Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 102

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kann man davon ausgehen, daß es insgesamt drei Möglichkeiten gibt, um für Ost- und Mitteleuropa Stabilität zu bringen – theoretisch gesehen: Es ist dies die Hegemonie eines oder mehrerer Staaten, es ist dies das Gleichgewicht von Kräften, und es ist dies die Integration.

Zum ersten Mal in der Geschichte des Kontinents ergibt sich die Chance, daß dieser Bereich aus eigenem, das heißt nicht geformt durch die Hegemonie eines oder mehrerer Staaten, eine selbständige Ordnung aufbauen und erringen kann. Und das ist gleichzeitig wahrscheinlich auch für uns die entscheidende Frage. Das heißt, wenn man verhindern will, daß auch in Zukunft einzelne Mächte hegemonial vorgehen, dann kommt die erste Möglichkeit nicht in Frage, dann muß man andere Lösungen suchen.

Ein Gleichgewicht der Kräfte ist zweifellos nicht herstellbar, weil die Größenunterschiede so stark ausgeprägt sind, daß es einfach unmöglich ist, eine balance of power herzustellen, sodaß als echte, reale dritte Möglichkeit nur die Integration bleibt. Und es ist daher auch folgerichtig, daß wir alle Bemühungen daransetzen müssen, um diesen Bereich mittels der Integration auch auf sicherheitspolitischem Gebiet zu stabilisieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das erfordert insbesondere auch von Österreich, einem Land, das eine gemeinsame Grenze mit Staaten, die früher einmal kommunistisch regiert waren, im Ausmaß von 1 400 Kilometern hat und das insgesamt als einziger Staat Europas vier Nachbarn aus diesem ehemals kommunistischen Bereich hat, einen Beitrag zur Stabilisierung über den Weg der Integration. Und es war daher folgerichtig, daß wir neue Überlegungen angestellt haben, um die Sicherheitspolitik in Zukunft neu zu gestalten und insbesondere auch den europäischen Integrationsweg zu fördern.

Die Lösung, die sich dafür anbietet, ist zweifellos im politischen Bereich die Europäische Union. Brüssel ist das Integrationszentrum, und es gibt dort bereits ein politisches Gebilde, das in der Lage sein könnte, auch in Zukunft den gesamten Kontinent integrativ zu vereinen und damit auch Nationalismen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik möglichst zu überwinden. Andererseits muß man sagen, ist es noch lange nicht so weit, weil auch selbstverständlich ein hohes Ausmaß an Voraussetzungen dafür erforderlich ist. Das heißt, es wird einige Zeit dauern. Und es ist vor allem notwendig, in der Europäischen Union auch die sicherheitspolitische Komponente hinzuzufügen; und das geschieht jetzt.

Ab nächstem Monat findet die Regierungskonferenz 1996 statt, bei der sich die Mitgliedsländer der Europäischen Union damit auseinandersetzen, wie in Zukunft eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik erfolgen kann, die insbesondere verhindern soll, daß in Zukunft in Europa noch Kriege ausbrechen.

Die Europäische Union stößt dabei aber nicht auf ein Niemandsland, sondern sie geht selbstverständlich von zwei Organisationen aus, die bereits bisher bestimmte Leistungen erbracht haben beziehungsweise die Voraussetzungen besitzen, um auch tatsächlich diese Stabilisierung herbeizuführen: Das ist auf der einen Seite die Westeuropäische Union, die in der Zeit des kalten Krieges kaum eine Funktion hatte, aber in der Zwischenzeit von der Europäischen Union als der sicherheitspolitische Arm, als der verteidigungspolitische Arm der Europäischen Union definiert wurde und auch im Maastrichter Vertrag als ein integraler Bestandteil der Entwicklung der EU bezeichnet wurde. Das heißt, die sicherheits-, die verteidigungspolitische Entwicklung und Integration Europas wird oder soll in Zukunft überwiegend durch die Westeuropäische Union, die WEU, getragen und gefördert werden. Es ist daher selbstverständlich, daß das auch für uns erste Priorität hat. (Abg. Schieder: Stimmt nicht!)

Auf der anderen Seite ist es so, daß ... (Abg. Schieder: Sicherheitspolitisch steht es nicht drinnen! Verteidigungspolitisch steht es drinnen, sicherheitspolitisch steht es nicht drinnen!) Ich würde annehmen, Herr Abgeordneter Schieder, daß gerade ein Außenpolitiker wie Sie weiß, daß zur Verteidigungspolitik auch die Sicherheitspolitik dazugehört und diese nicht isoliert zu betrachten ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: Umgekehrt!) Sie können es auch umgekehrt sagen: Umso mehr gilt das, was ich dazu gesagt habe. (Abg. Schieder: Ich weiß, daß es umgekehrt ist!)


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