BundesratStenographisches Protokoll890. Sitzung, 890. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2019 / Seite 34

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Das ist dramatisch, besonders für die betroffenen Kinder. Man muss sich das einfach einmal kurz vorstellen: Zu Hause passiert etwas – ob das Gewalt oder Verwahrlosung ist oder ob ein Elternteil erkrankt –, und plötzlich kommt man in eine ganz neue Fami­lie. Dann ist sehr unklar, ob man wieder in die Herkunftsfamilie zurückkann, und vor al­lem auch, wann dieser Zeitpunkt sein wird und ob man dann dauerhaft wieder in die ei­gene Familie kommt oder nur vorübergehend.

Das sind schon unvorstellbare Ereignisse, die so ein Kind da durchmacht; doch zum Glück gibt es Menschen, die es zu ihrer Berufung und damit auch zu ihrem Job ge­macht haben, genau diese Kinder aufzufangen. Auch sie wissen zu Beginn, wenn sie dieses Kind übernehmen, meistens nicht, wie lange dieses Kind bei ihnen zu Hause sein wird – aber egal, sie kümmern sich um das Kind und geben diesem Stabilität und Sicherheit, und das ist etwas wirklich Großartiges.

Ich durfte vorgestern, am Dienstagabend, ein langes Telefonat mit einem Krisenpflege­papa führen – er ist einer der wenigen Krisenpflegepapas, wie er mir gesagt hat, Män­ner sind da anscheinend etwas sehr Rares –, und sein Engagement und seine Be­schreibung haben mich sehr, sehr berührt. Er hat geschildert, dass die größte Heraus­forderung gar nicht der Umgang mit den Kindern selbst ist. Das muss man sich einmal vorstellen: Diese Kinder bringen natürlich alle einen Rucksack an Erfahrungen und Er­lebnissen mit, aber er sagt, das ist noch das Allerwenigste. Die wesentlich größeren Herausforderungen sind zum Beispiel die leiblichen Eltern dieser Kinder, die natürlich die neuen Eltern, die vorübergehenden Eltern, die Krisenpflegeeltern, als Konkurrenz und als neue Bezugspersonen sehen. Da sind natürlich Emotionen im Spiel, die schwer aus­zuhalten sind.

Er sagt aber auch: Was noch schwierig ist, ist oft das Umfeld, sind die Blicke der Men­schen im Ort oder dort, wo sie auf Ausflug hinfahren, wenn eine Familie mit Kindern unterschiedlichster Hautfarbe auftaucht, vielleicht auch ein behindertes Kind dabeihat. Er erzählt, wie oft man da angegafft wird und auch Sprüche hören muss, die schwer auszuhalten sind.

Eine dritte Herausforderung, sagt er, sind durchaus die Strukturen und die Rahmenbe­dingungen für diese Familie. Das sind die Behördenkontakte und die Bürokratie, die dahintersteckt, aber oft auch unsichere Situationen und Personen in der Kinder- und Jugendhilfe, die oft nicht erreicht werden können. Man fühlt sich also alleingelassen.

Auch die finanzielle Absicherung ist durchaus ein großes Thema, sagt dieser Krisen­pflegepapa. Er ist auch noch Handwerker, nämlich Tischler, und er sagt, er macht die­sen Job bewusst noch zusätzlich nebenbei, um sich finanziell sozusagen absichern zu können. Das finde ich in gewisser Weise schon verrückt, dass er zusätzlich arbeiten muss, damit er sich diesen Job als Krisenpflegepapa leisten kann.

Diese Krisenpflegeeltern sind ja ab dem Tag eins, aber der Stunde eins im Einsatz und müssen Aufwendungen für diese Kinder erbringen. Die Kinder kommen oft, wie er sagt, nur mit dem, was sie am Leibe haben, weil sie oft aus der Einrichtung abgeholt wer­den, also muss man sie mit allem ausstatten. Die Krisenpflegeeltern wissen ja nicht, wie lange dieses Kind bleibt, also muss man eine gewisse Grundausstattung an­schaffen. Man möchte ja auch, dass für diese Kinder möglichst schnell wieder klare Verhältnisse geschaffen werden – das wollen sie und das will auch die Jugendhilfe, aber trotzdem ist das nicht immer so leicht. Alle wollen, dass das Kind möglichst schnell wieder von der Krisenpflegefamilie in stabile Verhältnisse kommt, und trotzdem wird die Krisenpflegefamilie dafür bestraft, wenn das schnell gelingt. Das ist eigentlich ein Dilemma, weil das eine doch spezielle Situation ist.

Es liegt für mich einfach auf der Hand, dass diese Familien sehr, sehr besonders sind und mit anderen Familien nicht gleichgesetzt werden können. Da ist jetzt immer die Ar-


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