollte man sich nur einmal zu Gemüte führen, welch traumatisierte Kinder Kriseneltern bekommen und was Kriseneltern hier leisten! (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dzie­dzic und Stögmüller.)

Zurück zur Debatte: Wir haben schon sehr viel über eine erfreuliche Entwicklung be­treffend den europäischen Justizraum, Raum der Gerechtigkeit beziehungsweise den Raum der justiziellen Zusammenarbeit gesprochen. Kollege Buchmann hat in seiner Rede bei der vorhergehenden Debatte die gute Performance der österreichischen Bun­desregierung während der Ratspräsidentschaft erwähnt. Ich klammere das jetzt einmal ein und sage: Das Justizministerium hat hier tatsächlich eine sehr gute Performance gezeigt und hat sehr viele Dinge weitergebracht.

Wir sind nun im Jahr der Wahl des Europäischen Parlaments, und es wird eine neue Kommission geben. Das heißt, wir sind in einem Jahr, in dem man relativ viel Zeit ver­liert. Aber während des Ratsvorsitzes sind durch das Bundesministerium für Justiz eini­ge Dinge im Grunde abschlussreif und könnten von der jetzigen rumänischen Ratsprä­sidentschaft eigentlich noch vor den Wahlen und vor der neuen Kommission umgesetzt werden. Darunter befinden sich zum Beispiel die strafrechtliche Bekämpfung der Geld­wäsche, das System des Strafregisteraustauschs, die E-Evidence-Verordnung und auch die Insolvenz-Richtlinie.

Herr Bundesminister! Ich bin Optimist, und ich hoffe, Sie sind auch Optimist (Bundes­minister Moser: Immer!), aber in einem Punkt können wir uns beide wohl bei einem Pessimisten-Klub eintragen, nämlich im Hinblick auf die Urheberrechtsrichtlinie. – Ich will gerade im Zusammenhang mit der digitalen Welt keine neuen Filter! Hier sind noch so viele Fragen offen. Ich denke, die Vorarbeiten, die aus Ihrem Ministerium gekom­men sind, sind gut. Aber das wird sich nicht vor 2020 in irgendeiner Weise abzeichnen.

Ganz wichtige Vorarbeiten gab es hier auch betreffend die Bekämpfung des Antisemi­tismus in Europa und bei der Umsetzung der Datenschutzsysteme. Wir brauchen, weil wir eine Datenschutz-Grundverordnung haben, auch entsprechende Schutzsysteme. In diesem Zusammenhang gibt es eine Initiative, die auch in dieser Arbeitsvorschau ent­halten ist. Sie betrifft das Datenschutzniveau. Wir hatten ja schon einmal eine Ent­scheidung betreffend das Safe-Harbor-Abkommen der USA. In diesem Zusammen-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 53

hang ist es eine berechtigte Frage, ob der Datenschutz zum Beispiel in Kanada, in den USA, aber auch in unserem Nachbarland, der Schweiz, wo es ja aufgrund der dortigen Verfassung immer wieder interessante Entwicklungen gibt, wirklich auf dem Niveau ist, dass wir Daten austauschen können.

So wichtig es ist, zum Beispiel bei der Bekämpfung der Geldwäsche und auch bei der Bekämpfung von Betrug und der Fälschung von Zahlungsmitteln etwas weitergebracht zu haben: Aber auch der Datenschutz ist ein wichtiger Punkt, und deshalb erhebt sich auch die Frage: Wie kommen wir hier weiter?

Das Programm heißt zwar Jahresvorschau für 2019, aber vieles davon – seien wir uns ehrlich! – wird sich bis ins Jahr 2020 erstrecken! Sie werden noch Bundesminister sein und Sie können dann da gleich ungeschaut weitermachen, aber von einem hoffen wir, dass das jetzt schnell kommt. Der EU-Ausschuss des Bundesrates war damals noch in der Minderheit in Europa – das möchte ich nur sagen; vor deiner Zeit als Vorsitzender, Kollege Buchmann –, als er Ja gesagt hat zu einer Europäischen Staatsanwaltschaft. Damals haben noch viele andere Parlamente Nein gesagt. Aber wir wollten das, haben das mit einem gewissen Nachdruck betrieben, und jetzt ist das gekommen.

Jetzt gibt es natürlich eine ein bisschen unschöne Lage, und ich sage das hier auch ganz offen: Ich halte die Wahl des Europäischen Parlaments betreffend die ehemalige rumänische Antikorruptionschefin für eine fantastische Wahl! Ich finde, wir sollten alles tun, um uns in diesem Zusammenhang nicht von der rumänischen Regierung und der rumänischen Ratspräsidentschaft ins Bockshorn jagen zu lassen! Ich hoffe sehr, dass diese wirklich grandiose Kämpferin gegen Korruption in diese Position gehoben wird, denn sie hat unter widrigsten Umständen Fantastisches geleistet!

Betreffend etwas, was wir noch immer offen haben, sind in Österreich die Bundesre­gierung, aber auch der Bundesrat – sagen wir einmal so – misstrauisch bis ablehnend. Ich glaube, da sind wir wiederum einig, Kollege Buchmann: Es geht um den gesamten Onlinewarenhandel. Wir haben dazu, glaube ich, zwei Mitteilungen, eine begründete und eine weitere, gemacht, dass wir damit nicht einverstanden sind. Frau Kollegin Zwazl, ich glaube, du hast mir jetzt zugenickt, das heißt, du bestätigst das, was ich ge­sagt habe, denn das ist ja auch ein bisschen von dir ausgegangen.

Wenn jetzt zum Beispiel ein Unternehmen in München für den europäischen Konsu­menten etwas online anbietet, dann kann sich das Unternehmen noch einmal überle­gen, ob es das nun liefert oder nicht. Das geht doch nicht! Außerdem geht es dabei umgekehrt auch um Fragen der Garantie und der Haftung. Auch in diesem Sinn sind Regelungen getroffen worden, die so nicht funktionieren.

Ja, wir leben in einer digitalisierten Welt, wir haben die Möglichkeit, online zu bestellen, das ist bei unseren jungen Leuten gang und gäbe. (Bundesrätin Zwazl: Ja leider!) – Ja leider; ich sage ja auch, leider! Auch ich wünsche mir, dass die Geschäfte bestehen bleiben und dass wir keine leeren oder geschäftslosen Einkaufsstraßen haben, denn die Geschäfte gehören zu unseren Gemeinden und unseren Städten. Ich bin überhaupt nicht dafür, dass Lebensmittel online nach Hause kommen. Man kann sich einmal ir­gendein Biopackerl aus dem hintersten Niederösterreich nach Wien kommen lassen, aber - - (Bundesrätin Zwazl: Es kann auch aus der vordersten Steiermark kommen!) Es kann auch aus der hintersten Steiermark kommen! (Zwischenruf des Bundesrates Köck.) Niederösterreicher, regt euch nicht auf, das ist jetzt ganz egal! – Dazu kommt, dass es in den Straßen Zug um Zug weniger Lebensmittelgeschäfte gibt, und das geht nicht. Deshalb haben wir auch diesbezüglich unsere Bedenken angemeldet.

Für wichtig halten wir auch das Vorhaben in Bezug auf Verbandsklagen, und ich hoffe, Herr Bundesminister, Österreich steht hier wirklich ganz dahinter. Es geht um Ver­bandsklagen, wie es zum Beispiel der VKI zum Schutz und im Interesse von Konsu-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 54

menten und Konsumentinnen macht. Es geht nämlich immer wieder um die große Fra­ge der Durchsetzung von Rechten, und zwar gerade in diesem Bereich.

Ich komme zum allerletzten Punkt – das passt zu meiner Einleitung –: Ja zur Zusam­menarbeit im Familienwesen. Ich glaube, Sie alle hier – insbesondere die Steirer und Steirerinnen – können sich an dieses schreckliche familienrechtliche Drama um die Obsorge eines Kindes zwischen, ich glaube, einer steirischen Mutter und einem däni­schen Vater erinnern. (Bundesrat Samt: Umgekehrt!) Oder umgekehrt. Dänemark hat die Obsorge anerkannt, Österreich hat anders entschieden. Jedenfalls haben wir jetzt ununterbrochen Kindesentführungen. Das muss doch nicht sein!

Das heißt, wir brauchen in Familienangelegenheiten und hinsichtlich der Folgen, die sich zum Beispiel bei Trennungen aus dem Familienrecht und den Kinderrechten erge­ben, eine gegenseitige Anerkennung und eine gegenseitige Vollstreckung. Das ist doch irgendwie aus einem menschlichen Grundverständnis, aber auch aus einem juris­tischen Grundverständnis das Nonplusultra! Das brauchen wir, Herr Bundesminister, und ich hoffe, dass wir weiteren Kindern solche Schicksale wie diesem steirisch-dä­nischen Kind ersparen können! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile es ihm.


11.42.47

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren! Bezüglich des Berichts zur Jahres­vorschau auf Grundlage des Legislativ- und Arbeitsprogrammes sowie des Achtzehn­monatsprogrammes des rumänischen, finnischen und kroatischen Ratsvorsitzes ist einmal zu sagen, dass wir den Rumänen viel Glück und Erfolg wünschen. Rumänien macht das ja zum ersten Mal, und daher fehlen auch gewisse Erfahrungswerte. Es ist nicht so einfach, wenn man das das erste Mal macht. Der Botschafter aus Rumänien war vor einigen Wochen auch hier im Hause, und ich habe mich auch mit ihm unter­halten. Sie sind guter Dinge, sie sind bemüht und setzen sich auch sehr ein, aber es ist eben nicht so leicht, wenn man so etwas das erste Mal macht.

Als zusätzliche Erschwernis ist sozusagen die verkürzte Zeit zu nennen. Warum gibt es diesfalls eine Zeitverkürzung? – Wie wir alle wissen, finden Ende Mai die EU-Wahlen statt, und somit fehlt eben eine gewisse Zeit, um die unterschiedlichsten Vorhaben durchzuführen. Das ist erschwerend, aber das kann man leider nicht ändern, denn selbstverständlich sind die EU-Wahlen auch wichtig, und ich hoffe, dass sehr viele EU-Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und die Wahlbeteiligung sehr hoch ist, weil das auch ein Zeichen einer gut funktionierenden Demokratie ist. Somit ist das zu unterstreichen.

Dann geht es weiter mit Finnland und Kroatien. Kroatien macht das so wie Rumänien auch zum ersten Mal. Sie haben dann aber wieder volle sechs Monate zur Verfügung. Ich denke aber, dass wir mit dem Programm betreffend Vorhaben recht gut unterwegs sind.

Noch ein kurzer Rückblick auf unsere österreichische Ratsvorsitztätigkeit. Ich meine, dass wir damit sehr erfolgreich waren. Wir haben sehr viele gute Dinge auf den Weg gebracht. Beispielsweise sind das hohe Niveau bezüglich Datenschutz, aber auch die Stärkung unseres Wirtschaftsraumes und vor allem auch der Schutz der europäischen Außengrenze zu nennen. Es ist ja auch nicht unerheblich, hier die Wichtigkeit zu unter­streichen.

Insgesamt ist zu sagen, dass wir unseren Verpflichtungen sehr gut nachgekommen sind. Dazu zwei Beispiele: Das Treffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 55

haben wir sehr gut über die Bühne gebracht, aber auch die Subsidiaritätskonferenz in Bregenz, bei der wir auch die allgemeine Ausrichtung der EU besprochen haben. Da­bei waren auch einige Bundesräte vor Ort, und ich denke, dass auch unsere Botschaft klar herausgekommen ist, dass auch Nationalstaaten sehr viel tun können und sich die EU im Sinne der Subsidiarität nicht zu sehr einmischen soll. In gewissen Punkten kann die EU aber sehr wohl etwas tun, wie zum Beispiel beim Schutz der Außengrenze, aber auch beim länderübergreifenden Umweltschutz. Ich habe schon einmal gesagt, dass auch die Flüsse an Staatsgrenzen keinen Halt machen, sondern von Staat zu Staat fließen, und diesbezüglich agiert die EU sehr gut.

Das führt mich jetzt zum nächsten Punkt, zur Legislative und zur Justiz. Bekannter­weise machen auch Leute, die kriminell unterwegs sind, Verbrecher und Kriminelle, in der Regel an den Staatsgrenzen nicht Halt, sondern sie operieren auch staatsübergrei­fend, und daher ist es umso wichtiger, dass wir diesbezüglich auch auf europäischer und auch auf EU-Ebene zusammenarbeiten.

Auch in diesem Bereich haben wir während der österreichischen Präsidentschaft einige sehr, sehr wichtige Punkte umsetzen können und auf den Weg gebracht. Zu nennen sind die Erlangung der elektronischen Beweismittel, die E-Evidence, aber auch die
E-Justice, die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die Einziehung von Erträgen aus Straf­taten, aber auch die umfangreichen Verbesserungen bei der Bekämpfung der Fäl­schungen unbarer Zahlungsmittel.

Es ist bekannt, dass viele nicht mit Bargeld zahlen, wobei ich persönlich ein Befürwor­ter des Bargeldes bin. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass wir das Bargeld auch weiterhin stärken, schützen und beibehalten, weil es halt auch eine persönliche Freiheit bedeutet. Jedenfalls haben aber die kriminellen Aktivitäten im Bereich der unbaren Zahlungsmittel, der Scheckkarten, Kreditkarten und so weiter, auch zugenommen, und daher ist es wichtig, dass wir gegen diesbezügliche Vorhaben und Vorkommnisse vor­gehen.

Ein wesentlicher Punkt ist auch die Geldwäsche, die auch moralisch-ethisch besonders zu verurteilen ist, weil dabei Geld aus sehr verwerflichen Tätigkeiten wie zum Beispiel Menschenhandel, Drogenhandel, Prostitution und anderen derartigen Dingen lukriert wird. Aus dem Leid und der Ausnutzung von Menschen wird sehr, sehr viel Geld ge­macht, und das wird dann eben irgendwo gewaschen, um es letztlich doch legal zu machen.

Daher ist es besonders erfreulich, dass im Hinblick darauf auch während der österrei­chischen Vorsitztätigkeit eine einheitliche strafrechtliche Bestimmung herbeigeführt werden konnte und die Verhandlungen in diesem Zusammenhang auch auf österreichi­scher Seite positiv abgeschlossen werden konnten.

Das führt mich jetzt wiederum einen Schritt weiter: Wir dürfen bei all diesen Dingen, wenn es um Legislative, Justiz und kriminelle Machenschaften geht, nicht immer nur auf die EU schauen, sondern müssen auch über den Tellerrand hinausschauen. Wie schon vorhin gesagt, operieren nämlich kriminelle Organisationen und Verbrecher nicht nur zwischen EU-Staat und EU-Staat, sondern vor allem auch zwischen EU- und Nicht-EU-Gebieten. Es gibt leider sehr viele Länder in Nicht-EU-Gebieten, wohin sich gewis­se verbrecherische Organisationen zurückziehen und wo sie dann von der europäi­schen Justiz mehr oder minder nicht antastbar sind.

Es gibt auch in dieser Hinsicht einige Vorhaben, und es gilt, diese jetzt weiter zu for­cieren und vor allem rasch zu forcieren, um auch in diesen Nachbarländern des euro­päischen Raumes eine funktionierende Justiz mit dem gesamten zusätzlichen Appa­rat – auch die Exekutive ist hier zu nennen – einzuführen, damit auch an den Grenzen der EU gegen diese Dinge vorgegangen werden kann.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 56

Es gibt ja nicht nur einen Bericht, sondern viele Berichte, dass in diesem Zusammen­hang auch Richter bestechlich sind, Geld nehmen und Urteile in entsprechende Rich­tungen lenken. Das kann es einfach nicht sein, und daher muss die EU an ihren Gren­zen wachsam sein und auch in diese Richtung weiterarbeiten.

Noch ein Punkt, zum Onlinehandel: Dieser hat natürlich den Vorteil, dass er irgendwo bequem ist, kann man doch von daheim aus mit dem Handy irgendwelche Dinge be­stellen. Etwas sei an dieser Stelle aber auch gesagt: Wenn nur Onlinehandel betrieben wird, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Betriebe mit unseren guten und sehr fleißigen Arbeitgebern und ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der ös­terreichischen Wirtschaftslandschaft, die vorwiegend aus Klein- und Mittelbetrieben be­steht, aus diesem Grund ihre Kundschaft verlieren. Und das kann es nicht sein. Das muss schon ins Bewusstsein der Menschen hinein, dass man eben halt auch in die Geschäfte reingehen muss, weil man dort dann die Arbeitsplätze vor Ort hat und man so auch die Gesellschaft absichern und den Wohlstand weiterführen kann.

Daher bin auch mit den Aussagen von Herrn Kollegen Schennach nicht ganz konform und bin auch nicht einer Meinung mit ihm, denn wenn man über den Onlinehandel bei­spielsweise in Hamburg bei einem Kleinbetrieb, bei einer Tischlerei mit fünf Personen, eine Einbauküche bestellt, dann kann man von diesem Arbeitgeber nicht verlangen, dass er die Küchenmöbel quer durch Europa transportiert und dann irgendwo in Öster­reich in einer Wohnung einbaut. Das funktioniert halt auch nicht. Das ist schon ein Ge­ben und Nehmen, und da muss man dann auch hergehen und die Arbeitgeber schüt­zen, vor allem österreichische Klein- und Mittelbetriebe.

Abschließend: Wir werden dem Bericht natürlich gerne zustimmen. Ich wünsche vor al­lem den Rumänen, den Finnen und den Kroaten für die weiteren Tätigkeiten als Rats­vorsitzende viel Glück. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.51


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster ist der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


11.51.27

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bun­desräte! Eingangs möchte ich mich auf das Herzlichste dafür bedanken, dass von Ih­nen der Ratsvorsitz – auch seitens des Justizministeriums – sehr positiv bewertet wor­den ist. Ich möchte dabei natürlich den Dank meinen 27 Partnern weitergeben, die ich im Rahmen der EU gehabt habe, gleichzeitig insbesondere auch der Trio-Partnerschaft Estland, Bulgarien und Österreich und insbesondere meinen Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern in Wien und Brüssel, die vieles geleistet haben und an ihre Leistungsgrenzen gegangen sind.

Es wurde nicht nur heute von Ihnen, sondern auch seitens der Europäischen Kommis­sion, des Europäischen Rates und des Generalsekretariates anerkannt, dass wir die Ratspräsidentschaft dafür genutzt haben, Europa weiterzubringen, Europa den Bür­gerinnen und Bürgern näherzubringen und gleichzeitig auch den Nutzen und die Vor­teile einer konstruktiven Zusammenarbeit sichtbar zu machen.

In diesem Zusammenhang ist uns sehr viel gelungen. Wir haben insbesondere in die­sem halben Jahr 26 Legislativdossiers verhandelt und erfolgreich zum Abschluss brin­gen können. Ich glaube, das ist in diesem Bereich beispielhaft. Wir haben insgesamt fünf Veranstaltungen auf Ministerebene, eine Westbalkankonferenz und das EU-USA-Justizministertreffen abgewickelt. Wir haben im Rahmen der östlichen Partnerschaft 13 Veranstaltungen auf Beamtenebene mit insgesamt 1 200 Teilnehmern durchgeführt.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 57

Es wurden 30 Ratsarbeitsgruppen und -unterarbeitsgruppen mit über 130 Sitzungsta­gen abgewickelt. Nicht zuletzt wurden 20 Trilogverhandlungen geführt.

Diese haben dazu geführt, dass wir unsere Schwerpunkte, die wir uns für die Ratsprä­sidentschaft gesetzt haben, sehr erfolgreich zum Nutzen aller umsetzen konnten. Der erste Schwerpunkt war die Stärkung der Sicherheit in Europa auch durch die weitere Verbesserung rechtsstaatlicher Standards. Der zweite Schwerpunkt war die Stärkung des europäischen Wirtschaftsstandortes durch die Verwirklichung eines digitalen Bin­nenmarktes und der dritte die Stärkung der Stabilität in der Nachbarschaft, und zwar ganz besonders in den Ländern des Westbalkans.

Was den ersten Schwerpunkt, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit für die Bürge­rinnen und Bürger, betrifft, möchte ich darauf hinweisen – das haben Sie bereits ge­sagt, Frau Bundesrätin –, dass wir das nur dann schaffen, wenn auch tatsächlich ei­nerseits eine effiziente Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität und andererseits eine Verbesserung der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenar­beit bei Zivil- und Strafsachen stattfinden kann.

Unter österreichischem Vorsitz wurden Verhandlungen zur Richtlinie der strafrechtli­chen Bekämpfung von Geldwäsche abgeschlossen, wozu Bundesrat Schennach be­reits Stellung genommen hat. Ich möchte aber daran erinnern – weil das öfter so dar­gestellt wurde –: Das sind keine Gespräche, die sehr weit von Österreich stattfinden, sondern die Ergebnisse dieser Verhandlungen treffen gerade uns – jeden von uns in Österreich –, weshalb sie so wichtig sind.

Betreffend diese Richtlinie heißt das, dass es damit Kriminellen nicht mehr wie bisher möglich sein wird, unterschiedliche strafrechtliche Bestimmungen in den Mitgliedstaa­ten bei der Verschleierung der Herkunft illegal erlangter Vermögenswerte zu ihrem Vor­teil zu nutzen. Das heißt, wir leisten damit einen Beitrag zur Einschränkung der Ter­rorismusfinanzierung.

Unter dem österreichischen Vorsitz wurde auch die Verordnung über die gegenseitige Anerkennung bei der Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten for­mell angenommen und somit erfolgreich abgeschlossen. Durch diese Verordnung kön­nen in Hinkunft ausländische Sicherstellungs- und gleichzeitig Einziehungsentschei­dungen – natürlich auch österreichische – schneller und gleichzeitig einfacher voll­streckt werden, da dafür in Zukunft kein Rechtshilfeverfahren mehr notwendig ist. Zu­sammengefasst: Verbrechen sollen sich nicht auszahlen!

Unter österreichischem Vorsitz ist es aber auch gelungen, die Trilogverhandlungen zur Richtlinie zur Bekämpfung der Fälschung unbarer Zahlungsmittel und des Betruges mit unbaren Zahlungsmitteln erfolgreich abzuschließen. Durch diese Richtlinie wird es künftig einheitliche strafrechtliche Bestimmungen innerhalb der EU geben, und auch die Definition der unbaren Zahlungsmittel wird einheitlich sein. Es werden daher in Zu­kunft nicht mehr nur allein traditionelle unbare Zahlungsmittel wie Kreditkarten, sondern auch neue Zahlungsmethoden wie beispielsweise elektronische Brieftaschen, mobile Zahlungen oder virtuelle Währungen, sprich Bitcoins, erfasst werden. Damit werden auch die Betrugsbekämpfung und der Kampf gegen Fälschung unbarer Zahlungsmittel vorangetrieben.

Als weiteren Punkt konnten wir unter österreichischem Vorsitz die Verhandlungen zu Ecris-TCN – das ist das Europäische Strafregisterinformationssystem – zu einem er­folgreichen Abschluss bringen. Durch dieses System und durch diese Vorschläge wer­den Verbrecher in Zukunft ihre kriminelle Verantwortung nicht mehr durch den Umzug in einen anderen Mitgliedstaat abschütteln können. Gleichzeitig wird es durch Ecris-TCN einfacher werden, verurteilte Drittstaatsangehörige und Staatenlose eindeutig zu identifizieren.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 58

Auch die E-Evidence wurde angesprochen. Zwei Drittel der Beweismittel haben einen grenzüberschreitenden Charakter. Das heißt, wir brauchen einen schnelleren Zugriff auf elektronische Beweismittel. Was die Verordnung dazu betrifft, ist es uns gelungen, eine allgemeine Ausrichtung zu erzielen. Unter dem derzeitigen rumänischen Vorsitz konnte in der Vorwoche eine allgemeine Ausrichtung der Richtlinie zur E-Evidence er­zielt werden, in der festgelegt wird, dass Internetanbieter in Europa auch einen Vertre­ter namhaft machen müssen, um auf sie zugreifen zu können. Mit diesen Maßnahmen können in Zukunft Kinderpornographie und Verhetzung oder Hass im Netz effizienter bekämpft werden.

Von Bundesrat Schennach ist auch die Europäische Staatsanwaltschaft angesprochen worden. Auch da haben wir Maßnahmen gesetzt: Nachbesetzungen, Ausschreibungen und Besetzung des interimistischen Direktors. Wir sind in die Richtung gegangen – wie Sie richtigerweise angesprochen haben –, dass es nun darum geht, auch den General­staatsanwalt der Eppo, sprich der Europäischen Staatsanwaltschaft, zu nominieren. Dabei bin ich ganz dem gefolgt, was Sie für richtig erachtet haben, nämlich dass Öster­reich Frau Kövesi unterstützt, die im Auswahlverfahren die Beste war und die gezeigt hat, dass sie Rückgrat hat und sicherlich in der Lage wäre, jene Erwartungen, die man an die Europäische Staatsanwaltschaft hat, im bestmöglichen Ausmaß zu erfüllen.

Ein Thema ist auch die Kindesentführung; Sie haben ein Beispiel aus Graz gebracht. Genau das, was in der Vergangenheit möglich war, nämlich Verfahren im Bereich der Kindesentführung aufgrund der grenzüberschreitenden Aktivitäten über Jahre hinzuzie­hen, ist nun weg. Wir haben ein Einvernehmen erzielt. In Zukunft werden – das ist fest­gelegt – die Verfahren innerhalb von 18 Wochen abzuschließen sein, und die Vollstre­ckung wird innerhalb von sechs Wochen zu bewerkstelligen sein.

Wir haben in diesem Bereich – weil wir schneller und effizienter werden müssen, auch für Unternehmen – die Revision der europäischen Beweisaufnahmeverordnung und der europäischen Zustellungsverordnung vorangetrieben, weil es in Zukunft möglich sein soll, direkt und nicht mehr über Behörden zuzustellen, das sehr viel Bürokratie verursacht hat.

Ein weiterer Punkt, auch in Österreich, geht in Blickrichtung Digitalisierung der Justiz. Da die österreichische Justiz im Bereich der Digitalisierung beispielgebend ist, ist es uns gelungen, die e-Justice-Strategie 2019 bis 2023 abzuschließen, und zwar auch in die Richtung, dass wir in Europa einheitliche Standards schaffen wollen. Wir haben zudem ein Programm mit 26 Punkten festgelegt, mit dem die Digitalisierung in Europa vorangetrieben wird.

Betreffend das zweite Thema Stärkung des Wirtschaftsstandortes und des digitalen Binnenmarktes haben wir es zustande gebracht, die Insolvenzrichtlinie, sprich eine zweite Chance für die Unternehmen, zum Abschluss zu bringen. Das heißt, wenn ein redliches Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten kommt, kann diesem auch inner­halb einer bestimmten Zeitspanne geholfen werden, weil damit die Arbeitsplätze si­chergestellt bleiben und das Unternehmen wieder lebensfähig sein wird.

Dass das ein Thema ist, zeigt der Umstand, dass in Europa allein pro Jahr rund 200 000 Insolvenzen Platz greifen und dadurch 1,7 Millionen Arbeitsplätze verloren ge­hen. Durch diese Maßnahme werden wir Arbeitsplätze sichern und redlichen Unterneh­men eine neue Chance geben können.

Darüber hinaus haben wir zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes erfolgreich Verhand­lungen zur Modernisierung von Urheber-, Gesellschafts- und Vertragsrecht geführt. Das ist derzeit auf der europäischen Ebene noch anhängig. Uns war es – gerade, was das Urheberrecht betrifft – wichtig, darauf zu drängen, als Honest Broker aufzutreten und im Bereich des Internets dafür Sorge zu tragen, dass auf der einen Seite geistiges


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 59

Eigentum geschützt wird und auf der anderen Seite Informationen beispielsweise für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stehen.

Ein weiterer Punkt war die Digitalisierung des EU-Gesellschaftsrechtes. In Zukunft wer­den den Unternehmen von der Gründung bis zur Auflösung digitale Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese Richtlinie konnten wir zu Ende bringen, genauso wie die Ver­ordnung über die Wahrung von Urheberrechten in Bezug auf bestimmte Onlineüber­tragungen von Rundfunkanstalten. Letzteres heißt, dass auch diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die sich im Ausland aufhalten, die Möglichkeit haben, auf die TVthek zuzu­greifen.

Ein weiterer Punkt, den wir angegangen sind, war die Richtlinie zur grenzüberschrei­tenden Sitzverlegung, Verschmelzung und Spaltung. Da sind wir auch sehr weit voran­geschritten, sodass das auch abgeschlossen werden kann.

Sie haben auch das Thema Onlinehandel angesprochen: Wie schaut das aus? – Wir haben zwei Richtlinien: auf der einen Seite die Warenhandelsrichtlinie und auf der an­deren Seite die Digitale-Inhalte-Richtlinie. Es ist uns da gelungen, ein Einvernehmen herzustellen und die zwei Richtlinien in solch einer Form zu verschmelzen, dass eben nicht betreffend die Gewährleistungsfrist und die Beweislastumkehr unterschiedliche Regelungen vorliegen. Das heißt, was ursprünglich beabsichtigt gewesen ist, wenn Sie ein Smartphone besitzen, wäre die Hardware der Warenhandelsrichtlinie unterlegen und die Software der Digitalen-Inhalte-Richtlinie mit anderen Gewährleistungsfristen. Das ist nun weg, das haben wir harmonisiert. Das ist ein Schritt, bei dem erstmals für die Konsumenten Gewährleistungsfristen und Haftungen im digitalen Bereich festge­legt worden sind. Das ist ein wichtiger Schritt gerade jetzt, damit die Konsumenten im Zuge der Digitalisierung nicht zu kurz kommen.

Sie haben auch den New Deal for Consumers und die Verbandsklagen angesprochen: Auch diese Verhandlungen haben wir mit Nachdruck vorangetrieben. Da die Positionen der einzelnen Länder nicht vorgelegen sind, haben wir sie zwei Mal aufgefordert, uns diese darzustellen. Bei einigen Kapiteln haben wir bereits einen Redraft gemacht, da­mit die tatsächliche Vorlage schneller fertiggestellt werden kann. Ich bin auch schriftlich an den rumänischen Amtskollegen herangetreten und habe ihn ersucht, dieser Vorlage eine besondere Wichtigkeit zu geben. Man sieht also, dass wir in diesem Bereich sehr wohl tätig gewesen sind und uns nicht zurückgelehnt haben.

Ganz kurz zum Thema Nachbarschaftspolitik – weil Herr Bundesrat Längle das ange­sprochen hat –, zu dem wir schon einiges ausgeführt haben. Gerade der Westbalkan ist mir ein großes Anliegen. Ich war vor Kurzem zum Beispiel mit der albanischen Jus­tizministerin zusammen, und wir haben ein Memorandum of Understanding unterfertigt: Es ist in Zukunft vorgesehen, dass wir ihnen mit unseren Ressourcen helfen, schneller näher an die EU herankommen zu können.

Mit Serbien habe ich vor Kurzem eine Vereinbarung getroffen, um verstärkt „Haft in der Heimat“ durchzuführen. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis Mai ausar­beiten wird, in welchen Bereichen wir verstärkt oder schneller Abschiebungen durch­führen können.

Auch mit den anderen Ländern des Westbalkans sind wir in ständigem Kontakt und versuchen, dort unser Know-how einzubringen. Warum? – Damit wir diese Länder schneller an uns heranführen und insbesondere deren Rechtsstaatlichkeit sichern kön­nen, um Probleme, die im Bereich der Sicherheit auftreten können, schneller in den Griff zu bekommen.

Ich habe nur einen Teil dessen aufgezählt, was wir gemacht haben, aber Sie sehen, dass es wichtig ist, das auch zu kommunizieren, es gerade auch für unsere Bürge­rinnen und Bürger vor der EU-Wahl sichtbar zu machen, wie wichtig es ist, in diesem


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 60

Bereich zu agieren, ihnen zu zeigen, dass Europa Vorteile für jeden Einzelnen bringt und dass wir Probleme bezüglich Sicherheit, Wirtschaftsstandort und dergleichen nur lösen können, wenn wir auf Dialog setzen, wenn wir bereit sind, auf den anderen zu­zugehen. So haben wir, glaube ich, sicherlich die Möglichkeit, unseren Sozialstaat und die österreichische Demokratie weiter zu stärken.

Ich möchte mich abschließend noch einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses bedanken – das ist ihre Arbeit, die da eingeflossen ist – und auch bei meinen Partnern auf europäischer Ebene. Ich glaube, es ist ein gutes Aushängeschild für Österreich, dass wir gezeigt haben: Wir haben unsere nationalen Bedürfnisse, aber auch ein gemeinsames Europa im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger vertreten. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.05

12.05.31


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.05.523. Punkt

Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2017 (III-655-BR/2018 d.B. sowie 10133/BR d.B.)

4. Punkt

Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2017 (III-662-BR/2018 d.B. sowie 10134/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 3 und 4, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu beiden Punkten ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Ich bitte um die Berichte.


12.06.12

Berichterstatter Robert Seeber: Hohes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Tä­tigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes für das Jahr 2017 zur Kenntnis bringen.

Er gliedert sich in: Allgemeines, Personelle Struktur des Verfassungsgerichtshofes, Ge­schäftsgang, Veranstaltungen und internationale Kontakte, Medienarbeit und Bürger­service, Statistiken. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den vorliegenden Bericht des Verfas­sungsgerichtshofes für das Jahr 2017 zur Kenntnis zu nehmen.

Weiters komme ich zum Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2017.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 61

Da geht es um: Allgemeines, Personalstruktur, Geschäftsgang, Sitz und Infrastruktur, Judikaturdokumentation, Aus der Rechtsprechung, Kontakte und Informationsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene, Service und Kontakt.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher ebenfalls zur An­tragsstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den vorliegenden Bericht des Verwal­tungsgerichtshofes für das Jahr 2017 zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste gelangt Frau Bundesrätin Klara Neurauter zu Wort. Ich erteile es ihr.


12.07.42

Bundesrätin Klara Neurauter (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Der Ver­fassungsgerichtshof ist ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof eine Säule unserer De­mokratie und unseres Rechtsstaates. Deswegen ist es wichtig, dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ich bitte bereits an dieser Stelle um Verständnis dafür, dass ich einige trockene Zahlen vortra­gen muss, weil sie einfach zum Verständnis nötig sind.

Es handelt sich um den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2017. Diesem kann man entnehmen, dass die Zahl der neu anhängigen Fälle beim Verfassungsgerichtshof das dritte Jahr in Folge gestiegen ist – gegenüber 2016 ein Plus von fast 30 Prozent, gegenüber 2014 sogar ein Plus von knapp 70 Prozent. Insgesamt wurden 5 047 Verfahren im Jahr 2017 neu anhängig, was um exakt 28,75 Prozent mehr als 2016 ist, wobei ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Fälle wieder auf Asylrechtssachen entfallen ist. Interessanterweise ist aber auch die Zahl der Fälle aus dem Glücksspielbereich gestiegen, nämlich auf 736. In der Verfas­sungsausschusssitzung hörten wir vorgestern, dass schon im letzten Jahr, also im Jahr 2018, ein Rückgang der Asylrechtssachen zu konstatieren war und dass man auch damit rechnet, dass sich die Zahl der Fäll aus dem Glücksspielbereich vermin­dern wird.

Trotz dieser Rekordzahl an Erledigungen stieg aber auch die Zahl der zu Jahresende offen gebliebenen Fälle weiter an. Auf die durchschnittliche Dauer der Verfahren hatte jedoch der steigende Beschwerdeanfall dankenswerterweise keine Auswirkungen – es wurde nämlich der im internationalen Vergleich ohnehin schon beachtliche Wert noch einmal verringert.

Wenig geändert hat sich an der Erfolgsquote der Beschwerden. Nur in 284 Fällen, also in 6 Prozent der Fälle, gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerde­führers beziehungsweise der Beschwerdeführerin statt. Demgegenüber stehen 115 Ab­weisungen, 241 Zurückweisungen und 2 073 Ablehnungen. Insgesamt konnte der Ver­fassungsgerichtshof in diesem Jahr 4 719 Verfahren abschließen.

Im Zuge der 320 Gesetzesprüfungsverfahren nahm der Verfassungsgerichtshof 124 Nor­men unter die Lupe. Davon wurden aber lediglich 19 zumindest teilweise aufgehoben, vorrangig aufgrund von amtswegigen Prüfungen und Gerichtsanträgen. Lediglich in zwei Fällen waren sogenannte Parteienanträge erfolgreich. 105 Gesetze hielten also der Prüfung stand, was, glaube ich, der Gesetzgebung ein sehr gutes Zeugnis aus­stellt, was wir auch in der Diskussion in der Ausschusssitzung haben hören können.

Ich möchte nun einige wenige Beispiele aus den Entscheidungen hervorheben, die vielleicht damals in der Öffentlichkeit und in den Medien schon breitgetreten worden


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 62

sind. Sie erinnern sich, dass vom Verfassungsgerichtshof unter anderem die Beschrän­kung der Ehe auf Paare verschiedenen Geschlechts aufgehoben wurde, nicht zuletzt angesichts des Umstandes, dass mittlerweile in beiden Fällen Elternschaft möglich ist, deswegen lasse sich eine Differenzierung in zwei Rechtsinstitute, nämlich Ehe und ein­getragene Partnerschaft, heute nicht mehr aufrechterhalten. Die entsprechenden Be­stimmungen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch sind Ende des Jahres 2018 au­ßer Kraft getreten.

Gekippt hat der Verfassungsgerichtshof auch eine Entscheidung des Bundesverwal­tungsgerichts zur dritten Piste am Flughafen Wien-Schwechat. Ebenso haben einzelne Bestimmungen im Einkommensteuergesetz, im Staatsbürgerschaftsgesetz und im Ge­richtsgebührengesetz der Prüfung nicht standgehalten. Teilweise aufgehoben wurden überdies die Bettelverbote in Bregenz und in Salzburg.

Die damals öffentlich und medial diskutierte gesetzliche Enteignung des Geburtshau­ses von Adolf Hitler in Braunau und das von der Opposition angefochtene Polizeiliche Staatsschutzgesetz werteten die Verfassungsgerichtshofrichterinnen und -richter hin­gegen als verfassungskonform. Das Gleiche gilt für den Ausschluss subsidiär Schutz­berechtigter von Leistungen der Mindestsicherung bei gleichzeitig gewährleisteter Grundversorgung. Auch gegen das Verbot des Versandhandels mit E-Zigaretten, der Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer, die Privilegierung neu gegründeter GesmbHs in Bezug auf das Mindeststammkapital und die Untersagung von Bestpreis­klauseln bei Buchungsplattformen machten sie keine Einwände geltend.

Gerechtfertigt ist nach Auffassung des Gerichtshofes außerdem, dass die im Partei­engesetz normierten Offenlegungs- und Rechenschaftspflichten auch für kleine Partei­en gelten, die nicht an Wahlen teilnehmen. In Abweichung von der bisherigen Judikatur wertete er auch die Ermächtigung von Verwaltungsbehörden zur Verhängung hoher Geldstrafen grundsätzlich als zulässig.

Wie schon eingangs erwähnt ist die durchschnittliche Verfahrensdauer weiterhin be­merkenswert niedrig. Trotz des zusätzlichen Geschäftsanfalls konnte die Verfahrens­dauer 2017 sogar noch einmal reduziert werden: Nur 140 Tage und somit weniger als fünf Monate benötigte der Verfassungsgerichtshof im Schnitt vom Eingang einer Rechtssache bis zur Abfertigung der Entscheidung. Noch schneller wurden mit durch­schnittlich 78 Tagen die in der allgemeinen Aufstellung nicht berücksichtigten Asyl­rechtssachen erledigt.

Sicherlich tragen auch der Elektronische Akt und organisatorische Maßnahmen zur Be­schleunigung bei, wobei eine Verstärkung des nicht richterlichen Personals die Ar­beitsbelastung mindern und zu kurzen Verfahrensdauern beitragen könnte. Diese per­sonelle Verstärkung, die der Verfassungsgerichtshof schon seit einiger Zeit erbittet, wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung der ausgezeichneten Arbeit des Höchstge­richts.

Ich komme noch zu den anhängigen Fällen zum Jahresende, deren Zahl auch deutlich gestiegen ist. Ein offener Fall zu Beginn des heurigen Jahres war noch aus dem Jah­re 2015 anhängig, 15 Fälle datieren aus 2016. In diesem Zusammenhang gibt der Ver­fassungsgerichtshof aber zu bedenken, dass die Beschleunigung der Erledigung von Asyl- und Fremdenrechtssachen beim Bund und auch bei den Ländern zu einer Kos­tenersparnis in Millionenhöhe im Bereich der Grundversorgung führt.

Der Bericht ist der erste, der unter der neuen Präsidentin, Frau Dr. Brigitte Bierlein, er­stellt wurde. Die Nachfolgerin des langjährigen Präsidenten Gerhart Holzinger steht seit Ende Februar 2018 an der Spitze des Höchstgerichts. Ich möchte ihr, aber auch al­len Richterinnen und Richtern sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre wertvolle Tätigkeit danken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 63

Wie wir der Debatte in der Verfassungsausschusssitzung entnehmen konnten, wird nämlich trotz der angespannten Personalsituation mit allen Möglichkeiten daran gear­beitet, die Verfahrensdauer so kurz wie möglich zu halten. Wir haben auch einen kur­zen Hinweis der Frau Präsidentin erhalten, dass 2018 die durchschnittliche Verfah­rensdauer noch einmal vermindert werden konnte, was schon eine bemerkenswerte Sache ist.

Vielen Dank für den informativen Bericht und noch einmal herzlichen Dank für die aus­gezeichnete Arbeit. Der Verfassungsgerichtshof rechtfertigt das Vertrauen der Men­schen in unser Rechtssystem in höchster Weise. So bitte ich, dem Antrag zuzustim­men, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.16


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr dieses.


12.16.51

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident Koller! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, ich kann nahtlos an die Ausführungen der Frau Kollegin Neurauter anschließen, die die Berichte ja auch inhalt­lich detailliert dargestellt hat.

Ich möchte meinen Ausführungen den Dank an die Bediensteten des Verfassungsge­richtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes voranstellen. Ich möchte auch für diese großartige Arbeit Danke sagen, für die gewissenhafte Prüfung oft unter schwierigsten Rahmenbedingungen. Dass es nun gelungen ist, die Verfahrensdauer im Rahmen zu halten, ist wirklich sehr beachtlich, dem gebührt auch unser Respekt und unsere Aner­kennung.

