Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 11. Sitzung / Seite 9

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Debatte über die Erklärung der Bundesregierung

Präsident Dr. Heinz Fischer: Wir gelangen nun zur Debatte über die Erklärung der Bundesregierung, und ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Haider das Wort.

9.11

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Entwicklung, die vor uns liegt, weist darauf hin, daß sich in den nächsten Jahren auch für Österreich sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich sehr vieles bewegen und auch verändern wird.

Es ist heute oft von einer Zeitenwende, vor der wir stehen, die Rede, was nicht nur damit zu tun hat, daß die Jahrtausendwende bevorsteht und der Zeitraum davor immer auch eine Zeit der Unsicherheit und der Verunsicherung ist, sondern vor allem damit, daß sich im Rahmen einer immer stärker vernetzten Weltwirtschaft ein Szenarium abzeichnet, das auch uns nicht ohne Sorge lassen kann. Es ist dies ein Szenarium, von dem wir wissen, daß auch in Österreich bei einer steigenden Arbeitslosigkeit die Tendenz zur Zweidrittelgesellschaft, in der nur mehr ein Drittel verläßliche und sichere Arbeitsplätze haben wird, fortschreitet.

Wir wissen aber auch, daß wir eine weitere Herausforderung zu bestehen haben insofern, als die Ostöffnung zu den Reformstaaten und zu weiteren Staaten des ehemaligen Ostblocks und Warschauer Paktes auch zu einer massiven Entindustrialisierung Österreichs führen wird.

Wir wissen darüber hinaus, daß es bei all der Perfektion des Wohlfahrtsstaates, wie wir ihn hier in Österreich haben, auch große Probleme der Verteilungsgerechtigkeit gibt, denn schließlich und endlich sind wir trotz des angeblichen Reichtums unserer Gesellschaft mit wachsender Armut in einem nicht mehr unbeträchtlichen Bereich unserer Bevölkerung konfrontiert. Gleichzeitig ist dieser Wohlfahrtsstaat aber auch sehr stark von Gruppenegoismus gezeichnet und in vielen Bereichen an den Grenzen seiner Finanzierbarkeit angelangt.

Die Gedanken und die Grundsätze der Marktwirtschaft, von der wir geglaubt haben, daß sie mit dem Fall des Eisernen Vorhanges sozusagen auch philosophisch-geistig den Sieg über die östliche Philosophie errungen hat, entpuppen sich immer mehr als ein zum Teil sehr gräßliches internationales Kartell, wo nicht mehr der Wettbewerb der Kleinen, sondern die Vorherrschaft der Großen den Markt, die Arbeitsplätze und die Möglichkeiten der Menschen bestimmt.

Auf diese Globalisierung hat der Herr Bundeskanzler gestern in seiner Regierungserklärung, wie ich meine, zu Recht hingewiesen. Für mich stellt sich aber die Frage, welche Konsequenzen er in seiner Regierungserklärung daraus ableitet. Kann es genügen, zu sagen, die Regierung habe sich entschlossen, über diese oder jene Frage zu diskutieren? Wäre es nicht richtig gewesen, Herr Bundeskanzler, uns wenigstens eine Konsequenz Ihres Erkenntnisprozesses darzulegen, eine Konsequenz, die für die Österreicher und für die Sicherheit der Menschen wichtig ist, nämlich zu sagen, wie es wirtschaftlich wirklich weitergeht?

Eine Globalisierung unserer ökonomischen Verhältnisse, der gigantische internationale Wettbewerb hätten es doch eigentlich erfordert, daß ein österreichischer Regierungschef sagt: Unsere Chance in der Zukunft liegt in erster Linie und vorrangig in einer klaren Schwerpunktbildung zugunsten der mittelständischen gewerblich-industriellen Wirtschaft in Österreich! Das sind nämlich jene Betriebe, die einen verläßlichen Anker für Arbeitsplätze und Sicherheit darstellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Das ist jener Mittelstand, Herr Bundeskanzler, den Sie gestern völlig ignoriert haben, der aber wirklich den Anker für Stabilität und Arbeitsplätze darstellt, jener gewerblich-industrielle Mittelstand, der in Österreich sozusagen die wirtschaftliche Struktur darstellt, der nicht heimatlos ist, der nicht wie die internationalen Konzerne heute da und morgen dort produziert. – Dazu möchte ich auch die von dieser Bundesregierung immer wieder stark favorisierte Firma Siemens zählen, die jetzt etwa mit 200 Ingenieuren in Indien das gesamte Software-Programm ihres Hauses produziert. Da ist nicht mehr von den gut ausgebildeten Österreichern die Rede, sondern es wird aus Kostengründen verlagert und bei uns zugesperrt und abgebaut.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite