Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 101

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Da sind die Schulen gefordert, da sind die Medien gefordert, da sind aber in erster Linie wir Parlamentarier gefordert. Die Sicherheitspolitik soll keine ideologische Spielwiese sein. Handeln Sie endlich nach Ihrem Gewissen, handeln Sie endlich nach dem Auftrag, den Ihnen die Bevölkerung bei den Wahlen gegeben hat, oder treten Sie ab, denn so sind Sie eine Gefahr für dieses Land! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.38

Präsident Mag. Dr. Willi Brauneder: Zur Beantwortung der Anfrage erteile ich nunmehr dem Herrn Bundesminister für Landesverteidigung das Wort. – Bitte.

16.39

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wurde ein weiter Bogen von Fragen hier gestellt. Allein die Tatsache, daß 31 Fragen aufgezählt wurden und ein ganzes Paket auch noch zusätzlich vorgebracht wurde, zeigt auf der einen Seite die Komplexität und auf der anderen Seite auch offensichtlich manche Informationsrückstände auf, die es lohnen, zusätzlich darauf einzugehen, weil ich glaube, daß selbstverständlich auch eine Oppositionspartei ein Recht darauf hat, entsprechend informiert zu sein und informiert zu werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Abgeordneter Scheibner! Sie haben eingangs die Veränderung der geostrategischen Situation und die Frage der österreichischen Sicherheitspolitik angesprochen. Man kann zweifelsohne ohne Übertreibung sagen, daß der Umbruch des Jahres 1989 nicht nur die größte Veränderung im geostrategischen Bereich Europas im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte war, sondern darüber hinaus wahrscheinlich dieses Jahrhunderts, wenn nicht überhaupt der letzten Jahrhunderte.

Europa hat seine Funktion aus Hauptkonfrontationsfeld zwischen Ost und West verloren. Die beiden einander feindlich gegenüberstehenden Pakte haben diese Funktion nicht mehr beziehungsweise sind aufgelöst, die Rote Armee hat eine West-Ost-Verlagerung von 1 500 Kilometern durchgemacht, und es ist insgesamt eine völlige Veränderung durch den neuen Aufbruch in gesamt Ostmitteleuropa entstanden.

Was viele Experten vermutet oder von vornherein prophezeit haben, was vielleicht von einer großen Anzahl von Menschen anfangs nicht erkannt wurde, war die Tatsache, daß ein derartiger Umbruch von vornherein nicht mehr Sicherheit, sondern nur eine Verlagerung der Sicherheitsprobleme bringt, und zwar – in der Form, wie es Experten auszudrücken pflegen –: Es war der Übergang von einer "High Risk and High Stability"-Situation in eine "Lower Risk and Lower Stability"-Situation, das heißt, der Übergang von einer Situation hohen, enorm hohen Risikos, aber auch aufgrund des Gleichgewichts des Schreckens relativ hoher Stabilität (Abg. Mag. Stadler: Das brauchen Sie uns nicht zu erklären!), einer Friedhofsruhe, die vorhanden war (Abg. Mag. Stadler: Er hat solche Ideen zur Verteidigung!), in eine Situation erhöhter beziehungsweise sehr stark gestiegener Instabilität, die wir alle auch miterlebt haben am Beispiel des Ausbruchs des Krieges in Exjugoslawien und einer zunehmenden Instabilität auch in anderen Ländern.

Für uns stellte sich daher von vornherein die Frage: Was ist die richtige Antwort auf diese neue Situation? – Lassen Sie mich dazu folgendes festhalten. Für Europa hat es bedeutet, daß zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer eine ganze Reihe von Staaten ihre Souveränität erlangt hat, eine Souveränität, die aber durchaus mit sehr vielen Instabilitäten verbunden ist, weil es sich um Staaten mit Staatsgrenzen handelt, die teilweise oder zum größten Teil noch keine 80 Jahre alt sind, weil es sich dabei um Staaten handelt, die ein relativ geringes eigenständiges Bewußtsein und geringe eigenständige Erfahrung haben, die keine demokratische Tradition in den letzten 50 Jahren gehabt haben, und bei denen es auf der anderen Seite eine Fülle von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemstellungen und insbesondere auch nationalen Problemen gibt, die eine hohe Krisenanfälligkeit bewirken.

Das bedeutet, daß wir uns insgesamt diesem Problemkreis besonders zuwenden müssen. Und wenn wir uns fragen: Welche Möglichkeiten gibt es, um das zu verändern?, dann muß man sagen, daß zweifellos die alten Rezepte nicht dazu geeignet sind. Aller Wahrscheinlichkeit nach


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