Eine entsprechende Verfahrensdauer ist ein Wesenselement eines fairen Trials, also eines fairen Verfahrens, und damit eines Menschenrechtes nach Artikel 6 der Men­schenrechtskonvention. Die Grundvoraussetzung, damit das auch möglich ist, ist eben eine adäquate personelle Ausstattung der Gerichte über alle Instanzen hinweg gese­hen, von den Bezirksgerichten bis hin zu den Höchstgerichten. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist ebenso eine rechtsstaatliche Verpflichtung. Wie wir alle wissen, steht und fällt die Qualität der Rechtsprechung mit dem Ausbildungsniveau des richterlichen wie auch des nicht richterlichen Personals, denn alle bei Gericht tätigen Personen tragen dazu bei. Es hat da zum Teil auch Verbesserungen gegeben und es wurden auch einige lo­bende Erwähnungen gemacht; so wurde das Ausbildungsniveau des wissenschaftli­chen Personals beispielsweise beim Verwaltungsgerichtshof lobend erwähnt. Es sind also durchaus positive Schritte in die richtige Richtung gesetzt worden. Wie gesagt muss das aber bei allen Instanzen gewährleistet sein.

Dann komme ich schon auf die Problemzonen zu sprechen, und zwar, um einen Be­reich herauszugreifen, der besonders sensibel ist, auf die Asylverfahren. Bei diesen ist schon noch Luft nach oben. Wir sind ja gerade in letzter Zeit auch mit teilweise atem­beraubenden Urteils- und Entscheidungsbegründungen konfrontiert worden. (Zwi­schenruf des Bundesrates Längle.) Es war ja wirklich, kann ich nur sagen, atemberau­bend, wenn nicht gar skandalös, was da teilweise in den Urteilsbegründungen stand.

Dementsprechend hoch sind auch die Beschwerdequote und die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges in diesem Bereich. Das Ausbildungsniveau schon bei den unteren Ent­scheidungsinstanzen zu heben, würde der Qualität der Rechtsprechung insgesamt na­türlich sehr, sehr gut tun und die Höchstgerichte entsprechend entlasten.

Keinesfalls darf aber der Zugang zu den Höchstgerichten eingeschränkt werden, wobei es schon ein bisschen befremdlich war, dass im Ausschuss von Mandataren der Re-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 64

gierungsfraktionen durchaus auch mit dieser Vorgangsweise – eben Einschränkung des Zugangs zu Höchstgerichten – geliebäugelt wurde. Dies wurde aber erfreulicher­weise auch von den Präsidentinnen, also von der Präsidentin des Verfassungsgerichts­hofes und auch von der Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofes, unverzüglich zurückgewiesen. Da ersuche ich, mit entsprechendem Bedacht vorzugehen. Der Zu­gang zum Rechtsweg bis in die höchsten Instanzen darf keinesfalls eingeschränkt werden, denn es wäre wirklich ein Bruch mit rechtsstaatlichen Verpflichtungen, und das werden wir keinesfalls zulassen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Der Gedankenaustausch im Verfassungsausschuss mit den Vertreterinnen von Verfas­sungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof war wirklich sehr, sehr aufschlussreich. Ich habe die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes im Ausschuss auch gefragt, wie sie sich die geringe Aufhebungsquote der insgesamt 320 Gesetzesprüfungsverfah­ren erklärt. Insbesondere die Parteianträge, 71 an der Zahl, waren nicht sehr erfolg­reich. Es sind ja nur zwei erfolgreich gewesen, indem sie zumindest teilweise aufgeho­ben wurden. Wir sprechen – das muss ich dazusagen – vom Berichtszeitraum 2017. Sie wissen, wer da politische Verantwortung großteils und auch im Vorfeld getragen hat. Dazu hat Präsidentin Bierlein gemeint, das liege an der hohen Qualität der Gesetz­gebung.

Wie gesagt, wir sprechen vom Berichtszeitraum 2017, für welchen den Verantwortli­chen in der Gesetzgebung ein sehr, sehr gutes Zeugnis ausgestellt wurde. Natürlich stellt man sich dann die Frage: Wie kann oder könnte diese hohe Qualität der Gesetz­gebung aufrechterhalten werden und wie könnte sie im Idealfall auch noch ausgebaut werden? – Dazu hat Präsidentin Bierlein den übrigens dringenden Wunsch geäußert, Gesetze in jedem Fall einer Begutachtung zu unterziehen und eine breite Expertise schon im Gesetzwerdungsprozess einfließen zu lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber was, meine sehr geehrten Damen und Herren, erleben wir in der Gegenwart? – Einen Initiativantrag nach dem anderen! Es werden da Gesetzesvorhaben am Begut­achtungsverfahren vorbeigeschleust (Bundesrat Bader: Das hat die SPÖ nie gemacht, gell?!), und zwar immer dann, wenn man sich offensichtlich vor Kritik fürchtet. Es gibt unzählige Beispiele, das passiert in einer Fülle und Regelmäßigkeit (Bundesrat Bader: Das hat die SPÖ nie gemacht?!), in einer Fülle und Regelmäßigkeit, sage ich Ihnen, Herr Klubobmann, dass das schon System zu sein scheint oder zu werden scheint. (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist rechtsstaatlich, das ist demokratiepolitisch in höchstem Maße bedenklich. Schauen wir uns die Beispiele an, vor allem im Sozialrecht, im Sozialversicherungs­recht: die Ausgabenbremse, die Zerschlagung des Sozialversicherungssystems – es sind viele Beispiele –; im Arbeitsrecht, im Arbeitszeitgesetz: 12-Stunden-Tag, 60-Stun­den-Woche; im Ökostromgesetz, und, und, und. Die Liste ist ja schon fast endlos. (Bundesrat Samt: Das ist eine Themenverfehlung, Frau Kollegin!) – Nein, das ist keine Themenverfehlung. Es geht um die Qualität der Gesetzgebung, und die ist Thema in diesem Bericht. Präsidentin Bierlein hat ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie genau diesen Wunsch und diese Erwartung an uns als Gesetzgeber hat, Herr Kol­lege Samt. (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie sich den Bericht an, schauen Sie sich das Protokoll des Verfassungsaus­schusses an! Vielleicht nehmen Sie einmal Kontakt mit der Präsidentin auf, sie wird es Ihnen auch noch persönlich sagen (Bundesrat Samt: Es reicht mir schon, was ihr die letzten Jahre gemacht habt, Frau Kollegin!), und dann reden wir weiter. Bitte nehmen wir unsere Verantwortung als Gesetzgeber wirklich ernst! (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Samt.) Dazu gehört es wirklich, Gesetze ausführlich zu prüfen, Meinun­gen einzuholen und entsprechend verantwortungsbewusst vorzugehen. Kein Weg kann


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 65

es sein, wie ihn Ihr Innenminister Kickl vorschlägt (Bundesrat Samt: So wie ihr das immer gemacht habt, Frau Kollegin!), indem er meint, dass das Recht der Politik folgen soll und nicht umgekehrt. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrat Bader: Na, wer macht denn die Gesetze?) – Ja, Sie kennen diese Aussage, die da getätigt wurde und die rechtsstaatlich ebenso äußerst bedenklich ist.

Hier sage ich: Bitte wehret den Anfängen! Wir leben in einem Rechtsstaat (Bundesrat Samt: Das ist ungeheuerlich, Frau Kollegin, eine Schande für die ...!) und diesen Rechtsstaat müssen wir alle gemeinsam verteidigen, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Uns fällt es nicht schwer, denn wir stehen auf dem Boden des Rechtsstaates und der Demokratie. (Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und SPÖ.)

In diesem Sinne: Nehmen Sie bitte diesen Bericht ernst, und ziehen wir die richtigen Schlüsse daraus! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile es ihm.


12.26.11

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuschauer auf der vollgefüllten Galerie und vor den Bildschirmen! Ich gehe jetzt gar nicht beson­ders auf das ein, was Frau Kollegin Grossmann alles von sich gegeben hat. Zusam­mengefasst kann man sagen: Die SPÖ lebt ganz offensichtlich in einer Pippi-Lang­strumpf-Blase. Ich weiß nicht, in welcher Ausschusssitzung Sie waren, aber ganz nach dem Motto: Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt!, haben Sie Teile herausgenom­men und komplett aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben. So macht man keine ehrliche und redliche Politik! (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Eines vorweg: Die Tätigkeitsberichte des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichts­hofes aus 2017 weisen Ähnlichkeiten und auch wieder gravierende Unterschiede auf.

Ich beginne mit dem Verfassungsgerichtshof. Die Zahl der neu anhängigen Fälle, wie wir schon gehört haben, ist im Jahr 2017 bereits das dritte Mal in Folge gestiegen: ge­genüber 2016 ein Plus von 30 Prozent und gegenüber 2014 ein Plus von fast 70 Pro­zent. Da dürfte es wohl im Jahr 2015 irgendetwas gegeben haben, das ganz ent­scheidend dafür war, dass wir jetzt so viele neue Verfahren haben. Obwohl es eine Rekordzahl an Erledigungen gab, stieg zu Jahresende die Zahl der offengebliebenen Fälle weiter an. Trotz dieses ansteigenden Aufkommens an Beschwerden ist positiv zu erwähnen, dass das auf die durchschnittliche Dauer der Verfahren keine Auswirkungen hatte, weil wir im internationalen Vergleich schon einen sehr guten, einen beachtlichen Wert haben, der noch einmal von 143 Tagen auf 140 Tage gesenkt werden konnte. Der VfGH benötigt im Schnitt vom Eingang einer Rechtssache bis zur Abfertigung der Entscheidung wie gesagt 140 Tage. Als Vorgriff auf 2018 wurde uns im Ausschuss bereits gesagt, dieser Wert wird im Bericht 2018 noch weiter gesunken sein, nämlich auf unglaubliche 112 Tage. Das ist wirklich ein exorbitant guter Wert.

Insgesamt wurden 2017 5 074 Verfahren beim VfGH neu anhängig. Ein überdurch­schnittlich hoher Prozentsatz der Fälle, nämlich 45 Prozent, entfiel dabei auf Asyl­rechtssachen. Da muss ich ein bisschen korrigieren, Kollegin Neurauter, es wird schon auch im Jahr 2018, haben Sie gesagt, einen leichten Anstieg geben, aber er wird nicht mehr so stark sein. – Im Bericht 2018 wird er auf 55 Prozent steigen. Damit werden dann über 50 Prozent bereits Asylrechtssachen sein, mit denen sich der Verfassungs­gerichtshof beschäftigen muss.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 66

Nur wenig geändert hat sich an der Erfolgsquote der Beschwerden – das haben wir auch schon gehört –, im Schnitt 5 bis 6 Prozent die letzten Jahre hindurch. Insge­samt – und auch das ist eine wirkliche Erfolgsbilanz des Verfassungsgerichtshofes – konnten 4 719 Verfahren abgeschlossen werden. Zum Jahresende waren noch 1 329 Fälle anhängig. Im Vergleich zum Jahr davor waren es noch 1 001.

Was im Ausschuss erwähnt wurde, ist, dass der Verfassungsgerichtshof sehr dankbar dafür ist, dass er immer wieder Unterstützung aus den Bundesländern erhält, und zwar in Form von Personal – für meist sechs Monate bis hin auch zu einem Jahr –, das ver­fassungsrechtlich geschult ist. Diese Zusammenarbeit mit den Ländern – das sind drei bis vier Mitarbeiter – klappt sehr gut und ist für beide Seiten eine Win-win-Situation, weil es auf der einen Seite eine großartige Unterstützung für den Verfassungsgerichts­hof ist, diese Mitarbeiter aber natürlich auch eine tolle Erfahrung machen, viel lernen und dieses Wissen, das sie sich dabei aneignen, in die Bundesländer mitnehmen können.

Zum Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes: Auch da stieg die Zahl der an­hängigen Verfahren seit 2014 kontinuierlich an und auch da muss anscheinend 2015 irgendetwas ganz Entscheidendes vorgefallen sein. Im Unterschied zum Bericht des Verfassungsgerichtshofes stöhnt der Verwaltungsgerichtshof laut dem Bericht für 2017 unter der enormen Arbeitsbelastung. Das war auch in den Jahren zuvor schon der Fall, und es wurde immer wieder um mehr Personal gebeten. Ein Vorgriff auf 2018, meine Damen und Herren: Diese Regierung hat gehandelt, denn es wurden im Jahr 2018 zwei Planstellen im richterlichen Bereich und zwei Planstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter geschaffen. Ein Dankeschön an diese Regierung! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es stehen im Bericht 7 315 neuen Verfahren 6 633 Erledigungen gegenüber. Im Ver­gleich: 2016 waren es noch 5 100 und 2015 4 600 neue Verfahren. Ganz klar ersicht­lich ist, aus welcher Ecke diese extreme Mehrbelastung kommt. Allein im Asylbereich gab es 2 321 Fälle. Im Vergleich: 2016 waren es 1 580, also sind das um 741 Verfah­ren mehr.

Wie vorhin von Kollegin Neurauter erwähnt, gab es in diesem Jahr auch im Bereich des Glücksspiels einen Ausreißer. Damit hat niemand gerechnet. Es gab wirklich viele Fälle, und wie auch der Verfassungsgerichtshof hat der Verwaltungsgerichtshof eine Steigerung zur Kenntnis nehmen müssen. Das flacht aber im Bericht 2018 wieder ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat insofern auf diese Steigerung reagiert, als er im Be­reich des Glücksspiels, wie bereits zuvor im Bereich des Asylrechts, einige Teams mit wissenschaftlichen Mitarbeitern zur Unterstützung der Richter zur Verfügung gestellt hat. Positiv in diesem Bericht des Verwaltungsgerichtshofes ist die Zahl der im Jahr 2017 erledigten Verfahren, die mit 6 633 ausgewiesen und wirklich eine Topleistung sind. Sie ist eine signifikante Steigerung gegenüber 2016.

Ich will Sie jetzt zwar nicht weiter mit Zahlen ermüden, weil ich merke, einige hören nicht mehr so genau zu (Zwischenrufe bei der ÖVP), aber auf die durchschnittliche Verfahrensdauer hatte der Anstieg der Verfahren keine Auswirkungen. Sie konnte, bedingt durch die hohen Erledigungszahlen, im Gegenteil sogar noch weiter gesenkt werden und lag im Verwaltungsgerichtshof im Jahr 2017 durchschnittlich bei 4,6 Mona­ten. Die Chance für Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof ist ein biss­chen besser geworden: Es wurde 973 Beschwerdeführern ganz oder teilweise recht gegeben. Neben dem Asylbereich – und diese Zahlen sind jetzt wieder wichtig –, näm­lich 2 321 Fälle, dem Glücksspielrecht, 976 Fälle, dem Fremdenrecht, 564 Fälle, betra­fen die häufigsten Verfahren im Jahr 2017 die Bereiche Abgaben, Baurecht, Bodenre­form, Arbeitsrecht sowie Straßenverkehrsordnung und Kraftfahrgesetz.

Zusammengefasst kann man sagen: In beiden Berichten ist die Handschrift – und das geht jetzt eindeutig in Richtung SPÖ – der unkontrollierten Massenzuwanderung aus 2015


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 67

ganz klar herauslesbar. Sehr interessant: Der Verfassungsgerichtshof selbst gibt zu bedenken, dass jede Beschleunigung der Erledigung von Asyl- und Fremdenrechtssa­chen beim Bund und in den Ländern zu einer Kostenersparnis im Bereich der Grund­versorgung in Millionenhöhe führt, denn nicht zu vergessen sind die hohen Kosten, die all diese Verfahren auch bei den Gerichtshöfen verursachen. Dies sei vor allem jenen ins Stammbuch geschrieben, die sich immer ans Rednerpult stellen und sagen, dass die Mindestsicherung der einzige Kostenfaktor ist und es ja nur um ein paar Millionen Euro geht. Nein, es ist nicht so! Genau jenen, die uns immer raten, wir sollen über den Tellerrand schauen, aber selbst mit Scheuklappen durchs Leben galoppieren, sei das ins Stammbuch geschrieben. (Beifall bei der FPÖ.)

In Wahrheit setzen sich die Gesamtkosten im Asylbereich aus vielen einzelnen Fakto­ren zusammen. Das wollen einige auf dem linken Auge Erblindete in dieser Republik nicht sehen und diese Wahrheit auch nicht akzeptieren. Schön, wenn hier sogar einmal der Verfassungsgerichtshof vor den Vorhang bringt, was Sache ist. Die Zahlen spre­chen Bände und sie sprechen für sich. Noch dazu, wenn wir aus dem Bericht des Ver­waltungsgerichtshofes erfahren, dass weit mehr als 80 Prozent auch noch Verfah­renshilfe bekommen. Das heißt, das sind ebenfalls Kosten, die wir tragen, und da rede ich noch gar nicht von den vielen Nebengeräuschen, die es gibt, zum Beispiel, wenn ein Dolmetscher angestellt werden muss und, und, und. Das zahlen nämlich auch alles wir, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Stellvertretend für die freiheitliche Fraktion bedanke ich mich bei allen, die an diesen beiden Berichten mitgearbeitet haben, und auch bei allen Mitarbeitern beider Gerichts­höfe für ihr Engagement in der Vergangenheit und natürlich auch in der Zukunft. Wir werden diesen Bericht sehr gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.36


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Doris Schulz. Ich erteile ihr dieses.


12.36.45

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Herr Minister! Meine Kollegin Klara Neu­rauter hat über den Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofes berichtet. Ich wer­de das in ähnlicher Form über den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2017 tun. Der Verwaltungsgerichtshof garantiert den Anspruch der Bürgerin­nen und Bürger auf Rechtssicherheit im Umgang mit der Verwaltung. Als höchste Rechtsschutzinstanz stellt er das gesetzmäßige Handeln der Verwaltungsbehörden si­cher. Es geht um Vertrauen und um Sicherheit.

Der Tätigkeitsbericht für das Jahr 2017 wurde von der Vollversammlung des Verwal­tungsgerichtshofes am 27. April 2018 beschlossen. Er zeigt auf, dass 2017, im vier­ten Jahr des neuen Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit, etwa 7 300 neue Rechts­sachen angefallen sind. Das ist eine Steigerung von 43 Prozent gegenüber dem Vor­jahr. Ich wiederhole die Zahl: eine Steigerung von 43 Prozent; also die Arbeit ist fast um die Hälfte mehr geworden.

Aus den früheren Jahren waren zu Beginn des Jahres 2017 noch nahezu 2 100 Ver­fahren offen. Insgesamt konnten 2017 rund 6 600 Verfahren abgeschlossen werden. Zum Jahresende 2017 waren damit insgesamt etwa 2 800 Verfahren anhängig. Die Anzahl der zum Jahresende offenen Fälle ist gegenüber dem Vorjahr um circa 32 Pro­zent gestiegen. Interessant ist auch die durchschnittliche Verfahrensdauer der im je­weiligen Jahr enderledigten Verfahren. Das waren im Jahr 2014 10,6 Monate. Im Jahr darauf waren es 8,9 Monate. Im Jahr 2016 wurde ein Verfahren in 6,9 Monaten erledigt


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 68

und im Jahr 2017 hat sich die Verfahrensdauer auf 4,6 Monate verringert. In drei Jah­ren ist also die durchschnittliche Verfahrensdauer um die Hälfte gesenkt worden.

Die anfallbezogen häufigsten Materien im Berichtsjahr 2017 hat Kollege Spanring schon sehr genau aufgeführt. Da steht das Thema Asylrecht mit 2 321 Fällen ganz oben an der Spitze. Die Daten sind schon genannt worden, ich möchte sie nicht noch einmal wiederholen. Aber 2017 waren erstmals seit Einführung des neuen Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Anfallszahlen höher als die Erledigungszahlen. Das ist auf die vielen Anträge betreffend das Thema Asyl zurückzuführen.

Aufgrund der hohen Anfallszahlen findet im Verwaltungsgerichtshof eine Personalauf­stockung statt, und zwar wird seit 1. Juli 2018 bis Ende 2019 Personal aufgenommen, um den Rückstau der vielen Anträge rascher aufzuarbeiten. Um das auch gleich zu klären: Ob diese Personalaufstockung auch über das Jahr 2019 hinaus erforderlich sein wird, kann erst aufgrund der Entwicklung des kommenden Jahres abgeschätzt werden.

Danke an Präsident Dr. Rudolf Thienel und sein Team, das unermüdlich und sehr en­gagiert mit einer teilweise schwierigen, dafür aber sehr konsequenten Arbeit die vielen Fälle aufarbeitet und löst. Ich ersuche um Zustimmung für diesen Bericht und bedanke mich herzlich bei Justizminister Moser für seine Arbeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.41


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Dr. Josef Moser. Ich erteile ihm dieses.


12.41.07

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Herr Präsident des Bundesrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es sind in allen Redebeiträgen einerseits die Herausforderungen, mit denen die Höchstge­richte konfrontiert gewesen sind, als auch das Zahlengerüst dargestellt worden. Es wurde auf die Leistungsbilanz beider Gerichtshöfe eingegangen. Man kann diese Bi­lanz tatsächlich als Erfolgsbilanz betrachten, nicht nur aufgrund der Verfahrensdauer, die mehrmals angeführt worden ist, sondern auch aufgrund der Qualität, in welcher bei­de Gerichtshöfe ihre Arbeit geleistet haben.

Ich darf daher diese Gelegenheit nützen, mich stellvertretend bei den zwei Präsiden­ten, bei Frau Präsidentin Bierlein und gleichzeitig auch bei Präsident Thienel für ihre hervorragende und für das Funktionieren des Rechtsstaates unabdingbare Tätigkeit zu bedanken.

Da ein Berichtszeitraum umfasst ist, der auch noch die Arbeit einiger Mitglieder, die ausgeschieden sind, beinhaltet, möchte ich mich auch bei ihnen nochmals bedanken: beim bisherigen Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Dr. Holzinger, gleichzeitig auch beim ausgeschiedenen Herrn Senatspräsidenten Dr. Müller und bei Frau Rechts­anwältin Dr. Berchtold-Ostermann. Auch sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser Gerichtshof seine Aufgabe in bestmöglichem Ausmaß und mit höchster Reputa­tion erledigen konnte.

Es ist in der Debatte angesprochen worden, dass es bei den Gerichten enorme He­rausforderungen gibt, insbesondere wurde heute der Asylbereich angesprochen. Er betrifft sehr stark den Verwaltungsgerichtshof, wie wir gesehen haben, aber auch den Verfassungsgerichtshof und natürlich auch das Bundesverwaltungsgericht, wie es im Rahmen der Debatte aufgezeigt wurde. Es wird daher notwendig sein, in dem Bereich das Personal und die Ressourcen so zur Verfügung zu stellen, dass auch beim Bun­desverwaltungsgericht der Rückstand sehr rasch abgebaut werden kann. Gerade da-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 69

durch ist es möglich, Kosten in der Grundversorgung einzusparen und gleichzeitig rasch Rechtssicherheit zu schaffen.

In diesem Zusammenhang nochmals den beiden Gerichten herzlichen Dank für ihre Arbeit und herzlichen Dank an Sie, dass Sie diese Arbeit auch anerkannt haben! – Dan­ke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.43

12.43.12


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke schön, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht des Verfassungsge­richtshofes für das Jahr 2017.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichts­hofes für das Jahr 2017.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.44.095. Punkt

Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Jus­tiz über die in den Jahren 2012 bis 2017 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrundeliegende Verfahren beendet wurde (III-661-BR/2018 d.B. sowie 10130/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 5. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


12.44.34

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf den Bericht des Justizausschusses über den Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, über die in den Jahren 2012 bis 2017 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrundliegende Verfahren beendet wurde, zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich stelle daher folgenden Antrag:

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmen­einhelligkeit den Antrag, den Bericht des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Dr. Magnus Brunner. Ich erteile ihm dieses.


12.45.35

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M. (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die fünf Jahre, die dieser Bericht des Bundesministers über die erteilten Weisungen umfasst, betreffen


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 70

natürlich nicht unbedingt die Amtsperiode des jetzigen Herrn Bundesministers, trotz­dem ist es nicht uninteressant, sich die Zahlen anzuschauen.

54 Weisungen hat es in diesem Zeitraum gegeben, 25 Mal hat die Weisung auf Weiter­führung oder Einleitung eines Verfahrens gelautet, nur achtmal auf Einstellung des Verfahrens. Ich betone das deshalb, weil es oft zu einer Art Mystifizierung in diesem Bereich der Weisungen kommt. Es gibt also insgesamt nur eine sehr geringe Zahl an Weisungen, die auch alle immer vollumfänglich zur Kenntnis gebracht werden und da­durch zu einer sehr hohen Transparenz beitragen.

Der Herr Generalsekretär hat im Ausschuss auch berichtet, dass sich unter den letzten Justizministern nicht wirklich etwas geändert hat. Darin liegt nicht nur eine Kontinuität, sondern es wird ersichtlich, dass es auch immer sachlich und unpolitisch zu solchen Weisungen kommt. Überhaupt sind die Maßstäbe für solche Weisungen ja auch im Gesetz klar festgelegt, sodass die befürchtete politische Einflussnahme, die oft in Be­zug auf solche Weisungen argumentiert wird, durch viele Maßnahmen in den letzten Jahren eigentlich unmöglich gemacht wurde. Unter anderem hat der Vorgängerminister diesen Weisungsrat eingerichtet, der unabhängig, weisungsfrei und transparent arbei­tet und sicher auch zu einer Abnahme von politischer Einflussnahme beiträgt.

Die Anzahl der Weisungen ist im Vergleich zum letzten Bericht stark zurückgegangen – um ein Drittel –, das ist auch nicht uninteressant. Man könnte flapsig behaupten, dass die Qualität der Staatsanwälte besser geworden ist, aber der Herr Generalsekretär hat uns im Ausschuss schlüssig dargelegt, dass das nicht der Wahrheit entspricht, sondern dass solche Schwankungen über die Jahre reiner Zufall und eigentlich nicht wirklich er­klärbar sind.

Also: Der Bericht des Herrn Bundesministers, die Ausführungen des Herrn Generalse­kretärs im Ausschuss und hoffentlich auch die heutige Debatte werden dazu beitragen, dass es zu einer Art Entmystifizierung bei den Weisungen des Herrn Bundesministers kommt. Wir nehmen diesen Bericht daher sehr gerne zur Kenntnis. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.48


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Wanner. Ich erteile dieses.


12.48.20

Bundesrat Michael Wanner (SPÖ, Salzburg): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen und Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir haben es schon gehört, 2012 bis 2017 fällt nicht in Ihre Amtszeit. Mich und uns freut es aber, dass Sie im „Kurier“ am 20.1.2018 gesagt haben, dass Sie diesen Weisungsrat weiterführen. Ich glaube auch, so wie wir es in den Ausführungen zuvor gehört haben, dass das eine gute Sache ist, und wir begrüßen das.

Ich möchte aber die Daten, Zahlen, Fakten nicht wiederholen und nur auf zwei Punkte eingehen, sodass es zu keiner Legendenbildung kommt. Es wurde ja schon angespro­chen, dass die Weisungen nicht immer oder überhaupt nicht mit Qualität zu tun haben, sondern eher zufällig sind.

Ich schaue da jetzt eher in diese Richtung (in Richtung FPÖ deutend): Wenn man Wien sieht – da gibt es relativ viele Weisungen –, könnte eine Fraktion durchaus darauf kommen, dass Wien schlecht dasteht. Das tut es nicht, meine Damen und Herren! Wien ist eine der sichersten Städte dieser Welt, die zweitsicherste in Europa, mit der niedrigsten Kriminalität. (Beifall bei der SPÖ.) Das sei allen Kritikern von Wien ins Stammbuch geschrieben. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber alles relativ! – Bun­desrat Schuster: Fahren’S einmal mit der U6 ein bissl herum! – Heiterkeit bei der


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 71

FPÖ.) – Ausgearbeitete und nachgewiesene Sachen sind nicht relativ, das müssen lei­der auch Sie zur Kenntnis nehmen. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ja, Sie wer­den ohnedies nicht damit aufhören. Übrigens Gratulation an Wien – da wir gerade da­bei sind –: zum zehnten Mal die lebenswerteste Stadt auf dieser Welt! – Gratulation! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Auch relativ.

Inhaltlich möchte ich doch noch etwas sagen. Es ist schon bedenklich, dass sehr viele Ermittlungen und Weisungen den Bereich des Verbotsgesetzes betreffen. Das heißt auch, dass da doch einiges noch im Argen liegt, aber da wird ordentlich argumentiert, das freut uns.

Korruption und Amtsmissbrauch sind auch dabei. Weisungen betreffend Terrorismus und terroristische Vereinigungen – den IS – sind zwei dabei, und solche betreffend Verhetzung und Herabwürdigung von religiösen Lehren gibt es drei. Die SPÖ wird sich selbstverständlich zu diesem Bericht bekennen und ihn zustimmend zur Kenntnis neh­men.

Die Einführung des Weisungsrates ist unbedingt notwendig gewesen. Damit gibt es keinen politischen und parteipolitischen Einfluss mehr, und die größtmögliche Transpa­renz in diesem Bereich ist gegeben, zumal es ja einen Bericht an den Nationalrat und an den Bundesrat gibt (Ruf bei der FPÖ: Der weiß, von was er spricht!) und somit auch sachlich begründet werden muss. Dies wurde in den Fällen, die hier im Bericht sind, or­dentlich und ordnungsgemäß gemacht – das muss man echt sagen.

Wir von der SPÖ haben dem Weisungsrat zugestimmt, haben aber die Idee, dass es eine weisungsfreie, unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft geben könnte oder sollte, die dann als Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltlichen Behörden fungieren könnte. Ich bitte, einmal zu überlegen, ob das nicht noch ein weiterer Ausbau der Transparenz wäre und ist.

Abschließend: Die Anzahl der Weisungen hat sich, wie wir schon gehört haben, we­sentlich reduziert, die Erläuterungen sind nachvollziehbar und die Transparenz ist or­dentlich, sachlich dargestellt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.52


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Andreas Arthur Spanring. Ich erteile es.


12.52.33

Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen im Bundesrat! Werte Zuschauer auf der Galerie und vor den Bildschirmen zu Hause! Ganz kurz zu Kollegen Wanner: Ja, ich habe es auch gelesen, und es freut mich, dass Wien wieder zur lebenswertesten Stadt gewählt wurde. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich gratuliere dazu. Übrigens: Das kommt von Managern, die in Wien absteigen. Dort wird diese Studie gemacht. – Sehr interessant! (Zwischenruf des Bundesrates Wan­ner.) Gleichzeitig muss man auch wissen, dass direkt neben dem Artikel über die le­benswerteste Stadt gleich über die drei Messerstechereien der letzten drei Tage in Wien zu lesen war. (Rufe bei der SPÖ: Das ist Kriminalität!) Ich glaube, es ist immer eine Geschichte der Perspektive und des Blickwinkels, wie lebenswert man das findet.

Wo ich Ihnen recht geben muss, ist bei den 55 Prozent – die meisten Weisungen, die eben auf den Sprengel des Oberlandesgerichts Wien entfallen. Da ist gar nichts Mysti­sches dran, sondern das liegt einfach daran, dass knapp 50 Prozent aller Fälle in Wien abgehandelt werden. Also da gebe ich Ihnen recht, bei allem anderen ist es leider wie­der diese Pippi-Langstrumpf-Politik: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. – Gut. (Beifall bei der FPÖ sowie bei BundesrätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 72

Meine Damen und Herren, ich werde die Zahlen jetzt auch nicht wiederholen. Der Be­richt: So weit, so gut! Interessant bei der Geschichte der Weisungen ist vielmehr, was da immer wieder hineininterpretiert wird, nämlich dass es diese politische Einflussnah­me, von der wir vorher schon gehört haben, gibt. Da müssen auch wir in der Politik uns fragen, warum ein solcher Eindruck überhaupt entstehen kann. Von solchen Vorurtei­len sollte man sich selbst nicht ausnehmen. Manchmal kennt man eben nur Fragmente des Großen und Ganzen, und ein Gefühl in uns sagt uns, dass da etwas nicht ganz passen kann. Wir sehen dabei oft nicht, was tatsächlich alles dahintersteht und lassen uns natürlich oft auch durch Wortmeldungen einzelner Personen beeinflussen. So ehr­lich müssen wir jetzt auch sein.

Zum Thema Justiz: Dazu kommen in den letzten Jahren auch immer wieder Gerichts­urteile, die für uns als Laien oder als Außenstehende ganz einfach nicht oder nur sehr schwer nachvollziehbar waren. Ganz aktuell ist zum Beispiel das Kuhurteil, wonach ein Bauer 490 000 Euro Schadenersatz für einen, zugegeben, sehr tragischen Tod zahlen soll. Das soll nicht heruntergespielt werden. Das Urteil selbst löst in der Bevölkerung Kopfschütteln aus, und ich muss sagen, ich verstehe es auch nicht ganz. Ein weiteres ist das Urteil von Tulln, als zwei vermeintliche Vergewaltiger im Zweifel freigesprochen wurden. Natürlich wird draußen nicht unterschieden: Geht es da um privatrechtliche Verfahren, geht es um strafrechtliche Verfahren, handelt es sich um Offizial- oder Er­mächtigungsdelikte, oder ist das sogenannte Skandalurteil in Deutschland oder in Ös­terreich passiert? Das wird alles in einen Topf geworfen, und jeder zieht sich halt he­raus, was er für sich braucht.

Die Medien, meine Damen und Herren, tragen ihren Teil dazu bei. Es gibt leider nur mehr sehr wenig sachliche und objektive Berichterstattung. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Alles wird in den Medien inszeniert. Zum Thema Inszenierung: 95 Prozent Inszenierung! – Es war Herr Kern, der das selbst gesagt hat. Also in den Medien wird alles nur mehr inszeniert (Bundesrätin Schumann: ... doppelt so viel, wie die letzte Regierung!), so wie bei Hollywoodfilmen, bei denen es nur darum geht, mit noch mehr Special Effects den Oscar zu gewinnen; das heißt, alles zu tun, um die Auflagen zu steigern, oder wie es heute ist, um mehr Klicks zu bekommen, dass es öfters geteilt wird. – Immer nach dem Motto: Lauter, höher und weiter!

Aus all diesen Punkten, meine Damen und Herren, folgt dann, dass viele Menschen das Vertrauen in die Justiz verlieren, weshalb in weiterer Folge natürlich auch ent­steht – und jetzt wieder zurück zu den Weisungen –, dass man nun tatsächlich justiz­internen Personenkreisen zutraut, Einfluss auf Verfahren zu nehmen, um gewisse Ziele zu verfolgen, ohne dass darüber nachgedacht wird, dass jene Personen, die das tun, sich ja selbst ins Kriminal stellen würden.

Das ist ja nicht so, und ja, es gibt überall schwarze Schafe (Bundesrat Schuster: Rote auch! – Bundesrat Wanner: Und blaue!), das brauchen wir nicht zu bestreiten. Das gibt es bei Arbeitern, Angestellten, Ärzten, Exekutivbeamten, und auch in der Politik gibt es das. Gell, liebe SPÖ? Ihr wisst es genau: Wo Menschen handeln, da menschelt es. Liebe Frau Bundesrätin Mühlwerth, du hast es heute angesprochen: Auch mir fehlt jeg­liches Verständnis, wenn man bei einem Urteil den Eindruck gewinnt, dass Eigentums­delikte oftmals viel härter bestraft werden als Delikte gegen die körperliche Integrität, und auch darauf hat aber diese Regierung bereits reagiert, nämlich mit der Taskforce Strafrecht. Alles das ist im Laufen. Es wird die Aufgabe der Justiz und auch unsere Aufgabe als Politiker sein, das Vertrauen unserer Landsleute in unsere Justiz wieder zu stärken. Das können wir bei allen Meinungsunterschiedlichkeiten und Meinungsver­schiedenheiten, die wir haben, nur dann schaffen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 73

Der Bericht umfasst knapp 160 Seiten, und jeder Fall – natürlich ohne Namen – ist sehr genau dokumentiert. Diesem Bericht nach kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass das oftmals in Zweifel gezogene Recht beziehungsweise auch die Pflicht – es wird immer wieder vergessen, es ist ja auch die Pflicht –, den Staatsanwaltschaften Weisungen zu erteilen, mit bestmöglicher Transparenz gehandhabt wird, da all diese Weisungen in den jeweiligen Ermittlungsakt hineinkommen und den Parteien des Straf­verfahrens vollumfänglich zur Kenntnis gelangen, und es wird, wie heute hier, darüber Bericht erstattet, nachdem die Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wurden. Ich be­danke mich sehr herzlich bei allen, die an diesem Bericht mitgearbeitet haben. Wir wer­den diesen Bericht zur Kenntnis nehmen. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.59


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundes­minister Dr. Josef Moser. Ich erteile es.


12.59.25

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Herr Präsident! Meine sehr geehrte Frau Bundesministerin Hartinger-Klein! Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich möchte mich im Zusam­menhang mit diesem Weisungsbericht und den darin enthaltenen 54 Weisungen dafür bedanken, dass sie von Ihnen zur Kenntnis genommen werden.

Gleichzeitig möchte ich erwähnen, dass mir als Justizminister sehr viel daran liegt, größtmögliche Transparenz zu schaffen. Ich finde daher auch die Einrichtung des Wei­sungsrates, die am 1. Jänner 2016 stattgefunden hat, äußerst positiv, weil gerade der Weisungsrat für Transparenz sorgt und für den Bundesminister gleichzeitig ein quali­tativ sehr hochwertiges Beratungsgremium darstellt.

In dem Zusammenhang bedanke ich mich natürlich bei den derzeitigen Mitgliedern des Weisungsrates, das sind Generalprokurator Dr. Franz Plöchl als Vorsitzender, General­prokurator in Ruhe Dr. Walter Presslauer und Frau Universitätsprofessorin Dr. Susan­ne Reindl-Krauskopf. Sie sind hervorragende Berater und eine hervorragende Bera­terin, die tatsächlich dazu beitragen, dass die Justiz nicht angegriffen werden kann, sondern transparent ihre Aufgaben im Sinne der Bevölkerung und im Sinne des Wirt­schaftsstandortes erbringt.

Es ist im Rahmen der Debatte unter anderem von Herrn Bundesrat Wanner angespro­chen worden, inwieweit es zweckmäßig wäre, einen Bundesgeneralanwalt einzurich­ten. In dem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass vor der Einrichtung des Wei­sungsrates im Jahr 2016 Beratungen unter Beiziehung von Vertretern der Höchstge­richte, des Bundesministeriums, der Oberstaatsanwaltschaften sowie von Universitäts­lehrern, Staatsanwälten, Richtern und dergleichen stattgefunden haben. Da ist unter anderem festgehalten worden, dass gerade die Einführung eines Generalstaatsanwal­tes negative Folgen auf die Interpellation beziehungsweise auf die Kontrolle hätte.

Ich denke beispielweise an Punkte betreffend die Ausführungen zur Frage des Bun­desstaatsanwaltes, in denen darauf hingewiesen wird, dass eine solche Einrichtung die Einschränkung der politischen Kontrolle, den Verlust der Kontrollmöglichkeit der Volks­anwaltschaft insbesondere bei Säumnis zur Folge hätte. Es gäbe keine Untersu­chungsausschüsse mehr in Bezug auf die Tätigkeit der Staatsanwälte, ebenso wäre die staatsanwaltschaftliche Verwaltung, anders als die Justizverwaltung der Gerichte, an keine Weisungen mehr gebunden. Durch den Wegfall des Misstrauensvotums des Ministers fiele aller politische Druck auf die Staatsanwälte. Die rechtliche Verantwor­tung bliebe bei den Staatsanwälten und könnte nur schwer geltend gemacht werden.

Das war damals der Grund, dass man einstimmig zur Ansicht gelangt ist, dass man einen Weisungsrat einrichtet, um eben dadurch jeden Anschein einer politischen Ein-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 74

flussnahme auszuschalten. Wie Ihre Wortmeldungen ergeben haben, ist diese Einrich­tung tatsächlich äußerst erfolgreich.

Ein Thema im Rahmen der Urteile der Gerichtsbarkeit ist angesprochen worden.

Ich muss sagen, dass wir im internationalen Vergleich stolz auf unsere Justiz sein kön­nen. Gleichzeitig hat sich auch gezeigt, dass, wenn man vorschnell Gerichtsurteile dis­kutiert beziehungsweise kritisiert, dies in letzter Konsequenz auch dazu führen kann, dass man im Rahmen beispielsweise eines Rechtsmittels oder einer zweiten Instanz bei Urteilen, die der Justiz als nachteilig ausgelegt werden, zu einem anderen Ergebnis kommt.

Ich möchte nur das Urteil im Fall Maurer erwähnen, das vor Kurzem wiederum aufge­hoben worden ist. Der Fall ist an die erste Instanz rückverwiesen worden.

Man sollte und muss auch beim Kuhurteil, das den Tod einer Frau betrifft, weitere Prä­zisierungen vornehmen und gleichzeitig auch Aufklärungsarbeit machen. Dazu sollte man aber das Urteil als solches einmal durchlesen und schauen, was der Sachverhalt war und ihn gleichzeitig als Sachverhalt wahrnehmen; zudem hat auch der Richter da­rauf hingewiesen, dass sich das auf einen Einzelfall bezieht.

Das heißt, man soll die Justiz nicht bereits aufgrund eines Einzelfalles, aufgrund eines Urteils in irgendeiner Art und Weise angreifen und ihr gleichzeitig unterstellen, dass sie in irgendeiner Art und Weise weltfremd agieren würde. Ich kann erwähnen, wir haben erfahrene und ausgebildete Richterinnen und Richter, Staatsanwälte und Staatsanwäl­tinnen und nicht richterliches Personal, die im internationalen Beispiel genau das tun, was mir wichtig ist, nämlich unabhängig, transparent und bürgernah zu agieren. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.03

13.03.43


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke, Herr Bundesminister.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen mir nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, begrüße ich sehr herzlich die Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Frau Mag. Hartinger-Klein. Herzlich willkommen im Bundesrat! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich darf auch die neuen Gäste auf der Galerie begrüßen. Schön, dass Sie im Bun­desrat sind! (Allgemeiner Beifall.)

13.04.366. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird (492 d.B. und 497 d.B. sowie 10126/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 6. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


13.04.59

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 75

27.2.2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungs­gesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrags­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile das Wort.


13.05.47

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Ga­lerie und zu Hause! Das Bild muss auf die e-card. – Gut, keine Frage, das ist keine neue Idee, es ist eine schon sehr alte Idee. Das Problem liegt aber in der Umsetzung. Das Wie – wie es organisiert wurde – ist das Problem. Wieder ist – wie schon öfter seit Antritt der Regierung – die Umsetzung an Schwachstellen nicht zu übertreffen: wieder ohne Begutachtung, ohne Debatte, ohne im Parlament einen Rückverweisungsantrag anzunehmen oder die Materie ordentlich zu verhandeln und eine sinnvolle Umsetzung zu erreichen.

Eigentlich lagen zuzeiten der Vorgängerregierung die Vorbereitungen im ersten Schritt beim Innenministerium. Dieses wäre dafür zuständig gewesen, das Foto auf die Karte zu bringen. Das wurde nicht umgesetzt. Warum das Innenministerium das damals nicht gemacht hat, wissen wir nicht. Jetzt aber wurde die Verantwortung von der Regierung auf den Hauptverband umgewälzt.

Was wird dieses neue Foto bringen? – Man kann es nicht recht erkennen, denn dieses Foto auf der e-card macht die e-card nicht zum Ausweis. Ein Ausweis ist weiterhin not­wendig. Die e-card ist kein Ausweisdokument. Worin liegt also dann der Nutzen? – Schon bisher wurde kontrolliert, denn alle Ärztinnen und Ärzte in Österreich sind ver­pflichtet, einen Lichtbildausweis zur e-card zu verlangen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das macht aber kein Arzt ...!) Anscheinend hat man von Regierungsseite kein wirkli­ches Vertrauen in die Ärzteschaft, dass ordentlich kontrolliert wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Kontrollieren müssen die Ärzte weiterhin, auch mit dem Foto auf der e-card. Die Ausweise müssen vorgelegt werden. Wo, bitte, ist der Sinn der Maßnahme, jetzt abgesehen von den Kosten?

Das Missbrauchsargument ist mehr als bedenklich. Nach einer parlamentarischen An­frage lautet die Antwort des Sozialministeriums: 812 Missbrauchsfälle im Zeitraum 2014 bis 2016. Die durchschnittliche Schadenshöhe im bestätigten Missbrauchsfall wird laut Wiener Gebietskrankenkasse mit 300 Euro beziffert. Rechnet man diese Schadens­höhe nun auf die 812 Fälle hoch, kommt man im besagten Zeitraum auf eine Scha­denssumme von maximal 250 000 Euro. Selbst wenn man noch eine Dunkelziffer hin­zurechnet, kommt man höchstens auf 300 000 Euro. Jeder Schadensfall ist wie jeder Missbrauchsfall beklagenswert, aber man muss immer die Relation und die Sinnhaf­tigkeit sehen. In dieser Hinsicht ist das Foto ein enorm hoher Preis. Der bürokratische Aufwand ist unglaublich.

Jetzt die Frage: Woher kommt denn das Foto? – Von Personen, die keinen österrei­chischen Reisepass, keinen Personalausweis oder Führerschein besitzen, gibt es wo­möglich gar kein Foto in irgendeiner Datenbank. Das sind rund 457 000 Österreiche­rinnen und Österreicher. Für die Beschaffung von Fotos dieser Personengruppe sind die Sozialversicherungsträger zuständig. Es können auch alte Fotos genommen wer-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 76

den (Bundesrat Schuster: Bei den Wiener Linien gibt es auch keine Fotos!), Passfotos abgelaufener Pässe können verwendet werden. Jetzt erklären Sie mir bitte die Sinn­haftigkeit eines alten Passfotos auf der e-card!

Aufgrund des eher schwierigen Umsetzungsschrittes wird es eine Menge Ausnahmen geben. Im Gesetz steht eine zwölfjährige Übergangsphase für gesundheitlich beein­trächtige Menschen. – Warum gerade 12 Jahre ist nicht nachvollziehbar.

Zudem gibt es 900 000 Menschen, die ebenfalls keines dieser Dokumente besitzen: EU-Bürger und -Bürgerinnen mit Wohnsitz in Österreich, GrenzgängerInnen und in Ös­terreich erwerbstätige Drittstaatsangehörige, zum Beispiel SaisonarbeiterInnen. Sie sind verpflichtet, selbst ein Foto beizubringen. Zuständig für sie sind die Stellen der Landespolizeidirektionen. Nun werden diese Personen, wenn sie ein Foto bringen, auch einer Prüfung der Identität unterzogen, ebenso werden ihre ausländischen Reise­dokumente einer Prüfung unterzogen. Für die ÖsterreicherInnen ohne Ausweis sind die Sozialversicherungsträger und für die ausländischen Personen die Landespolizei­direktionen zuständig. Es ist zusätzliche Arbeit für die Ämter und die Polizei, die ja be­reits jetzt unter schwerem Personalmangel leiden.

Es entsteht ein unglaublicher Verwaltungsaufwand durch diese Regierung, die immer behauptet, sie möchte unbedingt den Verwaltungsaufwand eindämmen. Da kann man das nicht erkennen.

Diese schlecht gestaltete Placeboaktion kostet fast 33 Millionen Euro (Zwischenrufe der BundesrätInnen Mühlwerth und Schuster – Bundesrat Längle: Das stimmt ja nicht!) oder 6,6 Millionen Euro im Jahr. Die Kosten für die gesamte Selbstverwaltung in einem Jahr betragen 5,5 Millionen Euro, das Foto auf der e-card 6,6 Millionen Euro in einem Jahr. Wo ist hier die Verhältnismäßigkeit? (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf darauf hinweisen, dass die Krankenkassen heuer ein Defizit von 85 Millionen Euro erwarten, noch nicht eingerechnet sind die Fusionskosten für die Gebietskranken­kassen, die sehr, sehr hoch sein werden. Vergessen wir auch nicht die 14,7 Millionen Euro, die für die Privatspitäler zur Verfügung gestellt werden müssen, zusätzlich noch einmal 10 Millionen Euro für die Kosten von Arbeitsunfällen, die von der AUVA in die Gebietskrankenkassen hinübergeschichtet wurden.

Durch all diese Maßnahmen bringt die Regierung das öffentliche Gesundheitssystem finanziell immer weiter unter Druck, und am Ende stehen dann Gesundheitsvorsorge und -versorgung nicht mehr für alle Bürgerinnen und Bürger auf höchstem Niveau zur Verfügung, sondern beste Leistung steht nur zur Verfügung, wenn man die Kreditkarte zückt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist aber jetzt schon so! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Schuster: ... dem Herrn Stöger einmal erzählen!)

Die Sozialdemokratie lehnt eine derartige Vorgangsweise strikt ab. Alle Menschen ver­dienen Respekt, unabhängig davon, wie viel Geld sie besitzen, und sie verdienen die bestmögliche Gesundheitsversorgung. (Beifall bei der SPÖ.)

13.11


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Bitte.


13.12.09

Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser (FPÖ, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Was Kollegin Schumann da von sich gegeben hat, war für mich teilweise hanebüchen. Die Neuregelung wird einen großen Mehrwert haben. Alte Passfotos, der Pass: Jeder, der einen Pass hat, weiß, dass die Passfotos ohnehin alle zehn Jahre erneuert werden müssen. So viel altern wir dann auch nicht, auch wenn wir es jeden Tag tun.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 77

Die e-card mit Foto ist eine langjährige freiheitliche Forderung, wir haben auch dem­entsprechend viele Anträge dazu eingebracht. Dann ist in der Vorgängerregierung mit roter Beteiligung darüber diskutiert worden, es ist geredet worden, und letztendlich ist wieder alles in der Schublade versenkt worden. (Bundesrätin Schumann: Ja, im In­nenministerium, im Innenministerium ist es ...! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seit 2004 gibt es in Österreich die e-card. Damals waren die Beweggründe dafür, die e-card einzuführen, Missbrauch zu vermeiden und eine Vereinfachung beziehungswei­se eine Zeitersparnis herbeizuführen, denn bis zur Einführung der e-card musste man mühselig Krankenscheine manuell auf Papier ausfüllen. Die wurden dann ausgefolgt. Wenn man einen Auslandskrankenschein haben wollte, hat man sogar noch zur GKK und sich dort einen Auslandskrankenschein holen müssen.

Um die Gefahr von Fälschungen zu senken – denn mit einem Kopierer war so ein Krankenschein schnell hergestellt –, hat man sich für die e-card in Scheckkartenform entschieden. Seither gibt es aber im Grunde genommen auch die Diskussion, ob man eine e-card mit Foto machen soll oder nicht, ob das umsetzbar, machbar ist. Ich für meinen Teil sage: Jawohl, es ist umsetzbar. Es ist dringend notwendig und schon lan­ge überfällig. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich kann mich nur bei der Frau Bundesminister herzlich bedanken, dass sie das jetzt in die Gänge gebracht hat und wir heute zu einer Beschlussfassung kommen. – Vielen Dank, Frau Minister! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ganz ehrlich: Die ganze Aufregung, die ganze Madigmacherei durch die Sozialdemo­kraten verstehe ich eigentlich überhaupt nicht. Jeder von uns hat irgendeine Karte, auf der ein Foto ist, sogar auf unseren Bundesratskarten (eine Ausweiskarte in die Höhe haltend) ist ein Foto drauf. (Die BundesrätInnen Schumann und Weber: Das ist ein Dienstausweis! Sie verwechseln Äpfel mit Birnen ...!) Ja, wir müssen uns identifizieren, wenn wir wo reingehen. (Ruf bei der SPÖ: Das sind ja keine Ausweise! – Weitere Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Wir haben auf dem Führerschein in Scheckkartenform – die junge Generation weiß das – ein Foto. Sogar auf meinem Taucherausweis, auf meiner Taucherkarte, die weltweit gültig ist, habe ich ein Foto.

Umso wichtiger ist es jetzt, dass auf der e-card, mit der man Sozialleistungen bekom­men kann, ein Foto ist. Das Foto auf der e-card ist eine wichtige Maßnahme nicht nur wegen der vielen gestohlenen oder verlorenen Karten, sondern vielmehr, um miss­bräuchliche, unberechtigte Inanspruchnahme der e-card, zum Beispiel wenn mehrere Personen eine e-card verwenden, zu vermeiden.

Das Foto auf der e-card ist eine wesentliche Erleichterung für alle Menschen, die mit einer e-card arbeiten müssen. Die e-card wird ja nicht nur beim Arzt oder im Spital ver­wendet, man braucht sie auch in der Lohnverrechnung, beim Finanzamt oder beim AMS. Auch beim AMS muss man sich mit der Sozialversicherungsnummer mit der e-card anmelden.

Dazu darf ich Ihnen eine kurze Geschichte aus der jüngsten Vergangenheit, einen ganz aktuellen Fall, erzählen: Vor einigen Wochen kam ein junger Asylwerber ins AMS, um sich anzumelden. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Er legt die e-card vor – momentan noch ohne Foto –, auf der ein Geburtsdatum mit Oktober 1993 steht. Zur Identifizierung, zur Kontrolle seiner Identität legt er den Ausweis – die Karte für subsidiär Schutzberechtig­te – vor, auf der ein Datum mit Jänner 1992 steht. Auf die Frage, welche Karte, wel­ches Geburtsdatum nun denn stimmen möge, also ob Oktober 1993 oder doch Jän­ner 1992, erhielt die Mitarbeiterin im AMS Fäkalausdrücke und Verbalinjurien zur Antwort. Es steigerte sich so weit, dass zwei Mitarbeiterinnen und auch die hinzugezo­gene Polizei tätlich angegriffen wurden. Der Fall endete am Straflandesgericht, und der gute Mann sitzt in Haft. Diesen Fall hätte man vermeiden können, hätte er eine e-card


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 78

mit einem Foto und seinem korrekten Geburtsdatum vorgelegt. Da gibt es keine Un­klarheiten, dann weiß man, mit wem man es zu tun hat und ob dieser Mensch berech­tigt ist, eine Leistung der öffentlichen Hand in Anspruch zu nehmen oder eben nicht. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

Für rund 80 Prozent der Bevölkerung gibt es mit dem neuen System, e-card mit Foto, überhaupt keine Änderung. Es liegen genügend Fotos vor, die in Datenbanken gespei­chert sind: von Reisepass, Führerschein oder Personalausweis. Das heißt, diese 80 Prozent der Karteninhaber brauchen nicht einmal irgendetwas zu tun. Sie bekom­men die neue e-card vom Sozialministerium mit der Post zugeschickt. (Bundesrätin Schumann: Vom Sozialministerium?) Die restlichen 20 Prozent müssten oder sollten halt Fotos vorlegen. Mit dem Heranziehen und Verwenden des Zentralen Fremdenre­gisters wird dieser Prozentsatz noch verringert. Das heißt, es wird ein marginaler Pro­zentsatz von Personen überbleiben, welche Fotos beibringen müssen.

Für Kinder bis 14 Jahre braucht man überhaupt kein Foto, und Menschen, welche ge­sundheitlich beeinträchtigt sind, zum Beispiel ab der Pflegestufe 4, brauchen ebenfalls kein Foto. Für sie ist es unter Umständen nicht zumutbar, ein Foto beizubringen.

Ein weiterer Punkt in der ganzen Diskussion sind die Kosten, Kollegin Schumann hat es gesagt. Ich weiß es nicht, aber ich glaube ab und zu, die Sozialdemokratie leidet un­ter Leseschwäche (Zwischenrufe bei der SPÖ), denn ich sehe diese Mehrkosten nicht. Ich sehe nur einen Mehrwert dieser Karte. Ich sehe diese Kosten nicht. Sie wissen ganz genau, dass die e-card alle fünf Jahre aus Sicherheitsgründen ausgetauscht wird. Sie wissen ganz genau, dass wir jetzt nicht nur eine e-card mit Foto, sondern mit wun­derbaren zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen darauf bekommen. Sie wissen ganz ge­nau, dass diese Zahlen, die Sie selbst kolportieren, eigentlich nicht stimmen können, weil jetzt wieder der Zeitpunkt kommt und die acht Millionen e-cards ausgetauscht werden.

Ich bin glücklich, ich bin froh, dass ein weiterer Schritt Richtung Missbrauchskontrolle gemacht wird. Ich darf mich nochmals (Zwischenrufe der BundesrätInnen Grimling, Novak und Schennach) bei der Ministerin recht herzlich bedanken und freue mich schon auf die nächsten Maßnahmen für mehr Fairness und Gerechtigkeit in diesem Land. – Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ sowie des Bundesrates Seeber.)

13.19


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Gerhard Leitner. Ich erteile es ihm.


13.19.55

Bundesrat Dr. Gerhard Leitner (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Frau Ministerin! Mit­glieder des Bundesrates! Sehr geehrte Zuseher und Interessierte! Aufgrund eines Na­tionalratsbeschlusses vom 17. April 2018 ist die Aufbringung eines Fotos auf allen neu ausgestellten e-cards für Personen über 14 Jahre ab dem 1. Jänner 2020 verpflich­tend. Die flächendeckende Ausgabe der e-cards mit Foto muss bis 31. Dezember 2023 abgeschlossen sein. Ausgenommen sind Pensionistinnen und Pensionisten ab einem Alter von 70 Jahren sowie Behinderte.

Zur Erinnerung: Den ersten Einsatz der e-card gab es bereits am 15. Dezember 2004, mit der Zielsetzung, die e-card als Schlüssel zur Elektronischen Gesundheitsakte, El­ga, zu nutzen. Ende Mai 2005 begann der Hauptverband mit dem Versand der Karten an rund acht Millionen Versicherte und der Installierung von Lesegeräten bei rund 12 000 Vertragsärzten. Übrigens: Bis 2004 protestierten die Ärzte vehement gegen die Einführung der e-card, bis es dann Ende 2005 zu einem Gesamtvertrag kam. Wir alle haben diese Zeit damals miterlebt und kennen die Gründe für die hartnäckige Gegner­schaft der Ärzte.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 79

Zur aktuellen Situation: Die Regelung der Regierung fußt auf der Überlegung der Ver­hinderung von Missbrauch, der darin bestehen soll, dass e-cards an Angehörige und Freunde weitergegeben werden könnten. Man spricht von bisher rund 530 000 ge­stohlenen Karten, und gibt an, dass seit der Einführung 1,6 Millionen Karten verloren worden seien, und man meint, dass eine mit Bild versehene e-card eine leichtere Zu­ordnung der Personen bei einem Arztbesuch ermöglicht.

Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, dass verlorene und gestohlene e-cards sofort gesperrt werden (Bundesrat Steiner: Wenn sie gemeldet werden!) und Ärzte und Ärz­tinnen verpflichtet sind, zusätzlich zur Identifizierung einen Lichtbildausweis zu verlan­gen. Um Missbräuche zu verhindern, wurde mit dem Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz eine verpflichtende Ausweisleistung eingeführt, um die Identitätsprüfung zu ermögli­chen. Damit ist die aktive Mitarbeit der Ärzte gefordert, und die Kontrolle muss gesetz­lich zwingend vorgeschrieben werden. Das ist bis jetzt nicht der Fall, da die Ausweis­kontrolle, wie sie jetzt geregelt ist, unter Vertragsvorbehalt steht und eine gesamtver­tragliche Einigung voraussetzt.

Faktum ist aber, dass die Mehrkosten wesentlich höher sind als der durch eventuelle Missbrauchsfälle entstandene Schaden – und das ist der wesentliche Kritikpunkt zu diesem Thema.

Ohne Ausschüsse zu bemühen oder Gespräche zu führen, wird hier wiederum ein Ge­setz durchgepeitscht, das, mangelhaft vorbereitet, einen unverhältnismäßig hohen bü­rokratischen Aufwand und enorm hohe Kosten verursacht, die in gar keinem Verhältnis zu einem erwarteten oder prognostizierten Erfolg stehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der überdies hohe Verwaltungsaufwand für die Sicherheitsbehörden, aber auch für die durchführenden Mitarbeiter rechtfertigt die Kosten von rund 33 Millionen Euro in den ersten fünf Jahren nicht. Eine Abgeordnete hat im Nationalrat vorgerechnet, dass sich, ausgehend von 813 Missbrauchsfällen innerhalb von drei Jahren mit einer Schadens­summe von rund 300 000 Euro, die vorgesehenen Maßnahmen erst in 300 Jahren rechnen. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie wissen schon, dass Rechnungen nicht immer stimmen?!) Zudem gibt es verfassungsrechtliche Fragen, meine Damen und Herren, die zu prüfen sind, und zwar hinsichtlich einer möglichen Ungleichbehandlung von Ös­terreicherinnen und Österreichern und Ausländerinnen und Ausländern. Es stehen in diesem Gesetz auch keinerlei Kriterien betreffend die Art und das Alter der Fotos, die da Verwendung finden sollen. Dieses Gesetz verlangt direkt nach einer Rückverwei­sung an den Ausschuss, um es mit Experten zu beraten, neu aufzustellen und Klarheit über Sinn und Unmöglichkeit zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die e-card ist Teil des österreichischen E-Governments, sie verwendet elektronische Signaturen und ist keine reine Krankenversicherungskarte oder Gesundheitskarte, son­dern eine allgemein nutzbare Chipkarte. Mit ihr ist auch außerhalb der Sozialversi­cherung die elektronische Authentifizierung der Kartenbesitzer möglich, denn die Karte bietet sicheren Zugriff auf persönliche Daten, die bei anderen Stellen gespeichert sind. Seit Anfang Dezember 2009 werden neue e-cards mit den Buchstaben SV in Braille­prägung ausgegeben, um einen weiteren Schritt in Richtung barrierefreie Nutzung des Gesundheitssystems zu setzen.

Damit wird unser Leben nicht nur noch transparenter gemacht, der Mensch wird kom­plett durchsichtig. Die Bezeichnung gläserner Mensch, meine Damen und Herren, steht als Sinnbild für die ausufernde und übergriffige Sammlung personenbezogener Daten durch öffentliche oder private Stellen. Es geht in diesem Zusammenhang um den Ver­lust der Privatsphäre ebenso wie um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Mit einem Foto auf der e-card, meine Damen und Herren, wird die medizinische Ver­sorgung nicht verbessert, die Wartezeit nicht verringert und kein höheres Wohlbefinden


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 80

für die Patienten geschaffen. Die Aufgabe, die Arbeiten zu erledigen, wird verteilt, sie wird delegiert. Dienststellen der SV-Träger werden autorisiert, Tätigkeiten wahrzuneh­men, die an sich den Behörden obliegen, die dem Magistrat, der Bezirkshauptmann­schaft, den Polizeidienststellen und anderen zufallen. Sie dürfen, so ist es vorgesehen, dabei alle Daten erheben, und zwar mit dem vorgegebenen Ziel, sozialen Missbrauch zu verhindern oder diesen einzudämmen. Die SV-Dienststellen werden damit zur Be­hörde und dürfen personenbezogene Informationen, Daten und Dokumente von Si­cherheits-, Personenstands- und Staatsbürgerschaftsbehörden einholen. So steht es in § 31a Abs. 10 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.

Das E-Government kann und soll dem Individuum Zugang zu seinen eigenen Daten eröffnen. Der Staat soll, er muss den Rahmen setzen, damit Bürgerinnen und Bürger ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht wahrnehmen können. Dies wird ihnen aber mit dem besagten Gesetz versagt, nicht nur durch die Anbringung eines Fotos, sondern durch die Handhabung des gesamten Vorgangs, die beteiligten Stellen, die Delegierung der Arbeit und auch der Verantwortung. Wenn sich der Mensch diesem Vorgehen nicht fügt, verliert er das Anrecht, verliert er eventuell die Möglichkeit der medizinischen Versorgung und Betreuung. Von Selbstbestimmung kann da wohl keine Rede mehr sein. Durch diese Form der gesetzlichen Vorschriften verfällt auch der An­spruch auf die Selbstverwaltung der Sozialversicherung – also wieder ein Punkt für die Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof. (Beifall bei der SPÖ.)

Man sieht, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Regierung geht leider einen autoritären Weg: einen Weg der einsamen Beschlüsse, einen Weg, der andere Mei­nungen ausschließt, sie nicht einmal zu Wort kommen lässt. Es gibt keinen Dialog, Ge­meinsamkeit ist für sie ein Fremdwort, und es herrscht nach wie vor das Prinzip der sozialen Kälte. Es wurde heute schon gesagt: Es ist ein demokratiepolitisch außer­ordentlich bedenkliches Vorgehen und Verhalten, wenn man die Aufgaben und die Ver­pflichtungen des Bundesrates und den Bundesrat als gesetzgebende Körperschaft nicht ernst nimmt.

Dass unter solchen Voraussetzungen und Umständen keine Zustimmung gegeben werden kann, ist wohl selbstverständlich. Das ist in einer bisher so erfolgreichen und aufstrebenden Demokratie schade, das ist schade für unser Österreich und die Men­schen, die hier leben und die andere Erwartungen hinsichtlich des Vorgehens, der Ar­beit dieser Regierung haben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.28


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste gelangt Frau Bundesrätin Dr.in Andrea Eder-Gitschthaler zu Wort. Ich erteile es ihr.


13.28.50

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und wo immer Sie uns zuhören oder zu­sehen! Ja, ich bin jetzt etwas schockiert über die Ausführungen meines Vorredners, den ich an sich sehr schätze. Lieber Gerhard, autoritärer Weg (Bundesrat Schennach: So ist es!), wir nicht mehr rechtsstaatlich unterwegs – also das ist für mich schon sehr, sehr starker Tobak, das möchte ich auf das Entschiedenste zurückweisen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Bundesregierung agiert auf Grundlage der Verfassung, diese Bundesregierung handelt, setzt um, und das ist das, was euch stört, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ. (Nein-Rufe bei der SPÖ.) Es tut sich etwas, es gibt ein Regierungsüberein­kommen, und das wird umgesetzt, das wird konsequent umgesetzt. Diese Regierung handelt und arbeitet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 81

Ich glaube, das Einzige, was uns in dieser Geschichte wirklich eint, ist, dass wir froh sind, dass wir jetzt die e-card haben. Auch ich habe mir in der Vorbereitung zu dieser Rede überlegt und auch mit Damen und Herren gesprochen, wie das vor 25 Jahren mit den Krankenscheinen und mit den Zetteln war. Und es ist ja wirklich unbestritten, dass jeder froh ist, dass er jetzt die e-card hat und wir diese zur Verfügung haben. (Präsi­dent Appé übernimmt den Vorsitz.)

Es wurde schon sehr viel zu dem Thema, zu den Fakten des heute zu behandelnden Gesetzes gesagt. Wir werden mit 1.1.2020 insofern eine e-card neu haben, als Fotos der Karteninhaber darauf sein werden. Wir haben das intensivst im Ausschuss bespro­chen. Dort wurde uns erklärt, dass die Ausrollung 2020 und 2023 sehr intensiv sein wird, entsprechend den Ablaufdaten der Karten. Die Fotos werden mittels Laserver­fahren in Schwarz-Weiß aufgebracht, sodass sie nicht verfälscht und gelöscht werden können. Und für 80 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher ändert sich nichts, denn die Fotos sind ja bereits in den Identitätsregistern, in denen die Reisepässe, Füh­rerscheine et cetera aufscheinen. Also das Märchen, dass sich jetzt alle vor dieser neu­en e-card fürchten müssen, ist damit eindeutig widerlegt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben auch gehört, dass diese Fotos sieben Jahre lang gültig sind. Betreffend die 1,5 Millionen Menschen, von denen noch keine Fotos hinterlegt sind – EU-Bürger –, kann man entweder auf das Fremdenregister zugreifen oder sie bringen ein Foto bei, das dann auch sieben Jahre gültig ist. Im Ausschuss wurde auch diskutiert, wie das mit den Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeitern ist – die Fotos sind sieben Jahre gültig, und damit ist das auch kein Aufwand.

Es wurde von meiner Vorrednerin Marlies Steiner-Wieser bereits gesagt: Überall sind Fotos heutzutage State of the Art – sei es auf dem ÖBB-Jahresausweis, sei es auf dem Führerschein, sei es eben auf unserer Identitätskarte für das Parlament –, und die Menschen sind auch daran gewöhnt, das ist keine ganz große Herausforderung mehr. Sie stellen das so dar, als ob die Menschen von heute nicht mehr fähig wären, sich da zurechtzufinden. Also wie gesagt, es ändert sich dahin gehend nicht sehr viel. Es wird auch von den Behörden sehr gut vorbereitet und zügig auf das zurückgegriffen, was es schon gibt, damit ist der bürokratische Aufwand gering; und ich habe in der Vorberei­tung auch gelesen, dass die Kosten sogar gesenkt werden konnten. – Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie sich da so eingebracht haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Außerdem muss ich Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, es wurde ja schon in der vorigen Gesetzgebungsperiode mit Ihnen gemeinsam beschlos­sen, das zu machen, um den sozialen Missbrauch insgesamt und im Speziellen im Zu­sammenhang mit der e-card zu verringern. Da kennen wir alle ja leider konkrete Fälle, und da kennen wir zwar Zahlen, aber die sind ja nur die Spitze des Eisbergs, dazu gibt es ja leider keine reellen Fakten und Zahlen. Die parlamentarische Anfrage hat zwar ergeben – wie Sie gesagt haben, Kollegin Schumann –, dass es ungefähr 812 Fälle gab, aber, wie gesagt, das war ja nur die Spitze des Eisbergs. (Bundesrat Schennach: Der Aufwand für 812 Fälle!) Die Verluste waren ja enorm, und auch die Zahl der e-cards, die gestohlen wurden, war enorm.

Also noch einmal, ich kann es nur wiederholen: Diese Regierung handelt, und es ist Ih­nen schon wieder nicht recht. Wir machen verantwortungsvolle Politik, den Familien­bonus Plus, wir machen Systeme effizienter, zum Beispiel mit der Sozialversicherungs­reform, jetzt reformieren wir die e-card, um sie gegen Missbrauch sicher zu machen, und es ist Ihnen wieder nicht recht. Aber wir wollen es Ihnen eh nicht recht machen, wir wollen es den Österreicherinnen und Österreichern recht machen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Ich bin auch Österreicherin!) Die Österreicherinnen und Österreicher werden es uns danken (Heiterkeit bei der SPÖ) – es ist ihr Geld –, wenn wir aktiv gegen den Missbrauch im Gesundheitssystem vorgehen, denn sie finan-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 82

zieren ja das Gesundheitssystem, und daher sind wir den Österreicherinnen und Öster­reichern verpflichtet. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.34


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Günter Kovacs. Ich erteile es ihm.


13.35.08

Bundesrat Günter Kovacs (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Frau Ministerin! Zu­nächst einmal danke schön für die herzliche Aufnahme! Es ist mein erster Tag heute als Bundesrat im Hohen Haus, ich freue mich sehr, hier mitarbeiten zu dürfen.

Ja, es wurde von meinen VorrednerInnen, von Frau Korinna Schumann und von Dr. Gerhard Leitner, schon einiges gesagt, dem ich sehr, sehr viel abgewinnen kann. Ich selbst bin aus dem Burgenland, dort haben wir 2004 die e-card ausgerollt. Der Feldversuch fand damals genau in meinem Bezirk statt, wo ich auch in der Sozialversi­cherung tätig war. Es war sehr spannend. Was aber die Zeit damals von heute un­terscheidet, ist: Man hat sich Zeit genommen, man hat sich das ganz genau angese­hen. Das war wirklich ein sehr, sehr langer Prozess, bei dem man dann gesehen hat, ob das für die Menschen in unserem Heimatland passt.

Frau Steiner-Wieser, Sie haben vorhin vom Schaden gesprochen, der durch Betrugs­fälle entstehen könnte. Haben Sie da eine Zahl genannt? Haben Sie eine Zahl nennen können? – Sie haben keine Zahl nennen können. Auch die Kollegin von der ÖVP, Frau Dr. Gitschthaler, hat keine Zahl nennen können. (Bundesrat Krusche: Deshalb heißt es ja Dunkelziffer!) Und das ist schon bezeichnend: Man kann hier keine Zahl nennen und sagt, man investiert trotzdem 30 Millionen Euro in etwas, obwohl man nicht weiß, welches Ausmaß die Betrugsfälle haben. Oder sind das nur Verdächtigungen? Ganz ehrlich gesagt, bei Ihnen habe ich mir schon gedacht, als Sie dann das erste Argument gebracht haben, dass es einen Asylanten, einen Flüchtling betreffen wird. Das ist nicht in Ordnung, das finde ich überhaupt nicht in Ordnung!

6,6 Millionen Euro müssen wir pro Jahr investieren, und – die KollegInnen haben es vorhin schon erwähnt – 5,5 Millionen Euro würde die Selbstverwaltung pro Jahr kosten. 6,6 Millionen Euro Aufwand haben wir für die e-card, also knapp 30 Millionen Euro in den nächsten Jahren, und – ich möchte es noch einmal wiederholen – wir wissen nicht, wie viele Betrugsfälle es gibt. (Bundesrat Samt: Ihr wollt es nicht wissen, so schaut es aus!) ÖVP und die FPÖ segnen dieses Gesetz zusätzlich noch im Bundesrat ab, ohne zu wissen, wie hoch die Zahl der Betrugsfälle ist. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist so, wie wenn man in einer Firma sagt, man hat irgendwelche Kosten, aber man evaluiert gar nicht, man macht das einfach, weil es einem halt jetzt so - - Wie haben Sie das vorhin gesagt? – „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.“

Ich habe mir das genau angesehen: Bis zum 14. Lebensjahr braucht man kein Foto, Frau Minister, und ab dem 70. Lebensjahr braucht man auch kein Foto. Dann habe ich mich mit Experten von den Gebietskrankenkassen unterhalten, und die haben natürlich gesagt, dass es grundsätzlich so sei, dass einen der Arzt, zu dem man geht, ja kennt. Wenn Sie zu Ihrem Hausarzt gehen, wird der Hausarzt sagen: Frau Dr. Gitschthaler, geben Sie mir Ihre e-card!, aber das Foto wird er nicht brauchen. Das heißt, man deckt wahrscheinlich einen riesengroßen Anteil schon damit ab. Und jetzt geht es noch weiter: Wenn man nämlich zu einem Facharzt geht, dann wird man meist vom prakti­schen Arzt, vom Allgemeinmediziner überwiesen. Die e-card wurde also eigentlich schon beim Allgemeinmediziner für den Facharzt überprüft, daher sind eigentlich schon 99,9 Prozent aller Fälle abgedeckt. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist unglaublich, dass man angesichts eines so kleinen Personenkreises so einen Aufwand betreibt.

Ich habe es jetzt heruntergebrochen, weil es, glaube ich, auch für die Zukunft sehr wichtig ist: die Selbstverwaltung. Selbstverwaltung, und vielleicht hören Sie gut zu


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 83

(Bundesrat Samt: Wir werden sicher gut zuhören!) – sehr gut! –, liegt dann vor, wenn der Staat einen Teil der Verwaltung jenen Personen überträgt, die unmittelbares Inter­esse daran haben. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist das Wichtigste und dafür sollten wir auch arbeiten: für unsere Menschen in Österreich. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Christoph Steiner. Ich erteile dieses. (Uh-Rufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Viel Feind’, viel Ehr’! – Bun­desrat Steiner – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, viel Feind’, viel Ehr’, stimmt!)


13.39.58

Bundesrat Christoph Steiner (FPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Minister! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollegen Bundesräte! Es ist schon eine sehr, sehr sonderbare Diskussion vonseiten der SPÖ, also fast schon ein bisschen Ka­barett.

Worum geht es denn eigentlich? – Seit 2004 gibt es die e-card in Österreich. Zumin­dest solange ich für mich selbst zuständig bin, besitze ich diese e-card, und ich weiß, genauso lange diskutieren wir schon darüber, ob wir auf die e-card ein Foto geben oder nicht. Jetzt haben wir das Jahr 2019, und die SPÖ will noch ein bisschen disku­tieren, so nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, bilde ich einen sozialisti­schen Sitzkreis. – Nein, mit uns nicht, Genossinnen und Genossen, wir setzen um! Danke, Frau Minister. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das „Profil“ schrieb ja schon im Jahr 2015, dass sich der jährliche Schaden beim
e-card-Betrug auf circa 30 Millionen Euro beläuft, und ich glaube, die Zeitschrift „Profil“ kommt nicht in Verdacht, ein freiheitliches Parteiorgan oder Parteimedium zu sein. Und genau darum geht es heute: Es geht darum, die dreisten Missbrauchsfälle, die den ös­terreichischen Versicherten jedes Jahr Millionen Euro an Steuergeld kosten, endlich zu beenden. Wir machen das System sicher gegen Missbrauch. Und mit der Systemsi­cherung geht auch ein enormer Mehrwert für Patienten und Ärzte einher: Sicherheit für den Arzt – wen behandle ich gerade, wer sitzt gerade vor mir? –, Sicherheit im Hinblick auf eine eventuell erforderliche medikamentöse Behandlung; und mit Sicherheit wird der unerlaubten Weitergabe an Nichtversicherte und Dritte ein Riegel vorgeschoben.

200 000 e-cards werden jedes Jahr gestohlen oder verloren; circa 163 000 werden verloren und 33 000 werden gestohlen. Von 2010 bis 2016 wurden 530 000 e-cards als gestohlen gemeldet; nur weiß man halt nicht, ob der Mustafa, der Mohammed, die Ay­büke oder die Aysegül oder wer auch immer die Karte wirklich verloren hat oder an ei­nen Verwandten, Bekannten oder so in der Türkei weitergegeben hat, der nun im Be­sitz der e-card ist.

Als Beispiel für das, was ich jetzt gerade erwähnt habe, darf ich euch kurz einen Fall aus Tirol näherbringen: Eine türkischstämmige österreichische Staatsbürgerin, die seit zwölf Jahren in der Türkei lebt, reiste regelmäßig mehrmals im Jahr mit ihrer Mutter nach Tirol, um sie dort auf Kosten der versicherten Tiroler und der versicherten Öster­reicher behandeln zu lassen. Dieser Fall alleine kostete den Steuerzahler und den Ver­sicherten in Österreich satte 50 000 Euro! Allein einer jungen Ärztin ist es zu verdan­ken, dass dieser wirklich schamlose Betrug aufgefallen ist, weil sie genauer hinge­schaut hat als ihre anderen Kollegen.

Dies ist nur ein einziger Fall, der den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie viele Fälle es gibt, die nicht an die Öffentlichkeit kommen, und wie viele uns auslachen und diese Lücke im System genauso schamlos ausnützen wie diese Türkin, die geradezu Behandlungstourismus in Österreich betrieben hat. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 84

Eines sei mir noch - - (Bundesrätin Grimling: Österreicherin oder Türkin? Was hat sie für eine Staatsbürgerschaft?) – Jetzt hört mir zu, für euch noch einmal: Eine österrei­chische Staatsbürgerin, die seit zwölf Jahren in der Türkei lebt, reiste mit ihrer türki­schen Mutter nach Tirol, um die Mutter dort zu behandeln lassen. Verstanden? (Bun­desrätin Grimling: Ja!)  Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

So, und nun zu eurem Märchen – jetzt hört mir zu, dann merkt ihr es euch! – mit den Kosten: 32,5 Millionen Euro kostet nicht das Anbringen eines Fotos auf der e-card. Na ja, mit dem Rechnen haben es die Sozis noch nie gehabt, aber dass euch jetzt auch noch das sinnerfassende und logische Denken abhandenkommt, ist mir neu. Sollte es euch entgangen sein, dann erkläre ich euch es noch einmal: Die e-card wird alle fünf Jahre neu ausgerollt, auch wegen der Sicherheit, 80 Prozent aller Karteninhaber und Versicherten bekommen diese dann automatisch. Im Zuge dieser Ausrollung, die von 2020 bis 2023 wieder stattfindet, werden automatisch die Fotos auf die e-card aufge­druckt. Bei jedem, der einen Personalausweis hat, der einen Reisepass hat, der einen Führerschein hat, passiert das ganz automatisch. Und ich bezweifle sehr stark, dass das Aufdrucken von Fotos auf die e-card 32,5 Millionen Euro kostet. (Bundesrat Schabhüttl: Weißt du es?) – Die Druckerfarbe ist nicht ganz billig, aber so teuer nun auch wieder nicht. Also können wir uns vielleicht darauf einigen, dass die gesamte Er­neuerung und die Ausrollung aller e-cards diese Kosten mitverursacht.

Wobei: Ich verstehe das Verhalten der Sozis sowieso nicht (Bundesrätin Schumann: Jetzt ist es aber genug!), denn der Obergewerkschafter im Nationalrat, Herr Muchitsch, war ja selbst beim Verhandeln dabei, hat das selbst gefordert. Jetzt liegt das Ver­handlungsergebnis auf dem Tisch, stimmen wir heute darüber ab, und ihr seid halt wie­der einmal dagegen, aber nur aus reinem Trotz und reinem Beleidigtsein.

Was man von euren Nationalräten halten kann, hat uns Herr Nationalrat Wolfgang Knes vor Kurzem erst wieder bewiesen: In seiner überheblichen Art und natürlich als Pächter der moralisch-politisch korrekten Instanz hat der Herr Knes alle FPÖ-Wähler als (eine Tafel mit der Aufschrift „Alle FPÖ-Wähler hätten eine ‚schwere Krankheit‘“ in die Höhe haltend) schwer krank bezeichnet. Ich gebe Herrn Knes von da aus mit: Ich habe mir die Mühe gemacht, habe ein bisschen meine Wähler befragt, FPÖ-Mitglieder befragt – sie sind bei bester Gesundheit, Gott sei Dank! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

Wenn wir schon bei der e-card und bei der Gesundheit sind: Herr Knes hat jetzt dann einen besonderen Vorteil (eine Tafel, auf der eine e-card mit dem Foto von Abgeord­netem Knes zu sehen ist, in die Höhe haltend), wenn das Foto drauf ist. Da kann er nämlich mit der neuen e-card zum Arzt gehen, dann weiß der Arzt sofort Bescheid: Oh, das ist der Herr Nationalrat Knes, ein besonders schwerer Fall, da muss ich mich be­sonders drum kümmern! Wir von der FPÖ wünschen Herrn Knes auf jeden Fall gute Besserung und baldige Genesung. – Herzlichen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.)

13.47


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat David Stögmüller. – Bitte.


13.48.12

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Her­ren! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Ein Argument hat mir gefehlt, das hat sich jetzt perfekt gezeigt, nämlich dass wir dieses Gesetz für den Populismus der FPÖ beschließen; nichts anderes ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

Ich erinnere Sie nur an das Ali-Video, genau wegen dieses Punktes. Können Sie sich noch an das Ali-Video erinnern, in dem der Ali zum Arzt geht, der böse Türke? Da wird genau ein einziger Fall aufgegriffen, zwei, drei Fälle aufgegriffen, wobei Menschen aus


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 85

einer Nation (Bundesrätin Mühlwerth: Zwei von vielen!) herausgegriffen werden und vermittelt wird: Das sind die Bösen, das sind die Schlimmen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist nicht die Politik, die wir hier in Öster­reich haben wollen. Das kann es doch nicht sein, liebe ÖVP, das kann es doch nicht sein, dass ihr auf so etwas hereinfallt. Und dann steht wieder auf irgendeiner Face­book-Seite von den FPÖlern – ich weiß noch, Raml –, immer wieder schön und groß, irgendwo unter einem Foto: Bundesministerin Hartinger-Klein greift hart durch gegen die Türken und verhindert den türkischen e-card-Missbrauch! – Genau das wird wieder kommen, genau auf das können wir wieder warten. Dieses Video ist ja nicht zufällig aufgetaucht, nein, das wird von der FPÖ genau kontrolliert, dass so etwas passiert, dass genau diese Stimmungsmache in diesem Land passiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da müssen wir mit allen Kräften dagegenhal­ten. Das kann es doch nicht sein, das ist keine Politik, die dieses Land und dieses Haus verdient! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

Wenn wir uns anschauen, was das faktisch bringt: Man kann schon gerne ein Foto irgendwo drauftun, das kann man gerne machen, aber man muss immer hinterfragen, ob es nicht irgendwelche anderen Möglichkeiten gegeben hätte, ob es nicht besser ge­gangen wäre. Die NEOS haben im Nationalrat zum Beispiel einen meiner Meinung nach guten Vorschlag eingebracht: dass man dieses Foto auch in das System hätte einspeisen können. – Na bitte, dann hätten wir eine Diskussion weniger! Ein Foto im System bringt keine Mehrkosten, wir hätten uns die 25 Millionen Euro erspart – ich weiß, da sind auch die Druckbeiträge dabei, das will ich auch hervorheben, trotzdem – und den gesamten Verwaltungsaufwand, der dahintersteht.

Das ist alles nur eine PR-Show für die populistische Meinungsmache der FPÖ. Das ist der Punkt, der mich massiv ärgert, und daher werden wir auch nicht zustimmen. Wir können gerne darüber reden, dass wir irgendwo Fotos draufgeben – von mir aus, ma­chen wir es systemsicherer, gerne, da sind wir sofort dabei; ich glaube, da ist keiner dagegen –, aber dass das, was hier passiert, einfach nur wieder dafür benützt wird, dass wir gegen den Ali, gegen eine Menschengruppe in Österreich Wetter machen, das ist wirklich nicht mehr vertretbar.

Wir werden diese populistischen Maßnahmen, auch diese rechtsradikalen – ich würde das schon so sagen, rechtsradikal – Äußerungen von Kollegen wirklich auf das Ent­schiedenste zurückweisen, das ist echt nicht mehr vertretbar. Meine sehr geehrten Da­men und Herren, wir werden das ablehnen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

13.51


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Korinna Schumann. – Bitte.


