17.54

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Hohes Präsidium! Herr Kanzler! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause! Ja, wir sind aktiv, meine Herrschaften. Sie brauchen sich nur unsere Dringliche Anfrage anzuschauen, da gibt es sehr viele Punkte. Alles, was kursiv geschrieben ist, sind konkrete Lösungsvorschläge. Sie müssen jetzt nur her­gehen und das endlich umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.) Also uns mangelnde Aktivität vorzuwerfen, das ist blasphemisch. (Zwischenruf des Bundesrates Bader.)

Wo fange ich da an? Ich brauche heute, glaube ich, mehr als 20 Minuten, aber schauen wir einmal. Ich habe eine 17-jährige Tochter. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach.) – Ist in Ordnung, danke. – Ich habe eine 17-jährige Tochter. Sie ist sehr interessiert an den politischen Vorgängen in Österreich. Ich habe ihr gesagt: Schau heute bitte zu, es geht um ein wichtiges Thema, es geht um die Familien in Österreich!

Wenn meine Tochter morgen im Homeschooling eine Deutschstunde hätte und eine Erörterung zu einem Thema ihrer Wahl schreiben müsste, so bin ich überzeugt, sie würde sich als Thema aussuchen: Der Kanzler fühlt sich in Österreich leider nicht zu­ständig für die Familien. Sie könnte sicher eine drei- oder vierseitige Erörterung dazu schreiben. Wenn ich Journalistin wäre, würde ich wahrscheinlich morgen in einer Tages­zeitung einen Artikel zu genau diesem Thema schreiben. Sie sind der Spitzenpolitiker der Republik Österreich und fühlen sich für so wichtige Themen, die die Familien betreffen, nicht zuständig. Ich hätte mir etwas mehr erwartet. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf vielleicht gleich kurz auf meine Vorrednerinnen und Vorredner eingehen. Wer profitiert vom Familienbonus? – Das sind die Familien oder die Verdienerinnen und Verdiener, die sowieso schon eher mehr verdienen, das ist also eher das Mittelfeld. Die soziale Treffsicherheit fehlt da absolut. (Bundesrätin Wolff: Sie dürfen nicht ...!) Wir hatten einen Vorschlag, nach dem die 1 500 Euro jedem Kind in Österreich zugute­gekom­men wären, denn für die Sozialdemokratie ist jedes Kind gleich viel wert (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf der Bundesrätin Eder-Gitschthaler), unabhängig vom Ein­kommen der Eltern oder von der Herkunft, denn auch die Herkunft, je nachdem, in welche Familie man hineingeboren wird, entscheidet, ob man armutsgefährdet, arm oder bessergestellt ist.

Zu Frau Kollegin Zeidler-Beck: Ich habe nicht erst seit gestern eine Ahnung, warum die Kollegin in ihren Reden so agiert, wie sie agiert. (Bundesrat Schennach: Sie will was werden!) – Danke, Stefan! – Der Unterhaltsvorschuss ist so eine Sache. Wir werden heute einen Antrag zur Unterhaltsgarantie einbringen. Das hilft den Familien und somit auch den Kindern wirklich, aus der Armutsfalle herauszukommen. Jedes Kind soll in Österreich gut leben können, alle Kinder in Österreich sollen wirklich gleiche Chancen haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Frauenbudget: In Prozentzahlen hört sich das immer so an, als wäre es ja so viel, aber wenn man es sich in absoluten Zahlen anschaut, sind das genau 14,65 Millionen Euro. Schauen Sie sich einmal Ihr PR-Budget an oder das Budget für Pressekon­ferenzen, da sehen Sie, wo der Gap liegt! (Bundeskanzler Kurz: In Wien, oder?) – Nein, österreichweit. (Bundeskanzler Kurz: Ach so!)

In Wien beträgt das Budget für Frauen 10,155 Millionen Euro. (Beifall bei der SPÖ.) Das muss man jetzt einmal mit den Zahlen im Bund beziehungsweise österreichweit ver­gleichen. Zu sagen, dass das Frauenbudget in Wien gekürzt wurde, dass wir im Burgen­land nichts haben: Wir haben sehr wohl etwas. Wir haben jetzt auch das Frauenhaus ins Land eingegliedert, was das Frauenhaus absolut absichert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Über das Frauenhaus zu lachen, Herr Kollege, halte ich eigentlich für eine bodenlose Frechheit von Ihnen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Seeber.)

