Das zweite ist, daß die WEU nicht isoliert zu sehen ist, sondern daß selbstverständlich auch die dritte Organisation, die NATO, in der Zukunft für die Sicherheit Europas einen weiterhin sehr bestimmenden Einfluß haben und ein wesentlicher Faktor sein wird. Die WEU begreift sich daher ja durchaus auch als europäischer Pfeiler innerhalb der Transatlantischen Allianz. Aus diesen drei Organisationen, EU, WEU und NATO, wird sich die zukünftige Sicherheitsarchitektur Europas bilden. (Abg. Dr. Haider: Gibt es eine WEU-Mitgliedschaft ohne NATO-Mitgliedschaft?)
Jetzt ist die Frage gestellt worden, ob sich daraus auch eine Konsequenz etwa in der Verbindung ergibt. Man kann eines folgerichtig feststellen: Die höchste Priorität – beziehungsweise ist dort das größte Manko vorhanden – hat zweifellos der Bereich einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Diese Voraussetzung soll die WEU erfüllen, und dorthin ist selbstverständlich auch das Schwergewicht zu setzen. Andererseits ist sie nicht isoliert zu betrachten.
Ich glaube, daß ich ohne Übertreibung sagen kann, daß ich als erster in Österreich mit aller Konsequenz und von Anfang an einen Vollbeitritt zur Westeuropäischen Union verlangt habe und daß das für mich das wesentliche sicherheitspolitische Ziel darstellt. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Das heißt NATO-Beitritt!)
Daß damit in Verbindung auch die Frage des Verhältnisses zur NATO auftaucht, ist selbstverständlich. (Abg. Dr. Haider: Gibt es ein WEU-Mitglied, das nicht NATO-Mitglied ist?) Da gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. In Großbritannien etwa wird das überwiegend in der Richtung beantwortet, daß eine isolierte Mitgliedschaft nicht möglich sein sollte, in Frankreich vertritt man andere Ansichten. Das heißt, das ist durchaus eine Frage, die im Zuge der Regierungskonferenz und insbesondere im Falle des Auslaufens der WEU-Verträge 1998 auch beantwortet werden wird.
Für uns steht aber eines fest: Es ist zweifellos richtig, ein Naheverhältnis, eine möglichst vollständige und umfassende Kooperation mit der NATO aufzubauen, aber zweifellos wichtiger und zeitlich naheliegender ist für uns der Weg in die Westeuropäische Union. Und genau das streben wir mit eiserner Konsequenz auch an.
Es geht jetzt sicherlich auch darum – in den Gesprächen, bei den Regierungsverhandlungen über die zukünftige sicherheitspolitische Ausrichtung Österreichs –, daß wir die Möglichkeit wahren, in Zukunft in diesen Organisationen zu sein. Es ist sicherlich völlig falsch, einfach zu sagen: Warten wir, was bei der Regierungskonferenz herauskommt, warten wir, welches Modell uns von den anderen präsentiert wird. Wir sind einer jener Staaten, die das größte sicherheits- und verteidigungspolitische Interesse haben, und wir sind daher auch einer jener Staaten, die darauf einwirken sollen, daß möglichst viel von unseren Vorstellungen und Konzeptionen in die Neuformierung dieser Organisationen eingeht.
Es ist daher sicherlich wichtig, nicht nur rechtzeitig, sondern möglichst frühzeitig dort auch die Möglichkeit zur vollen Mitsprache und zur vollen Teilnahme zu bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Abgeordneter Scheibner! Sie haben weiters die Frage der Neutralität angesprochen. Sie ist zweifellos ein Thema, das in Österreich in der Vergangenheit einen hohen Stellenwert hatte und auch heute noch teilweise starke Emotionen oder starke Reaktionen hervorruft. (Abg. Dr. Nowotny: Und gesetzliche Grundlage ist! Nicht nur Emotionen! Gesetz!)
Dazu ist folgendes zu sagen: Die österreichische Neutralität ist 1955 de facto der Kaufpreis für den Staatsvertrag gewesen. Die Begeisterung war anfangs nicht so stark, aber man muß dazusagen, Österreich hat sich auf diesen Status eingestellt. Es war keine frei gewählte, aber es war eine selbstgewählte Neutralität (Abg. Dr. Nowotny: Es war eine frei gewählte!), und wir haben uns dazu bekannt und bekennen uns selbstverständlich bis heute dazu. (Abg. Dr. Nowotny: Also doch!) Sie ist in unserer Verfassung verankert. (Abg. Dr. Nowotny: Eben! Eben!) Sie war ein Produkt des kalten Krieges und hat mit dem Ende des kalten Krieges natürlich auch weitgehend Funktionen eingebüßt.