13.51.33

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Im Plenum ist es wesentlich, einen politischen Diskurs zu führen, sich auf den verschiedensten Ebene auszutauschen, nicht gleicher Meinung zu sein; das ist gar keine Frage, das ist Grundfeste der Demo­kratie. Der Umgang miteinander ist aber schon über alle Grenzen hinausgegangen. Die Sozialdemokratie ist jetzt in der Opposition, und wir lassen uns eine Menge gefallen. Wir nehmen das gelassen hin, die Zeit wird weisen, wie sich die Dinge weiterentwi­ckeln. Uns als Partei aber mit Ausdrücken wie „die Sozis“ beschimpfen zu lassen, das geht über alle Grenzen hinaus und das lehnen wir entschieden ab. So kann man mit­einander nicht umgehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweiter Punkt: Es kann doch nicht sein, dass herausgerufen wird, eine Bundesrätin sei eine Schande für ein Bundesland. Also bitte! (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.– Nein, nein, nicht an Sie gerichtet, Herr Bundesrat.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 86

Fahren wir im Umgang miteinander vielleicht ein bisschen herunter, es lenkt von den Problemstellungen ab. Mir ist schon klar, die sozialen Themen sind Themen, die na­türlich hoch aufkochen, weil sich dadurch die soziale Kälte zeigt. Lassen wir aber bitte die Dinge so, wie sie sind, diskutieren wir sachlich und fachlich und sprechen wir uns nicht gegenseitig auf unterster Ebene an! (Bundesrat Steiner: Sie messen mit zwei­erlei Maß!) Ich bitte Sie wirklich, diese Vorgangsweise nicht weiter zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.53


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Eder-Gitschthaler. – Bitte.


13.53.12

Bundesrätin Dr. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP, Salzburg): Herr Präsident! Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile natürlich Ihre Meinung, Frau Kollegin Schumann, dass man miteinander sorgfältig und pfleglich umgeht, aber in die­sem Zusammenhang möchte ich auch die Äußerungen des Kollegen Leitner aufs Schärfste zurückweisen, der gesagt hat, dass diese Regierung autoritär sei. Ich habe das in meinem Redebeitrag bereits erwähnt, auch das ist nicht State of the Art. (Bun­desrätin Schumann: Das relativiert nicht Ihre Aussagen!) Ich denke, man muss beide Seiten sehen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.53


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein. – Bitte.


13.54.00

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Ich lasse als Teil der Regierung vor allem den Vorwurf nicht gelten, dass wir keine Ge­spräche mit Experten führen. Wir führen Gespräche mit Experten, natürlich auch zu dem Thema Foto auf der e-card, mit diversen Experten, und ich kann Ihnen sagen, wir führen Gespräche und setzen das dann um. Was Sie machen, was Sie in vielen Berei­chen gemacht haben, was mir jetzt auffällt, ist, dass Sie Themen zerreden und nicht umgesetzt haben. Wir als Regierung setzen Themen um. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrat Novak: Aber zu dilettantisch in vielen Dingen!)

Man kann Dinge lange genug diskutieren, dafür habe ich schon Verständnis, aber es gibt einen Punkt, an dem Entscheidungen getroffen werden müssen – und das tun wir. Weil der Kollege aus dem Burgenland gesagt hat, wie toll 2004 das Pilotprojekt im Bur­genland gelaufen sei: Herr Kollege (in Richtung Bundesrat Kovacs), ich war damals dabei, ich war im Hauptverband, ich konnte damals mit meinen Kollegen dieses Projekt auf Schiene bringen; ich bin 2003 in den Hauptverband gekommen, und 2004 haben wir das Pilotprojekt aufgesetzt. Anscheinend liegt es an den handelnden Personen, wenn Dinge umgesetzt werden sollen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Da Sie immer vorwerfen, die Missbräuche bilden sich nicht in Zahlen ab: Wenn man sich mit Korruptionsbekämpfung beschäftigt – und wir haben auch da mit vielen Exper­ten gesprochen –, weiß man, dass man Präventivmaßnahmen setzen muss. Und na­türlich ist hinsichtlich Missbrauch das Foto auf der e-card eine wesentliche Präventiv­maßnahme, auch das ist bitte zu bewerten.

Der zweite Punkt – und das wurde überhaupt nicht diskutiert – ist aber, welchen Wert das Foto dafür hat, was die Identifikation des Patienten betrifft. Auch da haben die Ärz­te einen zusätzlichen Mehrwert. Wenn Sie mit Vertretern der Ärztekammer sprechen, hören Sie, dass der Arzt sicher sein muss, wen er als Patienten vor sich hat. Warum hat das solche Auswirkungen? – Die Daten sind natürlich in Elga enthalten, und wenn in Elga irgendeine Identifikation, Arztbriefe und so weiter überprüft werden, muss der


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 87

Arzt wissen, welchen Patienten er vor sich hat. Das bitte ich, auch zu berücksichtigen, das haben Sie in Ihrer Diskussion überhaupt nicht bedacht. Das heißt, Sie betrachten anscheinend nie die Gesamtheit, was notwendig ist, um solche Systeme effizient zu gestalten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Als dritten Punkt, zu dem, was die Kosten betrifft, nur eines: Ich konnte im Gegensatz zu dem Beschluss, den Sie vor 2017 mitgetragen haben, die Kosten allein für die Iden­tifikation um 5 Millionen Euro reduzieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.57

13.57.06


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

13.57.397. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert wird (535/A und 498 d.B. sowie 10127/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


13.58.01

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 27.2.2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Lancaster. – Bitte.


13.58.55

Bundesrätin Mag. Bettina Lancaster (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Frau Ministerin! Sehr geehrte Bundesratskolleginnen und -kollegen! Sehr ge­ehrte Zuseher und Zuseherinnen auf der Galerie und via Livestream! Das ist heute meine erste Rede. Ich bedanke mich dafür, dass viele im Plenarsaal geblieben sind und aufmerksam zuhören werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Schauen wir einmal!)

Wie im Bericht dargelegt, soll die im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz vorgesehene Er­höhung des Arbeitgeberbeitrags zum Sozial- und Weiterbildungsfonds entfallen. Be­gründet wird dies mit der ausgeglichenen Gebarung und der Höhe der gebildeten Rück­lagen. Eine Begutachtung fand nicht statt.

Eine Evaluierung und datenbasierte Analysen dazu liegen nicht vor. Sozialpartner­schaftliche Vereinbarungen gab es nicht.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 88

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine so­zialpartnerschaftliche Vereinbarung aus dem Jahr 2016, die betreffend ihre Sinnhaftig­keit bis heute nichts eingebüßt hat. In dieser Vereinbarung wurde die Beitragssenkung mit der Einrichtung einer Arbeitsstiftung für Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter gekop­pelt. Die Beitragssenkung wurde vollzogen, aber auf die Arbeitsstiftung warten wir noch heute.

Anscheinend ist den Interessenvertretern der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen im Laufe des Jahres 2017 der Wille zur Umsetzung der sozialpartnerschaftlichen Verein­barung abhandengekommen. Es wird lieber argumentiert, warum etwas nicht geht, an­statt sich konstruktiv an der Umsetzung zu beteiligen – dies zum Nachteil von Zeitar­beiterinnen und Zeitarbeitern ohne aufrechtes Dienstverhältnis, da ihnen ein auf sie abgestimmtes Bildungsangebot vorenthalten wird.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Zeitarbeit verdienen sich ihr Geld unter schwierigen Arbeitsbedingungen. Der Zeitarbeiter, die Zeitarbeiterin wird just in time von den Betrieben abgerufen. Eine hohe Mobilität zwischen Betrieben und Arbeitsorten wird eingefordert. Mehr oder weniger lange Stehzeiten zwischen den einzelnen Über­lassungsverhältnissen sind oft Realität. Im Rahmen des Fonds stehen für diese Steh­zeiten Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote zur Verfügung, die auch reichlich genutzt werden. Zudem braucht es die Arbeitsstiftung, um ehemaligen Zeitarbeiterin­nen und Zeitarbeiter die Chance zu bieten, sich weiterzubilden und eventuell fehlende Abschlüsse mit möglichst geringer finanzieller Belastung nachzuholen.

Einer Entlastung der Arbeitgeber zulasten der Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern können wir unsere Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesräte Schererbauer und Stögmüller.)

14.02


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Bernhard Rösch. Ich erteile ihm dieses.


14.02.54

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehr­te Frau Bundesminister! Werte Zuseher! Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Lancaster, die vorhin gesprochen hat, möchte ich Folgendes auf den Weg mitgeben: Es ist natür­lich sehr schwer, mit einer SPÖ, die sich gerade in der Wiederfindungsphase befindet, sich in der Sozialpolitik verweigert, als Verhandlungspartner nicht da ist, weil sie einmal die und einmal die Meinung hat, überhaupt etwas zu verhandeln. Es ist nicht möglich.

Wir werden bei den nächsten Punkten, wenn dann der Karfreitag, aber auch andere Dinge angesprochen werden (Zwischenrufe bei der SPÖ), sehen, wie doppelköpfig, wie janusköpfig die Politik der SPÖ ist. (Bundesrat Beer: Wann nimmst du dir deinen persönlichen Feiertag? Beim nächsten Plenum?) Da werdet ihr dann darüber nachden­ken müssen, welche Rolle ihr einnehmen werdet. Werdet ihr in Zukunft eine soziale Rolle einnehmen oder werdet ihr weiter dem Nadelstreifsozialismus frönen und ganz einfach eher bei denen sein, die die Manager vertreten, hochleben lassen?

Die Mercer-Studie ist natürlich eine tolle Studie für die Manager, die hierherkommen, die wichtig für den Wirtschaftsstandort Wien sind, da brauchen wir gar nicht zu reden. Dass wir da die Nummer eins sind, das ist gut so. Ihr tut aber immer so, als wäre es am Franz-Jonas-Platz oder am Praterstern oder sonst irgendwo auch so toll. (Bundes­rätin Grimling: Komm zum Thema!) Ich kann euch sagen, immer, wenn man dort ist und mit den Leuten redet – nämlich an diesen Plätzen, wo ihr vielleicht gar nicht mehr hingeht – und dann draufkommt, wo die Menschen der Schuh drückt, merkt man, dass zwischen eurer Theorie und der Praxis einfach ganz große Klüfte sind. (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 89

Zum Sozial- und Weiterbildungsfonds (Bundesrat Novak: ... Arbeitskräfteüberlassung!)  wenn du nicht so ungeduldig bist, wirst du dann hören, was es zum Sozial- und Weiter­bildungsfonds von mir gibt –: Es ist natürlich etwas ganz Wichtiges, dass wir uns zum lebenslangen Lernen bekennen. Wir haben aber auch gesehen, dass wir ja mit den Ressourcen der Wirtschaft – die wir alle sind; wir alle sind die Volkswirtschaft, und es gibt nur einen Topf und die Gelder müssen überall sinnvoll verwendet werden –, die wir praktisch momentan dort ausgeben, das Auslangen finden, dass sogar 26 Millionen Euro Überschuss da sind, da das Ganze nicht abgerufen wird. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Da ist es doch sehr klug, wenn man sagt, man gibt quasi keine Funktionäre in diesen Fonds hinein – damit die Funktionäre vielleicht einen ein bisschen besseren Job haben oder diese Gelder irgendwie verbrauchen können –, sondern nimmt die Gelder ganz gezielt, um sie dann wieder anderen sozialen Unterstützungen zufließen zu lassen.

Das, muss ich ganz ehrlich sagen, macht die Regierung sehr klug. Sie wartet nicht lange, sondern tut etwas mit dem Geld, damit die Wirtschaft, die wir alle sind, ganz ein­fach besser prosperiert. (Bundesrätin Grimling: Ah! Jetzt sind wir es auf einmal alle!)

Was war denn bei der Leiharbeit? – Ich will jetzt gar nicht vom Waff und von Flexwork sprechen und ein Wienbashing machen. Ihr alle könnt euch daran erinnern, wie Flex­work praktisch zu den schlimmsten Bedingungen – Flexwork wurde praktisch von der SPÖ in Wien initiiert (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth); wir alle können uns daran erinnern – Leute untergebracht hat. Die Leute wurden zu den niedrigsten Löh­nen im öffentlichen Dienst untergebracht, es wurde oft nicht einmal gescheit abgerech­net. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Die Leute sind dann zu mir gekommen, die SPÖler sind zu mir gekommen, und haben gesagt, wie schlecht sie von der Leihar­beitsfirma behandelt worden sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Daran könnt ihr alle euch aber nicht erinnern. Politische Amnesie, okay.

Ihr seid nun in der Opposition und könnt von dort aus Gott sei Dank keinen Schaden anrichten, aber es ist ganz wichtig, dass es jetzt diese Regierung gibt, die sich darum kümmert, dass es Leiharbeit gar nicht gibt, wenn wir nämlich ganz einfach die Wirt­schaft unter Druck setzen – und das ist legaler Druck , indem wir kaum Arbeitslose haben oder die Zahl der Arbeitslosen immer niedriger wird. (Bundesrätin Grimling: Hochkonjunktur!) Arbeitslosenzahlen von 500 000 – es ist egal, wie es kommt, aber die Richtung muss stimmen und man muss unserer Wirtschaft die Chance geben (Bundes­rätin Grimling: ... Weltmarkt!), noch besser, noch fitter zu sein, um eben am Weltmarkt mitspielen zu können.

Diese Regierung ist ganz einfach ein Garant dafür, dass die Wirtschaft besser leben kann, als ihr euch das vorstellen könnt. (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Elisabeth Mattersber­ger. Ich erteile ihr dieses.


14.07.55

Bundesrätin Elisabeth Mattersberger (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte ZuseherIn­nen auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Auch ich melde mich heute zum Be­schluss des Nationalrates vom 27. Feber 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz geändert werden soll.

Konkret geht es in diesem Beschluss um den Sozial- und Weiterbildungsfonds, der im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz verankert ist. Die von den Leiharbeitsfirmen zu leis­tenden Arbeitgeberbeiträge sollen bei 0,35 Prozent belassen beziehungsweise auf


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 90

0,35 Prozent gesenkt werden. Es wird also der Entfall der bis jetzt im Gesetz vorgese­henen schrittweisen Beitragserhöhungen vorgeschlagen.

Zu diesem beantragten Beschluss über die Beitragssenkung beziehungsweise Beibe­haltung der 0,35 Prozent an einzuzahlenden Arbeitgeberbeiträgen wurde bereits im Nationalrat und jetzt auch wieder von Kollegin Lancaster eine Grundsatzdebatte zu den Arbeitskräfteüberlassern geführt. Dazu ist schon einmal zu sagen, dass es sich bei den Arbeitskräfteüberlassern um einen sehr wichtigen Wirtschaftsbereich handelt, der ei­nen Umsatz in Höhe von 4,17 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Steuerleistung der Ar­beitskräfteüberlasser beträgt allein in Österreich 1 Milliarde Euro.

Die Arbeitskräfteüberlassung ist für die sogenannten Beschäftigerbetriebe ein wichti­ges, unerlässliches Instrument, um Auftragsspitzen abzudecken. Wenn es dieses Ins­trument der Arbeitskräfteüberlassung nicht gäbe, wäre es für die Betriebe enorm schwer, größere Aufträge, die über das Stammpersonal nicht abgedeckt werden können, aus­zuführen, beziehungsweise würden diese Aufträge gar nicht angenommen werden können. Was das dann für das Stammpersonal in den Betrieben bedeuten würde, brauche ich wahrscheinlich hier nicht näher auszuführen.

Knapp 100 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden durch die Arbeitskräfteüber­lassung in Beschäftigung gebracht. Mehr als 50 Prozent der vom AMS Vermittelten fin­den über die Zeitarbeit einen neuen Job. Fast jeder Vierte wird von den Beschäftigern übernommen, kommt somit in ein direktes Arbeitsverhältnis mit den Beschäftigern und aus der Leiharbeit heraus.

Die Arbeitsaufnahme als Zeitarbeiter bei einem Arbeitskräfteüberlasser ist einer der Wege, um Arbeitslose so schnell wie möglich wieder in Beschäftigung zu bringen. Schon deshalb ist die Arbeitskräfteüberlassung ein nicht mehr wegzudenkender, wich­tiger Wirtschaftszweig und ein sehr guter Jobmotor.

Im Sozial- und Weiterbildungsfonds, um den es heute ja eigentlich geht, liegen mit En­de des Jahres 2017 Rücklagen in Höhe von 26 Millionen Euro. Dieser Fonds soll wei­terhin mit 0,35 Prozent zusätzlichen Arbeitgeberbeiträgen gespeist werden, um wichti­ge Maßnahmen finanzieren zu können. Allerdings sollen die Arbeitskräfteüberlasser mit überhöhten Beiträgen nicht noch weiter belastet werden.

Ich darf somit im Namen meiner Fraktion empfehlen, keinen Einspruch gegen den vor­liegenden Beschluss des Nationalrates zu erheben. Vielen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.11


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sonja Zwazl. Ich erteile ihr dieses.


14.11.55

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nister! Mir geht es ganz einfach darum, jetzt einmal zu sagen, warum wir keine Erhö­hung der Beiträge wollen.

Warum halten wir das nicht für gescheit? – Ganz einfach deshalb, weil 25 Millionen Eu­ro im Fondstopf liegen und man sich einmal gemeinsam überlegen muss: Was tue ich mit diesem Geld? Bevor ich das nicht genau weiß, brauche ich auch die Beiträge nicht zu erhöhen, denn ich brauche nicht Geld anzusparen, ohne zu wissen, wofür.

Wir haben am 1. Februar bei uns in Niederösterreich gemeinsam mit der Arbeiterkam­mer und den Arbeitskräfteüberlasserfirmen eine Veranstaltung mit dem Vertreter des SWF, Herrn Direktor Mag. Franz Rossegger, gemacht. Ich denke, dass man sich zu­erst einmal vernünftig überlegen sollte: Was tue ich mit dem Geld und wofür ist es


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 91

geschaffen? Darum bitte ich ganz einfach, bevor wir solche Diskussionen führen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.13

14.13.05


Präsident Ingo Appé: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.13.378. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Fei­ertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstar­beiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden (606/A und 500 d.B. sowie 10125/BR d.B. und 10128/BR d.B.)


Präsident Ingo Appé: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


14.14.00

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 27.2.2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckerei­arbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Präsident Ingo Appé: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Korinna Schumann. Ich erteile ihr die­ses.


14.14.56

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dieser Bundesregierung scheinbar gleichgültig. Die Anliegen von Minderheiten sind dieser Bundesregierung scheinbar gleichgültig. (Bundesrätin Mühlwerth: Ganz im Gegenteil!) Das ist das Bild, das für die Menschen in diesem Land im Rahmen der Karfreitagsregelung entsteht.

Uns SozialdemokratInnen sind die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch die Anliegen der Minderheiten sehr wichtig. Wir möchten, dass die Arbeitneh­merInnen in Österreich einen zusätzlichen Feiertag erhalten, daher stellen wir Bundes­rätInnen der SPÖ einen Antrag auf Einspruch gegen dieses Gesetz.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 92

Ich bringe einen Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Genossinnen und Genossen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf Einspruch gegen den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984, das Richter- und Staatsan­waltschaftsdienstgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz und das Lan­deslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden, ein. Damit wird mit der beigegebenen Begründung Einspruch erhoben, wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung von mir in Kernpunkten erläutert wird.

Alle Handlungsschritte, die diese Regierung nach der Urteilsverkündung durch den Ge­richtshof der Europäischen Union gesetzt hat, bestätigen das Bild der Gleichgültigkeit gegenüber den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und denen von Minderheiten.

Die Diskriminierung wurde festgestellt, und für alle ArbeitnehmerInnen wäre der Kar­freitag ein Feiertag geworden. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt im Interesse der ArbeitnehmerInnen gewesen. Ihnen steht ein zusätzlicher Feiertag zu, sie haben ihn sich verdient. Die Österreicherinnen und Österreicher arbeiten extrem viel und fleißig. Sie haben im Interesse der Wirtschaft die gesetzliche Verlängerung der Arbeitszeit in Kauf nehmen müssen. Dadurch hat sich die mögliche Jahresarbeitszeit um 96 Stunden verlängert. Überdies sparen sich die Unternehmen meist die sechste Urlaubswoche, die oftmals nicht erreichbar ist, da Arbeitsverhältnisse immer öfter gewechselt werden. In Österreich werden jährlich 250 000 Überstunden und Gutstunden geleistet, übrigens jede fünfte Überstunde unbezahlt.

Sie hätten nach diesem Urteil den Karfreitag als Feiertag erhalten (Zwischenruf bei der FPÖ), solange die Bundesregierung nicht gesetzlich eingriffen hätte. Und sie hat einge­griffen, und wie! Zuerst die Idee des halben Feiertags: Auch als Nichtjurist/-juristin wusste man: Das kann nicht funktionieren! Aber schon in der Halbtagsregelung war klar: Jeder Schritt der Regierung ist davon getragen, der Wirtschaft ein möglichst gro­ßes Geschenk zu machen. Es wurde eine neue Lösung gefunden: Der Feiertag wird gestrichen, gleich für alle. Das ist die schlechteste aller Möglichkeiten und eine sehr günstige für die Wirtschaft.

Ja, diese Regierung setzt die Festspiele im Interesse der Wirtschaft wirklich konse­quent um, da wundert es nicht, dass der Präsident der Wirtschaftskammer im Zeitungs­interview am letzten Sonntag offen bekennt, dass diese Regierung wirtschaftsfreund­lich ist! (Beifall bei der SPÖ. Bundesrat Seeber: Das ist ja nichts Schlechtes! Bun­desrätin Zwazl: Die Wirtschaft sind wir alle!)

Die Wortmeldung des Präsidenten der Industriellenvereinigung ließ ja ahnen, wohin sich das wirtschaftsfreundliche Verhalten noch weiterentwickeln ließe: Alle Feiertage könnten ja Urlaubstage werden! Na bitte! Die Regierung hat im Ursprung noch davon gesprochen, dass bei der Neuregelung niemandem etwas weggenommen werden soll, doch sie hat sich anders entschieden. Insgesamt gibt es keinen zusätzlichen Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen, wie es der EuGH vorgezeichnet hat, sondern einer Gruppe wird er sogar weggenommen.

Das bedeutet, dass es wieder zu einer Arbeitszeitverlängerung kommt und die Regie­rungsparteien wieder ein Versprechen gebrochen haben. Als Ersatz für diesen Feiertag gilt ein Urlaubstag, auf den man ein Recht hat – (Bundesrat Rösch: Dafür hat ... Pro­zess ...!) das klingt wie Hohn! –, aber bitte nur, wenn man ihn zukünftig rechtzeitig, drei Monate vorher – bitte unbedingt, das ist wichtig –, schriftlich beantragt. Gibt einem dann der Chef doch nicht frei, so erhält man die Zuschläge.

Bitte erklären Sie das den SaisonarbeiterInnen, für die die Saison oft erst später be­ginnt und die die Dreimonatsfrist nicht einhalten können. Die haben Pech gehabt! All


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 93

jene, die ihren Arbeitsplatz wechseln und ihn nicht drei Monate vorher ankündigen kön­nen: Pech gehabt, kein Urlaubstag!

Bei der Vermarktung des Themas zeigt sich die Schwäche des oberflächlichen Ver­suchs der öffentlichen Meinungsbildung. Das wäre nun ein persönlicher Feiertag?! – Das glaubt Ihnen doch wirklich niemand! Es ist und bleibt ein persönlicher Urlaubstag, den man dann einfach auf seinem Urlaubskontingent weniger hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, Ihre Aussage im Nationalrat – unter dem Titel: „Wer schafft die Arbeit? – [...] Die Wirtschaft schafft die Arbeit [...]!“ wird leider als fast unglaubliches Beispiel für eine Sozialministerin in die politische Geschichte eingehen. Eine derartige sich an die Wirtschaft andienende Aussage hat man noch von keinem Sozialminister, keiner Sozialministerin gehört, welcher Partei er oder sie auch angehört haben mögen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich soll Ihnen – das haben mir so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitgege­ben – bitte Folgendes sagen: Fragen Sie sich: Wer macht die Arbeit? Die Arbeitneh­merInnen machen die Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.) Völlig unverständlich, dass man ge­rade eine Sozial- und Arbeitsministerin darauf hinweisen muss. (Bundesrat Rösch: Was ist Arbeit?– Ja (erheitert), das müsste sich Kollege Rösch als Arbeiterkammer­vertreter wirklich selbst beantworten können.

Evangelische, altkatholische, methodistische ArbeitnehmerInnen verlieren ihren Feier­tag. (Neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Rösch.)  Nein, der Karfreitag, der ist schwer zu argumentieren für die Regierungsparteien, das glaube ich ungeschaut. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Evangelische, altkatholische und methodistische ArbeitnehmerInnen verlieren ihren Feiertag. Minderheitenrechte werden ignoriert und diese Personengruppen abgekan­zelt. – Es sind eh nur 4 Prozent; bei 96 Prozent verändert sich nichts, sagt der Kanzler. So geht diese Regierung mit Minderheiten um. Die Verärgerung und Bestürzung auch dieser religiösen Gruppen ist mehr als verständlich, besonders dann, wenn diese Re­gierung immer betont, dass sie die christlichen Werte so dermaßen hochhält.

Im Bereich des öffentlichen Dienstes herrscht große Verwirrung. Der Bund hat einen halben Tag frei, Bürgermeister und Bürgermeisterinnen geben evangelischen Mitarbei­terInnen frei, kluge Unternehmer geben einen ganzen Tag frei. (Bundesrat Köck: Wer hat Ihnen das geschrieben!) – Selber! – Ein Chaos in der Umsetzung (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ), begründet durch die Tatsache, dass man auf jegliche Expertise der Sozialpartner verzichtet hat.

Der Karfreitag! Wann immer Sie mit Menschen sprechen, können Sie sicher sein, dass diese Menschen wissen, dass ihnen einfach ein Feiertag weggenommen und ein per­sönlicher Urlaubstag, den sie sowieso haben, aufs Auge gedrückt wurde. Die Men­schen kann man nicht täuschen, die wissen schon, worum es sich handelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Die größte Ungeheuerlichkeit, die es zu sagen gilt, ist, dass damit in den Kollektivver­trag eingegriffen wird, in eine kollektivvertragliche Einigung zwischen beiden Kollektiv­vertragspartnern. Das ist wirklich mehr als verfassungsrechtlich bedenklich. (Bundesrat Rösch: Dann hättet ihr das nicht betrieben!) Gerade Sie, Herr Bundesrat Rösch, Sie müssen wissen, wie schwierig Kollektivverträge zustande kommen, wie sehr die Arbeit­nehmerseite dann etwas hergeben muss. (Bundesrat Rösch: Ihr habt den eigenen Ge­neralkollektivvertrag ausgehebelt!) Und jetzt greift die Regierung da in einen erkämpf­ten Kollektivvertrag ein. Das ist ganz, ganz, ganz schlecht. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 94

Weil wir es für wahrscheinlich verfassungswidrig halten und sich die ArbeitnehmerIn­nen in Österreich das nicht verdient haben, bringe ich namens der SozialdemokratIn­nen im Bundesrat folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Karfrei­tag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“

eingebracht im Zuge der Debatte zu Antrag 606/A

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zu übermitteln, mit der der Karfreitag für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu einem gesetzlichen Feiertag wird.“

*****

Werte Bundesrätinnen und Bundesräte, stimmen Sie dem Antrag auf Einspruch zu be­ziehungsweise stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! Sie tragen mit Ihrem Abstimmungsverhalten die Verantwortung dafür, ob die Karfreitagsregelung im Sinne der so hart arbeitenden ArbeitnehmerInnen in Österreich oder im Sinne der Minderheit umgesetzt wird und diese einen gesetzlichen Feiertag erhalten, oder ob sie ihren ei­genen Urlaubstag dafür hergeben müssen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24


Präsident Ingo Appé: Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen gestellte und von Bundesrätin Schumann eingebrachte Antrag gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalra­tes mit der beigegebenen Begründung Einspruch zu erheben – wobei dieser Antrag im Sinne des § 43 Abs. 4 der Geschäftsordnung in seinen Kernpunkten von der Antrag­stellerin mündlich erläutert wurde –, ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen gestellte und von Bundesrätin Schumann eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Kar­freitag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“ ist genügend unterstützt und steht dem­nach mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Christoph Längle. Ich erteile ihm dieses.


14.25.40

Bundesrat Christoph Längle, BA (FPÖ, Vorarlberg): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin, herzlich willkommen im Bundesrat, es freut mich sehr, dass Sie da sind! Geschätzte Damen und Herren! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! In Verhandlung steht eine Vielzahl von Gesetzen betreffend Land- und Forst­wirtschaft, betreffend Bäckereiarbeiter, betreffend Lehrer und auch betreffend Richter und Staatsanwälte und unter anderem auch dieses Feiertagsruhegesetz.

Ich halte hier deutlich fest, dass wir da nicht so wie die Sozialdemokratie diskriminie­rend vorgehen und die ganzen anderen Gesetzesänderungen ausgrenzen, sondern diese schon auch behandeln.

Ich möchte hier einmal ein großes Lob und eine große Anerkennung an alle Bäckerin­nen und Bäcker in Österreich aussprechen, denn sie sind es nämlich, die frühmorgens


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 95

aufstehen und das Brot und andere Dinge machen, der Gesellschaft einen wertvollen Dienst leisten und es ermöglichen, dass in den Bäckereien in der Früh die Regale ge­füllt sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Man muss aber auch noch einen Schritt weiter gehen und auch den vielen in der Land- und Forstwirtschaft tätigen Menschen Lob und Anerkennung aussprechen, denn sie bringen die Ernte ein und sind in diesen Berei­chen tätig, aber auch den Richtern und Staatsanwälten, wie angesprochen, und auch unseren Lehrerinnen und Lehrern, sie sind es nämlich, die die Zukunft von morgen he­ranbilden und dabei auch einen sehr, sehr wertvollen Dienst leisten.

Da bin ich jetzt bei Ihnen, Frau Schumann: Wenn Sie hier herauskommen und 10 Mi­nuten lang nur bezüglich dieses Feiertagsruhegesetzes eine polemische Rede halten und alle anderen Bereiche ausgrenzen, dann zeigt das eben Ihr Verständnis von arbei­tenden und fleißigen Menschen. (Beifall bei der FPÖ.)

Gut, widmen wir uns aber dem Feiertagsruhegesetz: Was ist dem Ganzen vorange­gangen? – Da hat es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes gegeben. Sie haben vor 5 Minuten gesagt, es sei unglaublich, dass wir jetzt Kollektivverträge ändern. – Ja, bitte gar schön, es wäre ja geradezu grob fahrlässig, wenn eine Regierung auf Ge­richtsurteile nicht reagieren würde! Also ich muss Ihnen in aller Deutlichkeit sagen, Frau Schumann, und das wissen Sie eigentlich auch oder sollten es wissen, dass Gerichts­urteile schon umzusetzen sind und bearbeitet werden müssen. (Bundesrätin Schu­mann: Aber in Kollektivverträge muss man deshalb nicht eingreifen!) Wenn das vom Europäischen Gerichtshof kommt, dann ist es auch eine logische Konsequenz, dass wir da tätig wurden und die Regierung tätig geworden ist. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Was hat die Regierung gemacht? – Die Regierung hat nichts anderes gemacht, als ei­ne Ungerechtigkeit, eine Diskriminierung aufgrund einer religiösen Zugehörigkeit abzu­stellen und Gerechtigkeit und Fairness für alle Religionsgemeinschaften zu schaffen. (Beifall bei der FPÖ und bei BundesrätInnen der ÖVP.) Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind gleich viel wert und haben jetzt gleichen Anspruch auf gleiche Fei­ertage. Es war auch das Ziel, eine wirtschaftstaugliche Lösung zu finden. Auch für Sie noch einmal zur Erklärung: Die Wirtschaft sind wir alle. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Weil Sie vorhin auf den Tisch geklopft und gesagt haben, die Arbeitnehmer werden diskriminiert und schlecht behandelt, darf ich Ihnen jetzt hier auch einmal eine Lektion erteilen, nämlich: Die Wirtschaft funktioniert nur dann gut und richtig, wenn es ein Ge­ben und Nehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. Bundesrätin Schumann: Nicht nur nehmen!) Nur dann funktioniert die Wirt­schaft! (Bundesrätin Schumann: Ja, genau!) Was Sie immer machen, ist, dass Sie im­mer einseitig beurteilen, deshalb kommen Sie auch immer zu falschen Schlüssen.

Zu dem Vergleich, den Sie vorhin hier gebracht haben, dass wir das dann gegenüber den Menschen in Österreich zu rechtfertigen haben – weil es offensichtlich nur 4 Pro­zent betrifft und 96 Prozent eben nicht –, sage ich Ihnen auch ganz klar: Wir haben da Gerechtigkeit und Fairness für 100 Prozent geschaffen (Bundesrätin Schumann: Nur für die Wirtschaft!); nicht für 4 Prozent und nicht für 96 Prozent, sondern für 100 Pro­zent der Menschen in Österreich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Zusätzlich ist hier zu erwähnen, dass wir folgende Möglichkeit eingeräumt haben: Wenn jemandem ein Tag wichtig ist – egal welcher Tag das ist, ob das für jemanden ein persönlicher Feiertag ist oder sonst ein wichtiger Tag; es gibt ja noch andere wich­tige Tage in einem Menschenleben –, dann hat er jetzt die Möglichkeit, das anzumel­den, und hat einen rechtsverbindlichen Anspruch darauf, sich freizunehmen. Ich denke, das ist eine sehr positive Errungenschaft. Das gilt übrigens nicht für irgendwelche Gruppen, sondern für 100 Prozent, für alle Menschen in Österreich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 96

Frau Schumann, da Sie hier immer so schnippisch herausrufen, muss ich Ihnen sagen: Sie sind ja eigentlich nur verärgert und neidisch, weil diese Regierung jetzt endlich ein­mal gut und stringent arbeitet. (Heiterkeit der Bundesrätin Schumann.) Das haben Sie nämlich, als Sie noch in der Regierung waren, verabsäumt. Ihr habt da eigentlich viele Dinge nur schubladisiert, habt den Staat massiv verschuldet, habt eine unkontrollierte Zuwanderung herbeigeführt und habt halt auch nötige Änderungen im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer versäumt. Es ärgert Sie jetzt doppelt, weil wir uns auf die Fahnen geschrieben haben, dass wir Fairness und Gerechtigkeit in Österreich haben wollen, und das jetzt auch schon in vielen, vie­len Dingen herbeigeführt haben – auch in diesem Bereich, und das ärgert Sie halt dop­pelt und dreifach. (Bundesrätin Schumann: Genau!) Was Sie noch ärgert, ist die Ge­schwindigkeit dieser Regierung. Das Urteil ist da, wir haben heute hier schon eine Lö­sung in beiden Kammern endverhandelt und haben auch eine gute Entscheidung für die Zukunft herbeigeführt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend halte ich fest: Wir werden selbstverständlich allen Gesetzesänderungen zustimmen. Ich halte besonders fest, dass hier Lob und Anerkennung der Regierung auszusprechen ist, dass hier Lob und Anerkennung insbesondere unserer Ministerin auszusprechen ist, denn sie ist der Fels in der Brandung, der für Fairness und Gerech­tigkeit in diesem Land eintritt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In diesem Sinne wünsche ich allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und auch allen Arbeitgebern alles Gute und danke für ihren Einsatz. Danke für euren Einsatz für Österreich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.32


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gelangt Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile es ihm. – Bitte.


14.32.41

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich): Verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin! Auch ich möchte ganz kurz auf diese de­mokratiepolitische Farce – und ich nenne es wirklich so –, die hier präsentiert wird, die­se Karfreitagslösung eingehen. Ganz ehrlich: Wie das im Parlament abgelaufen ist, wi­derspricht meinem Verständnis von Demokratie. Man hat wieder über einen Entschlie­ßungsantrag so ein wichtiges Gesetz einfach beschlossen. Da sind wir nicht einmal be­teiligt, aber das der Opposition einen Tag vorher, ein paar Stunden vorher zu überrei­chen finde ich nicht wirklich toll und fair – aber das soll uns jetzt im Bundesrat weniger beschäftigen.

Es zeigt wieder das Sittenbild, das dahintersteht. Immer wieder diese Entschließungs­anträge, Schnellschüsse, diese Art, nicht mit der Bevölkerung zu reden, mit den Leu­ten, die betroffen sind, mit den SozialpartnerInnen: Das sollte uns doch zu denken ge­ben, dass man vielleicht einen anderen Weg gehen sollte.

Zunächst hat die Regierung den evangelischen und den altkatholischen Beschäftigten einen halben und jetzt sogar den ganzen Feiertag gestrichen. Stattdessen können sich die ArbeitnehmerInnen an ihrem persönlichen Feiertag – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: an diesem persönlichen Feiertag – Urlaub nehmen, nämlich aus dem ihnen ohnehin zustehenden Urlaubskontingent. Sagen wir es ganz einfach und easy: Schwarz-Blau stiehlt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Fei­ertag, nichts anderes ist es, und zwar einen ihnen zustehenden Feiertag, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: So ein Schmarrn!)

Das machen Sie, obwohl Sie versprochen haben, dass niemandem etwas genommen wird. Das ist keine Fairness, Herr Kollege Längle! Das ist nicht die Fairness, die Sie im­mer plakatieren! 100 Prozent der Bevölkerung einen Feiertag zu streichen, das ist kei-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 97

ne Fairness, das ist ganz einfach Lobbyismus für die Industrie, nichts anderes! (Ruf: 4 Prozent!) Daran sieht man auch, was das Wort dieser Bundesregierung in Wirk­lichkeit wert ist. Was ist es wert?! An einer Lösung für ArbeitnehmerInnen, die ihnen Entlastung bringen würde, ist man überhaupt nicht interessiert. Es wird nur im Inter­esse der Industrie gehandelt, das ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bei­fall des Bundesrates Novak.)

Liebe ÖVP, ich möchte Ihnen auch im Rahmen Ihres Weltbilds etwas sagen: „Geben ist seliger als nehmen.“ Das ist der Punkt, auch für die ArbeitnehmerInnen: „Geben ist seliger als nehmen.“ (Bundesrat Schuster: ... grad in Wien den Grünen sagen!)

Was mich persönlich daran stört, ist der Terminus persönlicher Feiertag. Das ist meiner Meinung nach massiv irreführend, denn gesetzliche Feiertage sind allgemein gültig und keine persönlichen Feiertage. Also dieses Wort alleine ist schon Irrsinn. (Bundesrat Pi­sec: Es steht auch nicht drinnen!) – Es wird immer über den persönlichen Feiertag ge­redet, aber das ist ein Irrsinn.

Weiters ist noch nicht klar, ob der Eingriff in die Kollektivverträge überhaupt legal ist. Das ist bis jetzt noch nicht geklärt, das wird sich erst zeigen, darüber streiten noch immer die Juristen. Ich glaube, Frau Kollegin Schumann hat das vorhin angespro­chen – nicht, was Herr Längle gemeint hat –. Das ist noch immer das Problem, dass man nämlich noch immer nicht weiß, wie es mit den Kollektivverträgen, mit dem Gene­ralkollektivvertrag in Zukunft ausschauen wird. Da gibt es noch kein Urteil. Das wird man sich dann wahrscheinlich vor Gericht anschauen müssen, wie so oft bei dieser Bundesregierung.

Das ganze Gesetz erinnert mich eher an ein Husch-Pfusch-Gesetz und, ganz ehrlich, an einen Angriff auf die ArbeitnehmerInnen zugunsten der Industrie. Etwas anderes ist es nicht, das möchte ich so stehen lassen. Das wird von uns nicht unterstützt.

Wir werden den Antrag der SPÖ unterstützen, weil auch wir glauben, dass der Karfrei­tag ein gesetzlicher Feiertag für alle Österreicherinnen und Österreicher werden soll und werden muss. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

14.36

14.36.53*****


Präsident Ingo Appé: Herr Kollege Stögmüller, Sie haben den Terminus „stehlen“ verwendet. Ich bitte Sie, diesen zurückzunehmen. (Bundesrat Stögmüller: Nein, die Regierung stiehlt!) – Dann muss ich Ihnen leider einen Ordnungsruf erteilen. (Bundes­rat Rösch: Uns wurde grad die Zeit gestohlen!)

*****

Zu Wort gemeldet ist als Nächster Bundesrat Robert Seeber. Ich erteile es ihm.


14.37.21

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Ich darf mich heute zum Thema Karfreitag zu Wort melden und möchte das aus drei Perspektiven machen, nämlich aus politischer, aus persönlicher, aber auch aus wirtschaftlicher Perspektive; ich stehe auch im Namen der Wirtschaft hier im Bundesrat.

Ich glaube, über eines können wir alle quer durch die gesamte Parteienlandschaft Ein­vernehmen erzielen, nämlich dass dieses Karfreitagsthema bis dato kein Thema gewe­sen ist. Es hat bis jetzt, bis zum 22. Jänner dieses Jahres, niemand gefordert, dass es


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 98

einen zusätzlichen Feiertag geben soll, genauso wenig wie es die Katholiken gestört hat, dass die Evangelischen einen Feiertag mehr haben. Ich glaube, darüber kann man Einvernehmen erzielen. Diese Ungleichheit wurde nun vom Europäischen Gerichtshof in einem Urteil festgestellt; der EuGH sagt: Das ist diskriminierend.

Es war abgesehen davon auch nicht im Regierungsprogramm festgeschrieben, weil es, wie gesagt, kein Thema war. Auch die Regelung, dass 4 Prozent einen Feiertag mehr haben und dass das 96 Prozent gar nicht betrifft, hat keinen gestört, genauso wie es die Katholiken nicht gestört hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der EuGH sagt nur, es sei eine nicht dis­kriminierenden Regelung zu schaffen. Frau Kollegin Schumann, ich kann nicht erken­nen, wo der EuGH sagt, dass man einen zusätzlichen Feiertag schaffen muss. Das ist eine Eigeninterpretation; gestatten Sie mir, dass ich das so sage. (Bundesrätin Schu­mann: Nein, nein!) Abgesehen davon wissen Sie alle, dass das auch in der medialen Darstellung teilweise sehr verzerrend dargestellt wird. (Nein-Rufe bei der SPÖ.) – Sie können anschließend gleich reden, mit dem nötigen Respekt voreinander. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Betreffend Bundesbeamte, das wissen Sie alle, ist es Usus, dass sie am Freitag zu Mittag nach Hause gehen können. Auch in den Bundesländern, in den Gemeinden ist das entsprechend üblich. Ich sage Ihnen auch eines: In den Unternehmen – nicht in al­len, keine Frage, aber in vielen, beispielsweise auch in meinen Betrieben –, ist es üb­lich, den MitarbeiterInnen auch am 24. oder am 31. Dezember ab dem Nachmittag freizugeben. Es wird etwas verzerrend dargestellt. Es ist für mich das Normalste, dass es in den verschiedenen Unternehmen verschiedene Regelungen gibt. Das ist, so wie ich es sehe, gelebte Realität.

Sie sagen immer, da werde einem etwas genommen. – Wenn 96 Prozent der Bevöl­kerung einen Feiertag weniger gehabt haben als die Evangelischen, kann ich denen meiner Logik nach nichts wegnehmen. (Bundesrätin Schumann: Genau!)

Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, in Richtung der Sozialdemokratie Fol­gendes zu sagen: Diese Lösung ist auch für die Wirtschaft eine Herausforderung im Betriebsablauf, das möchte ich nicht verhehlen; aber wir können damit leben (Ruf bei der SPÖ: Das glaube ich!), weil es eben keinen zusätzlichen Feiertag gibt. Gestehen Sie mir zu, das aus meiner Perspektive, von meiner Warte aus zu sagen.

Abgesehen davon wurde ja mit dem evangelischen Bischof Bünker Einvernehmen er­zielt. (Bundesrat Schennach: Na ja, aber das ist ja ...!) Im Nachhinein hat die Basis das konterkariert (Bundesrat Schennach: Nein, das stimmt auch nicht!), aber trotz­dem: Mit dem obersten Vertreter der Evangelischen wurde das abgesprochen.

Ich sage noch etwas aus der Wirtschaft, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ich sehe das doch etwas kritisch, generell ist es problematisch – da haben Sie recht, Frau Kollegin Schumann –, in Kollektivverträge einzugreifen, aber bei einer EuGH-Entschei­dung bezüglich eines Generalkollektivvertrags aus dem Jahr 1952 war das einfach ob­solet. (Bundesrätin Schumann: Nein!) Jetzt hat man das eben adaptiert.

Ich selbst bin römisch-katholischer Christ, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch mir ist dieser Feiertag nicht unwichtig, wenn ich das so sagen darf. Was mich aber ein biss­chen verwundert, ist Folgendes: Wenn mir dieser Tag so wichtig ist, dann nehme ich mir halt einen freien Nachmittag! So würde ich das ganz pragmatisch sehen. Ich wun­dere mich nur ein bisschen, dass gerade der ÖGB jetzt die Religionsgemeinschaften entdeckt hat. Das ist ein bisschen heuchlerisch, es entlockt mir ein Schmunzeln. Was war denn betreffend 8. Dezember? Auch das könnte man vielleicht ins Treffen führen. Da wird also mit zweierlei Maß gemessen.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 99

Eines darf ich Ihnen abschließend schon noch sagen: Ich weiß, wir haben immer einen Dialog, und so soll es auch bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber speziell in Österreich haben wir in der Wirtschaft die meisten arbeitsfreien Tage in Europa. Abge­sehen, Frau Kollegin Schumann, von einer Entgeltfortzahlung, die die fortschrittlichste und beste in Europa ist, auch bei Freizeitunfällen, gibt es noch Tage für Arbeits- be­ziehungsweise Postensuche und Übersiedlungstage. Die Wirtschaft stützt den Staat, indem sie die Familienbeihilfe finanziert, das soll man nicht vergessen; das Kinderbe­treuungsgeld wurde ja heute schon erwähnt. Weiters gibt es bei uns die Gratisschul­buchaktion, Schülerfreifahrten und Lehrlingsfreifahrten. – Das finanziert die Wirtschaft. (Bundesrätin Schumann: ... Steuerleistung!)

Es soll auch gut sein. Ich sage ja nicht, dass das schlecht ist – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen das gerne bekommen! –, ich möchte damit nur Folgendes sagen: Es ist System: Es wird etwas gefordert – entweder zahlt es der Staat oder die Wirtschaft. Das ist das Einzige, was ich ankreide. (Bundesrätin Grimling: ... Arbeitnehmer! – Wei­tere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht jetzt nicht nur um diesen einen Freitag; es geht aus meiner Sicht um die Summe der Belastun­gen, die die Wirtschaft tragen muss. Das ist, wenn man ein erfolgreicher Wirtschafts­standort sein will, nicht gerade förderlich, darum geht es.

Ich bitte um eines: Hören wir im Zusammenhang mit diesem Freitag mit der Polemik auf! Bei diesem ganzen Thema ist ein bisschen Heuchelei dabei. Es gibt einen EuGH-Entscheid, das müssen wir einfach akzeptieren. Wir in der Wirtschaft können damit leben. Tun wir aber nicht so, als ob wir jetzt das größte politische Kleingeld damit wechseln könnten! Ich glaube, das wird Ihnen nicht gelingen. Dieses Problem wird rie­sig aufgebauscht. (Bundesrätin Grimling: ... Kompromiss! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es ist ein Kompromiss, meine Damen und Herren. Tragen Sie den Kom­promiss mit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.44


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Rudolf Kaske. Ich erteile es ihm.


14.45.00

Bundesrat Rudolf Kaske (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Meine sehr geschätzten Damen und Herren auf der Galerie und wo auch immer Sie uns zuhören! Vorweg möchte ich mich natürlich für die freundliche Aufnahme in der Februarsitzung trotz aller inhaltlichen Turbulenzen und Unterschiedlichkeiten sehr, sehr herzlich be­danken. Ich werde versuchen, wie jeder von uns, das Beste zu geben, um der Würde und dem Anspruch des Bundesrates gerecht zu werden.

Ich konnte mir jedoch seit der letzten Sitzung auch ein bisschen einen Eindruck ver­schaffen, wie es im Bundesrat so läuft. Natürlich liegt es an jedem Einzelnen, wie man miteinander umgeht und ob man den politischen Mitbewerber respektiert oder auch nicht, aber, meine Damen und Herren, meine Lebenserfahrung zeigt: Dazu gehört es, zuzuhören und anderen Meinungen, auch wenn man sie vielleicht nicht immer teilt, zumindest den notwendigen Respekt entgegenzubringen. Ich sehe meine Aufgabe und meine Arbeit darin, daran – und auch an mir – zu arbeiten, wie wir miteinander umge­hen. Ich sage aber auch dazu: Das ist Stärke lediglich einer kleinen Minderheit in die­sem Haus.

Eines ist ganz klar – und ich möchte das auch ganz deutlich sagen, damit es in meiner Rede nicht zu kuschelig wird (allgemeine Heiterkeit – Bundesrätin Mühlwerth: Die gu­ten Vorsätze schon wieder über Bord geworfen!) – nein, ich will das nur klarstellen –: dass ich mich um die die Anliegen jener, die mir, wie auch andere Ihnen, das politische


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 100

Vertrauen geschenkt haben, kümmern werde, sie vertreten werde und versuchen wer­de, ihnen eine starke Stimme zu geben.

Bevor ich aber auf das eigentliche Thema eingehe, möchte ich sagen: Die heutige De­batte war schon sehr spannend für mich. Es wurde hier unter anderem behauptet, die Sozialdemokraten seien eine Schuldenmacherpartei. (Bundesrat Rösch: Mit der Bank Austria in Wien!) – Es hat jemand in einem einzelnen Bundesland geschafft, bis zu 20 Milliarden Euro Schulden zu machen; ich sage das nur dazu. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Bawag! CA!)

Es wurde auch gesagt, dass wir zu viele Feiertage, zu viele freie Tage haben. – Schau­en Sie sich die Statistik an, meine Damen und Herren! Die ist unverfälscht und sagt ganz klar, dass wir betreffend die tatsächliche Arbeitszeit in Europa die Nummer drei sind und dass wir hinsichtlich der Feiertage im Mittelfeld liegen; das sei nur ganz kurz angemerkt. (Beifall bei der SPÖ.)

Damit, meine geschätzten Damen und Herren, liebe Mitglieder des Bundesrates, leite ich zur politischen Causa prima der letzten Wochen über, nämlich, sie wurde ja schon angesprochen, zur Debatte um den Karfreitag. Wenn der Herr Bundeskanzler so oft betont – und ich zitiere hier –: „Es bleibt alles wie in den vergangenen 50 Jahren auch“, sage ich Ihnen ganz ehrlich, mich erstaunt das ein wenig, denn ich denke mir: Das kann er ja wohl nur aus Erzählungen kennen, denn mit seiner Lebenserfahrung und mit dem Alter geht sich das irgendwie nicht aus – das aber nur nebenbei bemerkt. (Heiter­keit und Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ist das jetzt ein Vorwurf? Er kann doch nichts dafür, dass er so jung ist!)

Wenn der Herr Vizekanzler noch eines draufsetzt, schon den Schuldigen gefunden hat – Sie haben es ja angesprochen, meine Damen und Herren –, und behauptet, die AK sei schuld an dieser Misere, dann ist für mich auch eines klar: Man will ablenken und versucht, die Schuld beim anderen zu suchen, und setzt nicht bei sich selbst an. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Steiner: Das macht ihr! Ihr macht das!) Ich sage Ihnen, es geht um das eigene Unvermögen, gescheite Lösungen auf den Tisch zu le­gen, und darum, davon, wie gesagt, abzulenken.

Die Wahrheit ist, meine Damen und Herren, um es auf den Punkt zu bringen: Die AK hat einem Arbeitnehmer zu seinem Recht verholfen, das sei hier ganz deutlich ange­merkt; und der Europäische Gerichtshof ist klar und unmissverständlich zu dem Urteil gekommen, dass niemand in Bezug auf den Karfreitag benachteiligt werden darf. Das heißt, der EuGH hat allen in unserem Land einen Feiertag zugestanden. Im Gegensatz dazu hat die österreichische Bundesregierung die schlechteste Lösung für knapp 3,8 Mil­lionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer präferiert (Beifall bei der SPÖ), sie hat nämlich allen den Feiertag genommen.

Da nützen auch noch so schöne Beschönigungsversuche nichts, denn ich schließe da­raus: Die österreichische Bundesregierung hat ein großzügiges, weiches Herz für die österreichische Wirtschaft, aber ein steinernes Herz für die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

Dieser geschmacklose PR-Gag wurde schon angesprochen: Jeder kann sich einen persönlichen Feiertag nehmen – wenn er einen Urlaubstag opfert; das muss man ja in einem Atemzug dazusagen! Kollege Steiner hat, wenn auch in einem anderen Zusam­menhang, von einem Kabarett gesprochen, aber so eine Lösung, meine Damen und Herren, ist nicht einmal von Kabarettisten zu überbieten. Das möchte ich hier ganz deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmül­ler.) Wenn dieser üble Scherz nicht so traurig wäre, müsste man eigentlich schmun­zeln, aber das ist eine andere Geschichte.

Meine Damen und Herren! Die österreichische Bundesregierung denkt und handelt daher nicht im Sinne der 3,8 Millionen ArbeitnehmerInnen. Frau Bundesminister, Sie


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 101

haben in der Debatte des Nationalrates, das habe ich sehr aufmerksam verfolgt, ge­sagt: „Die Wirtschaft schafft die Arbeit“ beziehungsweise die Arbeitsplätze. – Ich sage, es sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch ihre Höchstleistungen und durch überdurchschnittliche Arbeitszeiten die Wirtschaft am Laufen halten. (Bundesrat Rösch: Das sind wir alle!) Das möchte ich hier einmal ganz klar und deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller. – Bundesrat Seeber: Wir alle sind Wirtschaft!) Ich habe allerdings das Gefühl, dass diese Bundes­regierung sich hauptsächlich ihren Lobbys und ihren Geldgebern verpflichtet fühlt.

Anmerken möchte ich auch noch – das hier zu sagen ist mir auch wichtig –: Darüber hinaus werden jene – ich darf mich hier outen, ich bin evangelisch –, die bisher einen Feiertag hatten, geschröpft. Wenn es nämlich so ist, wie die Regierung nach eigenen Angaben berechnet hat, dass ein Feiertag für alle 600 Millionen Euro kostet, heißt das, dass sich die Wirtschaft ab sofort jährlich 30 Millionen Euro erspart, weil sie nämlich den Evangelischen und den Altkatholiken diesen bisherigen Feiertag nicht mehr be­zahlt. Durch diese Nichtgewährung macht sich die Wirtschaft, so sage ich, ein beträcht­liches Körberlgeld, und das finde ich nicht in Ordnung.

Ich komme schon in die Schlussrunde – das Licht am Rednerpult leuchtet –: Ich frage mich daher, meine Damen und Herren von ÖVP und FPÖ: Denken Sie in dieser Frage oder vielleicht auch in anderen Fragen manchmal darüber nach, ob sie nicht auf der falschen Seite stehen (Zwischenruf des Bundesrates Brunner) und den fleißigen Men­schen nicht doch das Geld aus der Tasche ziehen? Gott sei Dank gibt es aber in unse­rem Land Menschen, die auf der richtigen Seite stehen, nämlich auf der Seite der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ich sage Ihnen auch, dieser Sündenfall Karfreitag wird, davon gehe ich aus, noch die Ge­richte beschäftigen – das wird sicherlich noch spannend werden –, aber anscheinend lebt es sich ohne ausgeprägtes Gewissen sowie Sinn für Gerechtigkeit und Respekt manches Mal ziemlich ungeniert. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.)

Ich darf zum Schluss kommen und vor allem in Richtung ÖVP eine kleine Anmerkung machen: Ich erinnere mich vage daran, da gab es bei Ihnen – vor langer, langer Zeit, das gebe ich zu – einmal Menschen und Politiker, die von einer Christlichsozialen Par­tei gesprochen haben, aber ich glaube, das ist schon sehr, sehr lange her. (Bundesrat Schennach: Extrem lang her! – Bundesrat Weber: Es ist nur die Partei übrig geblie­ben!)

Zweitens möchte ich auch noch etwas zur sozialen Heimatpartei sagen, wie Sie sich bezeichnen. (Bundesrat Rösch: Da gibt’s nur eine!) Sie dürften offenbar vergessen haben, wer denn eigentlich ihre Wählerinnen und Wähler sind. Sie haben sich nämlich von der sozialen Heimatpartei zur sozialen Umbau- und Abbaupartei entwickelt. Das möchte ich hier ganz klar und deutlich sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ganz zum Schluss, meine Damen und Herren (Zwischenruf der Bundesrätin Mühl­werth) – hören Sie mir zu Frau Kollegin, Sie können nachher auch sprechen –, möchte ich im Sinne eines Kollegen im Nationalrat Folgendes anmerken: Ich werde mir, so wie er, meinen persönlichen Feiertag dann nehmen, wenn diese Bundesregierung abge­wählt wird. Sie verzeihen mir, ja? (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Bundesrat Sperl: Dann bist in der Pension! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Bis dahin, liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, werden wir noch viel Freude miteinander ha­ben. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

14.56


Präsident Ingo Appé: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Mag. Reinhard Pisec. Ich er­teile es ihm.



BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 102

14.57.04

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec, BA MA (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte im Zu­sammenhang mit diesem Antrag der SPÖ etwas erklären. Ich glaube, Sie verwechseln da die Termini technici Feiertag und freier Tag. Sie fordern einen zusätzlichen Feiertag, so etwas kann man aber nicht fordern. Der Karfreitag ist passiert, Jesus Christus ist am Karfreitag gestorben. Das ist eine Art der Erinnerungskultur, das ist so passiert.

Auch Sie, Herr Kollege Kaske, haben in Ihrer Rede dauernd die Begriffe Feiertag, freier Tag und Urlaubstag verwechselt. Das geht nicht! Feiertage gibt es, ob als freien Tag oder nicht. Auch der Gründonnerstag ist ein Feiertag, aber er ist kein freier Tag. Auch ein Geburtstag ist ein Feiertag, aber er ist kein freier Tag. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bravoruf des Bundesrates Seeber.) In diesem Sinne passt Ihr Antrag nicht zusammen.

Ich möchte jetzt für meine Minderheit sprechen, nämlich für die evangelische Minder­heit nach Martin Luther: Für uns ist die Quelle die Bibel, deswegen heißen wir ja die Evangelischen. Das Evangelium, die Bibel, die vier Evangelisten, das ist für uns das Paradigma. Die Frage, ob das jetzt ein freier Tag ist oder nicht, sei dahingestellt. Ich begehe diesen Feiertag. Als Unternehmer arbeite ich sowieso immer. Ich brauche von der Gewerkschaft oder von der Arbeiterkammer sicher nicht irgendwelche Arbeitszeit­vorschriften. Die lehne ich total ab. (Heiterkeit und Beifall bei BundesrätInnen von FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.)

Jetzt zu etwas Historischem – weil Erinnerungskultur; wie gesagt, vor 2 000 Jahren pas­siert –: Martin Luther hat 1530 diese Reformation begründet, diesen Weg zur Bibel, zur Heiligen Schrift. Diese Confessio Augustana aus dem Jahr 1530 liegt im Österreichi­schen Staatsarchiv, und unsere Bundesregierung – vielen Dank an die jetzt eingesetz­te Bundesregierung! – hat für dieses Manuskript bei der Unesco den Dokumentenerbe­status beantragt, und das ist auch genehmigt worden. Ich ersuche alle, sich einmal an­zuschauen, was Martin Luther beziehungsweise das Christentum – nämlich das evan­gelische Christentum, denn hier geht es jetzt um den Karfreitag für uns Evangelische – da geleistet hat. Wir erinnern uns sehr gerne daran, aber sicher nicht mit der sozialisti­schen Gewerkschaft und der Arbeiterkammer. (Beifall bei der FPÖ und bei Bundesrä­tInnen der ÖVP.)

Den Burgfrieden mit einem freien Tag für uns Evangelische nach dem Augsburger Be­kenntnis gab es seit der Nachkriegszeit. Das hat niemanden gestört – das sind 3,6 Pro­zent, eine winzige Minderheit; manche nahmen sich frei, manche nicht, es waren si­cherlich nicht mehr als 1 bis 2 Prozent –, bis sich die Arbeiterkammer mit ihrer Klage einen freien Tag auf dem Rücken, darum geht es ja, von uns Evangelischen mehr oder minder freischießen wollte. Das war euer Konzept, und das ist gescheitert, denn wir brauchen sicherlich keine Häretiker, die sich als Nichtchristen uns Christen anhängen wollen. Wenn dieser Atheist, den ihr da vorgeschoben habt – die Klage kommt eigent­lich von der Arbeiterkammer –, sich uns evangelischen Christen angeschlossen hätte, hätte er ja ohne Probleme diesen freien Tag. Das war aber nicht eure Intention, ihr wolltet etwas ganz anderes, eure Ziele sind ganz andere. (Vizepräsident Brunner übernimmt den Vorsitz.)

Herr Kollege Kaske hat es schon gesagt: Ich bin mit Kreisky aufgewachsen, verbinde 40 Jahre Sozialismus mit 40 Jahren Schuldenpolitik, hoher Besteuerung der Arbeitneh­mer, geringer werdendem Ausbildungsniveau. Das ist auch ein Grund dafür, dass wir heute einen Fachkräftemangel haben. (Zwischenrufe der BundesrätInnen Schumann und Weber.) Wir haben mit dieser türkis-blauen Bundesregierung endlich die Wende eingeleitet. Darauf sind wir besonders stolz, und das lassen wir uns von der Arbeiter­kammer sicher nicht nehmen! (Beifall und Bravorufe bei FPÖ und ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 103

In Wien regieren noch die Roten, und das seit über hundert Jahren. In Wien macht man Schulden, als ob es kein Morgen gäbe – Stichwort Krankhaus Nord: der Rechnungshof hat sich schon in x Sitzungen damit beschäftigen müssen, Verdoppelung der Kosten, Verschuldungsanstieg ohne Ende, Belastungsrekord –, und das Ergebnis ist natürlich immer: Es geht zulasten der Arbeitnehmer, Arbeitslosigkeit; und das ist schade. In Wien bedarf es dringend eines Paradigmenwechsels!

Jetzt komme ich kurz zu einem interessanten Thema: Es ist ein interessantes wissen­schaftliches Buch erschienen, geschrieben von dem Wirtschaftshistoriker Roman Sand­gruber. Dieses Buch ist übrigens vor wenigen Tagen zu einem der Wissenschaftsbü­cher des Jahres 2019 ernannt worden. Es ist ein Buch über die Familie Rothschild und trägt den Untertitel „Glanz und Untergang des Wiener Welthauses.“ Es ist eine beein­druckende Arbeit dieses Forschers, die er in fünf Jahren Forschungsarbeit in Archiven weltweit zusammengetragen, geschrieben, bebildert und erstellt hat.

Was steht in diesem Buch unter dem Kapitel „Die Auslöschung“? – Ich zitiere: „Die bei­den prächtigen Palais auf der Wieden“ wurden 1955 „abgerissen.“ (Zwischenruf des Bun­desrates Schennach.) – „Wo einst der Inbegriff des Klassenfeindes residierte“ – wer ist der Klassenfeind, ich als Unternehmer, die Wirtschaft, wer ist denn bei euch der Klas­senfeind? – „, amtiert jetzt die sozialdemokratisch dominierte Kammer für Arbeit [...] in gesichtslosen Nachkriegsbauten.“ – Das ist in der Prinz-Eugen-Straße 20 bis 22. „Einer der spektakulärsten Privatbauten Wiens: das Palais [...] Rothschild in der Prinz-Eugen-Straße“, baulich völlig intakt, wurde dem Erdboden gleichgemacht und durch diesen gesichtslosen Bürokomplex ersetzt. (Bundesrätin Mühlwerth: Und was ist hingekom­men? Die Arbeiterkammer!) Das Palais Rothschild erinnerte „an Schloss Versailles“. „Der Glanz der riesigen Treppen und Hallen war der neuen Hofburg des Kaisers mehr als ebenbürtig.“ – Für euch Kämmerer nicht. „Die Spitzhacke tat ihr zerstörerisches Werk: Ein bedeutendes kulturelles Erbe der Stadt ging für immer verloren.“ (Zwischen­rufe bei der SPÖ.)

Das ist eine absolute Kulturschande, und das ist das Ergebnis, das Erbe dieser Ar­beiterkammer, mit der wir es heute hier zu tun haben müssen! (Bundesrätin Grimling: Wir reden nicht über die Arbeiterkammer! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sehr verehrte Damen und Herren! Betreffend Arbeiterkammer, wie sie sich in der heu­tigen Form darstellt, sage ich persönlich – und ich darf das vielleicht im Namen der Bundesregierung sagen –: Nein, danke!, weil ihre Ziele nur hohe Steuern und hohe Ab­gaben verursachen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir wollen mehr Netto für Brutto und nicht mehr Brutto für Netto (Heiterkeit bei BundesrätInnen der SPÖ) durch 40 Jahre sozialistische Hochsteuerpolitik! Die gesenkte Arbeitslosigkeit ist schon ein Zeichen dafür, dass es in eine andere Richtung geht, dass eine Wende im Gange ist.

Ich möchte auch die Christen, die Repräsentanten dieser Kirche, nämlich meiner und der katholischen Kirche, nicht aus der Verantwortung nehmen. 2003 hat sich nämlich ein Fenster geöffnet, das Christentum hätte in einer Präambel in der Verfassung fest­geschrieben werden können. Die Repräsentanten der Kirchen, nämlich die Bischöfe beider Religionen, jener der evangelischen Kirche und jener der katholischen Kirche, haben das nach dem Motto: Es ist eh eine Selbstverständlichkeit!, abgelehnt. Offen­sichtlich hat diesen Repräsentanten damals der Weitblick gefehlt, um zu erkennen, dass mehr als 15 Jahre später die Arbeiterkammer unsere Kirche wegschießen möch­te. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Wir Evangelische wollen uns sicherlich nicht von der Arbeiterkammer vertreten lassen, wir begehen unseren Feiertag wie gehabt! – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Bun­desrätInnen der ÖVP.)

15.04



BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 104

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Prischl. Ich erteile es ihr.


15.05.01

Bundesrätin Eva Prischl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Wer­te Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Sehr geehrte Zuhörer und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Wieder einmal, das muss man schon betonen, wurde von der Regierung ohne ausreichende Begutachtung ein rechtlich zweifelhaftes Gesetz durch das Parlament gepeitscht. Kollegen haben das schon angesprochen, ich kann das wirklich nur bestätigen.

Vom Wegfall des Feiertags sind die ArbeitnehmerInnen, auch das haben KollegInnen schon angesprochen, sowie die Gemeinden der christlichen Minderheiten betroffen. Für die evangelischen Kirchen als Kirchen der Reformation ist der Karfreitag ein zen­traler Feiertag. Die Religionsausübung dieser Minderheitskirchen zu beschneiden und ihren wichtigsten Feiertag zu kappen zeugt von beispielloser Unverfrorenheit. Es ist auch demokratiepolitisch und menschrechtlich eine mehr als bedenkliche Vorgangs­weise. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Rösch: Die ist sicher aus der Kirche ausge­treten und redet über die Religion!)

Die evangelische Kirche hat ganz anders reagiert, als es von Herrn Kollegen Seeber, der ja Herrn Bischof Bünker erwähnt hat, dargestellt wurde. Ich habe eine Resolution in den Händen, die Sie auch bekommen haben, in der steht, dass wir sie bitte unterstüt­zen sollen. Sie haben kein Einverständnis gegeben. Die evangelische Kirche in Öster­reich hat diese Resolution an alle BundesrätInnen übermittelt und prüft auch rechtliche Schritte gegen die beschlossene Regelung. „Die Einführung eines persönlichen Feier­tages im Rahmen des Urlaubskontingentes als Ersatz für den Karfreitag“ lehnt der Synodenpräsident Peter Krömer „strikt ab. Die kurze Frist und die Art der Gesetzwer­dung hat den Evangelischen Kirchen das nach § 14 Protestantengesetz vom 6. Juli 1961 eingeräumte Begutachtungsrecht in Angelegenheiten, die sie unmittelbar betref­fen, genommen.“

Für uns Sozialdemokraten ist es nach dem EuGH-Urteil die logische Konsequenz, den Karfreitag für alle zum Feiertag zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Ich darf noch einmal betonen, dass auch der evangelische Bischof Michael Bünker dies schon mehrmals zur Diskussion gestellt hat, nur gehört wurde er nicht, und das hat er hier auch beschrieben. Der evangelische Superinten­dent der Diözese Niederösterreich Lars Müller-Marienburg befürchtet, dass das gottes­dienstliche Leben am Karfreitag durch diese neue Regelung stark beeinträchtigt wird. In Niederösterreich sind immerhin 39 000 Protestanten – 39 000! – von dieser Neure­gelung betroffen. Das ist nicht wenig.

Eine Glaubensgemeinschaft, die in ihrer Geschichte bis weit ins vergangene Jahrhun­dert hinein nicht wenig Leid erfahren hat, von Regierungsseite her derartig zu demüti­gen, das ist wohl einmalig in der Zweiten Republik! Die Religionsausübung ist ein Grund­recht, und dieses Grundrecht stellt die Regierung infrage. Der für die Religionen zu­ständige Minister sollte sich schämen. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Heinz Lederleitner, Bischof der in Österreich seit 1877 anerkannten Altkatholischen Kir­che, findet die neue Karfreitagsregelung ebenfalls unbefriedigend und hat dies in Form eines Briefs an seine Mitglieder kundgetan. Ich zitiere aus seinem Schreiben: „Ich rufe alle Altkatholik*innen auf, sich durch Leserbriefe, in elektronischen Medien und im per­sönlichen Umfeld zu äußern und das demokratische Recht auf öffentliche Meinungs­darstellung wahrzunehmen. Dies sehe ich als einen wichtigen Dienst im Sinn unserer Kirche und als eine Stärkung“ (Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ) – ist das so lus­tig, Herr Kollege? (Bundesrätin Mühlwerth: Nein, das hat nichts mit dir zu tun! Das ist


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 105

eher traurig!) – „der demokratischen Kultur unseres Landes, auch und besonders im Umgang mit Minderheiten.“ Er kündigt auch öffentliche Kundgebungen an, in denen die Regierung aufgefordert wird, nicht nur die wirtschaftlichen Interessen zu vertreten.

Hätte die Regierung nichts getan, hätten alle einen Feiertag beantragen können. Statt­dessen hat die Regierung allen Beschäftigten diesen Feiertag genommen, sie hat ein Versprechen gebrochen. Das ist so, sie hat ein Versprechen gebrochen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: ... die meisten Feiertage weltweit! Darf’s ein bisschen mehr sein?) – Ja, ja, das hört man vielleicht nicht so gerne. Wir Sozialdemokraten for­dern, den Karfreitag zu einem gesetzlichen Feiertag für alle zu machen. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühlwerth: Ja, vergesst es!)

15.09


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zur Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Martin Preineder. Ich erteile es ihm.


15.09.39

Bundesrat Martin Preineder (ÖVP, Niederösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Her­ren! Es geht um ein sehr emotionales Thema, über das bis vor einigen Wochen eigent­lich gar nicht diskutiert wurde. Es gab eine bestehende Lösung, die eine breite Akzep­tanz hatte und die eigentlich von niemandem diskutiert wurde. Es war breit akzeptiert, dass die Angehörigen mehrerer bestimmter Glaubensgruppen einen zusätzlichen frei­en Tag oder Feiertag hatten, also einen gesetzlichen Feiertag.

Ich glaube – der Ruf war heute auch schon groß –, dass wir Diskussionen ehrlich und offen und im Austausch der gegenseitigen Standpunkte führen sollten. Darum verwun­dert es mich, Frau Kollegin Schumann, wenn ich Ihre Einstellung zur Wirtschaft und zur Arbeit höre, wenn Sie es bedauern, dass wir eine wirtschaftsfreundliche Regierung haben. Sie bedauern es nicht, wenn wir eine arbeitnehmerfreundliche Regierung ha­ben (Zwischenrufe der Bundesrätin Schumann), eine pensionistenfreundliche Regie­rung oder eine schülerfreundliche Regierung (Zwischenrufe der Bundesrätin Grimling), aber Sie bedauern es, wenn wir eine wirtschaftsfreundliche Regierung haben – ich be­dauere das nicht! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie haben gesagt, es werden Minderheitsrechte beschnitten. Im Gegenteil: Der EuGH hat festgestellt, dass es eine Ungleichheit gibt und dass da keine Minderheitsrechte berührt sind. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) – Bitte überdenken Sie Ihr Verhältnis zur Arbeit! Ich bin Landwirt – Biobauer –, ich bin selbstständig (Bundesrätin Grimling: Ja, das wissen wir!), mich fragt keiner, wie lange ich arbeiten darf und muss. Ich darf die Arbeit machen, ob es ein Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag ist, und ich tue es gerne. (Bundesrätin Grimling: ... selbst entschieden!)

Arbeit ist etwas Sinnstiftendes und Sinnerfüllendes – geben Sie das den Menschen so weiter. Ich habe auch Mitarbeiter beschäftigt (Zwischenrufe der Bundesrätinnen Grim­ling und Schumann), und wenn ich mit meinen Mitarbeitern so – Feindbild – umgehen würde, würde es wahrscheinlich nicht funktionieren. Arbeiten wir gemeinsam, im Sinne eines Miteinanders zwischen Wirtschaft und Arbeit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Stögmüller – ist gerade wieder einmal nicht im Saal, wie ich sehe (Rufe bei der SPÖ: Na, geh!) –, Sie haben sich in einer zusätzlichen Rede über das Verhält­nis zueinander und über die Diskussionskultur hier beschwert. Ich glaube, es ist nicht gut, wenn Sie sagen, die Regierung stiehlt – denn das ist ein Straftatbestand (Zwi­schenrufe bei der SPÖ) –, dass ein persönlicher Feiertag ein Irrsinn ist; auch das tut der Sprache und dem Gemeinsamen hier in diesem Haus nicht gut.

Zu Kollegen Kaske: Sie haben gut gemeint begonnen, dann aber die Bundesregierung mit einem Kabarett verglichen. (Zwischenruf der Bundesrätin Schumann.) Das ist auch


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 106

nicht der richtige Umgang und entspricht nicht der Würde dieses Hauses, die Sie an­gesprochen haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie meinen, Sie haben erst dann, wenn diese Bundesregierung abgewählt ist, Ihren persönlichen Feiertag (Bundesrat Beer: Das ist ja ungeheuerlich!): Darauf werden Sie lange warten! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nun zum eigentlichen Thema (Bundesrätin Grimling: Da ist die Rede schon halb vor­bei!): Es gab ja die Klage eines Arbeitnehmers, die von der Arbeiterkammer unterstützt wurde. Das Ergebnis war, dass der Europäische Gerichtshof eine Diskrepanz fest­stellte und dazu aufforderte, diese zu beheben. Die Wahrheit war, Sie haben mitgehol­fen, weil Sie nach einem zusätzlichen freien Tag oder einem zusätzlichen Feiertag – Herr Pisec hat das besser gesagt; da gibt es durchaus Unterschiede – geschielt haben, und dieses Schielen nach dem zusätzlichen freien Tag war halt nicht von Erfolg ge­krönt – und das ist es, was wir nun in Wirklichkeit mit Emotionen diskutieren.

Es gibt da viele Aspekte, aber es gibt nun eine Lösung, die Gerechtigkeit bringt, anstatt dass 4 Prozent der Bevölkerung einen Vorteil haben. Eine Neiddiskussion bringt uns auch nicht weiter. Es kann manchmal auch dadurch Gerechtigkeit hergestellt werden, dass eine Minderheit dorthin bewegt wird, wo sich die Mehrheit aufhält. Ich glaube, die Regierung hat da durchaus eine gute Lösung gefunden.

Das heißt, wenn Sie nun eine namentliche Abstimmung fordern, geht es darum, eine diskriminierende Lösung nach einer von der Arbeiterkammer unterstützten Klage auf­zuheben – das ist das Ziel. Es geht darum, dass wir eine akzeptable Lösung herbeifüh­ren. Diese akzeptable Lösung führt eben nicht zu einem zusätzlichen freien Tag oder zu einem zusätzlichen Feiertag, sondern sie führt zu einem persönlichen Feiertag. Das unterstützen wir und dem werden wir auch zustimmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Grimling: Geh, hör auf!)

15.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Bundesrätin Schumann zu Wort gemeldet. – Bitte.


15.14.58

Bundesrätin Korinna Schumann (SPÖ, Wien): Ich möchte nur festhalten, dass Bun­desrat Preineder in seiner Rede behauptet hat, die Arbeiterkammer habe darauf gezielt (Bundesrat Preineder: Geschielt!), einen zusätzlichen Feiertag zu lukrieren. Das ist nicht der Wahrheit entsprechend.

Tatsache ist vielmehr, dass diese Klage 2015 eingebracht wurde und man damals we­der wusste, wie sich die Regierung zusammensetzen wird, noch wusste, wie das Er­gebnis des Europäischen Gerichtshofes aussehen wird. – Das ist die Berichtigung. (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

15.15


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster ist Herr Bundesrat Anton Froschauer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.


15.15.45

Bundesrat Anton Froschauer (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Bundes­rat! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und zu Hause via Livestream! Im Zuge einer Diskussion tauscht man sich im Regelfall über Fakten aus. Problematisch ist es, wenn Fakten nicht im richtigen Kontext betrachtet werden. Problematisch ist es, wenn Teile weggelassen werden und sich dann Fakten verändern.

Kollege Mag. Pisec hat als Betroffener ein bissl zurückgeschaut, hat dann aber gar nicht mehr dazugesagt, was eigentlich im Jahr 1952 mit dieser Besserstellung für die


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 107

Evangelische Kirche und andere Glaubensgemeinschaften – es sind auch drei weitere Religionsgemeinschaften betroffen – gemacht wurde. Der Chefredakteur eines großen österreichischen Mediums hat es in einem Kommentar einen verspäteten „historischen Sühneakt“ genannt. (Heiterkeit der Bundesrätin Grimling.– Das ist nicht zum Lachen! Da ist sehr, sehr vieles geschehen, und man hat dem dann im Jahr 1952 Rechnung getragen.

Wo kommen Feiertage überhaupt her, Herr Kollege Kaske? – Lange bevor es Gewerk­schaften gegeben hat, hat man schon – aus der Religion heraus – gewusst, die Men­schen brauchen Zeit für Erholung. (Bundesrätin Schumann: Bravo!) Man hat sich da­rauf verständigt, dass man im Jahresablauf Feiertage schafft, um freie Tage zu schaf­fen. Das war ganz wichtig und ist auch unbestritten. Mit dieser pragmatischen Lösung aus dem Jahr 1952 haben wir alle sehr, sehr gut leben können – auch das wurde be­reits mehrfach festgestellt.

Meistens ist es gut, die Kirche im Dorf zu lassen. Wenn man Dinge ausjudiziert, muss man damit rechnen, dass nicht das rauskommt, was man ursprünglich ins Auge ge­fasst hat. (Rufe bei der SPÖ: Wieso?! Es ist eh herausgekommen! Bitte!)

Wir sind nun im Bereich der Fakten. (Bundesrat Schennach: Das Problem ist das sinnhafte Erfassen!) – Schauen Sie, wenn Sie sagen, der Europäische Gerichtshof hat festgestellt, dass ein Feiertag zu gewähren ist, dann muss man es zu Ende lesen, und zwar: so lange, bis eine gesetzliche Regelung gefunden wurde – man muss es zu En­de lesen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Zweite ist, es wird wieder einmal der Vorwurf laut, es werde durchgepeitscht, Ge­schwindigkeit sei alles. Sie wissen, Ostern steht vor der Tür und es ist eine Regelung zu treffen. (Bundesrat Novak: Das habt ihr beim Ökostromgesetz auch gesagt!) – So ist es. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Frau Bundesrätin Schumann stellt sich dann ans Rednerpult und sagt: minderheiten­feindlich. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.– Wissen Sie, bisher hatten vier Religionsgemeinschaften eine Sonderstellung – wir haben in Österreich 16 anerkannte Religionsgemeinschaften –, und nun wird es möglich, dass sich jeder, jede einen per­sönlichen Feiertag aussucht. Nun kann das jeder! (Bundesrat Seeber: Dann haben wir 16 plus, passt eh!)

Sie kritisieren, dass man das drei Monate vorher anmelden muss: Ich bin bekennender und praktizierender Christ, ich bekomme nicht von heute auf morgen einen religiösen Anfall, sondern weiß sehr, sehr genau, welche Feiertage mir wichtig sind. Ich kann das über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg sehr, sehr genau vorausplanen.

Damit bin ich bei Kollegen Seeber, der ganz richtig gesagt hat (Zwischenruf des Bun­desrates Schabhüttl), dieser Pragmatismus des Gebens und Nehmens – das hat auch Kollege Längle betont – bedinge eben auch eine gewisse Planbarkeit. Ich kenne, wie gesagt, einen religiösen Feiertag, der mir persönlich wichtig ist, bereits zu Jahresbe­ginn. (Bundesrat Schabhüttl: Erholungsurlaub! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich halte es für wichtig, dass wir die Kirche im Dorf lassen. Ich danke der Regierung, dass sie eine Regelung gefunden hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es kann in dieser Frage, basierend auf diesem Urteil, keine Lösung geben, bei der ganz Österreich jubelt und Hurra schreit. Es ist eine Lösung, die, wie ich meine, pragmatisch ist, auch wenn sie nicht das ist, was wir uns gewünscht haben.

Wird hier aber davon gesprochen, dass es günstig für die Wirtschaft sei, so sehe ich uns – ich muss noch einmal Kollegen Seeber zitieren – in einem gemeinsamen Boot: Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wir sind eine Schicksalsgemeinschaft. (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) Was günstig für die Wirtschaft ist, ist günstig für die Arbeits-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 108

plätze und die Arbeitnehmer. (Bundesrätin Grimling: Geh bitte!) Das ist ein Bekennt­nis, das ich als Christlich-Sozialer in mir trage. Das kann nur im gegenseitigen Aus­tausch funktionieren. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.21


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort hat sich nun Frau Bundesminis­terin Mag. Beate Hartinger-Klein gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.


15.21.19

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Meine Damen und Herren im Bundesrat, lassen Sie mich zu Beginn noch auf meinen Satz von der Nationalratssitzung einge­hen! (Ruf bei der SPÖ: Oje!) Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, ich habe Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert, ich weiß, wovon ich rede! Wenn Sie mir schon nicht glauben, glauben Sie vielleicht einer Professorin, nämlich Frau Profes­sor Ulrike Schneider vom Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien, die Folgendes sagt: „Zur Wirtschaft gehören alle Menschen, die wirtschaften, und alle Re­geln und Lösungen, die sie entwickelt haben“. – Wirtschaft sind wir alle. Bitte, können Sie sich das einmal merken! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nun zur Karfreitagslösung: Ich möchte mich recht herzlich für diverse Redebeiträge be­danken, auch bei Ihnen, Herr Bundesrat Pisec, weil mir das als Protestantin – ich bin auch Protestantin – sehr, sehr wichtig ist, und Sie haben das ja schön aufgearbeitet.

Wenn es darum geht, welche Feiertage für Religionsgemeinschaften wichtig sind: Die Protestanten haben noch einen Feiertag – die Kollegen, die Protestanten sind, wissen das –, das ist der Reformationstag, und der ist auch kein freier Tag, bitte! (Bundesrätin Schumann: Der höchste Feiertag im Evangelischen ist der Karfreitag!)

Ich meine, ich habe gemeinsam mit Kollegen Blümel mit Kirchenhistorikern, Kirchen­rechtlern verschiedener Konfessionen, natürlich auch mit Bischof Bünker und so weiter ausführliche Gespräche geführt. Wir alle haben keine Freude mit dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, nur ist sie da und wir leben in einem Rechtsstaat (Zwischenruf bei der SPÖ), und die Regierung hat sich natürlich an das Recht, an die Gesetze zu halten und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. (Bundesrat Schab­hüttl: Mit Gerichtsentscheidungen hat man ...!)

Was hätten wir tun sollen? Es gibt in Österreich, wie Sie wissen, 16 anerkannte Kon­fessionen. Ich habe mir andere Institutionen wie die UNO oder die WHO angesehen, die als Unternehmen auch vor solchen Herausforderungen stehen. In der UNO bei­spielsweise gibt es für die Mitarbeiter, und zwar für alle Konfessionen, zehn Feiertage und einen persönlichen Feiertag. Das heißt, es gibt schon Beispiele, wie so etwas ge­lebt wird.

Ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Regelung viel abfangen. Jeder hat das Recht auf einen persönlichen Feiertag, das muss man ja betonen, denn das haben Sie alle nicht gesagt. (Bundesrat Schennach: Und auf Urlaub habe ich kein Recht?!) Jeder hat das Recht, seinen persönlichen Feiertag zu bestimmen, festzulegen, wann er ist. Das gab es vorher nicht, und das ist, sage ich einmal, eine Errungenschaft, was wir damit nun erreicht haben. (Zwischenruf der Bundesrätin Grimling.) Jeder kann sich seinen per­sönlichen Feiertag wählen und hat dem Arbeitgeber klarzumachen, wann dieser ist, und der Arbeitgeber hat das umzusetzen. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätIn­nen von SPÖ und FPÖ.)

Ich freue mich, dass wir da eine Lösung gefunden haben, und bitte darum, das auch zu unterstützen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

15.24



BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 109

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege Rösch. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


15.24.39

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Ich nehme die Gelegenheit wahr, doch noch kurz etwas zu sagen, um dem Ganzen auch ein bissl die Schärfe zu nehmen. (Ruf bei der SPÖ: Da ist nichts scharf!) Sieht man sich den Entschließungsantrag be­treffend „Karfreitag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“ an, so ist zu sagen: Das haben wir mit diesem Gesetz! Es ist nur nicht frei, aber sie können - - (Rufe bei der SPÖ: Nein! Es ist ein Urlaubstag!) – Urlaub? Das ist für mich jetzt verwunderlich, ich meine, ihr kennt ja das Urlaubsgesetz. (Rufe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.)