Zum Thema Frauenbudget in Wien: Es wurde nicht gekürzt. Schauen Sie sich die Zahlen an: 2019 betrug es 8,799 Millionen Euro, 2020 9,638 Millionen Euro, und 2021 beträgt es eben 10,155 Millionen Euro. Ich habe Ihnen das bereits im Dezember gesagt.

Frau Kollegin Berger-Grabner hat gesagt, dass der Kanzler gesagt hat, es wird immer Geld geben, wenn Geld notwendig ist. – Bravo, erhöhen wir doch bitte das Arbeits­losen­geld auf 70 Prozent! Ich bin sofort dabei. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundes­rätin Steiner-Wieser.)

Frau Ministerin Raab – sie ist leider nicht mehr da – würde ich gerne mitgeben, dass sie sich für den Gewaltschutz bitte nicht nur starkmachen, sondern jetzt endlich realisieren, umsetzen und wirklich etwas tun möge. Als ich gestern meine Rede vorbereitet habe, habe ich mir gedacht, neun Frauenmorde sind genau neun zu viel. Als ich heute in der Früh aufgestanden bin, haben wir schon Frauenmord zehn und elf gehabt. Bitte, worauf warten wir denn eigentlich noch?! Es ist höchste Eisenbahn, hätte mein Opa gesagt! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

Es gab keinerlei Versäumnisse des Herrn Kanzlers, und das Impfmanagement? – Ach so, Entschuldigung, da war ja der Beamte schuld, ich vergaß. (Beifall bei der SPÖ.) Und das Thema Kinderbetreuung liegt doch bei den Gemeinden, oder täusche ich mich da? (Präsident Buchmann übernimmt den Vorsitz.)

So, jetzt zu meiner Rede (Bundesrat Steiner: Was?! – Heiterkeit bei der FPÖ): Wir haben es heute schon sehr oft gehört, und es ist offenbar ein wirklich wichtiges Thema. – Das war eine Information für Sie. – Es ist ein wichtiges Thema. Viele Familien in Öster­reich sind in Not und in großer Not, und das nicht erst seit der Krise, aber die Pandemie hat die Situation für viele Familien noch verschlimmert und viele Familien in prekäre Situationen gebracht.

Bedeutete Familie zu haben schon vor Corona einen Spagat, so haben die gestiegenen Anforderungen jetzt mit sich gebracht, dass Eltern nun einen Drahtseilakt hinlegen müssen, um alles halbwegs unter einen Hut zu bekommen. Ich weiß, wovon ich rede, und viele hier im Saal sicher auch.

Wir sind mit Ihrem Krisenmanagement unzufrieden, das habe ich heute schon gesagt. Wir stolpern durch diese Krise, und das hinterlässt Spuren. Den Familien geht in finanzieller wie auch in emotionaler Hinsicht die Luft aus. Diese Coronakrise stellt Familien nicht nur vor finanzielle Probleme, sondern diese Krise gestaltet sich als Zerreißprobe für die Familien.

Seit heute Nacht – ich habe es bereits erwähnt, auch viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner – blicken wir auf die Femizide Nummer zehn und Nummer elf. Die Zahl der Beratungen in den Familienberatungs- und auch in den Frauenberatungsstellen hat sich vervielfacht, ich weiß das aus vielen Gesprächen mit den zuständigen Betreuerinnen vor Ort.

Es kommen nicht nur Klientinnen und Klienten aus sozial schwachen Familien, sondern es sind auch Klientinnen und Klienten aus gut strukturierten Familien, aus einem einfachen Grund: weil die Familien überfordert sind. Es kommt zu Konflikten in allen sozialen Schichten.

Die Eltern müssen vielfach anspruchsvolle Arbeit leisten, müssen ihre Aufgaben im Job erfüllen und zusätzlich mehrere Kinder im Homeschooling betreuen. Wie so oft sind es zum überwiegenden Teil die Frauen, die diese familiären Aufgaben wie selbstver­ständ­lich übernehmen. Auch wir sind wieder im Rollenbild der 1950er-, 1960er-Jahre ange­kommen.

Wenn es dann auch noch zu pflegende Angehörige gibt, verschärft das die Situation noch einmal. Und wieder sind es die Frauen, die zu einem großen Teil diese Carearbeit leisten.

