Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 10. Sitzung / Seite 110

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. Seine Redezeit beträgt 20 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

22.22

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Debatte ist wichtig, und zwar deswegen, weil wir uns heute damit auseinanderzusetzen haben, in welcher Form in Zukunft mit dem Instrument der Immunität umgegangen werden soll. Es hat heute schon sehr emotionale und erregte Wortmeldungen von diesem Pult aus gegeben; insbesondere vom Kollegen Stadler, aber auch – ich stehe nicht an, das festzustellen – Kollege Kostelka war gewissermaßen erregt. (Abg. Mag. Stadler : Bei ihm war es eine künstliche Erregtheit – wie immer!) Bei ihm handelt es sich vielleicht bereits um eine replizierende Erregbarkeit, und da besteht ein gewisser Unterschied: Denn wenn jemand provoziert und sich dann wundert, daß er die gebührende Antwort darauf bekommt, dann kommt mir das zumindest als ein wenig wehleidig vor. (Abg. Mag. Stadler : Wer wundert sich? Wir wundern uns nicht! Wir sind nichts anderes gewohnt!)

Einerseits geht es hierbei um das heikle Feld politischer Usancen, andererseits haben wir uns die Frage der Güterabwägung zu stellen. Denn wenn man den Artikel 57 der Bundesverfassung – um diesen geht es hier – mit Sorgfalt liest, dann sieht man, daß dort das Recht auszuliefern oder nicht auszuliefern zu allen Zeiten in der Disposition der Mehrheit dieses Hauses gestanden ist, daß es allerdings – und das ist nicht ganz unwichtig – eine ungebrochene Tradition der politischen Übung war, von diesem Recht nur so Gebrauch zu machen, daß grundsätzlich nicht ausgeliefert wird.

Nun kommen wir zu dem Befund, daß von dieser Übung hinsichtlich der außerparlamentarischen Immunität diesfalls von mehreren Kollegen unredlicher Gebrauch gemacht worden ist. In der Rechtsgüterabwägung ist die Frage zu stellen, was das schützenswerte Gut ist: Ist es die Immunität, die ein Recht des Hohen Hauses und nicht des einzelnen Abgeordneten und vielleicht auch ein Anspruch der Wähler ist, Menschen in dieses Hohe Haus zu wählen, die sich dann freimütig äußern können, oder ist es das Rechtsgut betroffener Bürger? In diesem Fall geht es um die Qualität der privaten Person und nicht um sonstige Eigenschaften dieser privaten Person. Ob diese private Person sonst reich, einflußreich oder mächtig ist, ist nicht das Thema. Das Thema ist vielmehr, daß sich ein Mitglied dieses Hauses einem Bürger gegenübersieht.

Das Strafrecht kennt auch diese Konstellation, nämlich in Form der Privatanklage. Wenn im Falle eines Privatanklagedeliktes der einzelne Bürger etwa zur Wiederherstellung seiner Ehre berechtigt ist und selbst als Ankläger im Strafprozeß auftreten kann, dann hat sich der Gesetzgeber des Strafgesetzbuches etwas dabei gedacht. Er war eben der Meinung, daß die freie Disposition des Bürgers die einzige Maxime sein soll, ob es zu einem Strafverfahren kommt oder nicht, in diesem Punkt herrsche die Offizialmaxime nicht vor, die bei sonstigen Delikten den Staatsanwalt im übrigen verpflichtet, von Amts wegen oder auf Ermächtigung einzuschreiten. Dieser Umstand hat es uns ermöglicht, nach reiflichen Überlegungen zu jenem Ergebnis zu kommen, das wir dann im übrigen auch in einem Initiativantrag niedergeschrieben haben, der diesem Hohen Haus bereits vorliegt und der inzwischen auch dem Verfassungsausschuß zugewiesen ist.

Wir waren der Meinung, daß es, wenn man zu dem Ergebnis kommt, daß die Immunität in ihrer bisherigen Struktur dadurch nicht funktioniert, daß Mißbrauch durch Beleidigungen getrieben wird und sich das Visavis nicht wirklich wehren kann, richtig und vernünftig wäre, nicht die Praxis, sondern in diesem Punkt den Artikel 57 der Bundesverfassung und den dazugehörigen § 10 des Geschäftsordnungsgesetzes zu ändern, indem man sagt: Dann, wenn es sich um strafbare Handlungen gegen die Ehre und um Privatanklagedelikte handelt, dann gibt es keine außerparlamentarische Immunität. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Ich teile nicht die Befürchtung jener, die meinen, daß das ein Dammbruch und besorgniserregend wäre. Ich bin der Auffassung, daß, sollte es zu einem Dammbruch kommen, der


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