Ihr sprecht immer von Urlaub. In einem OGH-Urteil aus dem Jahr 1989 steht, dass die Aufsplittung des Urlaubs in mehrere Teile oder einzelne Tage nicht möglich ist, weil er ja der Erholung dient. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) Entweder ist es ein freier Feiertag oder es ist Urlaub. Ich meine, dass ich jetzt mit der Gewerkschaft oder der Arbeiterkammer zu diskutieren anfange, was in der Judikatur steht, das spare ich mir. Ihr wisst es sicher selber besser. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrätin Mühl­werth: Dass sie es besser wissen, glaube ich nicht!)

Nun geht es darum, euch auf die Schliche zu kommen. (Bundesrat Schuster: Die Ex­perten der Arbeiterkammer sitzen ja nicht da, sondern nur die Funktionäre!) Wenn ihr miteinander ringt: Wer ist stärker, ich oder ich?, dann zeigt sich, dass jene Genossen schlau gewesen sind, die damals im Zusammenhang mit dem Generalkollektivver­trag 1952 gesagt haben, genau diese Regelung – die wir gehabt haben, bei der wir alle gesagt haben: Das ist die beste Lösung für Österreich! – wollen wir so. Alle Österrei­cher haben genau diese Lösung für gut befunden und hätten sie nie hergegeben. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.)

Es hat halt jetzt bei der Arbeiterkammer eine Anfrage auf Vertretung gegeben, ganz zufällig, von einem Atheisten, wie mir gesagt wurde; ganz zufällig ist der dort hinge­kommen und hat gesagt, es sei wegen seiner Zulagen. – Ich glaube das alles so nicht, das alles wurde mir so ein bisschen mit einem Zwinkern mitgeteilt. Es ist einfach darum gegangen, seinem Sozialpartner eins auszuwischen. Das ist einmal Fakt, ja. (Rufe bei der SPÖ: Nein!) Es ist darum gegangen, zu beweisen, dass man mit dem europäi­schen Recht diese Lösung hebeln kann.

So, und nun hat die Sozialdemokratie gewonnen, die Regierung war - - (Bundesrätin Grimling: Das war 2015!) – Ja, 2015 ist es eingegeben worden, das bestreitet ja kei­ner. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das EuGH-Urteil gibt es auch, oder nicht? Wer ist in der Arbeiterkammer verantwortlich? – Die Sozialdemokratie, oder? (Bundesrätin Grim­ling: Du bist ja auch in der Arbeiterkammer! Oder bist du in der Wirtschaft?!) – Ja, aber wir sind in der Minderheit, wir hätten das auch nicht so gemacht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wir hätten nämlich - - (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich weiß schon, wovon ich spreche. Ich bin auch sehr vorsichtig, um mich nicht miss­verständlich auszudrücken, weil diese Materie ja wirklich nicht einfach ist, denn: Was ist Fairness und was ist Gerechtigkeit? (Ruf bei der SPÖ: Wir hören genau zu!)

Da habe ich dieses Bild vor Augen, eine Karikatur: drei kleine Buben, die über einen Bretterzaun schauen; der eine ist so klein (die Größe jeweils mit der Hand andeutend), dass er wirklich nicht über den Zaun schauen kann, der andere kann fast nicht drüber­schauen, und der dritte überragt ihn natürlich. (Bundesrätin Mühlwerth: Aufpassen mit


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 110

diesen Handbewegungen!) Es kommt dann jemand vorbei, der gerecht ist, und jedem eine Kiste zum Draufsteigen gibt, damit sie beim Spiel zuschauen können. Der große Bub ist nun noch viel größer und muss aufpassen, dass er nicht über den Zaun fällt (Bundesrat Schabhüttl: Ich glaube, du hast zu viel Lucky Luke geschaut!), derjenige, der gerade nicht drüberschauen konnte, kann nun drüberschauen, und der kleine Bube kann noch immer nicht drüberschauen. (Ruf bei der SPÖ: Die Daltons waren es!) Fair wäre es natürlich, dem Kleinen, der auch mit einer Kiste nicht drüberschauen kann, zwei Kisten zu geben, denn so könnten dann alle drüberschauen.

Ich bitte euch deswegen, genau in solchen Fragen nicht auf eure Fahnen zu schreiben: „Avanti o popolo, alla riscossa“ oder sonstige Schlachtrufe, und in die alte Kampfrheto­rik hineinzukommen – was halt so alles aus der Sozialistischen Internationale kommt, so, wie wir das ja nur aus der DDR oder aus Venezuela oder aus Nordkorea oder von sonst irgendwoher kennen. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) – Na, es ist ja so! (Bundesrätin Dziedzic: ... doch nicht mit einer Diktatur vergleichen! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Dieses selektive - - (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich werde das schon noch weiter ausführen, denn wenn ich Rudi zugehört habe - - (Anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Okay, ich nehme Nordkorea weg, weil es dort vielleicht wirklich schlimm um die Menschenrechte steht, aber die DDR nehme ich gerne als Vergleich (Bundesrätin Schumann: Wofür?), weil das ungefähr so ein Modell ist, in dem praktisch die selek­tive Demokratie sehr gerne gelebt wurde. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.)

Wenn mir Rudi Kaske sagt, eine gescheite Lösung hätte her müssen, dann meint er damit sicher, eine sozialdemokratische – nicht, dass ich sozialistische sage – Lösung hätte her müssen. Wenn er sagt, das war eine schlechte Lösung für 2,8 Millionen Ar­beitnehmer: So viel Evangelische haben wir nicht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Rufe bei der SPÖ: Menschliche Lösung!) Wenn er denn wirklich meinte, er hätte gerne einen freien Tag für alle gehabt, dann frage ich ihn: Okay, was hat das jetzt mit den Evangeli­schen zu tun? – Das werde ich dann aber alle fragen, die zum Thema kirchliche Feier­tage geredet haben, ob sie denn der Konfession angehören und überhaupt berufen sind, darüber zu reden. Das ist aber eine andere Sache. (Bundesrätin Schumann: Ja, ich bin evangelisch! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das Wesentliche ist, warum du nicht zwei oder drei freie Tage forderst. (Zwischenruf des Bundesrates Schabhüttl.) Ich kann euch sagen, wenn es wirklich um die Arbeit­nehmer ginge – das ist ja nur vorgeschoben worden, dass es um die Arbeitnehmer geht (Zwischenrufe bei der SPÖ) –, dann würde ich mich zum Beispiel fragen, warum wir nicht wirklich über eine sechste Urlaubswoche reden, uns mit den Sozialpartnern hinsetzen und sagen - - (Rufe bei der SPÖ: Sofort!) – Ja, aber warum verweigert ihr euch? Warum verweigert ihr euch? (Rufe bei der SPÖ: Schnelle Antwort! Sofort! Ent­schließungsantrag! Sechste Urlaubswoche: sofort!)

Ihr habt die Kollektivvertragsverhandlungen gemacht, genauso wie in den letzten Jahr­zehnten, die Mittelschicht hat bei den Sozialpartnerverhandlungen in Wirklichkeit abge­baut – nämlich auf der Seite der Gewerkschaft, in der die SPÖ das Sagen hat. (Anhal­tende Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nein, das ist so! Die Kaufkraft der Mittelschicht hat in den letzten Jahrzehnten massiv abgenommen. Die Armut ist breiter geworden. Das ist euer Verdienst, das müsst ihr auf eure Kappe nehmen. Das ist so! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Schumann: Wir nehmen Sie beim Wort, sechste Urlaubswo­che: sofort!)

Gehe ich in Verhandlungen, dann bin ich erstens einmal gut vorbereitet, dann kenne ich die Wirtschaftsdaten, dann weiß ich, wie es der Volkswirtschaft geht, dann weiß ich auch, was ich fordern kann. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Geht es darum, dass wir wirklich bis 65 durchgehend arbeiten sollen, so sage ich, wir wissen, dass die über
50-Jährigen ganz einfach nicht mehr so können wie die Jungen, und wir wissen, dass


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 111

sie mehr Pausen brauchen, und das sollen bezahlte Pausen sein; das muss nicht die Arbeitszeitverkürzung am Stück sein.

Es geht ja auch darum, dass die Digitalisierung ganz andere Arbeitskräfte benötigt, da werden wir ganz einfach andere Arbeitsmodelle haben. Ihr seid da überhaupt noch nicht angekommen, so weit seid ihr noch gar nicht! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ihr führt hier auf dem Rücken einer Religion einen Klassenkampf, und das ist nicht zulässig! (Ruf bei der SPÖ: Das macht ihr, nicht wir!)

Ihr habt es angefangen, die Regierung hat das nicht gewollt. Die Regierung hat nun Rechtssicherheit hergestellt. (Ruf bei der SPÖ: Rechtssicherheit, das werden wir se­hen, wenn wir vor Gericht gehen!) Es wird nun hoffentlich die Möglichkeit geben, dass ihr euch einfindet und endlich einmal die Verhandlungen aufnehmt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

15.33

15.33.02


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Es liegt ein Antrag der BundesrätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates mit der beigegebenen Be­gründung Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag, Einspruch zu erheben, ist somit abgelehnt.

Wir gelangen daher zur Abstimmung über den Ausschussantrag, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Es ist hiezu namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf BundesrätInnen gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen. Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 der Geschäftsordnung erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit „Ja“, das heißt kein Einspruch, oder „Nein“, Einspruch. Ich bitte um deutliche Stimmabgabe.

Ich ersuche nunmehr die Schriftführerin um Aufruf der BundesrätInnen in alphabeti­scher Reihenfolge.

*****

(Über Namensaufruf durch Schriftführerin Gruber-Pruner geben die BundesrätInnen ihr Stimmverhalten mündlich bekannt.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich mache von meinem Stimmrecht Ge­brauch und stimme mit „Ja“.

Die Stimmabgabe ist beendet.

Ich unterbreche für die Auszählung der Stimmen kurz die Sitzung.

*****


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 112

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 15.37 Uhr unterbrochen und um 15.39 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Ausschussantrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, bei 59 abgegebenen Stimmen 36 „Ja“-Stimmen und 23 „Nein“-Stimmen.

Der Antrag ist somit angenommen.

Mit „Ja“ stimmten die BundesrätInnen:

Aschenbrenner;

Bader, Berger-Grabner, Bernard, Brunner, Buchmann;

Ecker, Eder-Gitschthaler, Ess;

Froschauer;

Hackl, Holzner;

Köck, Krusche;

Längle;

Mattersberger, Mühlwerth;

Neurauter;

Ofner;

Pisec, Preineder;

Rösch;

Samt, Schererbauer, Schilchegger, Schulz, Schuster, Schwindsackl, Seeber, Spanring, Sperl, Steiner, Steiner-Wieser;

Wagner;

Zeidler-Beck, Zwazl.

Mit „Nein“ stimmten die BundesrätInnen:

Appé;

Beer;

Dziedzic;

Grimling, Grossmann, Gruber-Pruner;

Hahn;

Kahofer, Kaske, Koller, Kovacs;

Lancaster, Leitner;

Novak;

Prischl;

Reisinger;


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 113

Schabhüttl, Schennach, Schumann, Stögmüller;

Wanner, Weber;

Zaggl.

*****


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Es liegt weiters ein Antrag der Bundes­rätInnen Korinna Schumann, Kolleginnen und Kollegen auf Fassung einer Entschlie­ßung betreffend „Karfreitag als Feiertag für alle ArbeitnehmerInnen“ vor. Ich lasse über diesen Entschließungsantrag abstimmen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der Antrag auf Fassung der gegen­ständlichen Entschließung ist daher abgelehnt.

15.40.079. Punkt

Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumen­tenschutz betreffend Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-672-BR/2019 d.B. sowie 10129/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Ta­gesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Rosa Ecker. – Ich bitte um den Bericht.


15.40.25

Berichterstatterin Rosa Ecker, MBA: Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über den Bericht der Bundesministerin für Ar­beit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-672-BR/2019).

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrags­stellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Vorlage der Beratung am 12. März 2019 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, den Bericht der Bun­desministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jah­resvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-672-BR/2019) zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bernhard Rösch. Ich erteile es ihm.


15.41.15

Bundesrat Ing. Bernhard Rösch (FPÖ, Wien): Vielen Dank für den Bericht, der sehr umfangreich, sehr ehrgeizig ist und ein großes Programm für die nächsten Monate, für die nächsten drei Halbjahre des Ratsvorsitzes beinhaltet. Wir hoffen, dass auch alle verhandelnden Gremien die Weisheit haben, die unterschiedlichen Ansichten in gute soziale Standards – Mindeststandards – und nicht in eine sozialromantische Sozial­union, in der dann praktisch nur die großen Transfers der Gelder geplant sind, zu gie­ßen. Es sollen also richtige, gute, bewährte Grundlagen und Sozialstandards geschaf­fen werden.

Dann hoffe ich natürlich auch, dass es unseren Vertretern und dem Ministerium ge­lingen wird, dass wir bei der Bekämpfung des Lohn- und Sozialdumpings noch erfolg-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 114

reicher sein werden, weil es ganz einfach auch unsere heimische Wirtschaft betrifft, und dass es parallel ein gerechteres Wirtschaften in Europa gibt, sodass die Europäi­sche Union auch dadurch zusammenwächst.

Der Bericht ist sehr umfangreich. Ich will ihn jetzt nicht über Gebühr kommentieren. Es steht ja das meiste sehr gut zusammengefasst drinnen. – Danke für diesen Bericht und viel Glück! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Bundesrätin Mühlwerth: Glück auf! – Heiter­keit bei der FPÖ.)

15.42


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bruno Aschenbrenner. Ich erteile es ihm.


15.43.04

Bundesrat Ing. Bruno Aschenbrenner (ÖVP, Steiermark): Geschätzter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuhö­rerinnen und Zuhörer hier im Saal! Es ist ja die Aufgabe von uns Mandatarinnen und Mandataren, durchaus kritisch zu sein und die Dinge auch kritisch zu betrachten.

Der Bericht unserer Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Kon­sumentenschutz betreffend die Jahresvorschau ist angesichts der bevorstehenden Wah­len zum Europäischen Parlament im Mai dieses Jahres durchaus differenziert zu be­trachten, zumal die Europäische Kommission ja teilweise auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen zu den vorhandenen Legislativvorschlägen abzielt.

Die Bereiche, die eine Vertiefung der Sozialunion unabdingbar machen, wie die Sicher­stellung transparenter und verlässlicher Arbeitsbedingungen in der gesamten EU, und andere sozial- sowie arbeitsmarktpolitische Themen sind sicherlich auf der Ebene aller Mitgliedstaaten noch tiefgreifender zu behandeln und zu verhandeln.

Kündigungsbestimmungen, die laut Bericht im Bereich der Arbeitsbedingungsrichtlinie verankert sind, drohen stark in unser bestehendes und bewährtes System einzugreifen und stellen ebenfalls ein Problem dar. Die von Brüssel angestrebte Novelle zum sozial­versicherungsrechtlichen Teil des EU-Mobilitätspakets wird seitens des Sozialressorts ebenso mit großer Vorsicht gesehen. So werden die Vorschläge des EU-Parlaments zum Verordnungsvorschlag der Kommission, der die Rahmenbedingungen für die Frei­zügigkeit in der EU verbessern soll, klar abgelehnt. Etwa werden das bedingungslose Wahlrecht für Grenzgänger, die Frage, ob Sozialleistungen im Beschäftigungsstaat oder Wohnstaat bezogen werden sollen, oder die Verlängerung des Leistungsexports um sechs Monate kritisch angemerkt.

Ein Teil des Berichts, der sich mit dem Thema Gesundheit befasst, wird allerdings das Bundesministerium laut diesem intensiver beschäftigen. So wird einerseits der Verord­nungsvorschlag im Bereich Risikobewertung in der Lebensmittelkette positiv wahrge­nommen. Auch wird begrüßt, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Neuerungen vorlegt, die eine Bewertung von Lebensmitteln zuverlässiger machen wür­den. Andererseits ist da aber auch die Rede von großen Bedenken bei der Novelle zur aktuellen Trinkwasserrichtlinie, einem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Si­cherung von Wasser für den menschlichen Gebrauch, die sich hauptsächlich mit der Qualität, der Gefahrenbewertung von Wasserkörpern, der Risikobewertung von Haus­installationen und den Zugang zu Wasser befasst. Gemäß der Wasserrahmenrichtlinie besteht bereits eine ausreichende und genaue Regelung zur Überprüfung unseres Wassers in unserem Land. Es ist wichtig und gut, dass sich der Bundesrat als Länder­kammer positioniert, und so hat auch unser geschätzter Herr Präsident gestern zur Auftaktveranstaltung im Rahmen des Themenschwerpunkts seiner Präsidentschaft


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 115

„Trinkwasser schützen und sichern“ geladen und den Bereich Trinkwasser und Klima­wandel beleuchtet.

Es war aber bereits im März 2018, als sich der Bundesrat mit diesem Thema be­schäftigt hat und es im Einklang mit den Bundesländern zu einer begründeten Stel­lungnahme, einer sogenannten Subsidiaritätsrüge, an die Kommission gekommen ist. Bereits davor hat der Bundesrat als erste Kammer auf das Recht auf Wasser bestan­den und damit dazu beigetragen, dass Trinkwasser aus der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen wurde. Das Ministerium bestätigt somit in seinem Bericht die Rich­tigkeit und Wichtigkeit des Vorgehens des Bundesrates im Vorjahr. Ich hoffe, dass die­ser Bericht der Frau Ministerin und auch der gewählte Schwerpunkt der derzeitigen Präsidentschaft zu einem Umdenken in der SPÖ-Fraktion führt, damit unser Trinkwas­ser weiterhin für unsere Bevölkerung frei zugänglich ist und es nicht durch überborden­de Bürokratie zu einer Verteuerung unseres wichtigsten Lebensmittels kommt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.47


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Zaggl. Ich erteile es ihm.


15.47.58

Bundesrat Stefan Zaggl (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Zuseherinnen, liebe Zuseher vor den Bildschirmen und auf der Galerie! Operatives Pro­gramm des Rates: Das von Rumänien, Finnland und Kroatien erstellte Achtzehnmo­natsprogramm des Rates umfasst den Zeitraum von 1. Jänner 2019 bis 30. Juni 2020. Die Schwerpunktsetzung liegt auf der Abwicklung des Brexits und dessen Auswirkun­gen auf eine Union für Arbeitsplätze, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Energieunion, Klimapolitik, Freiheit und Sicherheit des Rechts sowie Schutz der Bevölkerung.

Rumänien will folgende Schwerpunkte im Zuständigkeitsbereich des Rates: Beschäfti­gung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz. Das sind eben folgende Punk­te: erstens, Arbeitsmobilität beziehungsweise Arbeitskraftmobilität; zweitens, faire und sichere Arbeitsbedingungen; drittens, Förderung von Chancengleichheit und – ganz wichtig – Vereinbarkeit von Beruf und Familie; und zum Abschluss: Verabschiedung und Schlussfolgerungen zur Verringerung des geschlechterspezifischen Lohngefälles.

Das Mobilitätspaket ist wohl auch nicht gerade eine Verbesserung für das Lenkerper­sonal. Sehen wir uns in diesem Bezug einmal die Lenk- und Ruhezeiten des Transport­personals an! Die wohl einzige scheinbare Verbesserung für die Lenkerinnen und Len­ker wäre die Rückkehr zum Firmenstandort oder zu ihrem Wohnort nach spätestens vier Wochen. Die Kontrolle kann jedoch nicht gewährleistet werden. Außerdem wird die Rückkehr zum Firmenstandort als ausreichend bezeichnet und somit die Rückkehr zu Familie oder Heim in den Hintergrund gestellt. Das ist wohl eher ein Scheinfortschritt als eine wirkliche Verbesserung.

Ich möchte Ihnen am folgenden Beispiel die anstehende Problematik näherbringen. Was würde ein österreichischer Fahrer, der für ein Unternehmen in Rumänien tätig ist und nach den vier Wochen am Firmenstandort ankommt, übers Wochenende in die­sem Land machen? – Er wäre wohl lieber bei seiner Familie als am Firmenstandort.

Legen wir nun unser Augenmerk auf die Ruhezeiten. Immer wieder wird von Flexibilität gesprochen, jedoch scheint es unter diesem Deckmantel wiederum nur Vorteile für die jeweiligen Transportunternehmen zu geben. Allein die Möglichkeit, dass das Lenkper­sonal drei Wochen hintereinander eingesetzt werden kann, steht in keinem sozialen und unterstützenden Zusammenhang für das Lenkpersonal. Mit dieser Regelung gibt


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 116

es in diesen drei Wochen pro Woche eine Ruhezeit von nur 48 Stunden, das heißt, zweimal 24 Stunden. Ja, die Flexibilität steigt nur für die Unternehmen, und meines Er­achtens riskiert man die Verkehrssicherheit. Auch die Möglichkeit der Ausdehnung der Lenkzeit um 1 Stunde, um den Standort des Unternehmens zu erreichen, widerspricht für mich der Zielsetzung der EU-Verordnung, der gestärkten Verkehrssicherheit.

Das neue absolute Kabinenschlafverbot ist auch nicht ganz neu, da es sich um gel­tendes Recht handelt. Dies wurde bereits vom EuGH 2018 festgelegt und ist also in Wahrheit keine Besserung. Es werden sich die unzumutbaren Zustände auf Parkplät­zen und Raststationen entlang der Autobahnen in Europa nicht ändern, was man vor allem dann erkennt, wenn man bedenkt, dass bereits im ursprünglichen Entwurf des Mobilitätspaktes von Mindestausstattung in Fahrerkabinen wie auch von einer besse­ren Infrastruktur auf Raststätten und Autobahnparkplätzen die Rede war. Am 3.12.2018 wurden im Verkehrsrat jedoch beide Regelungen, welche die Arbeits- und Sozialbedin­gungen für die Lenkerinnen und Lenker verbessert hätten, gestrichen. Somit gibt es weiter keine Mindestausstattungsvorschrift, wie zum Beispiel sanitäre Einrichtungen, Schlaf-, Verpflegungs- oder Kommunikationsmöglichkeiten.

Man könnte sagen, alle Anliegen der Fahrer wurden gestrichen. Das Nomadentum auf der Straße lebt somit weiter. Darüber hinaus werden die Kontrollen durch den Be­schluss des Verkehrsministerrates wesentlich erschwert. So gab es früher das Kran­kenstands- und Urlaubsformblatt: Es musste jede Fehlzeit, egal ob Urlaub, Kranken­stand, andere Arbeiten der Lenkerinnen und Lenker, innerhalb der letzten 28 Tage im Unternehmen auf Formularen bestätigt und den Mitarbeitern mitgegeben werden. Die­se werden aber nun abgeschafft und durch das neue System, welches noch sehr lü­ckenhaft erscheint, ersetzt.

Eine der neuen Regelungen ist es, dass nur mehr Abwesenheiten, die mindestens eine Woche andauern, in der sich der Fahrer nicht in seinem Fahrzeug befindet, aufge­zeichnet werden. Ein kleines Beispiel dazu: Hat jemand vier Tage Urlaub, muss dies nicht bestätigt werden. Somit kann es in den Aufzeichnungen Abweichungen von bis zu sieben Tagen geben. Ich würde sagen, das ist eine eindeutig inakzeptable Ver­schlechterung, da die Kontrolle der Ruhe-, Lenk- und Arbeitszeiten innerhalb der 56 Tage – dieser Zeitraum soll neu in der Bestimmung über den Fahrtenschreiber fest­gelegt werden – (Bundesrätin Mühlwerth: Bist du sicher, dass du beim richtigen Ta­gesordnungspunkt bist?! – Bundesrat Schennach: Ja, ja, das stimmt schon!) nicht mehr eindeutig gegeben ist.

Wenden wir uns dem Lohn- und Sozialdumping zu! Wenn wir uns überlegen, warum Unternehmen aus westlichen Mitgliedstaaten so viele ihrer Transportfahrzeuge in östli­chen Mitgliedstaaten ausgeflaggt haben und nur Fahrer aus jenen Ländern einstellen, brauchen wir uns nur die diesbezüglichen Bestimmungen darüber anzusehen: Die re­geln, dass sie nur die Löhne bezahlen müssen, die in diesem Land gelten.

Am folgenden Beispiel sehen Sie, was ich meine: Der gesetzliche Mindestlohn 2017 lag zum Beispiel in Bulgarien bei 250 Euro. Der Kollektivvertrag eines Lenkers in Ös­terreich lag bei 1 550 Euro. Somit wird der Grundsatz, gleicher Lohn am gleichen Ort für gleiche Dienstleistung, massiv untergraben. Leider haben dadurch österreichische Transportunternehmen im internationalen Güterverkehr massive Marktanteilsverluste, 2002 lag der Marktanteil noch bei 60 Prozent, 2017 betrug er nur mehr 18 Prozent. Die­ser Abwärtstrend konnte auch durch das Mobilitätspaket im Verkehrsrat vom 3.12.2018 nicht gestoppt werden. Der Lohndruck, welcher durch osteuropäische Frächter ausge­übt wird, konnte dadurch auch nicht beseitigt werden. Leider wird dadurch das Ausflag­gen durch heimische Unternehmen eher noch gefördert.

Wie zur Krönung verzichtet unsere Bundesregierung auf die Bewerbung um die An­siedlung der Arbeitsmarktbehörde in Wien und lässt somit eine große Chance im


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 117

Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping aus. Dieses Nein zur Bewerbung kam direkt aus dem Bundeskanzleramt. Es wird von der EU endlich eine Behörde ins Leben gerufen, die die Ausbeutung von Arbeitern und einen unfairen Wettbewerb gegen ös­terreichische Unternehmen verhindern soll, sodass beispielsweise die Gültigkeit von Strafbescheiden nicht an der Staatsgrenze endet.

Es wirkt so, als wären der Regierung die ehrlichen Unternehmen mit ihren Beschäftig­ten, die sich leider täglich dem unfairen Wettbewerb stellen müssen, egal, sonst gäbe es wohl kein Nein zur Bewerbung. Mir ist diese Entscheidung absolut unverständlich. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.55


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Kollege Schennach.


15.56.02

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, richte ich die Bitte an die Frau Bundesministerin, vielleicht doch zu erklären, warum während der Ratspräsidentschaft kein Gipfel, keine Ratssitzung zu Sozialem stattgefunden hat?

Kollege Rösch, den Bericht zumindest einmal nur durchzublättern, wäre ratsam für eine Rede, denn das ist - - (Bundesrätin Mühlwerth: Sag das deinem Kollegen, bit­te!) – Entschuldigung, Monika Mühlwerth! (Bundesrätin Mühlwerth: Na, trotzdem!) – Nein, alleine die Kapitel Arbeitsrecht für Lkw-Fahrer und -Fahrerinnen sind sehr wohl ein Thema und – wie sich Monika Mühlwerth scharf erinnert – es ist auch ein Thema des EU-Ausschusses gewesen, wozu wir eine Stellungnahme verfasst haben.

Ich komme aber noch einmal auf die Ausführungen des Kollegen Rösch zurück. Um­fangreicher Bericht: Es ist die umfangreiche Arbeitsplanung der Kommission, und die liegt hier vor. (Bundesrat Rösch: Ich habe es in der Hand gehabt, aber Danke für die Belehrung, Herr Professor!) Das ist nicht die umfangreiche Arbeitsplanung der Bundes­regierung, denn die hat es nicht einmal für notwendig befunden, in einer sehr schwie­rigen Zeit eine solche Sitzung des Rates auszurichten. Zum Zweiten – was hier ganz wichtig ist und in der bisherigen Diskussion (Zwischenruf des Bundesrates Rösch) nicht vorkam – möchte ich im Hinblick auch diese zwei von dir gesagten Wörter, ro­mantischer Sozialtransfer, ansprechen.

Eines der wichtigen Dinge, die derzeit in Verhandlungen sind, ist der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung. Mein lieber Freund, aus diesem Fonds hat Österreich bereits zweimal Mittel bezogen, und zwar für Oberösterreich und für die Steiermark.

Zweitens, die Europäische Arbeitsagentur: Eine Forderung, dass diese Agentur nach Österreich kommt, liegt schon lange auf dem Tisch. Diese Agentur wird kommen, es wäre schade, wenn wir das versäumen würden.

Drittens: Es ist der Bereich der Gesundheit dabei. Auch hierzu gibt es eine Richtlinie Europas, nämlich „Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefährdung durch Karzinogene und Mutagene bei der Arbeit“. Zum Beispiel wurde seitens des Europarates (Bundesrat Rösch: Ich such’ das jetzt gerade heraus!) die Resolution „Stress at work“, die genau – worauf in der vorherigen Debatte hingewiesen wurde – auf die notwendigen Arbeits­pausen hinweist, einstimmig angenommen.

Das Nächste sind die transparenten und verlässlichen Arbeitsbedingungen, was auch Kollege Zaggl vorher angesprochen hat. (Bundesrat Rösch: Na, was ist jetzt schlecht


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 118

daran?) – Nein, du warst so locker, du hast gesagt: Ja, das ist ein dicker Bericht, und wir kämpfen gegen romantische Sozialtransfers. (Bundesrat Rösch: Da musst du bes­ser zuhören! Besser zuhören!) Davon ist in diesem Bericht nicht die Rede.

Es geht zum Beispiel um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Deine Fraktionsvorsitzende wird sich auch daran erinnern, dass wir das ausführlich und intensiv im EU-Ausschuss behandelt haben. Österreich stellt dazu einmal fest: Es geht um den Papamonat und auch darum, dass seitens der Kom­mission eine viel großzügigere Variante vorgeschlagen wird, nämlich ein zehntägiger Vaterschaftsurlaub sowie nicht übertragbare Elternurlaube. Das überlassen wir den Mitgliedstaaten. Die Kommission stellt hierzu eine Regelung in Aussicht.

Das Nächste – das ja, glaube ich, für Kollegen Rösch besonders interessant ist – ist die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: Das bedeutet, dass wir nicht ständig diese unterschiedlichen Niveaus haben, wodurch es klarerweise innerhalb der Europäischen Union (Zwischenrufe des Bundesrates Rösch) zur Suche kommt, um das bessere System zu finden.

Ein weiterer Punkt sind dann die Verbraucherkredite: Es kommt ja auch der Konsu­mentInnenschutz hinein.

Nächster Punkt ist das Budget: Ein wichtiges Kapitel hierzu ist der Europäische So­zialfonds Plus. Das ist derzeit gemeinsam mit dem Binnenmarktprogramm, dem EU-Wertefonds – da geht es um Gleichstellungen und so weiter – in Verhandlungen. (Bun­desrat Krusche: Warum hätte er das alles erzählen sollen!) – Nein, Kollege Rösch ist so locker drübergegangen, dass ich ihn einfach ganz kurz hier bei der Nase packe und noch einmal - - (Bundesrat Krusche: Könnt ihr das nicht bei einem Bier machen?!) – Nein, er hält es aus. Er ist zwar das Stranded Investment der Arbeiterkammer, aber er hält es durchaus aus. (Bundesrat Rösch: Jetzt muss ich nachsitzen!) – Das muss auch sein, glaube ich.

Dann haben wir zum Beispiel etwas, das seitens der Kommissarin Reding ein ganz wichtiges Thema ist – jetzt schaue ich einmal zu den Frauen –, da geht es nämlich um (Bundesrat Krusche: Warum hat das euer Redner nicht gesagt?) – ich rede jetzt nicht über seine Romantik – die Richtlinie über eine Frauenquote in Aufsichtsräten. Da geht es auch darum, was die Kommission will: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. (Beifall bei der SPÖ.) Das ist die sogenannte Antidiskriminierungsrichtlinie der EU und betrifft die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes. All das ist da drinnen. (Bundesrä­tin Mühlwerth: Na und? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) All das sind Vorhaben der Kommission, und wenn wir jetzt die österreichischen Positionen durchgehen, dann wäre die Sache irgendwie ein bisschen beherzter, denn das ist ja das, was Kollege Rösch hätte herausarbeiten sollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Du bestimmst nicht, was Kollege Rösch sagt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Nein, nein, nein! Er hat das ja so gelobt. (Ruf bei der FPÖ: Heast, wo san ma denn?! Geht’s noch ...?!) – Nein, wir sind nicht dagegen, weil ich ja gerade gesagt habe: In diesen Vorhaben der EU sind die Bereiche Vereinbarkeit von Pflege und Familie, Gleichbehandlung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Harmonisierung der sozialen Rechte, Rettung der sozialen Fonds und damit auch Stärkung der sozialen Säule (Zwischenrufe der BundesrätInnen Krusche, Ecker und Mühlwerth) alle drinnen, und deshalb stimmen wir diesen Vorha­ben der Europäischen Kommission im Bereich Soziales, Gesundheit, Konsumenten­schutz und letztlich auch Frauen gerne zu. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Mühlwerth.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 119

16.03


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Mag. Beate Hartinger-Klein. – Bitte, Frau Bundesminister.


16.03.11

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Kollege Schennach, weil Sie mich direkt angesprochen haben: Wir waren als EU-Ratspräsidentschaft wirk­lich sehr, sehr erfolgreich und sehr fleißig. Wir haben elf Einigungen auf EU-Rechts­akte erzielt. Sechs Richtlinien und Verordnungen konnten im Trilogverfahren abge­schlossen werden. Für drei weitere konnte eine allgemeine Ausrichtung geschaffen und damit eine Einigung der Mitgliedstaaten erreicht werden.

Zu den Karzinogenen – zweite und dritte Tranche –: Ich möchte das jetzt wirklich nicht alles aufzählen, weil es im Bericht steht.

Zu der Frage, warum diese Sitzung abgesagt wurde: Das ist ganz einfach, es waren keine Tagesordnungspunkte seitens der Kommission vorhanden, weil wir jetzt am En­de einer Legislaturperiode des Europäischen Parlaments sind. Da sind dann halt keine Tagesordnungspunkte vorhanden. Was heißt das? – Dass eine Sitzung nicht effizient gewesen wäre. Ich kann nicht alle Sozialminister nach Brüssel einladen, wenn ich kei­ne Tagesordnungspunkte habe. – Sorry! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrätin Gross­mann: Doch die soziale Frage! Die EU hat keine sozialen Themen?!)

16.04

16.04.14


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Einstimmigkeit. Der Antrag ist somit angenommen.

16.04.3710. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbedienstetenge­setz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechts­gesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Ausländerbeschäftigungsgesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Integrationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das EIRAG und das Marktordnungsgesetz 2007 geändert werden sowie ein Bundesgesetz zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten König­reich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Verwal­tungssitz in Österreich erlassen wird (Brexit-Begleitgesetz 2019 – BreBeG 2019) (491 d.B. und 506 d.B. sowie 10135/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird (507 d.B. sowie 10136/BR d.B.)


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Wir gelangen nun zu den Tagesord­nungspunkten 10 und 11, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 120

Ich darf dazu ganz herzlich Herrn Bundesminister Mag. Gernot Blümel bei uns begrü­ßen. – Herzlich willkommen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Berichterstatterin zu beiden Punkten ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. – Ich bitte um die Berichte.


16.05.14

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalis­mus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertragsbediens­tetengesetz 1948, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrperso­nengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Ausländer­beschäftigungsgesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Betriebliche Mitarbei­ter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Integrationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das EIRAG und das Marktord­nungsgesetz 2007 geändert werden sowie ein Bundesgesetz zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich erlassen wird, zur Kenntnis bringen (Brexit-Begleitgesetz 2019 – BreBeG 2019).

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme daher zur Antragsstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich darf auch den zweiten Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird, zur Kenntnis brin­gen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor, ich komme sogleich zur Antragsstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Doris Hahn. Ich erteile es ihr.


16.07.54

Bundesrätin Doris Hahn, MEd MA (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Das Chaos ist ein Begriff aus dem Altgriechischen für einen Zustand vollständiger Un­ordnung und Verwirrung oder auch die „Abwesenheit, Auflösung aller Ordnung; völliges Durcheinander“ – so steht es unter anderem im Duden –, und ich finde, das trifft die derzeitige Situation rund um den Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU sehr gut.

In der heutigen Presse wird beispielsweise auch der Vizepräsident der EU-Kommission zitiert. Er sagt dazu: „Haltet das Lenkrad, schaut nach vorne und schnallt euch an.“ – Na servus, kann man da nur sagen. Ohne Zweifel überschlagen sich in den letzten Tagen, ja, Stunden, schier die Ereignisse, wenn es um den Austritt der Briten aus der EU geht, der uns in Kürze – aus heutiger Sicht in bereits 15 Tagen – bevorsteht. Tag­täglich finden neue Abstimmungen im britischen Parlament, im Unterhaus, statt. Bis


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 121

dato hat aber keine der von Theresa May verhandelten Varianten ausreichende Akzep­tanz gefunden. Der Reihe nach treten Mitglieder ihres Kabinetts zurück, also Chaos par excellence.

Ein bisschen hat man den Eindruck, die Briten wollen sich die europäischen Rosinen herauspicken, ohne aber die entsprechenden Verpflichtungen als EU-Mitglied dabei einzugehen.

Es ist aber in Wahrheit relativ unerheblich, ob es letztlich zu einem Hard Brexit oder zu einem Brexitdeal kommt. So oder so – und das ist, glaube ich, klar – wird sich das poli­tische, wirtschaftliche, sozialpolitische Gefüge innerhalb der gesamten EU verändern. Das große Problem, das sich hier darstellt, ist, dass kaum ein Aspekt wirklich durch­dacht und geklärt wurde, dass die Auswirkungen, aus meiner Sicht, nicht in ausrei­chendem Maße behandelt wurden.

Da geht es um Fragen der Beiträge. Die Briten sind ja de facto Nettozahler, und Öster­reich wird mit Austritt der Briten mit einer Erhöhung des Mitgliedsbeitrags um ungefähr 150 Millionen Euro rechnen müssen. Da geht es aber auch um Fragen des Handels mit den Briten, um Fragen im Bereich des Arbeitsmarkts, um Fragen der offenen oder un­ter Umständen auch geschlossenen Grenzen, des Backstop mit Nordirland, und vieles, vieles mehr. All das ist bis dato im Wesentlichen ungeklärt.

Das eigentlich Schreckliche an der ganzen Sache ist, dass man zwei Jahre Zeit gehabt hätte, entsprechende Lösungen zum Wohle der Menschen in Großbritannien zu finden. Zwei Jahre sind bis zum von den Briten selbst gewählten Austrittstermin Ende März mehr oder weniger verschlafen worden.

Da kann ich auch die österreichische Bundesregierung leider nicht aus ihrer Verant­wortung entlassen. Wir haben es heute schon ein paarmal gehört: Im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft, die Österreich ja im vorigen Jahr innehatte, hätte es aus unserer Sicht zahlreiche Verhandlungen mehr gebraucht. (Bundesrat Längle: Das ist ja lächer­lich!) Man hätte bilaterale, multilaterale Gespräche führen können, um einen geregel­ten, einen unaufgeregten EU-Austritt der Briten (Bundesrätin Mühlwerth: Ich glaube, da ...!) zu ermöglichen und zu gewährleisten. Das ist versäumt worden. Stattdessen hat man viele PR-Fotos gemacht und, ja, Vielfliegermeilen gesammelt – besonders der Herr Kanzler. (Bundesrat Schuster: Das können Sie sicher beweisen!)

Ähnliches gilt auch für das vorliegende Brexit-Begleitgesetz, das wir an dieser Stelle zu diskutieren haben. Es ist für uns keinerlei einheitliche Systematik erkennbar. Mit einer Änderung von nicht einmal 20 Gesetzen kann aus unserer Sicht, aber auch aus der Sicht diverser Rechtsexperten, kaum das Auslangen gefunden werden. Beispielsweise hält sich das Wirtschaftsministerium gänzlich heraus, es ist da gar nicht vertreten. Auf der anderen Seite sind vielfach Verordnungsermächtigungen der Ministerinnen und Mi­nister vorgesehen, also wieder einmal Blankoschecks, bei denen nicht wirklich klar ist, was die zuständigen Minister jeweils verordnen können und werden.

Oberste Priorität muss aus unserer Sicht der Schutz der österreichischen Staatsbürge­rinnen und Staatsbürger, die im Vereinigten Königreich leben, arbeiten, studieren, und deren Rechte haben. Das Brexit-Begleitgesetz lässt viele Fragen offen und ungeklärt, beispielsweise die Anrechenbarkeit von akademischen Graden, die Abwicklung von europäischen Studienprogrammen und dergleichen mehr. Ungeklärt ist auch, wie briti­sche Staatsbürger gesetzlich zu behandeln sind. Darüber ist man sich also immer noch nicht einig. Behandelt man sie dann als Staatsbürger eines Drittstaats oder erkennt man ihnen sozusagen einen privilegierten Status zu? Wieder einmal hat man es verab­säumt, rechtzeitig alle im Parlament vertretenen Parteien, alle Stakeholder – wie es heute auch schon angesprochen wurde –, alle Sozialpartner in die Vorbereitungen mit­einzubinden.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 122

Was ebenso völlig im Unklaren ist, sind beispielsweise Fragen bezüglich der EU-Wahl, die uns ja auch in Bälde ins Haus steht. Wie wird mit den aus heutiger Sicht – der Stichtag war vorgestern – noch wahlberechtigten Briten umgegangen? Die SPÖ hat den Leiter der Bundeswahlbehörde, nämlich den Herrn Innenminister, bereits vor lan­ger Zeit darauf hingewiesen, dass es eine diesbezügliche Problematik geben könnte. Seine Antwort im Wesentlichen: keine Reaktion.

Damit ist aus meiner Sicht einer potenziellen Wahlanfechtung wieder einmal Tür und Tor geöffnet; man muss sagen, darin haben wir ja mittlerweile Erfahrung. Oder wird gar schon damit spekuliert? – Ich kann das jetzt nur einmal vermuten. Wir werden sehen, wie es ausgeht. Der Herr Innenminister ist jedenfalls dringendst aufgefordert, diese Un­klarheiten zu beseitigen.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Tatsache ist schon: Dieses drohende oder exis­tierende Chaos kommt nicht von ungefähr. Es waren die rechtspopulistischen, nationa­listischen Kräfte dafür verantwortlich – Johnson und Co; ich muss sie, glaube ich, nicht alle aufzählen –, die ganz bewusst und gezielt den Menschen in Großbritannien völlig falsche Versprechungen gemacht haben, die gezielt Misstrauen gegenüber der EU ge­schürt haben (Bundesrat Krusche: Schuld ist die österreichische Bundesregierung, genau! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), die gezielt mit der Unzufriedenheit der Menschen gespielt haben – hört mir einmal zu, dann werdet ihr mir vielleicht recht ge­ben! –, die gehetzt und gezündelt haben, die gesagt haben, ohne EU fließt viel mehr Geld in die britische Wirtschaft, und so weiter und so fort. – Nichts davon ist und war richtig. Mit Fake News hat man tatsächlich den Brexit herbeigeführt, ohne sich dabei um die Folgen zu kümmern.

