Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 143

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wieder die klassischen, die großen, die hochgerüsteten Armeen. – Das erachte ich für die eigentliche Sicherheitsgefahr in Europa!

Sie sagen, diese Organisationen seien ja gar keine reinen Militärorganisationen mehr. Das mag schon stimmen. Aber warum wertet man nicht Organisationen auf, bei denen ganz klar ist, daß sie primär zivile Organisationen sind und allenfalls, wie die UNO, auch eine militärische Restgrößenfunktion haben können? (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen auch, der Beweis dafür, daß das Ganze so demokratisch ist, ist die Tatsache, daß die ältesten Demokratien Europas Mitglied sind. Das ist, Herr Bundesminister, gar kein Beweis. Sie finden in allen Demokratien, auch in den ältesten, Strukturen, die reichlich undemokratisch sind, ob das jetzt Teile des Schulwesens in Großbritannien oder der Strafvollzug in einzelnen Staaten sind. Überall gibt es Dinge, die wir aus unserer Sicht vielleicht als demokratiepolitisch rückschrittlich betrachten. Trotzdem: Das sind alte Demokratien.

Ein Kriterium wäre, über den NATO-Beitritt und auch über die Frage einer allfälligen Aufgabe der österreichischen Neutralität ein Referendum durchzuführen. Das wäre eine demokratische Vorgangsweise! (Beifall bei den Grünen.)

Um noch einmal auf Bosnien oder auf Exjugoslawien zu sprechen zu kommen: Ich bin froh, daß jetzt einmal vorläufig weniger gemordet, weniger geschlachtet wird, als es der Fall war. Aber ich befürchte, wenn nicht sehr bald eine echte Friedensarbeit durch Organisationen wie die OSZE, durch eine gemeinsame europäische, durch eine weltweite Anstrengung einsetzt, dann wird das bestenfalls ein längerer Waffenstillstand sein, aber kein Frieden.

Es wurden so viele Menschen vertrieben, Menschen aus der Posavina, Serben aus dem Raum von Sarajevo und viele, viele andere mehr, und die haben nicht vergessen, was passiert ist. Sie wissen ja aus der Geschichte Österreichs, Sie wissen aus der Geschichte der Staaten, die in den Zweiten Weltkrieg involviert waren, wie schwer es ist und wie viele Jahre und Jahrzehnte es braucht, einigermaßen über das hinwegzukommen, was einem widerfahren ist. Daher glaube ich, es wäre eine vordringliche Aufgabe, eine vornehme Aufgabe für Österreich, sich der echten Friedensarbeit zu widmen, und es wäre ein hervorragender Anschluß an die Arbeit, die Österreich in Exjugoslawien bereits geleistet hat, nämlich an die humanitäre Hilfe, für die jeder und jede in Bosnien wirklich dankbar war und ist.

Herr Bundesminister! Die Grünen stehen nicht grundsätzlich jedem kollektiven Sicherheitssystem ablehnend gegenüber. Aber die Art und Weise, wie es jetzt passiert und wie es mein Vorredner aufgezeigt hat, ist unerträglich: daß in einer Art Hickhack zwischen den Regierungsparteien scheibchenweise die Neutralität demontiert wird.

Ich kann mich noch erinnern – das waren die ersten Tage und Monate, die ich in diesem Hohen Haus verbracht habe –, als wir über den Golfkrieg diskutiert haben, über die Durchfuhrgenehmigungen für Waffen. Es war eine ganz gespenstische Sitzung. Während dieser Debatte kam die Meldung, daß die ersten Bomben fallen und gefallen sind. (Abg. Dr. Lukesch : Sie haben die Regierung bei der Staatsanwaltschaft angeklagt!) Wir wissen, daß sich dort, Herr Abgeordneter Lukesch, nichts zum Besseren gewendet hat. Sie wissen, Herr Abgeordneter Lukesch, daß dort ein Diktator fester im Sattel sitzt denn je, daß er jeden Tag neue Menschenrechtsverletzungen begehen kann, daß Kurden, Schiiten bedroht sind, daß das ökologische Desaster ein enormes war und daß auch in Kuwait nicht wirklich demokratische Zustände eingekehrt sind.

Was, frage ich Sie, hat dort eine klassische militärische Strategie bewirkt? – Sie hat nicht wirklich Frieden geschaffen. Sie hat eine sehr, sehr labile Situation geschaffen. Aber sie hat vielleicht gerade den Ruf, den Bedarf nach neutralen Staaten geweckt. Denn Konfliktbilder der Zukunft, die ich sehe, das Auseinanderdriften der sogenannten westlichen Welt und der islamischen Welt, die Nationalitätenspannungen in der ehemaligen Sowjetunion, das alles würde viel, viel mehr neutrale Staaten, und zwar nicht passive neutrale Staaten, sondern aktiv für die Menschenrechte eintretende neutrale Staaten erfordern als nur Österreich.


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