In großem Maß kommen auch Existenzängste hinzu, die Beziehungskonflikte, die wir heute schon mehrfach erwähnt haben, und natürlich der Druck in der Schule. Oder glauben Sie, dass es für die Schülerinnen und Schüler so einfach ist, beim Stoff mitzu­kommen und alles, was im Lehrplan vorgesehen ist, auch zu erlernen – bei der Art und Weise, wie jetzt Unterricht absolviert wird?

Ich bin Familiensprecherin, selbst zweifache Mutter und Vorstandsmitglied der Kinder­freunde Burgenland, mir liegen Kinder und Jugendliche besonders am Herzen. Man muss nicht unbedingt Expertin oder Experte sein, um zu erkennen, dass die psychischen Belastungen durch die Coronakrise, die Ausgangsbeschränkungen, die neue, die andere Form des Lernens für Kinder und Jugendliche sehr groß sind, sondern da reicht es, wenn man empathisch ist und Verständnis und ein Herz für die jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft hat.

Kindern und Jugendlichen fehlt der soziale Kontakt, und sie haben mittlerweile zum Teil schon verlernt, diese sozialen Kontakte wieder aufleben zu lassen. Die Kinder verein­samen, sie werden traurig, sie verlieren die positive Sicht auf die Dinge, sie müssen nur mehr funktionieren, und oft schaut das Ergebnis nicht danach aus, wie viel Zeit sie darin investieren.

Ein unbeschwertes Aufwachsen ist zurzeit absolut utopisch, aber die Kinder haben sich ein unbeschwertes Aufwachsen verdient. Ich bin selbst Mutter zweier Teenager, ich habe es bereits erwähnt, ich weiß, wovon ich rede, und ich sehe es bei meinem fast 15-Jährigen: Trotz Motivation und der Aufforderung: Bitte, komm, geh raus, triff dich!, kommt die Antwort: Nein, wir sind eh über das Onlinespielen zusammen! – Sie verlernen wirklich die Fähigkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. Es fehlen einfach die täglichen Abläufe, die tägliche Routine. Diese Routine brauchen die Kinder aber, um sich im Leben zurecht­zufinden. Diese Routine brauchen alle Menschen und erst recht Kinder und Jugendliche.

Zahlreiche Studien belegen, dass gerade die jungen Menschen unter den Folgen der Krise leiden. Kollege Schererbauer hat das ja heute bereits angesprochen. Die Donau-Uni Krems hat in Kooperation mit der Medizinischen Universität die psychische Gesund­heit von 3 000 SchülerInnen untersucht: Mehr als die Hälfte weisen eine depressive Symptomatik auf, ein Viertel leidet unter Schlafstörungen, und 16 Prozent denken an Suizid. Das ist alarmierend, Herr Bundeskanzler, finden Sie nicht auch? (Bundeskanzler Kurz: ... meine Schuld?) – Das habe ich nicht gesagt. Wenn eine der Grundaussagen der Ö3-Jugendstudie mit mehr als 35 000 Befragten ist, dass sich die Jungen nicht von der Politik gehört fühlen, dann sollte Ihnen das zu denken geben! Ich würde mir etwas dabei denken.

Die jungen Menschen haben Angst, dass sie die Folgen der Pandemie ausbaden müs­sen – ein mehr als deutlicher Hinweis für Sie und Ihre Bundesregierung, hier und jetzt etwas zu unternehmen. Sprechen Sie doch einfach mit der jungen Generation und han­deln Sie endlich!

Seit Monaten schlagen Kinder- und JugendpsychiaterInnen Alarm. Die ambulanten Kapazitäten reichen nicht, auf den Stationen muss entschieden werden, welcher Akutfall überhaupt aufgenommen wird. Wir haben einerseits viel mehr junge Menschen, die Hilfe benötigen, als vor der Krise, und in Gegensatz dazu stehen der seit Jahren bekannte Personalmangel und auch strukturelle Unterversorgung.

Nur gesunde Kinder und Jugendliche können zu gesunden Erwachsenen werden, die dann Österreich zu einem gesunden, sprich zu einem gut funktionierenden Land machen, mit florierender Wirtschaft und guten Lebensbedingungen. Ist das nicht das, was wir für die Zukunft wollen und auch brauchen?

Schnüren Sie daher jetzt bitte endlich einen Comebackplan für Kinder und Jugendliche! Wir haben das bereits vor 14 Tagen im Rahmen einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem Leiter des Psychosozialen Dienstes Burgenland, Dr. Grassl, gefordert.