Wir wissen heute, die meisten der dafür Verantwortlichen sind nur kurz darauf zurück­getreten und stellen sich somit in keinster Weise ihrer politischen Verantwortung. Erst kürzlich haben wir auch eine Androhung von Nigel Farage – wie auch immer man ihn aussprechen möchte – gehört (Zwischenrufe bei der FPÖ), dass er im Falle einer Ver­schiebung des Brexits oder des Austritts über die EU-Wahl hinaus mit einer eigenen Liste, mit einer eigenen Partei, nämlich der Brexitpartei, bei der Wahl antreten möchte. Das ist aus meiner Sicht mehr als zynisch und ein sehr eindeutiges Zeichen dafür, wo­hin rechtskonservative Mehrheiten führen. Insofern kann und muss uns hier in Öster­reich das Debakel rund um den Brexit ein wirklich negatives Beispiel sein, dem wir tunlichst nicht folgen sollten.

Auf eines muss ich schon noch hinweisen: dass selbst die FPÖ den Öxit, wenn man ihn so nennen darf, nicht ausschließt, ist ja auch kein Geheimnis. (Beifall bei der SPÖ. – Uh-Rufe bei der FPÖ.) – Ja, ich darf hier an Aussagen des Herrn Vilimsky erin­nern, der ja doch auch ein bisschen in der EU zu tun hat (neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ), zumindest sagt man, er sei hin und wieder dort. Beispielsweise hat er im Jahr 2016 in einem Facebook-Statement gesagt, er könne sich einen Austritt Öster­reichs aus der EU sehr gut vorstellen. Auch Herr Vizekanzler Strache hat schon 2010 mit einer Volksbefragung in Österreich geliebäugelt. (Bundesrätin Mühlwerth: Na, wie lange ist das her?! Sie können rechnen! Also!) – Ja, na und? Bis jetzt hat er das noch nicht richtiggestellt und korrigiert, muss man sagen. (Bundesrat Pisec: Sicher hat er das korrigiert!)

Heute ist schon oft von Vertrauen gesprochen worden, auch von Vertrauen in die EU. Wenn wir in Österreich keine Zustände wie in der jetzigen Brexitsituation haben wollen, kann ich wirklich nur an die Regierungsparteien appellieren: Treten wir rasch in einen Dialog für ein starkes Europa, für ein geeintes Europa und – vor allen Dingen – für ein soziales Europa ein! Ich erwarte mir von den Regierungsparteien auch wirklich ein ganz klares Nein zu einem möglichen Öxit. (Beifall bei der SPÖ.)

16.17



BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 123

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Christian Buchmann. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Krusche: Ihr müsst eine Entschließung da machen! Das wäre dringend erforderlich! – Bundesrat Weber: Nein, das wäre eure ... ! – Bundesrätin Mühlwerth: Nein, wirklich nicht! Wir haben unsere Arbeit gut getan! – Heiterkeit bei der SPÖ.)


16.17.20

Bundesrat Mag. Christian Buchmann (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich wäre den Ausführungen von Monika Mühlwerth nichts mehr hinzuzufügen; in der Tat ist es so, wie du es gesagt hast: dass die österreichische Bundesregierung im zweiten Halbjahr 2018, als sie die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, einen exzellenten Job gemacht hat. Ich darf Ihnen das aus Gesprächen im Rahmen der Cosac, der parla­mentarischen Dimension der Ratspräsidentschaften, berichten, bei denen wir von vie­len Ländervertretern und Kollegen aus den Parlamenten anerkennende Worte erhalten haben. Das gilt auch für eine Aussprache im Europaausschuss des Bayerischen Land­tages, zu der ich eingeladen war. Bei dieser Aussprache hat der Europaausschuss sei­nen hohen Respekt für die Arbeit der österreichischen Bundesregierung, für die Ziele – gemeinsam für ein Europa, das schützt – einzutreten und im Bereich des Brexits eine einheitliche Linie der EU 27 zu gewährleisten, ausgesprochen. Die Arbeit der österrei­chischen Bundesregierung ist anerkannt worden, und das in einem nicht einfachen Umfeld, in einem sehr herausfordernden Umfeld.

Ich möchte dir, sehr geehrter Herr Bundesminister, auch herzlich dafür danken, dass du uns im Europaausschuss immer mit Rat und Tat, aber insbesondere mit Information zur Seite gestanden bist.

Ich erinnere mich, wir waren am 18. und 19. Februar dieses Jahres mit einer Delega­tionsreise der Mitglieder des Europaausschusses in Brüssel, haben uns dort mit den Kommissaren Hahn und Oettinger auseinandersetzen können und am zweiten Tag dann das Glück gehabt, dich in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäi­schen Union zu treffen; und du hast einen Blick hinter die Kulissen gegeben, wie es aktuell betreffend Brexit aussieht. Wir alle, die wir nicht nur Gespräche führen, sondern natürlich auch die Medien verfolgen, wissen, dass das in der Tat herausfordernd ist.

Was ist die Ausgangssituation? – Die britische Bevölkerung hat sich im Jahre 2016 mit einer Mehrheit, wenn auch mit einer knappen Mehrheit, für den Austritt aus der Euro­päischen Union entschieden. 2017 haben die Briten den Austrittsantrag bei der Euro­päischen Union eingebracht. Seither wurde verhandelt, um einen geregelten Austritt dieses Mitgliedstaates zu gewährleisten. Dabei haben sich die österreichische Bundes­regierung und du, sehr geehrter Herr Bundesminister, im Besonderen eingebracht – wie auch der Bundeskanzler im Rahmen des Rates –, um eine gemeinsame Linie zu gewährleisten. Ich glaube, dass diese gemeinsame Linie – mit Ratspräsident Tusk und auch mit Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident – dazu führt, dass es zu kei­nem harten Brexit kommt.

Warum soll dieser harte Brexit vermieden werden? – Na ja, weil es in der Tat um Menschen geht. Es geht um rund 3 Millionen Europäer, die in Großbritannien leben und arbeiten, zum Großteil mit ihren Familien. Es geht um rund 1,5 Millionen Briten, die von der Insel weggegangen sind und in Europa, in den 27 weiteren Mitgliedstaaten leben und arbeiten, und es geht im Wesentlichen – von den 583 000 Auslandsöster­reichern – um rund 25 000 Österreicherinnen und Österreicher, die in Großbritannien leben und arbeiten. Es geht also um persönliche Schicksale, um Lebenswege, um Familien, und es geht um eine Wirtschaftsentwicklung sowohl in Großbritannien wie auch in Europa.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 124

Das Einzige, das wir seit gestern Abend wissen, ist, dass es einen ausverhandelten Vertrag gibt und was das britische Unterhaus nicht will. Was es in der Tat will, wird es uns vielleicht in den nächsten 14 Tagen sagen. Sofern es sich nicht erklärt und es kei­nen anderslautenden Antrag gibt, wird Großbritannien mit dem 29. März, 24 Uhr, nicht mehr Mitglied der Europäischen Union sein und damit ein No-Deal-Brexit stattfinden. Dieser No-Deal-Brexit hat Konsequenzen für die Menschen in Großbritannien, aber insbesondere auch für die Menschen in Österreich. Es galt, sich auf diese Konsequen­zen vorzubereiten.

Ich glaube, dass diese Vorbereitungsarbeiten sowohl von der österreichischen Bundes­regierung wie auch von den österreichischen Bundesländern gut in Angriff genommen wurden. Erst gestern hat es eine Landeshauptleutekonferenz gegeben, bei der ge­meinsam mit dem zuständigen Minister Fragen besprochen worden sind, und Landes­parlamente haben schon Vorbehaltsbeschlüsse gefasst, um die Rechte der Landesbür­ger abzusichern, aber auch jene der Briten, die in den Bundesländern aktiv sind.

Im Europaausschuss des Bundesrates haben wir uns gestern auch mit Brexitmaßnah­men auseinandergesetzt, beispielsweise mit der Frage, wie es bei einem No-Deal-Brexit mit der Finanzierung des EU-Haushalts im Jahr 2019 weitergeht. Das hat ja möglicherweise auch Auswirkungen auf das österreichische Budget oder auf gemein­schaftliche Maßnahmen, die vorgesehen sind und dann nicht in vollem Ausmaß oder überhaupt nicht durchgeführt werden können.

Es geht um das schon angesprochene Erasmus+-Programm, auch darum, wie es mit der Anerkennung von Graduierungen weitergeht, bis hin zur Frage der sozialen Sicher­heit, die natürlich eine ganz wesentliche und wichtige Fragestellung ist.

Wenn Sie heute, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen, internationale Medien lesen – ich habe in der Früh das deutsche „Handelsblatt“ gelesen – und dort über die Meinung der Wirtschaftsvertreter, dann mehrt sich der Eindruck, dass ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende. Das korreliert nicht ganz mit dem, was verantwortungsvolle Politiker in Europa wollen, nämlich eine gemeinsame Verein­barung über die Zukunft des Zusammenwirkens zwischen Europa und Großbritannien; aber es wird auf Dauer auch nicht möglich sein, die Entscheidung so weit zu ver­schleppen, dass davon europäische Parlamentswahlen betroffen sind und es eine Hängepartie gibt.

Ich war selbst als junger Mensch in Nordirland und habe dort ein Projekt mit den Peace People gemacht, mit Mairead Corrigan und Betty Williams, die ja für ihre Arbeit, junge Menschen beider Konfessionsgruppen zusammenzubringen, um damit ein Stück Zu­kunft zu eröffnen, den Friedensnobelpreis bekommen haben. Mir ist sehr bewusst, was der Backstop in der Region Nordirland und in Irland bedeutet und dass wir alles tun sollten, damit es zu keinem harten Brexit kommt. Ob das möglich ist, liegt in den Hän­den Großbritanniens. Das, was wir, glaube ich, gemeinsam einfordern müssen, ist, dass sich das britische Unterhaus erklärt und endlich einen Weg bekannt gibt, wie es sich die weitere Vorgangsweise vorstellen kann.

Lieber Herr Bundesminister, ich glaube, dass die Vorbereitungsarbeiten mit diesem Brexit-Begleitgesetz gut vorangetrieben wurden. Natürlich ist es nicht so, dass jede Detailfrage bereits geklärt werden konnte, aber es wurden zahlreiche wichtige Fragen damit angesprochen und wir sind insgesamt auf einem guten Weg. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mögen wir von einem No-Deal-Brexit wegkommen, möge ein Deal zustande kommen, der den Menschen in Europa und in Großbritannien eine gute Zukunft si­chert! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 125

16.25


Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ewa Dziedzic. – Bitte.


16.25.44

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über das Brexit-Begleitgesetz und den Brexit, aber wir alle wissen, dass es um viel mehr geht, nämlich um nichts Geringeres als die Zukunft Europas.

Wir wissen auch – und auch wenn es pathetisch klingen mag, so stimmt es –, dass unsere Eltern und Großeltern auf den Trümmern eines Krieges diesen Kontinent des Wohlstands und des Friedens aufgebaut haben. Wir haben nicht nur nach 1945, son­dern auch nach 1989 – das ist jetzt genau 30 Jahre her –, seit dem Fall der Berliner Mauer, unter Beweis gestellt, dass wir trotz unterschiedlicher Herangehensweisen und Perspektiven die Fähigkeit haben, an gemeinsamen Lösungen zu arbeiten. – So weit, so gut.

Was aber passiert jetzt? – Wir suchen nicht nach diesen gemeinsamen Lösungen, im Gegenteil, wir streben nach Macht, zumindest wenn man sich die Diskussionen rund um den Brexit anschaut. Tatsache ist nämlich, dass im Zuge dieses Referendums fal­sche Versprechungen gemacht worden sind und die Bevölkerung im Nachhinein fest­stellen musste, dass das, was versprochen worden ist, nicht eintritt. Nationalistische Propagandisten mit null Plan und null Lösung haben sich durchgesetzt. Sie haben gezündelt, sie haben das Haus in Brand gesetzt und sind dann feig davongerannt. Die Briten stecken – und da werden wir uns alle parteiübergreifend einig sein – seit gerau­mer Zeit in einer selbstverschuldeten Sackgasse. Und ja, es stimmt, es wird Zeit für einen Weg hinaus, wenn es kein Zurück mehr gibt und sich eine weitere Abstimmung nicht mehr abzeichnet. Wir, die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ha­ben es aber natürlich auch zu verantworten, dass es so weit kommen konnte.

Die EU-Ratspräsidentschaft Österreichs war heute schon kurz Thema. Ja, auch ich bin der Meinung, man hätte diese Monate entsprechend nutzen können, um dem entge­genzuwirken, um Maßnahmen zu setzen und für Aufklärung zu sorgen, anstatt tatenlos zuzuschauen, wie der Wagen an die Wand gefahren wird. Jetzt stehen wir in Öster­reich vor der Herausforderung, die Bevölkerung insofern zu schützen, als es Klarheit geben soll, was nach diesem Brexit passieren wird. So, wie dieses Begleitgesetz nun vorliegt, ist es aus unserer Sicht nicht nur unvollständig, es enthält auch Dinge, die not­wendig werden, auch das ist klar, auch wenn es natürlich noch einiges braucht.

Tatsache ist aber – und das werden Sie sich jetzt auch gefallen lassen und Sie werden wenig überrascht sein –, dass ich nicht das Gefühl habe, dass zumindest die eine Hälfte der österreichischen Regierung großes Interesse daran hat, an konkreten Lö­sungen zu arbeiten; im Gegenteil, man wird das Gefühl nicht los, dass es darum geht, den Öxit oder weitere Austritte tatsächlich vorzubereiten. Auch wenn Sie immer wieder verneinen, dass Ihr Vizekanzler oder Ihr Spitzenkandidat für die EU-Wahl Viliminsky den Öxit in den Raum stellen, wissen Sie ganz genau, dass diese Dinge gut dokumen­tiert sind. Herr Strache hat zum Beispiel das Referendum in England 2016 als einen demokratischen Akt bezeichnet. (Bundesrat Schuster: Das ist der Grund, warum Sie abgewählt worden sind! – Weitere Rufe bei der FPÖ: Ja, genau! – Na, was war’s denn?! – Haltlose Unterstellung!) Das spricht für sich.

Viliminsky beruft sich bis heute darauf, dass es natürlich notwendig und wichtig ist, die Bevölkerung zu befragen. Auch wenn Sie sich jetzt aufregen, dass es anders verstan­den werden kann, Sie wissen wohl, dass das Alternativen-in-den-Raum-Stellen unter­schiedliche Perspektiven bietet. Man kann sagen, es ist ein demokratischer Akt, darü­ber abzustimmen, wie es weitergeht, und das mit Lösungen zu verbinden, die Europa dienlich sind, oder etwas wie den Öxit in Aussicht stellen, wohl wissend, was das für Österreich und Europa in weiterer Folge bedeuten würde. (Bundesrätin Mühlwerth:


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 126

Außer Ihnen spricht niemand von Öxit!) Verschleiern Sie also bitte nicht Ihre Haltung. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich möchte aber noch auf etwas Aktuelleres zu sprechen kommen, das nicht nur die FPÖ, sondern auch die ÖVP betrifft. Wo Sie (in Richtung FPÖ) stehen, wissen wir nämlich bereits, wo die ÖVP steht, ist noch nicht so ganz klar. Tajani – Sie werden es gelesen haben –, Präsident des Europäischen Parlaments, hat sich heute etwas Un­fassbares geleistet – was ihm schon der Innenminister Italiens vorgemacht hat. Er fin­det lobende Worte für den Faschisten Mussolini. Aus meiner Sicht müsste er sofort zurücktreten. (Zwischenrufe der Bundesrätin Mühlwerth.) So, wie sich die ÖVP aber nicht einig ist, wie viele Grenzüberschreitungen seitens eines Orbán sie in Kauf nimmt, so ist sie sich auch nicht einig, wie mit Personen umzugehen ist, die sich auf Fa­schisten berufen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Enkeltochter von Mussolini ist übrigens im Parlament ...!) Genau das bereitet mir Sorge: nicht die Rechtspopulisten, nicht die rechten Parteien, nicht die Rechtsextremen in Europa, sondern, ja, die konservativen Parteien, die jetzt immer mehr nach rechts abdriften, die aber imstande wären, genau diese Entwicklung noch aufzuhalten. (Vizepräsident Koller übernimmt den Vorsitz.)

Es geht hier natürlich auch um Verharmlosung, wenn man meint, ein Salvini oder ein Tajani sagt etwas, was historisch anders verstanden werden kann; genauso wie Ihre alternativen und demokratischen Akte, was einen Öxit anbelangt. Für mich ist das ein Dammbruch, und zwar ein verdammt gefährlicher Dammbruch, mit dem wir es hier zu tun haben. Niemand verneint, dass wir es in Europa mit sehr vielen Krisen zu tun ha­ben. Anstatt aber gemeinsam nach Lösungen zu suchen und zu versuchen, diese Kri­sen – von denen Sie wissen, dass sie kein Nationalstaat für sich alleine lösen kann; das können wir nur europäisch lösen – gemeinsam zu bewältigen, schauen Sie zu, ma­chen sich mitschuldig, verharmlosen, dulden solche Aussagen und profitieren von ge­nau diesen Spaltungen, die die Rechtsextremen in ganz Europa vorantreiben. (Zwi­schenruf bei der FPÖ.)

Die Europäische Volkspartei, der die ÖVP, die CDU, die Forza Italia oder Orbáns Fi­desz angehören, muss deshalb aus meiner Sicht wirklich dringend klären, wie viel Fa­schismus sie in ihren eigenen Reihen duldet und – auch das wiederhole ich noch­mals – ob sie relativiert, zuschaut und nur die Mandate zählt, wohl wissend, dass bei­spielsweise Orbán, wenn sie ihn aus der Europäischen Volkspartei ausschließt, sich zum Beispiel den Rechten anschließen könnte. Klar geht es da um Mandate! Es geht nicht um Lösungen, es geht nicht um Krisen, es geht nicht um gemeinsame Antworten, es geht darum, wie die Mandatsverteilung nach dem 26. Mai sein wird.

Sie wissen, Ihre Fraktion ist im Europaparlament mit 37 Mandaten (Bundesrätin Mühl­werth: Natürlich sind Mandate entscheidend, sie werden ...!) jetzt recht isoliert. Sie sind in Europa isoliert, weil Sie nie den europäischen Gedanken gepflegt haben, son­dern den nationalistischen. (Bundesrätin Mühlwerth: Sie haben da überhaupt keine Ahnung von gar nichts! – Heiterkeit bei BundesrätInnen der FPÖ.) Natürlich will ein Viliminsky – und das können Sie heute im „Standard“ nachlesen (Bundesrat Steiner: Der „Standard“, die Bibel der Grünen! – anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ) – ge­nau an diese Mandate heran und dort der Mehrheitsbeschaffer sein.

Was das Brexit-Begleitgesetz, über das wir heute reden, anbelangt, so kann ich nur wiederholen, dass sie natürlich nicht nur unvollständig sind, sondern auch suggerieren, es wäre alles nicht so schlimm, was dieser Brexit mit sich bringt und welche Auswir­kungen dieser Brexit auf Europa, auf Österreich – ja, auf unsere Wirtschaft ebenso – haben wird. Deswegen wird es unsere Zustimmung nicht bekommen; die Mehrheit hat es hier sowieso. Was hier fehlt, wurde schon erwähnt: Erasmus, Anerkennung, Nostri­fizierungen, Sozial- und Pensionsversicherungen. Das sind existenzielle Fragen, die hier nicht einmal berührt worden sind.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 127

Viel schlimmer ist aber, dass nicht nur nicht alle Ministerien eingebunden worden sind, sondern dass das BMI (Zwischenruf bei der FPÖ), das Innenministerium, auch noch explizit festhält, dass es auf zukünftige, weitere Austritte vorbereitet ist. Was sagt uns das? – Dass Sie nicht daran arbeiten, dass es solche nicht gibt, sondern dass Sie die Rute schon ins Fenster stellen und davon ausgehen, dass es auch andere Mitglieds­länder treffen wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Viliminsky sprach heute auch davon (Rufe bei der FPÖ: Vilimsky, nicht Viliminsky!) – das ist Ihr Spitzenkandidat, wir reden über Europa –, dass er das Parlament aufmi­schen möchte. Ich finde, man sollte nicht das Parlament aufmischen und die Mandate mischen, sondern konkret an solchen Lösungen arbeiten. Diese Lösungen sind des­halb notwendig, weil niemand von uns, ungeachtet dessen, welcher Partei er oder sie angehört, ernsthaft zurück zum Kalten Krieg von 1989 (Bundesrat Steiner: Ach!) oder zurück zu den faschistoiden nationalistischen Gedanken möchte (Bundesrat Steiner: Jetzt reicht’s aber, du, jetzt reicht’s aber!), die dieses Europa spalten und nicht einen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Es reicht mir auch, da haben Sie vollkom­men recht, es reicht mir auch.

Ich bin 1980 in einem osteuropäischen Land (Bundesrätin Mühlwerth: Das hat mit ei­ner Debatte nichts ...!), 500 Kilometer von Wien entfernt, geboren. Ich weiß, was es be­deutet, diese Grenze zu übertreten und sich darüber zu freuen, dazuzugehören, einem Friedensprojekt anzugehören. Dieses Versprechen gilt es nicht nur zu erneuern, son­dern es gilt, Sie (in Richtung FPÖ) aufzuhalten, dieses Friedensprojekt zu zerstören. – Vielen Dank. (Beifall bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmül­ler. – Bundesrat Steiner: Hallo, aber jetzt reicht’s nachher!)

16.37


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.


16.37.25

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Es ist nahezu klassisch – auch an Sie gerichtet, Herr Präsident! –: Hier können Beschimpfungen sonder Zahl stattfinden, wenn es irgendwie in unsere Richtung geht: Sie schreiten nicht ein. Sie sind sonst immer sehr sensibel und penibel, aber offensichtlich auf einem Auge, nämlich dem linken Auge, blind. Da kann jeder tun, wie er will. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Würde des Hauses, Kollegin Dziedzic entspricht das nicht. (Bundesrat Stögmül­ler: Aber das ist nicht unser Präsident!) Ich habe nichts dagegen, eine ordentliche De­batte zu führen. Ich habe nichts dagegen, dass man auch einmal ein bisschen in der Wortkiste wühlt und ein bisschen unfreundlich ist. Das, was Sie regelmäßig in jeder Sitzung machen, ist eine Beschimpfung der Freiheitlichen, und da sage ich Ihnen: Das hat mit einer Diskussion und Debatte überhaupt nichts zu tun (Widerspruch bei der SPÖ sowie der BundesrätInnen Dziedzic und Stögmüller), zumal sie von einer Ah­nungslosigkeit sondergleichen geprägt ist. Sonst wüssten Sie nämlich, dass die FPÖ die erste Partei war, die damals zur Europäischen Gemeinschaft wollte.

Alle Linken, die SPÖ inklusive, haben uns damals übelste Motive unterstellt. Sie waren gegen den Beitritt, die SPÖ war lange gegen den Beitritt. Alle haben es wie der Teufel das Weihwasser gescheut, zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu gehen. Jetzt begehen Sie Kindesweglegung und tun so, als wären Sie immer schon (Zwischenruf der Bundesrätin Grossmann), seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs, ein extremer Befürworter einer Mitgliedschaft in der EU gewesen. (Bundesrat Stögmüller: Na, was soll das?!) – Also, bitte! (Beifall bei der FPÖ.)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 128

In keinem einzigen Antrag, in keinem einzigen Gremium kam jemals das Begehren der FPÖ zu einem Öxit. Strache hat einmal gesagt – das stimmt –, die Europäische Union muss sich weiterentwickeln. Das muss sie auch, der Brexit kommt nicht nur von unge­fähr. (Bundesrätin Dziedzic: Das stimmt nicht! – Zwischenrufe bei der SPÖ.) Der Brexit kommt nicht aufgrund von Falschinformationen (neuerlicher Zwischenruf der Bundesrä­tin Dziedzic), sondern der Brexit hat seine Ursachen, die auch in der Arbeitsweise, in der Denkweise der Europäischen Union zu suchen sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das wollen wir nicht ganz vergessen. Diesbezüglich hat Strache gesagt, wenn sich die EU überhaupt nicht weiterentwickeln will (Ruf bei der FPÖ: Und die Türkei!) und auch nicht mehr am Bürger orientieren möchte, dann muss man darüber nachdenken, ob es eine Volksabstimmung zu einem Austritt geben soll. – Das war alles.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch das muss in einer Demokratie auszuhalten sein, dass man gewisse Denkmodelle anstößt – man muss ihnen ja nicht nähertreten. (Bundesrat Stögmüller: Dann muss man dazu stehen! Stehen Sie dazu!) Die FPÖ ist ihnen auch nicht nähergetreten. Verbieten Sie aber jetzt schon das Denken und das Reden darüber, dann tragen Sie die Demokratie zu Grabe – nicht, weil es uns gibt und weil wir eine andere Meinung haben –, Sie sind dann die Totengräber der Demokratie. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Übrigens, weil das beim Brexit ja immer so dargestellt wird: Ja, die sind alle belogen und falsch informiert worden! (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) – Ihre Denk­weise und Lesart lautet (Zwischenruf bei der SPÖ): Der Wähler, der Trottel, hat es ein­fach nicht verstanden, worum es da geht. (Bundesrat Stögmüller: Das ist alles nach­zulesen!)

Ein Volksentscheid ist also für Sie nur dann richtig, wenn er das Ergebnis bringt, das Sie sich wünschen. Es hat sich niemand einen Brexit gewünscht – ich finde das auch nicht gut. Wir wissen allerdings natürlich nicht, wie das ausgeht. Das sind ja nun lauter Propheten, die wissen, welche Folgen der Brexit – egal, ob weich oder hart – für Groß­britannien haben wird. (Bundesrätin Hahn: Doch jetzt für einen Öxit?!)

Ich kann Ihnen sagen, es gibt unglaublich viele Wirtschaftsprognosen namhafter Ex­perten – die aber auch immer wieder geirrt haben –, bei denen sich dann am Ende he­rausgestellt hat, dass das nicht richtig war, was sie prophezeit hatten. (Anhaltende Ru­fe und Gegenrufe zwischen BundesrätInnen von SPÖ und FPÖ.) Daher würde ich mich hüten, zu sagen, wie Großbritannien in zehn Jahren aussehen wird.

Es gab zudem erst kürzlich eine Umfrage darüber, wie es ausgehen würde, würde man ein zweites Referendum machen: So viel anders als vor dem ersten Referendum sind die Meinungen nicht.

Es kann natürlich sein, dass man das so wie Sie sieht, nämlich dass der Wähler ein­fach zu dumm ist, um da irgendetwas mitzukriegen. Es geht ja nur, wenn er von Ihnen entsprechend beschallt worden ist, denn dann weiß der Wähler, was zu tun ist. Tut man das in Ihrer selbstgepriesenen Gutmenschlichkeit und Weltanschauung und so weiter, dann geht es. Denkt der Wähler selbst nach und entscheidet, dann geht es nicht. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das Beispiel von Magnus Brunner von heute Vormittag mit dem einige Male zitierten Onkel Bob und seiner Baufirma war ja sehr gut. Dieser hat gesagt: Ich erkenne keinen Mehrwert für mich. – So ist es vielen gegangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Großbri­tannien war auch wirklich sehr von der Zuwanderung betroffen, und das auch schon seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich habe damals mit dem polnischen Botschafter gesprochen (Zwischenruf der Bun­desrätin Hahn), weil er in Wien zu Besuch war, und dieser hat gesagt, es ist ein Wahn­sinn, dass die ganzen guten und gescheiten Leute, die man in Polen bräuchte, alle


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 129

nach Großbritannien gehen. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders sein, dass al­le irgendwohin auswandern. Dann kamen natürlich auch die Zuwanderer aus den Dritt­staaten dazu, was bei Großbritannien aufgrund seiner ehemaligen Stellung als Kolo­nialmacht nicht weiter verwunderlich ist.

Die Menschen haben da halt – so, wie das momentan überall in der Europäischen Union der Fall ist – das Gefühl gehabt, nicht mehr Herr über sich selbst zu sein. Das war sicher einer der Gründe, für den Brexit zu stimmen. Man kann es den Menschen nicht verdenken. Das war ja immer das, was wir gesagt haben: Die Europäische Union muss näher zum Bürger, und zwar nicht nur in Sonntagsreden. Die Bürger müssen es auch spüren, es muss greifbar für sie sein, dass sie da, wie Onkel Bob es gesagt hat, einen Mehrwehrt haben. Darum geht es doch.

Was immer die Briten nun machen – das ändert sich momentan nahezu stündlich; heute Nacht haben sie darüber abgestimmt, dass sie keinen harten Brexit haben wol­len, und das wollen wir auch nicht –, können wir doch froh sein, sehr geehrte Damen und Herren vor allem von der SPÖ, die jetzt gerne alles im Detail geregelt gehabt hätten, dass die EU-27 zusammengehalten haben und dass man eine einheitliche Linie gegenüber Großbritannien gehabt hat.

Der Letztabschluss des Austrittsvertrages war ja unter österreichischer Ratspräsident­schaft, und die Regierung hat ihre Arbeit hervorragend gemacht, was von allen gelobt wird, außer natürlich von der Opposition – das verwundert uns ja nicht weiter. Jeden­falls sind sich alle darüber einig, dass da sehr, sehr gute Arbeit geleistet worden ist, auch was den Abschluss des Ausstiegsvertrags betrifft. Dieses Brexit-Begleitgesetz ist ein Notfallplan und fußt auf keiner bilateralen Verhandlung mit Großbritannien. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es hat übrigens die Beamtin in der Ausschusssitzung auch sehr eindrucksvoll und schlüssig erklärt, dass dieses Begleitgesetz mit seinen sechs Paragrafen einer Logik folgt (Bundesrätin Hahn: Eine Behauptung ...!), die unabdingbar ist, um einen gewis­sen Schutz für die angestellten Lehrer, die Native Speaker an den Schulen und so wei­ter zu gewährleisten. Es geht da nicht darum, dass wir die Anerkennung von Titeln oder was weiß ich regeln, denn das kann man dann machen, wenn Großbritannien endgültig ausgetreten ist, unter welchen Bedingungen auch immer.

Lassen Sie also bitte die Kirche im Dorf! Lesen Sie nicht Dinge, die gar nicht drinnen stehen! Versuchen Sie, einfach zu verstehen – das ist nicht sehr schwer (Zwischenruf der Bundesrätin Hahn) –, dass das ein Notfallplan ist, von dem wir hoffen, dass er nicht zur Umsetzung kommt. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich möchte daher an dieser Stelle der gesamten Regierung für ihre bisherige Arbeit in Bezug auf den Ausstiegsvertrag mit Großbritannien und diesem Brexit-Begleitgesetz auf das Allerherzlichste danken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.47


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster ist Bundesrat Martin Weber zu Wort gemeldet. Ich erteile es. (Ruf bei der FPÖ: Jetzt geht es wieder los!)


16.47.25

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark): Werter Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war ja fast peinlich und fast ein bisschen lieb, zu­zusehen und zuzuhören, wie Sie hier Kindesweglegung betrieben haben und wie Sie versucht haben, aus Ihrem Schlamassel wieder rauszukommen.

Ihre Partei war jene Partei, die den Öxit zur Sprache gebracht hat. (Bundesrat Span­ring: Das ist eine Erfindung von Haselsteiner!) Ihre Partei war jene Partei, die als Aller­erste Nigel Farage, und wie die EU-Zerstörer alle geheißen haben, gratuliert hat. (Zwi-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 130

schenruf des Bundesrates Schuster.) Am Tag nach der Brexitabstimmung war es Ihre Partei, die diesen Herrschaften in Großbritannien gratuliert und sie unterstützt hat. Bitte betreiben Sie keine Kindesweglegung! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich will aber zuerst darauf eingehen, wie es überhaupt zu diesem Ergebnis bei der Bre­xitabstimmung kommen konnte. Was ist denn da ein paar Jahre zuvor passiert? – Vie­le, viele Jahre davor hat es auf europäischer Ebene begonnen, und zwar durch kon­servative Mehrheiten, die es in Nationalstaaten gegeben hat, die auf eine Politik ge­setzt haben, die ganz klar von energischer Sparpolitik, von Schuldenbremsen und feh­lenden Investitionen geprägt war. Die Säule der sozialen Union als gemeinsame Vision für ein besseres Europa wurde dabei leider völlig vergessen, sie ist völlig in Vergessen­heit geraten.

Was ist entstanden? – Arbeitslosigkeit, teilweise in besorgniserregender und skandalö­ser Höhe, teilweise eine dramatische Jugendarbeitslosigkeit in vielen Regionen Euro­pas. Was ist das für eine Botschaft an die Jugend, wenn diese frisch motiviert aus den Schulen und von der Uni kommt und wir sagen: Wir haben für dich keine Beschäf­tigung? – Viele brennende Vororte in manchen europäischen Städten zeigen, wo es geendet hat (Ruf bei der FPÖ: Meistens sozialistisch geführt!): Jobverlust in vielen Be­reichen, das Wohnen ist empfindlich teurer geworden. Auf Deutsch gesagt: Die Men­schen waren frustriert und angefressen und haben einfach kein Vertrauen mehr in das gemeinsame Europa gehabt.

In genau diesen Winkel habt ihr hineingestochen. Diese Stimmung haben Rechte, Kon­servative und Populisten genutzt, und zwar sowohl in Großbritannien als auch in an­deren Mitgliedstaaten, die wir kennen. (Zwischenruf des Bundesrates Krusche.) Es ist auf Teufel komm raus gezündelt worden, falsche Versprechungen wurden getätigt. In England hat es geheißen, 350 Millionen Pfund fließen Woche für Woche ins Gesund­heitssystem, wenn man aus der Europäischen Union aussteigt. Mir fällt da gerade die Patientenmilliarde ein, von der wir in Österreich gehört haben und an die auch kein Mensch glaubt. (Bundesrat Steiner: Wie der Ederer-Tausender?!)

Wo sind sie heute, diese ganzen Zündler auf europäischer Ebene? (Rufe und Gegen­rufe zwischen BundesrätInnen von FPÖ und SPÖ.) Wo ist David Cameron, wo ist Boris Johnson, wo ist Nigel Farage? – Unsere Kollegin von den Grünen hat es ja treffend formuliert: Das gemeinsame Haus von Europa wurde angezündet und dann haben sie sich allesamt vom Acker gemacht. Die Gesellschaft ist gespalten zurückgeblieben, ist gegeneinander ausgespielt worden, und das alles auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger, die leider Gottes vielen, vielen falschen Versprechungen aufgesessen sind.

Werden am 26. Mai 2019 bei der Wahl zum Europäischen Parlament jene Nationalis­ten gestärkt, die ein wenig abgekupfert America First oder Italien First – das sind alles eure Verwandten –, Ungarn First, Polen First propagieren, dann ist das Ende des ge­meinsamen Europas eingeleitet. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sieht man nur mehr die nationalistischen Interessen und rückt das gemeinsame große Ganze in den Hinter­grund, ist Europa am Beginn vom Ende. (Bundesrat Steiner: Deswegen habt ihr ja den Schieder geschickt, der rettet das jetzt! Der Retter Europas!)

Wir wissen, wo das enden kann: Frankreich und Deutschland haben sich über Jahr­hunderte hinweg gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr seid die, die zündeln!) – Wollen wir dahin wirklich wieder zurück? Werden jene Natio­nalisten gestärkt, gibt es das gemeinsame Ganze in Europa nicht mehr. (Bundesrätin Mühlwerth: Ihr seid die, die zündeln!) Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, früher oder später wird es mit dem Frieden auf europäischem Boden auch vorbei sein. (Bun­desrat Steiner: Mayakalender! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine Kollegin, Frau Doris Hahn, hat es schon gesagt, natürlich gibt es kein Rosinen­picken, das kann es nicht geben. Einen britischen Abgang – sich ewig zu verabschie-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 131

den, aber trotzdem nie zu gehen, oder die Scheidung zu verlangen, trotzdem Kühl­schrank, Tisch und Bett im gemeinsamen Haushalt haben zu wollen – kann es nicht geben.

Wir von der Sozialdemokratie sind nicht für einen Brexit und wir sind auch nicht für einen Öxit. Wir kämpfen in aller Geschlossenheit um eine erneuerte solidarische Eu­ropäische Union (Bundesrat Pisec: Leider gibt es die DDR nicht mehr!), die den Men­schen und nicht den Konzernen dient. Wir kämpfen für eine echte Sozialunion. Wir in der Sozialdemokratie tun das mit voller Überzeugung.

Ich darf Sie einladen, sich diesem gemeinsamen Weg für ein gemeinsames solidari­sches Europa, das für die vielen und nicht für die wenigen steht, anzuschließen. – Dan­ke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dziedzic.)

16.54


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster hat sich Herr Bundesminister Mag. Ger­not Blümel zu Wort gemeldet. Ich erteile es.


16.54.31

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss sa­gen, ein bisschen bin ich über den Ton zum aktuellen Tagesordnungspunkt überrascht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Man könnte fast glauben, man ist im Britischen Unterhaus, wenn es um das Thema Brexit geht. Das ist extrem konfrontativ, oft polemisch und definitiv nicht mehr an der Sache entlang (Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ sowie Beifall bei BundesrätInnen der ÖVP), was mich, wie gesagt, ein bisschen wundert, weil es ja innerhalb der Europäischen Union, der EU-27, kein einziges Thema gibt, bei dem es dermaßen Geschlossenheit über alle Fraktionen und alle Länder hinweg gibt. Die ein­zige Unklarheit, Ungeschlossenheit oder Polemik gibt es, wie ich merke, nur hier im Bundesrat. Das verwundert mich ein wenig, aber vielleicht komme ich während der De­batte noch drauf, woran es genau liegt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich darf vielleicht vorab ein paar Fragen beantworten oder ein paar Behauptungen kor­rigieren, die getätigt worden sind. Die erste Rednerin hat gemeint, die österreichische Ratspräsidentschaft hätte mehr Verhandlungsrunden ansetzen sollen. Vielleicht zur Aufklärung, wie der Verhandlungsprozess gelaufen ist: Zunächst einmal hat Großbri­tannien den Austrittsantrag eingereicht, der erst seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 mit dem sogenannten Artikel 50 möglich geworden ist. Reicht man die­sen Austrittsantrag ein, beginnt eine Frist zu laufen, die in diesem Fall eben Ende März beendet ist.

Was hat die Europäische Union getan? – Zunächst einmal haben sich Parlament und Rat zusammengesetzt und Verhandlungslinien definiert. Der Rat hat gemeinsam ein­stimmig rote Linien für die Verhandlungen definiert. Die Kommission ist beauftragt wor­den, die Verhandlungen zu führen, und die Kommission hat eine Person nominiert, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt, das ist Michel Barnier.

Das heißt, Michel Barnier hat im Auftrag von Kommission und Rat auf Basis der Leit­linien des Rates diese Verhandlungen mit dem britischen Kabinett geführt. Die Aufgabe der jeweiligen Präsidentschaft war es vor allem, Michel Barnier darin zu unterstützen, die Einheit der EU-27, die immer die Grundlage für eine starke Verhandlungsposition war, aufrechtzuerhalten. Das haben wir sehr intensiv getan.

Sind Sie aber der Meinung, dass es zu wenige Verhandlungsrunden gegeben hätte, dann kann ich das Michel Barnier gerne ausrichten. Es lag nicht in der Hand der öster­reichischen Ratspräsidentschaft, den Verhandlungskalender anzusetzen. Unsere Auf­gabe war, die Einheit der EU-27 aufrechtzuerhalten und Michel Barnier gut zu unter-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 132

stützen. Ich denke, das haben wir auch professionell und erfolgreich getan. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie haben auch von den vielen Rechtsexperten gesprochen, die dieses Brexit-Be­gleitgesetz kritisieren würden. Ich kenne diese Art von Rhetorik von Opposition-versus-Regierung-Spielen, und es gibt auch immer wieder Rechtsexperten, die das eine oder andere kritisieren. In diesem Fall kenne ich keinen einzigen, der das Gesetz kritisiert. Ich würde Sie bitten, mir den zu nennen, denn ich habe noch niemanden gesehen, gehört oder so. Ich wäre sehr dankbar dafür, weil wir ja auch für Kritik offen sind. Wenn es konkrete Anmerkungen gibt, dann können wir das ja auch tun. In diesem Fall hat es aber, wie gesagt, eigentlich keine Kritik gegeben, weil es ja auch gar keinen Präze­denzfall dafür gibt, wie so etwas ablaufen soll. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Noch zu einer weiteren Behauptung beziehungsweise Frage, die in den Raum gestellt worden ist: Es wäre nicht klar, wie es mit den Rechten der Britinnen und Briten in Ös­terreich weitergeht, falls ein ungeregelter Brexit passiert. – Das stimmt auch nicht. Alle, die vor dem Austritt bereits in Österreich waren, können weiterhin ihren Lebensmittel­punkt hier haben, hier arbeiten, leben et cetera. Das ist also definiert, deswegen weiß ich nicht, wo da die Unklarheit besteht.

Zum Wahlrecht der Britinnen und Briten, das ebenso total klar ist: Scheidet Großbri­tannien aus der EU aus und nehmen die Briten und Britinnen nicht mehr an den Euro­pawahlen teil, sie sind also auch nicht mehr wahlberechtigt. Sind sie dann noch dabei und nehmen sie an den Europawahlen teil, so sind sie wahlberechtigt. Ich verstehe auch da die Kritik nicht, die gänzlich an jeder Art von Sachlichkeit vorbeigeht.

Ebenso das Beispiel der Studienabschlüsse: Alle, die bis jetzt schon zertifiziert wurden, sind natürlich weiterhin in Österreich und im gesamten europäischen Raum gültig. Das ist ja vollkommen klar. Warum sollte denn ein einmal zertifizierter Studienabschluss ei­ner Universität in Großbritannien, die es auch weiterhin gibt, auf einmal seine Gültigkeit verlieren, nur weil die Briten die Union verlassen? Wenn die Briten eine neue Universi­tät gründen und neue Abschlüsse zulassen, dann müssten diese selbstverständlich neu nostrifiziert werden, aber für die bisherigen ist das alles klar.

Das waren nur einige der Aspekte, bei denen ich bis dato nicht gewusst habe, dass es da Unklarheiten gibt – deswegen diese Aufklärung zur Einleitung.

Wie sind die Vorbereitungen auf den Brexit und auf das Brexit-Begleitgesetz gelau­fen? – Im Sommer hat die Kommission einen Erlass herausgegeben, in dem sie selbst definiert, wie sie im Fall eines harten Brexits die Vorbereitungsarbeiten begeht, um die Abfederung so gut wie möglich in Angriff zu nehmen. Es sind momentan 19 Rechtsakte auf Ebene der Kommission in Ausarbeitung.

