13.56

Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner (SPÖ, Wien): Hohes Präsidium! Ge­schätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ja, die Herausforderungen in die­sen Tagen sind enorm, sie sind vielfältig, und sie sind für manche Bevölkerungsgrup­pen noch spezieller als für andere. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich um eine Be­völkerungsgruppe besonders sorge, und deshalb möchte ich mich auch als Kinder- und Jugendsprecherin der SPÖ im Bundesrat heute besonders mit jenen 1,3 Millionen Menschen beschäftigen, und zwar mit den Null- bis 14-Jährigen, den Kindern und Ju­gendlichen in diesem Land, und mit ihren Eltern, die in dieser Situation auch besonders gefordert sind.

Wir alle, die wir Kinder im Haushalt haben und mit Kindern zusammenleben, wissen, wie besonders dieser Alltag ist. Wir picken 24 Stunden quasi aufeinander, ob wir wol­len oder nicht. Viele von uns machen Homeoffice mit all den technischen Tücken. Wir haben einen Haushalt zu regeln und viel mehr zu kochen als in normalen Zeiten.

Die größeren Kinder stehen vor der Herausforderung, Homeschooling bewältigen zu müssen, auch mit all den Tücken. Da geht es nicht nur um möglicherweise fehlende Endgeräte, sondern auch um die passende Software, den Internetzugang und so wei­ter. Die, die kleinere Kinder haben, wissen, wie es um deren Bewegungsdrang bestellt ist, aber dazu komme ich später noch.

Sicher ist, dass Frauen in allen Bereichen einen Löwenanteil dieser Arbeit leisten: in der Pflege, aber auch zu Hause, bei der Betreuung, bei der Pflege von Angehörigen, beim Homeschooling. Ein Hoch auf alle Frauen, die in dieser Zeit wieder einmal her­vorragende Arbeit machen! (Allgemeiner Beifall.)

All das, was ich bis jetzt beschrieben habe, war noch gewissermaßen der Normalfall in dieser Coronazeit, aber stellen Sie sich vor, es kommen jetzt erschwerende Verhältnis­se dazu, beispielsweise: Man ist alleinerziehend und muss das Homeoffice mit Kindern nebenbei jeden Tag meistern. Stellen Sie sich vor, Sie haben Sorgen um Ihren Job oder um Ihren Betrieb, oder Sie sind gar schon gekündigt!

Nur eine kleine Seitenbemerkung: Menschen, die jetzt arbeitslos werden, verlieren auch den Familienbonus. Wir als SPÖ haben immer darauf hingewiesen, wie viele Kin­der um diesen Familienbonus umfallen, und jetzt passiert das vermehrt. Alle, die ar­beitslos sind, haben auch diesen Familienbonus nicht mehr. Wir haben davor gewarnt. (Beifall bei der SPÖ.)

Stellen Sie sich vor, dass jetzt massive Geldsorgen und Existenzängste dazukommen! Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Partner oder eine Partnerin, mit dem oder der es kriselt! – Wir wissen um die steigende Gewalt in den Familien, darauf müssen wir spe­zifisch schauen. Stellen Sie sich vor, es gibt beengten Wohnraum und Sie können ein­ander nicht aus dem Weg gehen! Oder stellen Sie sich vor, Sie haben zu Hause Krank­heitsfälle oder Pflegepersonen und so weiter und so weiter. Die möglichen Kombina­tionen, die das Familienleben nun wirklich herausfordernd machen, sind vielfältig. Mein großer Respekt gilt all jenen, die jetzt nicht die Nerven verlieren und versuchen, das trotzdem zu managen, aber auf diese Gruppe müssen wir im Speziellen schauen.

Ich möchte das auch noch aus der Sicht der Kinder selber erläutern, weil das jetzt oft vergessen wird. Es leiden derzeit aber ganz viele Kinder speziell unter dieser Situation: Sie spüren, dass die Gesamtsituation prekär und beängstigend ist. Sie spüren, dass sie sich weniger bewegen können und weniger Freiheiten haben. Sie vermissen ihre Sozialkontakte im Kindergarten beziehungsweise in der Schule. Sie dürfen ihre Freun­dinnen und Freunde nicht sehen. Viele von ihnen haben Nachteile beim Home­schooling. Das betrifft genau eine Gruppe, die es sowieso schon schwieriger hat, und das wird uns eine sehr lange Zeit verfolgen.

Viele stehen tatsächlich vor einer Gefährdung des Kindeswohls, und darauf müssen wir in den nächsten Wochen ein spezielles Augenmerk haben. Die psychische und physische Gesundheit vieler Kinder steht jetzt auf dem Spiel, deshalb ist es mir sehr wichtig, dass wir bei allen politischen Maßnahmen, die wir jetzt und in den nächsten Wochen setzen, diese 1,3 Millionen Kinder und Jugendlichen im Auge behalten, denn es geht um deren Zukunft und darum, was uns danach erwartet.

Was bedeutet das also? Was braucht es? – Es braucht im Hinblick auf die Gruppe der Eltern eine Absicherung. Es braucht für Eltern eine Gewissheit darüber, wie lange sie in dieser Situation ungefähr noch ausharren und durchhalten müssen. Es geht darum, auch die Energie einteilen zu können; es braucht da Gewissheit. Es braucht vor allem auch die Gewissheit, dass man den Elternpflichten nachkommen kann, ohne in eine Existenzkrise zu geraten; darauf zu schauen ist ganz wichtig.

Es bräuchte auch eine österreichweite Befreiung von Kindergarten- und Hortbeiträgen. Manche Länder versuchen, das jetzt zu stemmen, aber ich denke, dass es doch auch in Bundesverantwortung liegt, alle Eltern von diesen Betreuungsbeiträgen zu befreien, denn sie können die Einrichtungen derzeit großteils nicht in Anspruch nehmen. Ich denke, auch da muss der Bund jetzt Verantwortung mit übernehmen. Es haben sich alle Träger von privaten Kinderbetreuungseinrichtungen zusammengeschlossen und gefordert, dass die Elternbeiträge ausgesetzt und die Träger dabei unterstützt werden, das sozusagen zu stemmen.

Abseits davon: Auch die NGOs sind gerade in einer kritischen Situation, auch in die­sem Bereich droht ein starker Anstieg der Anzahl der Arbeitslosen in den nächsten Wochen. Wir haben letzte Woche darauf hingewiesen, aber diesbezüglich ist noch nichts passiert.

Was bedeutet das für die Kinder? – Wir müssen sie sozusagen mitdenken. Das ist ein Punkt, den ich auch vermisse. Ich möchte jetzt aber auf ein spezielles Problem hinwei­sen: Wir wissen von ungefähr 220 000 Kindern und Jugendlichen besonders im städti­schen Bereich – man kann sich das quasi als Mitglied der ländlichen Bevölkerung gar nicht so vorstellen –, dass ihr Wohnraum keinen Balkon und keinen Garten hat. Man kann diese Kinder also nicht einfach im Laufe des Tages einmal kurz zum Austoben nach draußen schicken. Allerdings sind wir uns ja wohl alle einig, dass Bewegung für die Gesundheit von Kindern, aber auch für entspannte Verhältnisse zu Hause enorm wichtig ist. Wir wissen aber auch, dass Bewegung und ein Aufenthalt im Freien derzeit nur dann sinnvoll sind, wenn man auch den entsprechenden Abstand wahren kann, denn es geht natürlich auch immer um die Gesundheit und die Nichtansteckung.

Man kann aber nur Abstand zueinander halten, wenn die Flächen groß genug sind. Die Menschen brauchen Platz, damit sie diesen Abstand halten können. Wir wissen aber, dass beispielsweise im Augarten in Wien nur ein kleiner Teil der Gesamtfläche geöffnet ist und die Menschen sich dort naturgemäß drängen, dass aber hinter dem Zaun eine riesige Fläche der Bundesgärten geschlossen ist, und das ist eigentlich absurd!