Es hat sich klar gezeigt, dass viele an sich psychisch gesunde Minderjährige deutliche Symptome von psychischer Belastung, Lustlosigkeit, Abgeschlagenheit, trauriger Stim­mung, Sorge, Ängstlichkeit, sozialem Rückzug, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Ess­störungen und andere psychosomatische Beschwerden zeigen. Wir haben diesen Comebackplan für die Kinder und Jugendlichen gefordert, und dieser muss für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich gelten. Bis jetzt haben wir dazu nichts von Ihnen gehört, außer dass Sie nicht verantwortlich dafür sind.

Wie gesagt, Sie sind der Spitzenpolitiker in diesem Land. Als solcher tragen Sie die Verantwortung für die Menschen im Land. Wer, wenn nicht Sie und Ihre Regierung, trägt die Verantwortung für die massiven Probleme, die jetzt schon eskalieren? Wer, wenn nicht Sie und Ihre Regierung, muss die Verantwortung für die stark zunehmenden psychischen Probleme übernehmen?

Sie alle scheinen eines vergessen zu haben: Kinder und Jugendliche sind system­rele­vant. Haben Sie sich das schon einmal überlegt? Um sie müssen wir uns besonders kümmern. Die Expertinnen und Experten der Kinder- und Jugendhilfe schlagen Alarm, und wir als Politikerinnen und Politiker sind verpflichtet, alle Auswirkungen der Krise zu beachten und Lösungen zu finden und umzusetzen. Kindern und Jugendlichen muss es wieder möglich sein, ungestört in den Bildungseinrichtungen zu lernen, unterrichtet zu werden, so wie es vor der Krise war, natürlich mit allen notwendigen Sicherheits­vor­keh­rungen. Da machen die Kinder und die Jugendlichen ohnehin brav mit, muss man sagen. Sie sind oft einsichtiger als die Erwachsenen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es stellt sich auch die Frage: Wie können Kinder und Jugendliche ein entsprechendes Sportangebot konsumieren? Wie schaut es mit Sportwochen, mit Schullandwochen und so weiter aus? Auch all das fehlt den Kindern. Sie haben ja seit zwei Jahren nicht einmal Maturabälle gehabt, keine Ausflüge – das fehlt in der Entwicklung ganz einfach.

Herr Kanzler, bitte stellen Sie sich auf die Seite der Kinder und Jugendlichen, machen Sie ein halbwegs normales Leben für sie möglich und stellen Sie auch ein entsprechendes therapeutisches Angebot für die jüngsten und schutzbedürftigsten Mitglieder unserer Gesellschaft zur Verfügung – und tun Sie das rasch! Minister Mückstein sieht das ähnlich wie wir, und er spricht sich für Psychotherapie auf Krankenschein aus.

Ich darf noch zu Frau Kollegin Zeidler-Beck sagen: Im Rahmen des regionalen Versor­gungsauftrages haben wir Einrichtungen des Psychosozialen Dienstes. Es gibt das Heilpädagogische Zentrum Rust, und es gibt die Jugendpsychiatrie. Wir kooperieren mit unterschiedlichen Einrichtungen auch in anderen Bundesländern, und wir betreuen auch Kinder und Jugendliche aus anderen Bundesländern. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Im Rahmen des überregionalen Versorgungsauftrages müssen wir keine Station haben, aber Sie können uns ja gerne unterstützen, dass wir im Burgenland eine einrichten kön­nen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es passt, ich will nicht sagen, wie die Faust aufs Auge, aber die Zahl der Gewaltakte gegen Frauen und Kinder steigt, und ich bin immer noch absolut sprachlos über den zehnten und elften Femizid seit Jahresbeginn. Das sind genau elf Morde zu viel. Ich hatte hier in meiner Unterlage noch stehen: Neun Morde zu viel!, ich habe es jetzt durchgestrichen. Jeder tätliche Übergriff auf Frauen oder Kinder ist genau einer zu viel, und ich frage mich, ob man, wenn der mutmaßliche Täter aus Fall neun nicht diese traurige Berühmtheit hätte, auch so auf die Barrikaden gestiegen wäre oder ob man es bedauert hätte und nach zwei Tagen wieder zur Tagesordnung übergegangen wäre. Ich bin mir nicht sicher, ob das dann das in Bewegung gesetzt hätte.