Die Kommission hat zudem alle Länder im Sommer dazu aufgefordert, selbst zu su­chen und zu schauen, ob und wo es auf nationalstaatlicher Ebene Gesetzesmaterien gibt, die davon betroffen wären, und diese eigenverantwortlich in Angriff zu nehmen.

Wir haben das unmittelbar getan. Wir haben gleich im September im Bundeskanzler­amt eine Lenkungsgruppe eingesetzt und zusammen mit allen Ministerien – es hat ja heute jemand gesagt, die Ministerien seien nicht eingebunden gewesen, also wie man auf diese Idee kommen kann, weiß ich auch nicht –, mit den Sozialpartnern und mit der Verbindungsstelle der Bundesländer einen monatelangen Prozess aufgesetzt, in dessen Verlauf wir mehrmals gefragt haben, recherchiert haben: Gibt es irgendwo Be­darf an Regulierung, an einer Änderung? Wir haben in anderen Ländern in Europa nachgefragt: Wie macht ihr das?, haben uns deren Brexitbegleitgesetze angesehen, haben geschaut: Wo können wir etwas lernen, was müssen wir übernehmen, wo gibt es andere Regelungsnotwendigkeiten aufgrund anderer Verfassungsbestimmungen?,


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 133

und haben entsprechend dieses Brexit-Begleitgesetz erarbeitet, das auch mit der Kom­mission abgestimmt, und von dort sind keine zusätzlichen Anregungen gekommen.

Wie man daraus jetzt das übliche Opposition-versus-Regierung-Spiel machen kann, ist mir noch immer nicht ganz klar, weil es doch wirklich um etwas geht, wobei alle ge­meinsam an einem Strang ziehen sollten. Ich habe das auch gestern bei der Landes­hauptleutekonferenz erlebt. Ihr Landeshauptmann Kaiser und Bürgermeister Ludwig sehen das diametral anders als Sie. Vielleicht sollten Sie sich bei Ihren Fraktionsange­hörigen einmal erkundigen, warum die das als in Ordnung empfinden, während Sie hier herinnen damit nicht einverstanden sind. Also dort hat es dazu gestern nur breiten Konsens gegeben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bundesrätin Schumann: Nein!)

Dass der Brexit natürlich eine Katastrophe darstellt, ist ja unbestritten. Wir wollten auch nie, dass Großbritannien die Union verlässt. Ich habe vor circa einem Dreivierteljahr den damaligen Brexitminister David Davis zu Besuch gehabt. Er hat gemeint, das wird eine Win-win-Situation für Großbritannien und die Europäische Union. (Bundesrat Beer: Und ihr habt es geglaubt!) Ich habe damals gesagt: Na ja, das wird im besten Fall eine kleine Lose-lose-Situation, nur wenn es ein harter Brexit wird, wird es die größtmög­liche Lose-lose-Situation für beide. Wo man da einen Gewinn erwarten kann, kann ich einfach nicht nachvollziehen.

Entsprechend ist die Debatte bisher auch gelaufen. Mittlerweile ist, glaube ich, allen klar, dass es beiden Seiten nicht zum Vorteil gereichen wird, wenn Großbritannien die Union verlässt. Die Frage ist nur: Wie tragisch wird es und was passiert genau? – Und da muss ich wiederholen, was ich zu Anfang gesagt habe: Wirklich genau sagen kann es niemand, weil es das noch nie gegeben hat. Das ist vielleicht am ehesten vergleich­bar mit, ich weiß nicht, dem Zerfall der K.-u.-k.-Monarchie.

Es gibt aber keinen Präzedenzfall. Bisher hat kein Land jemals die gemeinsame Union verlassen. Da es aber auch noch so ein wichtiges und großes Land wie Großbritannien ist, das ja nicht nur in sicherheitspolitischen Fragen, sondern auch in volkswirtschaft­lichen Fragen wichtig ist, aber auch in der Art und Weise, wie die Politik und der poli­tische Diskurs funktioniert, ist es einfach unmöglich, genau vorherzusehen, was wirk­lich passieren wird.

Deswegen kann es natürlich sein, dass in ganz Europa auch nach dem 1. April noch verschiedenste Adaptierungen gemacht werden, nämlich auf europäischer, aber auch auf nationalstaatlicher Ebene, weil man im Zuge des Prozesses erst draufkommt, wo man das eine oder andere noch besser regeln könnte. Im Vorhinein zu verlangen, dass man da alle Eventualitäten bedenken muss, ist ein bisschen abenteuerlich, denn die­sen Fall hat es, wie gesagt, schlicht noch nie gegeben.

Nach Maßgabe aller Möglichkeiten sind wir wirklich gut vorbereitet, aber selbst bei der besten Vorbereitung haben auch wir nicht die Illusion, dass irgendetwas besser wird. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist, den Schaden so gering wie möglich zu hal­ten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.03


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag. Dr.in Ewa Dziedzic. Ich erteile es ihr.


17.03.44

Bundesrätin Mag. Dr. Ewa Dziedzic (Grüne, Wien): Herr Präsident! Werter Herr Mi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie als zuständiger Minister nicht nach­vollziehen können, wieso das hier so heftig diskutiert wird, möchte ich schon noch ein paar Punkte festhalten.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 134

Erstens: Wir stehen am Scheideweg, wohin sich dieses Europa entwickeln wird. Zwei­tens: Wir stehen vor einer entscheidenden Wahl. Drittens – und das haben Sie selber gesagt –: Mit Großbritannien verlässt erstmals ein Mitgliedstaat die Europäische Union. Viertens: Die Mehrheiten im Europäischen Parlament sind am Kippen (Bundesrat Schus­ter: Ja, ja!), Populisten und Extremisten übernehmen das Ruder (Bundesrat Köck: Linksextremisten!), und Sie schauen zu. Fünftens: Ein Parlamentspräsident lobt Fa­schisten. Und sechstens: Ihr Innenminister spricht von zukünftigen Austritten samt al­len Konsequenzen.

Ich denke, das sind Gründe genug, dass eine Debatte hier auch im Bundesrat mit ge­nau diesen Emotionen geführt wird. Ich hoffe, wir führen noch viele davon und Sie hören auf, sich zu wundern, sondern überlegen sich, wozu nämlich auch die konserva­tiven Parteien hier Beihilfe schaffen, nämlich zu genau dieser gefährlichen Entwicklung. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

17.05

17.05.11


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung erfolgt getrennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Februar 2019 betreffend ein Brexit-Begleitgesetz 2019.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 27. Feb­ruar 2019 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.06.2212. Punkt

Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend EU Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-669-BR/2019 d.B. sowie 10137/BR d.B.)


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Neurauter. – Ich bitte um den Bericht.


17.06.49

Berichterstatterin Klara Neurauter: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

Ich darf den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Ge­meinsamen Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kul­tur und Medien betreffend EU Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG zur Kenntnis bringen.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; deshalb komme ich gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 12. März 2019 den Antrag, den gemeinsamen Bericht des Bundeskanzlers und des


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 135

Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend EU Jahresvorschau (III-669-BR/2019 d.B.) zur Kenntnis zu nehmen.


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Günther Novak. Ich erteile es ihm.


17.07.56

Bundesrat Günther Novak (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie! Frau Kol­legin Mühlwerth! Hier zu stehen und zu sagen, was heute von den Grünen, vielleicht auch von unserer Partei gesagt worden ist, sei nicht mit der Würde des Hauses ver­einbar - - (Bundesrätin Mühlwerth: ... speziell die Frau Dziedzic angesprochen!) – Ja, aber ich bin ja auch schon länger in diesem Bereich tätig und denke da noch an die letzte Periode zurück, als Herr Jenewein und wir wirklich Kämpfe ausgefochten haben. Daher will ich dem Herrn Bundesminister sagen, warum das Klima heute ein bisschen vergiftet ist.

Bei dieser Gelegenheit muss man sich auch die Diktion deiner Kolleginnen und Kolle­gen anhören. Herr Rösch wirft uns beispielsweise (Bundesrat Rösch: Ich?) die politi­sche Amnesie vor. Das ist auch nicht gar so lustig, oder? (Bundesrat Rösch: Na, wenn ihr etwas vergesst, absichtlich?) – Na ja, die politische Amnesie hat anscheinend Herr Strache auch gehabt, aber dazu komme ich noch.

Andererseits bezeichnet uns Herr Steiner immer wieder als Sozis, wobei ich ja kein Problem damit habe. Das halte ich leicht aus, keine Frage; nur ist das halt teilweise ab­schätzig, das muss man auch sagen. Deswegen glaube ich, dass es heute ein biss­chen schwierig ist, miteinander zu reden (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), wobei natürlich auch das Thema ein schwieriges ist.

Es ist viel gesagt worden. Bei diesen beiden Tagesordnungspunkten, die man vielleicht auch hätte zusammenlegen können, geht es um das Thema Brexit. Wir reden aber auch über dieses Achtzehnmonatsprogramm des Rates. Jetzt hat ja Rumänien die Ratspräsidentschaft inne, Finnland und Kroatien kommen als Nächste dran, und na­türlich wird das Ganze vom Thema Brexit überdeckt, sagen wir es einmal so.

Wichtig ist der Mehrjährige Finanzrahmen, und ich möchte das dazwischen auch noch sagen: Wir waren ja, wie Kollege Buchmann schon gesagt hat, selbst jetzt in Brüssel, haben den Herrn Bundesminister getroffen und ihm unsere Sorgen dargelegt, weil wir ja Ländervertreter sind. Ich werde heute, was diesen Bereich betrifft, zum Thema Ko­häsion sprechen und nicht die weiteren Themen behandeln, wie Arbeitsplätze, Wachs­tum und Wettbewerbsfähigkeit beziehungsweise die Energieunion, vor allem die Klima­politik, was ja ein ganz wichtiges Thema für die Zukunft bis 2030 ist, sowie die Freiheit und die Sicherheit des Rechts und der Schutz der Bevölkerung.

Ich werde mich also, wie gesagt, mit diesem Thema Kohäsion beschäftigen, weil viele von uns, die wir hier sitzen und Länderinteressen vertreten, auch Bürgermeister, Bür­germeisterinnen sind. Wie der Bundesminister schon gesagt hat, hat es gestern eine Landeshauptleutekonferenz gegeben.

Wir Politiker, die wir uns am Land bewegen, wissen alle, welch schwieriges Problem die Abwanderung aus ländlichen Gebieten darstellt. Deshalb sind Verhandlungen zum Thema Kohäsion sehr wichtig für uns. Wir haben darüber selbst Gespräche mit Kom­missar Oettinger geführt, das ist der finanzielle Bereich, sowie mit Präsident Lambertz.

Wir alle wissen, und unser Landeshauptmann ist ja auch im EU-Ausschuss für Regio­nen dabei, dass es bei uns einfach so notwendig ist, für die Zukunft wieder diese Gel-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 136

der zu erhalten, um diese Elerprojekte, die Efreprojekte, die Leaderprojekte, die ESF-Pro­jekte und alles, was dazugehört, abzuarbeiten.

Dazu hat es ja in Straßburg eine Sitzung gegeben, und das EU-Parlament hat im Grun­de genommen für sich selbst beschlossen, dass diese Regionalförderung zum einen nicht auslaufen, zum anderen nicht gekürzt werden sollte. Wir alle wissen aber auch, dass diese finanziellen Mittel, die uns eine erfolgreiche, fortschrittliche Entwicklung in den Regionen draußen sichern, ganz, ganz wichtig sind. Deshalb wollen wir die Re­gierung noch einmal mit Nachdruck auffordern, dass sie verhandeln sollte, um diese Kürzungen, zu denen es unter Umständen kommen könnte, wenn Großbritannien nicht mehr dabei ist, in den Griff zu bekommen.

Es geht einfach um eines – ich werde das anhand der Kärntner Situation erklären, wo­bei das ja in jedem Bundesland das Gleiche ist –: Es gibt in dieser Periode rund 100 Millionen Euro, die man für verschiedene Aktivitäten, für Internationalisierung und für die KMUs braucht, um grenzüberschreitende Entwicklungen im Technologiebereich und Digitalisierungsbereich zu fördern und natürlich auch um zu dieser CO2-armen Wirtschaft beizutragen.

Deswegen fordere ich auch die Regierung noch einmal auf, bei den Verhandlungen alles daranzusetzen, um diese Mittel für unsere Regionen auch in Zukunft wieder zu erhalten. Ich weiß, es geht um 12 Milliarden bis 14 Milliarden Euro. Der Kommissar und der Präsident haben uns erklärt, dass die Hälfte zur Einsparung kommt und dass man einen Teil halt noch aus verschiedenen Bereichen erlösen und ermitteln kann, damit dieses Defizit im nächsten Jahr nicht so groß ist.

Ich denke aber, dass wir mit diesem 1 Prozent des BIPs nicht auskommen werden. Wenn wir dieses 1 Prozent vom BIP nicht, so wie ihr euch das vorstellt, durchsetzen können, dann wird es halt, wenn es um diese Regionen geht, schlecht bestellt sein. Es geht natürlich um vieles andere auch, keine Frage. Wenn 1,114 Prozent erreicht wür­den, dann wäre das alles geregelt. Daher bitte ich die Regierung, in diesem Bereich so zu verhandeln.

Zum Thema Brexit will ich jetzt nichts mehr sagen. Es ist katastrophal, und wenn man den Fernseher aufdreht, wird man jeden Tag damit überschüttet. Gott sei Dank ist die­ser harte Brexit jetzt abgewendet. Im Grunde genommen erleben wir ein unwürdiges Spiel, das muss man ja wirklich sagen, dass nämlich konservative und rechtspopulis­tische Politiker verantwortlich für dieses Land sind und eigentlich einen Kontinent in die Krise stürzen.

Wir in Europa, und das kann keiner abstreiten, werden auch massiv unter Druck kom­men, wenn es in diese Richtung geht. Auch wenn wir von den Sozialdemokraten glau­ben, dass das in der Zeit der österreichischen Ratspräsidentschaft, sprich im letzten halben Jahr, besser hätte verhandelt werden können, muss man doch feststellen, dass die EU, wie auch immer das ausgeht, schlussendlich ein Projekt ist, das in der Nach­kriegszeit, als es umgesetzt worden ist, eine Antithese zum Nationalismus und Isolatio­nismus und damit ein Garant für wirtschaftliche Blüte und allgemeinen Wohlstand auf diesem Kontinent geworden ist.

Glauben Sie mir eines: Die USA, China und Russland würden sich freuen, wenn es uns in Europa nicht so gut ginge, wie wir uns das vorstellen. (Bundesrat Schennach: Und Japan!) – Und Japan auch, richtig.

Frau Mühlwerth, eines muss ich schon sagen und das noch einmal bestätigen. Ich weiß nicht, warum ihr das heute nicht so gern hört, aber es ist nun einmal eine Tat­sache, dass Herr Strache gesagt hat: Raus aus dieser zentralistischen und bevormun­denden EU! (Bundesrätin Mühlwerth: So hat er das nie gesagt!) – Natürlich, ich habe es ja herausgeschrieben, am 25.6. stand es in der „Presse“ (Bundesrat Steiner: Na


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 137

was steht denn genau da? Zitieren Sie richtig!); und 2018 wollte er noch eine Volksab­stimmung machen.

Ihr braucht es ja nicht abzustreiten, es hilft ja nichts. Es ist gesagt worden und ich weiß nicht, ob es sich auf euer beider Koalition positiv auswirkt, wenn Vilimsky in der „ZIB 2“ sagt, eigentlich sollte man das Europaparlament abschaffen. (Zwischenruf der Bundes­rätin Mühlwerth.) Na ja, so lustig ist das nicht. (Bundesrätin Mühlwerth: Das war übrigens auch eine Diskussion hier im Parlament, dass man gesagt hat, man soll die Anzahl der Abgeordneten reduzieren! Wieso dürft ihr das und wir nicht?)

Ich kann nur eines feststellen: Es sind Fehler begangen worden. Wir sind der Meinung, dass die Regierung hier in diesem Bereich schon vorher einen Brexit-Gipfel hätte ma­chen können.

Angesichts all dessen, was wir heute da an gegenseitigen Angriffen und Untergriffen erlebt haben, muss ich sagen, dass der Brexit sich nicht für innenpolitische Auseinan­dersetzungen eignet, weil wir absolut alle es notwendig haben, dass wir da besonders gut und mit heiler Haut irgendwie herauskommen.

Ich habe gestern noch in einer Presseaussendung gelesen, in der der Herr Bundesmi­nister gemeint hat: „Im Rahmen der Möglichkeiten sind wir ausgezeichnet vorberei­tet“ – und das ist auch heute so zum Ausdruck gekommen. Wir werden es am Ende sehen.

Herr Bundesminister, zum Abschluss: Es ist für uns recht schwierig, wenn von Gesetz zu Gesetz, das man vom Nationalrat bekommt, vom Ökostromgesetz angefangen über das Thema Karfreitag bis hin zum Thema Mindestsicherung und allem, was dazuge­hört, alles über einen Initiativantrag kommt, wobei die Sozialpartnerschaft nicht einge­schlossen wird.

Dass wir als SPÖ nicht mit eingeschlossen worden sind (Bundesrat Pisec: Oje!), okay, das ist so, damit müssen wir leben, aber dann darf man sich nicht erwarten, dass wir Hurra schreien, wenn ihr ein Gesetz umsetzt. Auch in den vorangegangenen Gesetz­gebungsperioden, in denen diese zwei Parteien, sprich SPÖ und ÖVP, zusammenge­arbeitet haben, hat es Initiativanträge gegeben, keine Frage, aber nicht in dieser Mas­se. Das zeigt eigentlich, dass ihr mit uns im Grunde genommen nicht wollt. (Bundesrat Pisec: Ein roter Button passt zum blauen Hemd!)

Wir Sozialdemokraten bekennen uns ganz klar zu Europa und sind bereit mitzuarbei­ten. Wir hoffen, dass die Bundesregierung die Tragweite der derzeitigen Situation er­kennt – davon bin ich überzeugt. Wir Sozialdemokraten bekennen uns einhellig zu die­ser EU. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.19


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste gelangt Frau Mag.a Schulz zu Wort. Ich erteile es ihr.


17.19.44

Bundesrätin Mag. Doris Schulz (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Der gemeinsame Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Me­dien betreffend die EU-Jahresvorschau 2019 ist sehr umfangreich.

Ich habe mir ein spezielles Thema herausgesucht, bei dem ich weiß, wovon konkret die Rede ist und wie notwendig es ist.

Im Zivilberuf bin ich Medienfrau, ich habe viele Filme produziert, Bücher geschrieben sowie Kunst- und Kulturprojekte unterstützt. Ich weiß, wie wichtig und notwendig es ist, dass wir Vielfalt ermöglichen. Das geht nur mit Strukturen. Die Europäische Union hat


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 138

sich entschlossen, im Rahmenprogramm einen Schwerpunkt auf Kreativität zu setzen. Das ist etwas, was in Kunst und Kultur schon lange notwendig ist. „Creative Europe“ ist das Programm der Europäischen Union für den Kultur- und Kreativsektor in Europa für die Laufzeit 2014 bis 2020. Die Rechtsgrundlage ist eine EU-Verordnung des Europäi­schen Parlaments und des Rates.

Die große Herausforderung ist, Strukturen zu schaffen und Zielsetzungen vorzugeben. Es geht um die Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Es geht um Pro­fessionalisierung und Internationalisierung, die Mobilität von kulturellen Akteuren und Werken. Es geht um die Erschließung neuer Publikumsschichten, die Verbesserung des Zugangs zur Kultur, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Finanzkraft von Klein- und Mittelunternehmen – gemeint sind Kreativschaffende.

Wir alle kennen zu diesen Maßnahmen konkrete Projekte aus den eigenen Regionen, aus Österreich, und wissen, wie notwendig und wichtig es ist, denn Kunst und Kultur nähren uns, nähren unsere Seele, erfreuen uns und unterhalten uns. Sie bieten einen wichtigen Blick, der von Österreich hinausgeht und der der Welt einen Blick auf Europa und vor allem auf Österreich gestattet. Das ist etwas, das uns alle gemeinsam vereint. Ich denke, das passt hinsichtlich der Unterschiede, die in der heutigen Diskussion zu­tage getreten sind, denn es ist vielleicht ganz gut, zu sehen, dass Kultur uns alle ver­bindet.

Der Aktionsbereich und das Budget, also das europäische Dach für dieses Rahmen­programm, erstrecken sich über eine siebenjährige Laufzeit. Das Budget ist mit 1,5 Mil­liarden Euro dotiert. Davon entfallen 824 Millionen Euro auf das Subprogramm Media – ein ganz wichtiger Beitrag im Medienzeitalter, in dem wir leben –, 455 Millionen Euro auf das Subprogramm Kultur und 121 Millionen Euro auf den Garantiefonds.

Die Umsetzung wird in den Jahresprogrammen der Europäischen Kommission konkre­tisiert. Die EU-Förderungen für den Kultur- und Filmesektor sind seit rund 30 Jahren eine tragende Säule der länderübergreifenden Zusammenarbeit und sie sind auch für Österreich unverzichtbar. Denken Sie an Filme, die Sie kennen, wie „Schlafes Bruder“, oder an TV-Krimis von Wolf Haas, aber auch an die Teilnahme zum Beispiel an der Frankfurter und der Leipziger Buchmesse, an Filmfestivals in aller Welt. An diesen internationalen Wettbewerben können durch die Unterstützung Österreichs und mithilfe von EU-Fördergeldern österreichische Produzenten, österreichische Produkte und ös­terreichische Bücher – übersetzt – tatsächlich teilnehmen.

Das EU-Förderprogramm „Kreatives Europa 2021-2027“ wurde unter dem Vorsitz Ös­terreichs intensiv verhandelt. Im Dezember 2018 ist es gelungen, eine Einigung über die Ratsposition zu erzielen. Das EU-Parlament wird im März 2019 darüber abstim­men, wie es tatsächlich umgesetzt wird.

Aus Österreichs Sicht werden die neuen Förderschienen für die Mobilität von Kunst- und Kulturschaffenden, für Musik, innovative Film- und Serienformate, Medienkompe­tenz sowie Qualitätsjournalismus sehr begrüßt. Unter dem österreichischen Ratsvorsitz sind fünf Schwerpunktthemen mit rund 40 Maßnahmen festgesetzt worden. Das sind die Nachhaltigkeit des Kulturerbes, der Beitrag von Kultur zum Zusammenhalt in der Gesellschaft, die Unterstützung von Kultur- und Kreativschaffenden und europäischen Inhalten, die Gleichstellung der Geschlechter und internationale Kulturbeziehungen.

2019 beginnt die vierjährige Laufzeit des neuen Arbeitsplanes. Viele Maßnahmen sind geplant, vom EU-Ministertreffen zur Finanzierung des Kultur- und Kreativsektors, Rats­schlussfolgerungen und Konferenzen zur Förderung der Kreativität der jungen Men­schen bis hin zu Fachseminaren, EU-Expertengruppen zur Gleichstellung der Ge­schlechter, Entwicklung eines strategischen Ansatzes für internationale Kulturbezie­hungen. Die EU-Kulturförderungen im Rahmen von „Creative Europe“ umfassen den gesamten Kunst-, Kultur- und Kreativsektor.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 139

Gefördert werden – auch das ist etwas ganz Wichtiges, Sie werden sicher in Ihren Regionen Kunst- und Kulturschaffende haben, die davon profitieren oder diese Form von Unterstützung gerne annehmen – multilaterale Kooperationsprojekte, europäische Netzwerke und Plattformen sowie literarische Übersetzungen. Teilnahmeberechtigt sind – auch das ist ein wichtiges Wissen – Einrichtungen im Kultur- und Kreativsektor in EU-Mitgliedstaaten sowie in weiteren europäischen Ländern, die ein Abkommen mit der Europäischen Kommission abgeschlossen haben – denn nicht alle nehmen an die­sem Kulturrahmenprogramm teil.

Gefördert werden: Film- und Literaturfestivals, Buchübersetzungen, Lizenzen für Buch­übersetzungen, Akkreditierungen, finanzielle Unterstützungen, internationale Koopera­tionen für Filmproduktionen in Österreich und anderen TV-Anstalten und digitale Kunst- und Kulturprojekte – zum Beispiel die Ars Electronica als weltweit größtes Festival für digitale Kunst- und Kulturprojekte, die jedes Jahr in Oberösterreich stattfindet. Sie alle werden konkrete Beispiele aus Ihren Regionen kennen, die über Österreich EU-geför­dert sind.

Wichtig in Medienzeiten sind auch Trainingsprogramme im Bereich Media oder die Vernetzung der internationalen Filmhochschulen. Eine Debatte, die uns immer wieder begleitet – diesmal ganz besonders – ist die Bewerbung als und Teilnahme an der Eu­ropäischen Kulturhauptstadt. Österreich ist ja mit drei Bewerbungen auf der Shortlist. Sowohl die Stadt Graz als auch die Stadt Linz haben ungemein von der Europäischen Kulturhauptstadt profitiert, beide Städte konnten ihren Kulturschwerpunkt sehr, sehr gut weiterentwickeln.

Deswegen geht es auch um Kooperationsprojekte, die das Kernstück des Programms bilden. Es geht um Projektpartnerschaften, Projektträger und darum, die Konzeption sowie Finanzierung entsprechend umzusetzen. Die Schwerpunkte sind Mobilität, Pro­fessionalisierung und Publikumsentwicklung. Was so trocken klingt, ist ein sehr wich­tiger Teil der Arbeit unserer Kulturschaffenden, die das Fenster Österreichs weit öffnen.

Für die sogenannten kleinen Projekte – das sind drei Kulturveranstalter aus drei ver­schiedenen Ländern – gibt es einen Zuschuss von maximal 200 000 Euro. Für die so­genannten großen Projekte müssen schon Profis am Werk sein und sechs Projekt­träger aus sechs verschiedenen Ländern gemeinsam an Kulturprojekten arbeiten. Für beide Kategorien gilt die Laufzeit von vier Jahren.

Es gibt eine sehr gute Übersicht, die man geschaffen hat, und ein ambitioniertes Pro­gramm Österreichs für Kunst, Kultur und Medien im europäischen Kontext – dargestellt in diesem Bericht. Das heißt, die Vorgaben sind umfangreich. Ich wünsche unserem Bundesminister Blümel viel Erfolg bei dieser Arbeit. Wir werden dem Bericht selbst­verständlich zustimmen, und ich lade Sie alle ein, das im Sinne einer gemeinsamen Gesprächskultur auch zu tun. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.28


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächste ist Frau Bundesrätin Monika Mühl­werth zu Wort gemeldet. Ich erteile es.


17.29.08

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie! Liebe Kolle­ginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin, Kollegin Schulz, hat die Jahresvorschau ja wirklich sehr ausführlich beleuchtet – danke schön, da muss ich das nicht alles noch einmal wiederholen.

Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, die mir auch persönlich wichtig sind. Zum einen ist das das Thema Subsidiarität, das uns seit Jahren im EU-Ausschuss des Bun-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 140

desrates begleitet, von dem aus wir auch immer wieder entsprechende Erklärungen nach Brüssel geschickt haben.

Unserer Auffassung nach und auch nach jener der Bundesländer wollen und sollen wir als Länderkammer deren Sprachrohr in Richtung Brüssel sein, sodass die meisten Er­klärungen auch wirklich einstimmig verabschiedet nach Brüssel geschickt wurden.

Die EU ist jetzt nach und nach doch draufgekommen, dass Subsidiarität schon auch ein Schlüssel für mehr Bürgernähe sein könnte, und hat in einer Taskforce ausarbeiten lassen, wie man das noch besser machen kann, und sich selbst verordnet, dass sie in Zukunft mehr auf Subsidiarität Rücksicht nehmen wird. Es sagen ja auch wirklich viele Bürger: Warum muss die EU alles und jedes bis ins kleinste Detail regeln? Die soll die Dinge machen, die wichtig sind, die kleinen können ja die Nationalstaaten selbst bes­ser regeln. Das erleben wir ja auch immer wieder.

Wir haben gestern eine sehr gute Veranstaltung des Herrn Bundesratspräsidenten Ingo Appé zum Thema Wasser gehabt, bei der die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die für Diskussionen sorgt, ein Thema war. Österreich sagt – und das haben auch einige Red­ner und Experten gesagt –, man kann uns nicht mit anderen Ländern, die nicht diesel­ben Bedingungen haben, in einen Topf werfen. Wasser aus dem Wald ist anders zu behandeln als ein Oberflächenwasser. Es wird nicht oder kaum mit Schadstoffen be­lastet sein – anders als ein Oberflächenwasser. Bei diesem Thema hat die EU immer wieder versucht, ein bisschen drüberzufahren, und ich hoffe wirklich, dass sie daraus lernt und das reduziert.

Ein Thema, das ebenfalls schon länger in Diskussion ist, sind die neuen Beitrittskan­didaten der Länder Südosteuropas – Westbalkan hören sie nicht so gern –, wozu wir eine sehr interessante Konferenz mit den Botschaftern – Dank an Kollegen Buchmann, der der Initiator war – gehabt haben. Die Begegnung war spannend. Sie hat einerseits gezeigt, wo die – durchaus vorhandenen – Potenziale sind, andererseits aber auch, wo noch Bruchlinien sind, als der Serbe mit dem Kosovaren gleich einmal wegen eines Zahlenspiels zu streiten begonnen hat. Es ging leider um tatsächliche, grausamste De­likte, aber dieses Thema kann sich nicht darin erschöpfen, dass man darüber streitet, ob es jetzt so viele Tausend oder so viele Tausend waren. Das habe ich dann auch gesagt, und es waren auch nicht alle erfreut darüber. Dennoch ist der Westbalkan ein wichtiger Faktor für uns, er liegt vor der Haustür, und uns verbindet natürlich auch eine lange Geschichte. Endlich ist der Streit zwischen Mazedonien und Griechenland über den Namen beendet. Man hat sich darauf einigen können, dass es jetzt Nordmazedo­nien heißt. Das lässt immer wieder hoffen.

Es gibt auch in Zukunft noch genug zu bewältigen, was ja die Jahresvorschau zeigt, denn die Welt verändert sich ständig, und wir müssen darauf nicht nur reagieren, son­dern auch möglichst vorbereitet sein. Das gelingt natürlich nicht immer, weil es nicht immer gelingen kann, aber man hat sich wirklich sehr viel vorgenommen, auch was die Cyberpolitik anbelangt. Da geht es jetzt nicht allein um Hate Speech, sondern um mas­sive Bedrohungen, wie wir sie in der jüngsten Zeit erst erlebt haben. Man kann in ein Bankensystem einfach so eindringen und die Namen herausnehmen. Es sind ja auch Regierungen, Versorgungsunternehmen et cetera gefährdet, womit man sich auch wirklich sehr intensiv beschäftigen muss. Österreich hat das ja schon begonnen, das haben wir vorher schon besprochen. Es hat in seiner Ratspräsidentschaft vieles auf den Weg gebracht, sowohl im Bereich der Justiz als auch im Bereich Arbeit und So­ziales. Kunst und Kultur ist immer eine wichtige Sache, Sicherheit sowieso, und das ist auch das oberste Prinzip.

Der Ausgang der Wahlen zum EU-Parlament wird schon davon abhängen, wie glaub­haft die EU versichern kann, dass ihr die innere und die äußere Sicherheit wirklich ein


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 141

Anliegen ist. Meiner Meinung nach steht und fällt alles, was wir Gutes und Richtiges machen wollen, damit, ob der Bürger das Gefühl hat, sich sicher zu fühlen, und zwar nach innen wie nach außen. Wenn er zuschaut, wie ungefiltert Leute, von denen man nicht einmal weiß, woher sie kommen, wie sie heißen und wohin sie wollen – wohin sie wollen meistens schon, aber nicht, woher sie kommen –, die Grenzen stürmen und nicht aufgehalten werden können und es keinen geregelten Zugang gibt und die sich dann irgendwohin verteilen, nach Schweden, nach Österreich, nach Deutschland, dann kann man den Bürger schon verstehen, dass er sagt: Ich fühle mich da nicht mehr si­cher.

Wir reden ja nicht davon, dass es jemand ist, der ein ähnliches Kultur- und Wertever­ständnis wie wir hat. Oft genug wird gesagt: Die Ungarnflüchtlinge haben wir genom­men, und nach dem Jugoslawienkrieg haben wir diese Menschen auch genommen. – Ja, da waren ja kaum Differenzen. Wenn wir es aber mit einer großen Anzahl von Men­schen zu tun haben, die unsere Werte nicht nur nicht leben wollen, sondern sie ableh­nen und sagen: Wir wollen auf gar keinen Fall so leben wie die!, sich daher abschotten und sagen: Mit denen wollen wir nichts zu tun haben, aber wir wollen hier bleiben, weil wir uns sicher fühlen!, dann kann das nur zu Konflikten führen.

Das Letzte, was wir wollen, ist, dass es irgendwann einen Bürgerkrieg gibt. Das ist wirklich das Allerletzte, was wir wollen, also muss man Vorkehrungen treffen. Das heißt, man muss vorher schauen, dass die Gewährleistung der Sicherheit auch funk­tioniert. Das tut die Bundesregierung, das macht der Innenminister. (Ah-Rufe bei der SPÖ.) Darüber sind wir auch sehr froh und sind sehr dankbar dafür. Und davon wird es letzten Endes abhängen (Zwischenruf des Bundesrates Novak), ob die EU weiter wirk­lich gut funktionieren kann, denn wir sind ja nicht das einzige Land, dem es so geht. Wir brauchen ja nicht zu glauben, das gilt nur für Österreich. Es betrifft ja die anderen Länder genauso, und wenn man da nicht wirklich aufpasst, muss man schauen, dass man nicht das Nachsehen hat. Sie haben ja heute betont, das wollen Sie nicht. Ich will das auch nicht. Also schauen wir, dass da nichts passieren kann und die Dinge optimal laufen, damit wir dieses Friedensprojekt, in dem wir ja alle schon aufgewachsen sind, auch weiter fortsetzen können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.36


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesmi­nister Mag. Gernot Blümel. Ich erteile es.


17.37.03

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tagesord­nungspunkt ist ja die EU-Jahresvorschau für das Jahr 2019 in den Bereichen des Bun­deskanzleramtes. Ich darf vielleicht auf zwei Aspekte eingehen. Das eine hat einer der Redner bereits angesprochen, es ist die Verhandlung zum Mehrjährigen Finanzrah­men, dem nächsten europäischen Budget – zweifellos eine der großen Herausforde­rungen, die uns im Jahr 2019 bevorstehen.

Im Normalfall dauern Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen zwei bis drei Jahre. Das heißt, würden wir es schaffen, sie in diesem Jahr abzuschließen, wären wir doppelt so schnell wie der Durchschnitt. Dazu haben wir durch die Arbeit während der Ratspräsidentschaft eine gute Basis gelegt, sodass dies derzeit zumindest möglich er­scheint.

Es hilft, vielleicht ein wenig Klarheit in die Debatte zu bringen, wenn es um die Höhe des möglichen Beitrages geht. Es ist völlig richtig, dass das wohl tatsächliche Aus­scheiden Großbritanniens aus der EU eine Lücke ins potenzielle Budget reißen wird. Großbritannien war ein Nettozahler, insgesamt lag der Beitrag, je nach letztgültiger An-


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 142

gabe, irgendwo zwischen 13 und 15 Milliarden Euro. Wenn man den Nettobeitrag her­nimmt, also die Rabatte abzieht, sind es circa 6, 7 Milliarden Euro, die natürlich fehlen würden.

Der springende Punkt, den viele außer Acht lassen, ist allerdings: Selbst wenn wir den Beitrag der Briten abziehen, aber trotzdem bei einem Beitrag von 1 Prozent des Brutto­nationaleinkommens, so wie bisher, blieben, gäbe es über die nächste Periode hinweg in absoluten Zahlen 115 Milliarden Euro mehr im europäischen Budget als im letzten. Warum? – Weil das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren entsprechend war. Das heißt, 1 Prozent für die nächsten Jahre ist in absoluten Zahlen wesentlich mehr, als es 1 Prozent in den letzten Jahren war. Deswegen würde ich aufpassen: Wenn man sagt, es würden alle etwas verlieren, wenn man bei diesem1 Prozent bleibt, stimmt das nicht notwendigerweise. Wenn man sich die absoluten Zahlen hernimmt, dann kann das gar nicht der Fall sein.

Eine Frage ist, wie man gewichtet, womit wir schon wieder in einer anderen Debatte sind. Wenn ich an das österreichische Budget denke, dann gibt es auch darin sehr, sehr viele Bereiche, in denen keine automatische Inflationsanpassung passiert. Dass man das jetzt für die europäische Ebene automatisch voraussetzt und sagt: Na wenn es 1 Prozent bleibt, dann wird es weniger als früher!, finde ich nicht ganz folgerichtig.

Deswegen sagen wir: 1 Prozent ist definitiv etwas, mit dem man das Auslangen finden kann, wenn man sich dazu bekennt, sachlich über die Verteilung zu diskutieren. Es braucht aber nicht prinzipiell jeder Angst zu haben, dass es weniger wird, denn in ab­soluten Zahlen wird es insgesamt mehr. Da aber beim Budget Einstimmigkeitspflicht herrscht, werden das noch recht intensive und lange Verhandlungen, die auch sehr weit ins Detail gehen werden.

Ein zweiter Bereich, der im Jahr 2019 ansteht, ist die Frage der Debatte um die Zukunft Europas. Die rumänische Ratspräsidentschaft hat eine große Zukunftskonferenz in Sibiu im Mai angesetzt, bei der es um die Perspektive für diese gemeinsame Union gehen soll. Natürlich wird auch da der Elefant im Raum, der Brexit – der allgegenwärtig ist, auch wenn er nicht auf der Tagesordnung steht –, eine wesentliche Rolle spielen: Wie kann eine Union in zehn oder 20 Jahren ohne ein Vereinigtes Königreich ausse­hen? Was können wir vor allem auch aus der Tatsache, dass die Union nun ohne Großbritannien auskommen muss und sich die Briten in einer Abstimmung dafür ent­schieden haben, gehen zu wollen, lernen?

Eigentlich muss das ja auch als eine große Chance gesehen werden, aus den Fehlern, die in Großbritannien gemacht worden sind, zu lernen, damit sich das in Zukunft im restlichen Europa nicht wiederholt.

Wenn man sich die Motivlage ansieht, warum die Britinnen und Briten für den Austritt gestimmt haben, dann hat es ein Thema gegeben, das die Hauptmotivation war, nämlich die Angst vor Migration. Das ist ein Faktum, das können Sie in allen Motivfor­schungen betreffend Brexit nachvollziehen. Es war die Angst vor Migration, und ich rede nun nicht darüber, ob es sachlich gerechtfertigt war oder nicht, es war einfach die Emotionslage. Zweitens waren es Wohlstandsverlustängste und drittens Kontrollver­lustängste. Das waren die drei wesentlichen Aspekte, warum die Britinnen und Briten sich dafür entschieden haben, die Union zu verlassen.

Wenn wir daraus etwas lernen wollen, um die Zukunft Europas besser zu gestalten und um nicht Gefahr zu laufen, dass auch andere Länder diesen Weg der Briten gehen wollen, dann müssen wir als Erstes von dem, was dort passiert ist, lernen, die Ängste der Bevölkerung auch ernst nehmen und sie respektieren und versuchen, diese He­rausforderungen zu lösen. (Bundesrätin Schumann: ... soziale Bedingungen beach­ten!)


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 143

Genau aus diesem Grund haben wir als österreichische Ratspräsidentschaft das Mot­to, ein Europa, das schützt, gewählt: erstens Schutz vor illegaler Migration, weil diese natürlich ein wesentlicher Bestandteil der Ängste der Menschen war und ist; zweitens Schutz des Wohlstandes in Europa durch eine intensivere Wettbewerbsfähigkeit, auch was den digitalen Binnenmarkt betrifft – das heißt auch Level Playing Field, Wettbe­werbsgleichheit für europäische, für österreichische Internetunternehmen verglichen mit den großen amerikanischen Konzernen, was ganz, ganz wichtig ist, das heißt Copyrightrichtlinie, Eigentumsschutz im digitalen Raum, faire Besteuerung von Google, Facebook et cetera, also lauter wesentliche Dinge, um den gemeinsamen Binnenmarkt zu stärken –, und drittens Stabilität in der Nachbarschaft.

Die Staaten am Westbalkan, in Südosteuropa, sind ja schon angesprochen worden. Ich halte das gerade in diesem Jahr für einen der wesentlichen Aspekte. Gerade wenn ein Land in diesem Halbjahr die Union verlässt, sollten wir ein Zeichen setzen, dass das nicht zu einem Schrumpfen der EU führt, sondern dass wir diese Chance wahr­nehmen und ernst nehmen und eine Erweiterung deswegen absichtlich ins Auge fas­sen sollten.

Das war auch einer der wesentlichen Aspekte während der österreichischen Ratspräsi­dentschaft, nämlich die Länder am Westbalkan zu motivieren, den Weg Richtung Eu­ropa weiterzugehen. Das heißt aber auch, dass die Hand der EU ausgestreckt bleiben muss und nicht zurückgezogen werden darf. Wenn wir das nämlich tun, wenn wir die Motivation, die es in Südosteuropa für die Transformationsprozesse Richtung Europa gibt, nicht ernst nehmen und nicht wertschätzen, dann werden dort skeptische und na­tionalistische Kräfte auftreten, die sagen: Die wollen uns ja gar nicht, machen wir es lie­ber anders!

Das darf nicht passieren. Deswegen sollten wir die Entwicklung ernst nehmen, die es beispielsweise in der Konfliktlösung zwischen Nordmazedonien und Griechenland ge­geben hat. Das ist auch eine Motivation für die Konfliktlösung zwischen Pristina und Belgrad. Es gehört sich da auch, dass, wenn alle diese Bedingungen erfüllt sind, Euro­pa hoffentlich den nächsten Schritt geht und im Juni mit Albanien und Nordmazedo­nien, die ja die Anforderungen erfüllt haben, Beitrittsverhandlungen eröffnet. Dafür wer­den wir uns in diesem Halbjahr besonders einsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.44

17.44.14


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

17.44.43Abstimmung über Fristsetzungsanträge


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller gemäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Aus­schuss für Gesundheit zur Berichterstattung über den Gesetzesantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz) ge­ändert wird, eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen.


BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 144

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der An­trag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Bundesrates David Stögmüller ge­mäß § 45 Abs. 3 der Geschäftsordnung, dem Ausschuss für Kinderrechte zur Bericht­erstattung über den Entschließungsantrag der Bundesräte David Stögmüller, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Hilfen für junge Erwachsene“ eine Frist bis 11. April 2019 zu setzen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Fristsetzungsantrag ihre Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenminderheit. Der An­trag ist somit abgelehnt.

17.46.07Einlauf


Vizepräsident Hubert Koller, MA: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten be­ziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt 15 Anfragen, 3627/J-BR/2019 bis 3641/J-BR/2019 eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 11. April 2019, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit diese dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 9. April 2019, 14 Uhr, vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

17.46.54Schluss der Sitzung: 17.46 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien