18.00

Bundesrat Robert Seeber (ÖVP, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Beim heutigen Thema „Sperrvermerke für Mitglieder der Identitä­ren Bewegung Österreich im Öffentlichen Dienst“ habe ich die Vermutung, dass die Debatte auch von den mir nachfolgenden Rednern emotional geführt werden wird. Aufgrund dieser Sachlage möchte ich mich bemühen, eine neutrale und etwas mäßigende Haltung einzunehmen; ich habe schon so viele dieser Diskussionen miterlebt. (Präsident Appé übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte damit beginnen: Es hat am gestrigen Tag eine Veranstaltung anlässlich der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der Beendigung des Nationalsozialismus in Österreich gegeben. Sowohl unser Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch der Vizekanzler H.-C. Strache haben sich in ihren Reden ganz klar von den Identitären distanziert. (Bundesrat Weber: Ja klar, in Reden immer!)

Meine Damen und Herren! Was für mich in der gesamten Debatte wichtig ist: Die Neuregelung, so wie sie angedacht wird, beruht a priori auf einem Generalverdacht. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie, das muss uns allen schon klar sein. Wenn ich ein Gesetz fordere, egal, ob das jetzt Identitäre oder andere Gruppierungen betrifft, muss ich schon die Auswirkungen bedenken, also wohin es führt, wenn ich nur aufgrund eines Ermittlungsverfahrens, in dem es noch keine Anklage und schon gar kein Urteil gibt, entsprechende Sanktionen fordere. Das möchte ich zu bedenken ge­ben, denn das finde ich nicht richtig.

Abgesehen davon ist der Sperrbegriff kein Gesetzesbegriff. Das Symbole-Gesetz ver­bietet das griechische Lambda, den elften Buchstaben des Alphabets, nicht; den gibt es schließlich auch in anderen Bereichen: im Flugzeugbau, bei Videospielen. Sie wissen das. (Bundesrat Stögmüller: Das Hakenkreuz nicht!) Es ist also schon ein bisschen differenzierter zu sehen.

Die Grundsatzfrage für mich ist: Wer entscheidet denn, ob jemand Mitglied bei den Identitären ist, liebe Kolleginnen und Kollegen? Muss man da bei einem Verein einge­tragen sein? Muss man da Fahnen tragen? Oder reicht es, wenn man bei einer Demonstration dabei ist? Wie ist es, wenn ich in irgendeinem Beisl in Wien mein Feier­tagsseidl trinke, auf die Straße hinausgehe, es geht eine Demonstration vorbei und ich werde zufällig dabei gefilmt? Bin ich dann schon ein Identitärer? (Bundesrätin Mühlwerth: Na sicher!)

Ich sage nur, das sind Punkte, die man nicht so leicht wegwischen kann. Das ist ein ganz heikles Thema. Es gilt, gefährliche Präzedenzfälle zu vermeiden, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren. Ich war selbst einmal vier Jahre lang Beamter, bevor ich meine Frau kennengelernt habe. Das darf ich Ihnen hier heute zum ersten Mal sagen. Ich weiß daher, dass man im öffentlichen Dienst durchgecheckt wird, ich bin da auch durchgecheckt worden. Da gibt es eine Sicherheitsprüfung. Du, Toni Froschauer, kennst das als ehemaliger Gendarmeriebeamter. Es gibt Sicherheitsprüfungen, es gibt eine Verlässlichkeitsprüfung, du wirst durchgecheckt. Das ist nicht so ohne. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre, und zwar tiefer als bei Personen in der Privatwirtschaft. Die werden also ohnehin schon entsprechend durchleuchtet. Das jetzt auf alle Personen auszudehnen, die im öffentlichen Dienst tätig sind, halte ich für demokratiepolitisch bedenklich, überschießend und überbordend.

Worum es mir geht, werte Kolleginnen und Kollegen, ist: Die Problematik ist mir bewusst, ich möchte aber nicht, dass wir durch solche Vorfälle in einen Polizei- und Überwachungsstaat hineingleiten, in einen Staat, in dem es eine Anlassgesetzgebung gibt, und auch in einen Staat, in dem ich zwar mit dem rechten Auge alles sehe, aber auf dem linken Auge blind bin. Also das kann es wohl nicht ganz sein. Da bewegen wir uns rechtlich auf sehr dünnem Eis.

Werte KollegInnen von der sozialdemokratischen Fraktion, gestatten Sie mir, gestattet mir, noch etwas einzubringen. Ich habe das zufällig entdeckt. Ich war unlängst auf einer Reise mit der sozialdemokratischen Stadträtin Regina Fechter aus Linz, die ich persönlich sehr gut kenne. Sie hat in der Diskussion vorgestern gesagt – ich zitiere wörtlich –: „,Ich hege die allerhöchste Antipathie gegenüber den Identitären und ihrer Ideologie. Aber meine persönlichen Gefühle sollten nicht Grundlage dafür sein, ob jemand im Magistrat arbeiten darf oder nicht‘, so Fechter in einer Aussendung. Die rechtliche Basis jemandem nach dem Sicherheitspolizeigesetz die Aufnahme in den öffentlichen Dienst zu verweigern, sei ,äußerst dünn‘. Ihr Ansatz sei eher, extre­mistische Taten auch strafrechtlich zu verankern. ,Dann genügt [...] ein“ einfacher „Strafregisterauszug‘“ wie sonst auch.

Das heißt für mich übersetzt: Auch Sozialdemokraten haben Bedenken, denn die Rechtslage ist dafür nicht ausreichend. Ich möchte nicht, dass wir die Demokratie bei bedauerlichen Vorfällen – alles unumstritten – untergraben, indem wir Anlassgesetze machen. Wir müssen da jedoch sehr aufpassen, dass wir jetzt nicht nur rechts etwas verurteilen, während uns links nicht interessiert. (Bundesrat Weber: Das hat keiner gesagt! – Bundesrätin Mühlwerth: Gesagt schon, aber nicht umgesetzt!) Es geht ums Prinzip, es geht um die Rechtsstaatlichkeit und, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um den Gleichheitsgrundsatz. Das muss man, wenn schon, dann auf alle Be­reiche ausdehnen. So mir nichts, dir nichts gefährliche Präzedenzfälle zu schaffen halte ich für sehr bedenklich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.06

Vizepräsident Hubert Koller, MA: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat David Stögmüller. Ich erteile dieses.