Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 17. Sitzung / Seite 437

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Erinnerungsarbeit – das meine ich jetzt darauf bezogen –, die den Gedanken an den Holocaust aufrechterhält, ist Kulturarbeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Die unselige Geschichte – vor allem Auschwitz, ein realer Ort – markiert eine weltgeschichtliche Katastrophe. Sie ist eine weltgeschichtliche Katastrophe. Auschwitz steht nicht nur für die vielen Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten oder für die Kriegsverbrechen der nachfolgenden Zeit – ob in Vietnam, Kambodscha, Afghanistan oder sonst irgendwo –, es geht auch gar nicht um die Relativierung der furchtbaren Genozide dieses Jahrhunderts, weil man die Einmaligkeit dieses perfekt und industriell organisierten Massenmordes auch nicht relativieren kann, des Massenmordes an Millionen jüdischer Mitbürger, sondern Auschwitz steht auch ein wenig dafür, daß den Menschen der Grund für den Glauben an den Sinn der Geschichte abhanden gekommen ist, daß der Mensch lernfähig sei, daß die Geschichte irgend etwas lehren solle oder könne, daß Menschen nicht zur Unmenschlichkeit verführt werden, sondern daß in der Unmenschlichkeit manchmal der Sinn liegt.

Daher kann und muß Kulturpolitik stets dafür sorgen, daß der Mensch aus seiner geistig-seelischen Beliebigkeit, seiner Gleichgültigkeit und seiner Lethargie aufgerüttelt wird. Daher ist es Aufgabe der Kulturpolitik, Widerstand zu leisten – es ist schade, daß Herr Abgeordneter Krüger nicht hier ist – gegen das Vergessen, weil es Reflexion und Selbstreflexion braucht, weil es vor allem Aufklärung braucht und weil uns nichts zur Annahme berechtigt, daß nicht wieder kommen könne, was einmal gewesen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.10

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte.

14.11

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Aus dem Sparpaket beziehungsweise dem Belastungspaket geht eindeutig hervor, daß die Einsparungen im Schulbereich zur Gänze auf die behinderten Menschen und auf deren schulische Integration abgewälzt werden. Hatten wir es in den letzten Jahren schon geschafft, die schulische Integration in den Regelschulen und schrittweise in der Sekundarstufe einzuführen, so wird uns dieser Erfolg mit diesem Belastungspaket wieder zunichte gemacht.

Es ist klar ersichtlich, daß es jetzt in den Volksschulen nur mehr Restplätze für behinderte Menschen geben soll. Behinderte Kinder haben nur mehr dann das Recht auf einen Platz in einer Regelschule, wenn dieser Platz von niemand anderem eingenommen wird. Unser Recht auf schulische Integration wird uns Schritt für Schritt wieder abgesprochen. Unser Recht auf Bildung, unser Recht auf Gesellschaft und unser Recht darauf, mitgestalten zu können, wird uns auch in diesem Bereich wieder Schritt für Schritt entzogen.

Frau Ministerin! Ich weiß nicht, ob Sie die Salamancer-Erklärung aus dem Jahr 1994 kennen. In dieser Erklärung, die von der UNESCO erstellt wurde, steht ganz eindeutig, wohin der Weg gehen soll, was schulische Integration bedeutet, und welche Rahmenbedingungen man für schulische Integration braucht. Österreich distanziert sich mit dem Belastungspaket von diesem Papier. Österreich ist nicht bereit, nur ein wenig im Bereich der Schule umzudenken. Für Österreich wird es weiterhin ein Fremdwort bleiben, neue Wege in der Pädagogik für besondere Bedürfnisse einzuschlagen, obwohl auch Österreich dieses Papier unterschrieben hat. Österreich hat aber in den letzten Jahrzehnten viele Papiere und Chartas für behinderte Menschen unterschrieben und niemals eingehalten.

Das Jahr der Behinderten – in Österreich wurden die Behinderten auf vielfältigste, manchmal sogar auf sehr unschöne Art und Weise vermarktet – hat auch in Österreich nichts gebracht. Das Jahr der Behinderten war vergangen, und alle Ziele und Bekenntnisse, die man sich in diesem Jahr für behinderte Menschen gesetzt hat, waren nach diesem Jahr vergessen. Nie wieder ist irgendeine Forderung, die in diesem Papier gestanden hat, auch nur ansatzweise von der Bundesregierung angesprochen worden. Jetzt stehen wir vor dem Dilemma.


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