Dementsprechend möchte ich folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Korinna Schumann, Ing. Bernhard Rösch, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „einheitliche Linie der Bundesregierung bei der Benutzung von Parks – umgehend notwendige Öffnung der Bundesgärten“

Der Bundesrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus wird aufgefordert, den Empfehlungen des Gesundheitsministers zu folgen und die Bundesgärten, sowie alle anderen öffentlichen Parkanlagen auch, umgehend ab spätestens Mittwoch, 8. Ap­ril 2020 (Vorlaufzeit) wieder zu öffnen. Die Bevölkerung soll gerade in den Ballungsräu­men die vorhandenen Grünflächen voll umfänglich verfügbar haben, um mit ausrei­chendem Abstand zueinander das Freie aufsuchen zu können.“

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Ich möchte nun aber noch einmal zu den Schülerinnen und Schülern beziehungsweise zu den angesprochenen 20 Prozent davon zurückkommen, die sich aus verschiedenen Gründen dieses Homeschooling nicht in umfassendem Maß leisten können. Die Grün­de dafür sind sehr unterschiedlich, wir können es uns aber jedenfalls als Gesellschaft nicht leisten, diese Gruppe zurückzulassen. Daher brauchen wir jetzt Schulsozialarbei­terInnen, wir brauchen die LehrerInnen und so weiter.

Es sei nur am Rande erwähnt, dass gerade bei den SchulsozialarbeiterInnen unter Türkis-Blau gespart wurde. Das spüren wir jetzt massiv! Ich weiß nicht, wie viele Schü­lerinnen und Schüler derzeit auf einen Schulsozialarbeiter oder eine Schulsozialarbei­terin kommen; was diese jetzt stemmen müssen, ist jedenfalls enorm.

Ich möchte einen weiteren Entschließungsantrag zu diesem Thema einbringen:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wir dürfen kein Kind zurücklassen“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, um­gehend für Klarheit und Planbarkeit für SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen zu sor­gen. Darüber hinaus wird er aufgefordert, ein Maßnahmenpaket zu schnüren und vor­zulegen, das speziell auf jene SchülerInnen abzielt, die in der derzeitigen Ausnahme­situation im Bildungsbereich zurückzufallen drohen. Jede Woche, die hier verstreicht, ist wertvolle Bildungszeit für diese SchülerInnen, die in der gesamten Bildungskarriere kaum wieder aufgeholt werden kann. SchülerInnen auf Basis der Leistung im Rahmen des Heimunterrichts zu benoten und diese durch ‚Sitzenbleiben‘ zu bestrafen wäre un­fair. Jede SchülerIn soll daher automatisch berechtigt sein in die nächste Klasse aufzu­steigen und durch die Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer eine faire Chance er­halten den Lehrstoff aufzuholen.“

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Meine Damen und Herren! Es macht einen Unterschied, ob ein Kind zu Hause einen Schreibtisch hat oder nicht. Es macht einen Unterschied, ob man jederzeit Zugang zu einem Computer mit Internet mit der passenden Software für den Kontakt zum Lehrer oder zur Lehrerin hat oder nicht. Es macht einen Unterschied, ob die Elternteile in der Lage sind, das Kind zu unterstützen, ja oder nein, und ob man die nötige Ruhe hat, zu arbeiten, wenn es notwendig ist.

Ein Thema, das uns in der nächsten Zeit massiv fordern wird, ist der Schutz vor Ge­walt, und zwar nicht nur von Frauen, sondern auch und vor allem auch von Kindern. Wir wissen jetzt schon, dass bei der Hotline „Rat auf Draht“ die Anzahl der Anrufe um 30 Prozent zunimmt, Tendenz steigend.

In diesem Sinne, sehr geehrte Damen und Herren, appelliere ich dringend an die Mit­glieder der Bundesregierung, diese Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen und deren Eltern stärker in den Fokus zu nehmen und bei allen Maßnahmen mitzudenken, denn sonst hätte das ganz fatale Folgen.

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Gesundheit! (Beifall bei der SPÖ, bei BundesrätInnen der FPÖ sowie des Bundesrates Lackner.)

14.08

Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Korinna Schumann, Bern­hard Rösch, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „einheitliche Linie der Bundesregierung bei der Benutzung von Parks – umgehend not­wendige Öffnung der Bundesgärten“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Der von den Bundesrätin Mag. Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen ein­gebrachte Entschließungsantrag betreffend „Wir dürfen kein Kind zurücklassen“ ist ge­nügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster gelangt Herr Bundesminister Dr. Heinz Faßmann zu Wort. Ich erteile es ihm.