BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 19

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Dieses erfolgreiche System scheint nun aber massiv gefährdet zu sein. Gerade die aktuelle Rechtsprechung des EuGH hat gezeigt, dass einzelne Justizsysteme nicht mehr die Voraussetzungen erfüllen, aus denen ein gegenseitiges Vertrauen und eine gegenseitige Anerkennung abgeleitet werden können. So hat der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren auf Ersuchen aus Irland die Unabhängigkeit eines ge­samten mitgliedstaatlichen Justizsystems generell infrage gestellt und in seinem Urteil im Wesentlichen Folgendes ausgeführt – ich zitiere –: Im Fall von systematischen oder allgemeinen Mängeln im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz besteht eine be­gründete Gefahr der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, sodass eine Überstellung auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls nicht mehr möglich ist. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Bundesrätinnen und Bundesräte, Sie sehen, dass es daher si­cherlich im Interesse von uns allen war, daraus die nötigen Schlüsse zu ziehen und das Thema Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung zu einem ganz besonderen Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft im Justizbereich zu ma­chen. Wir haben daher – beginnend bereits im Juli 2018 mit dem informellen Justizmi­nistertreffen in Innsbruck das Thema Rechtsstaatlichkeit bei allen Justizministertref­fen und in weiteren Gremien sowie bei zahlreichen Veranstaltungen und bei der Viel­zahl bilateraler Gespräche mit meinen Amtskollegen zum wesentlichen Inhalt gemacht. Ebenso ist bei der EU-Westbalkankonferenz im Oktober in Albanien die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Effizienz der Justizsysteme thematisch im Mittelpunkt gestan­den. Dort haben wir auch mögliche Wege diskutiert, um Justizreformschritte messen zu können.

Besonders hinweisen möchte ich auch auf eine Rule-of-Law-Konferenz, die in Wien stattgefunden hat, an der sämtliche Länder der Östlichen Partnerschaft, des Westbal­kans, Mitglieder der Europäischen Kommission und auch der Präsident des EuGH teil­genommen haben. Dort ist man der Frage nachgegangen, wie man die Rechtsstaat­lichkeit und das Zusammenwirken Europas stärken kann, denn ohne dieses Zusam­menwirken wird es nicht möglich sein, unsere nationalen Herausforderungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger und im Sinne des Wirtschaftsstandorts auch tatsächlich erledigen zu können.

Als Ergebnis all dieser Bemühungen ist es beim letzten Justizministerrat im Dezem­ber 2018 schlussendlich gelungen, gemeinsame Schlussfolgerungen mit dem Ziel der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit anzunehmen. Unsere Initiative ist dabei aber nicht allein auf die Mitgliedstaaten beschränkt, ich habe es bereits erwähnt, sondern wir sind auch im Bereich der Vereinten Nationen aktiv. Auch dabei wollen wir im Zusammen­hang mit der Umsetzung der Sustainable Development Goals, des Ziels Nummer 16, Maßnahmen setzen, um die Rechtsstaatlichkeit weiter voranzutreiben.

Betrachten wir in dem Fall die EU-Wahlen, betrachten wir unsere Aufgabe! Gerade in Zeiten wie diesen muss uns angesichts der aktuellen Entwicklungen gewiss sein: Wenn wir Europa als Friedensunion tatsächlich stärken wollen, müssen wir unser be­sonderes Augenmerk gerade auf den Bereich der Rechtsstaatlichkeit legen und gleich­zeitig alles unternehmen, dass sich die Bürger in Europa frei bewegen können, Unter­nehmensgründungen auch über die Grenzen hinweg ohne Bürokratie und ohne Schranken durchgeführt werden können. Dafür ist die Justiz sicherlich ein guter An­satz.

Ich habe an Ihren Redebeiträgen gemerkt, dass Sie auch in diese Richtung gehen und gleichzeitig diesen Bereich unterstützen. Da auch der Bereich in Österreich angespro­chen wurde, möchte ich auch erwähnen, was in diesem Zusammenhang für mich lo­gisch ist und ich Ihnen auch versichern kann: Die Justiz als dritte Säule der Republik wird sich – das ist auch ein großes Anliegen von Bundeskanzler Kurz – niemals außer-


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