Wir dürfen keine Zeit verlieren! Der Sicherheitsgipfel war viel zu kurz gegriffen. Alle Ein­richtungen müssen miteinbezogen werden, die genau wissen, worum es geht, die genau wissen, woran es fehlt. Es bringt auch nichts, nächste Woche einen runden Tisch zu machen, der eineinhalb Stunden dauert. Nicht etwas fordern, und wir werden schon und wir tun schon, sondern machen, ja, tun, t – u – n – um dieses Wort geht es jetzt! (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen der FPÖ.)

Dieser einberufene Sicherheitsgipfel war eine absolute Augenauswischerei. Was wir brauchen, ist ein ständiger Krisenstab, den man am besten schon vorige Woche ein­gerichtet hätte (Bundesrat Spanring: Das ist die Regierung!), und das sofortige Einsetzen der Hochrisikofallkonferenzen und natürlich Budget für Gewaltschutz und Gewaltprävention – aber am Geld wird es nicht scheitern, Herr Bundeskanzler, so Ihre Worte. Wir werden Sie daran messen, wie rasch und wie viel Budget Sie für Gewalt­schutz und Gewaltprävention zur Verfügung stellen, und ich hoffe, dass wir bei der nächsten Bundesratssitzung nicht von Frauenmord zwölf, 13, 14, 15 oder mehr sprechen müssen.

Das alles ist für die Frauen, die zumeist auch Mütter sind, und die Kinder in diesem Land, denn Gewalt gegen Frauen wirkt auch oft auf die Kinder ein. Was heißt oft? – Immer.

Das Familienpaket haben Sie groß abgefeiert, aber dieses groß gefeierte Familienpaket bietet wieder nur Einmalhilfen. Die Menschen brauchen keine Almosen, die Menschen brauchen nachhaltige Unterstützung, nachhaltige strukturelle Hilfe, die langfristig Armut verhindert. Um Armut zu verhindern, brauchen wir kontinuierlich langfristige Maßnah­men. Jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht oder betroffen. Das ist ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

In Anbetracht dessen wird es Sie ja auch sicher nicht verwundern, dass Sie vor ein paar Wochen überlebensgroß mit einem kalten blauen Herz dargestellt wurden. Kinderarmut wird von vielen noch immer stark unterschätzt. Vielleicht haben Sie vom Projekt der Volkshilfe Burgenland gehört. Die Ergebnisse einer Befragung wurden präsentiert. Die Umfrage zeigt, dass die Coronapandemie die Lebensqualität von Kindern immens ver­schlechtert hat. Unter anderem kommt auch Felix, ein Kind aus einer armutsgefährdeten Familie, zu Wort. Er ist froh, dass es jetzt nicht mehr so viele Toastbrottage gibt. Wissen Sie, was ein Toastbrottag ist? – Ein Toastbrottag ist ein Tag, an dem die Familie nur Toastbrot isst, weil es billig ist und die Familie einfach kein Geld hat, sich anständige Lebensmittel zu leisten. Da brauche ich von Bioprodukten gar nicht zu reden, da wäre es einmal wichtig, dass ein ordentliches Stück Fleisch, Kartoffeln, Obst und so weiter auf den Tisch kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Was unternehmen Sie gegen Armut? Als Oberhaupt Ihrer christlich-sozialen Partei sollte es Ihr oberstes Gebot sein, die Armut zu bekämpfen. Es fehlt Ihnen doch nicht der Bezug zu den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land – oder doch? Nicht jeder ist Vorstandsdirektor, Industrieller oder Mitglied der Adlerrunde.

Die Volkshilfe Burgenland hat nun eben das burgenländische Projekt einer Kinder­grund­sicherung gestartet. Dieses Projekt wird zeigen, wie man Kindern und damit auch ihren Familien nachhaltig helfen kann – dazu komme ich gleich. Die Zahl der Eltern, die das Leben ihrer Kinder mit Nicht genügend beurteilen würden, hat sich durch die Pandemie verdoppelt. Ich habe es bereits erwähnt: Psychische und körperliche Probleme nehmen zu. Helfen wir der Volkshilfe, Kinderarmut abzuschaffen!

Kollegin Daniela Gruber-Pruner hat es heute schon erwähnt: Es ist noch einmal ein Armutszeugnis für dieses reiche Land, dass eine nicht staatliche Organisation da so sehr dran ist, Armut zu bekämpfen. Aus unserer Sicht ist das die Aufgabe des Staates.

Nehmen Sie Ihren Auftrag wahr und handeln Sie entsprechend, auch wenn das offenbar nicht in Ihre neoliberalen Konzepte passt! Kinder und Jugendliche sind jene Menschen von morgen, die mit ihrer Leistung und Arbeitskraft dieses Land am Laufen halten wer­den. Diese Kinder sollen nicht die Arbeitslosen der Zukunft, sondern die Erwerbstätigen der Zukunft sein. Da darf ich Erich Fenninger, den Präsidenten der Volkshilfe Österreich, zitieren: Jedes Kind braucht eine – nämlich seine – Zukunft, und das muss eine Zukunft mit Perspektive sein.

Die burgenländische Kindergrundsicherung sieht wie folgt aus: Wir haben im Burgenland sieben Bezirke. Pro Bezirk wurde eine Familie definiert, die mit 100 Euro pro Monat unterstützt wird. Die Kinder fühlen sich gesünder, die Kinder fühlen sich fröhlicher – einfach dadurch, dass wieder Mittel zur Verfügung stehen, mit denen man Schulsachen kaufen, Schulausflüge ermöglichen, einen Ausflug ins Bad machen oder einfach einmal ein Eis essen gehen kann.

Gerne sagen wir Ihnen, Herr Kanzler, und Ihrer Bundesregierung, was jetzt wirklich nötig ist – da sehen Sie, wie aktiv wir sind, damit wir Familien nachhaltig unterstützen –: Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent, Einführung des kollektivvertraglichen Mindestlohnes von 1 700 Euro – das kommt vor allem Frauen zugute –, Etablierung effektiver Arbeitsmarktprogramme, speziell auch auf Frauen abgestimmt – Sie und die Bundesregierung tun zu wenig, um den Menschen Perspektiven zu geben und um die finanziellen Sorgen abzufedern; schauen Sie sich bitte die aktuellen Arbeitslosenzahlen und die Zahl jener Menschen, die sich in Kurzarbeit befinden, an! –, eine sofortige und nachhaltige Hilfe für Alleinerziehende. 91 Prozent davon sind Frauen, nur so nebenbei erwähnt, und 44 Prozent der Alleinerziehenden sind armutsgefährdet. Frau Kollegin Hauschildt-Buschberger, die auch die prekäre Situation der Alleinerziehenden erkannt hat, hat das heute schon thematisiert. – Ich bin neugierig, ob Sie dann unseren Antrag unterstützen werden.

Die Umsetzung der Unterhaltsgarantie ist ein ganz wichtiger Punkt, um aus der Armut herauszukommen, außerdem die Erhöhung der Budgetmittel für die Familienberatungs­stellen, der Ausbau der finanziellen Ressourcen für Prävention und Gewaltschutz, ein um­fassender Rechtsanspruch auf bezahlte Sonderbetreuungszeit und, und, und. Von der Coronakrise sind – wie erwähnt – die Alleinerziehenden ganz besonders hart betroffen. Für Menschen, die in Einelternhaushalten leben, ist es ein täglicher Drahtseilakt.

Präsident Mag. Christian Buchmann: Frau Kollegin, bitte um den Schlusssatz: Die Redezeit ist erschöpft.

Bundesrätin Mag. Sandra Gerdenitsch (fortsetzend): Gut, dann bringe ich einen Antrag ein. Für eine effektive Unterstützung von Einelternfamilien stelle ich folgenden Entschließungsantrag:

Entschließungsantrag

der BundesrätInnen Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Unterhaltsgarantie sofort umsetzen!“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration im Bundeskanzleramt wird aufgefordert, umgehend eine Unterhalts­ga­rantie umzusetzen, indem über die Familienbeihilfe in Form eines, den Unterhalt sichern­den Ergänzungsbetrages zur Familienbeihilfe, für einen Lastenausgleich gesorgt wird. Der Ergänzungsbetrag wird subsidiär zu regulären Unterhaltsleistungen ausgezahlt, wo­bei sich die Höhe des Ergänzungsbetrages (Richtbeträge) an den Regelbedarfssätzen in der Höhe der ungefähren Kinderkosten orientiert.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Steiner-Wieser.)

18.15

Präsident Mag. Christian Buchmann: Der von den Bundesräten Mag.a Daniela Gruber-Pruner, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betref­fend „Unterhaltsgarantie sofort umsetzen!“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Thomas Dim. Ich erteile es ihm. – Bitte, Herr Kollege.