Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 118

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Vielleicht denken Sie an eine umgestaltete Hörer- und Sehervertretung. Da tritt aber das nächste Problem auf: Wie verhalten sich die Kompetenzen zwischen dem Aufsichtsrat und der weiterentwickelten Hörer- und Sehervertretung? Was ist im Konfliktfall, wenn die einen das Ziel Objektivität, Kulturauftrag verfolgen, und die anderen sagen: Das ist nicht wirtschaftlich im konkreten Fall, die Quote spricht dagegen? Wer löst diesen Konflikt? Da zeigt sich, daß da das Aktienrecht nicht sehr gut geeignet ist.

Und schließlich: Was geschieht mit dem Unternehmen, das wirtschaftlich geführt sein will – und hoffentlich auch wird –, wenn aber trotzdem ein Defizit entsteht oder gar Illiquidität des Unternehmens? Wer haftet dann? Gibt es dann für den Eigentümer eine Nachschußpflicht? Muß dann die öffentliche Hand in Bundes- oder Landesgestalt die Verluste abdecken – ja oder nein? Oder sagen wir dann: Na gut, probieren wir es über die Gebühren? Die Gebühren werden aber in einem schrumpfenden Markt des ORF – denn das ist vorauszusehen aufgrund der allgemeinen Entwicklung – wahrscheinlich irgendwann den politischen Sinn verloren haben, irgendwann wird die Gebührenphilosophie zu Ende gehen. – Also auch da wiederum dasselbe Problem, daß die Rechtsform des Aktienrechtes in einem Widerspruch steht.

Weiters: Die Eigentümervertreter sollen vom Bund, also von der Bundesregierung und von den Landesregierungen nominiert werden. – Ich mißtraue allen Beschwörungen, in denen es heißt: Es wird ein unabhängiger Aufsichtsrat sein, ein Aufsichtsrat, der nur das wirtschaftliche Interesse – was mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag ist, ist ein bisserl unklar – im Auge hat, es werden Experten sein und so weiter.

Meine Damen und Herren! Wo immer parteipolitische Gremien Repräsentanten – wie in diesem Fall die Bundesregierung und die Landesregierungen – in einen Aufsichtsrat entsenden, wie er da vorgesehen ist, weiß man, es wird ein parteipolitisches Gremium sein. Und das ist die größte Herausforderung: Diese Entwicklung des ORF, im Gewande des Aktienrechtes an das Eigentum des Bundes und der Länder gebunden, mit den entsprechenden Aufsichtsratstrukturen, ist aufgrund österreichischer Erfahrungen geradezu die Garantie dafür, daß der ORF damit wieder voll an die parteipolitische Kandare genommen wird. Und dem ist mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Medienpolitische Fragen sind Machtfragen, und Machtfragen sind für uns Demokratiefragen. Wir haben den Eindruck, daß einerseits aus Angst vor den Medienkonzentrationen und andererseits, weil es so praktisch ist, ein doch irgendwo staatlicher und daher parteipolitischen Zugriffen zugänglicher ORF eine für Mächtige in diesem Land ganz praktische Situation ist. Nur für die Demokratie ist es nicht gut. Und vor allem ist es nicht gut, daß hier droht, daß eine große Koalition, wie schon gehabt, sehr rasch und ohne grundsätzliche Diskussion, ohne Aufsuchen von Alternativen eine derartige Entscheidung einfach über den Tisch trifft.

Herr Bundeskanzler! Wir haben diese dringliche Anfrage gestellt, um die dringend notwendige medienpolitische Grundsatzdiskussion einzuleiten und zu verstärken. Wir haben Ihnen eine Reihe sehr, sehr konkreter Fragen gestellt. Ich glaube nicht, daß Sie sagen können, daß sie "wadlbeißerisch" sind oder sonst irgendwas. Es sind drängende medienpolitische Fragen, und wir bitten Sie, sie sehr konkret zu beantworten. Wir werden dafür sorgen, daß in Österreich die demokratiepolitisch wichtige Medienpolitik nicht unter der Tuchent der großen Koalition betrieben wird.

Medienpolitik ist Bestandteil demokratisch-politischer Kultur, und so müssen wir als Parlamentarier damit umgehen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

16.38

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Beantwortung der gestellten Anfrage hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

16.38

Bundeskanzler Dkfm. Dr. Franz Vranitzky: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dringliche Anfrage der Abgeordneten des Liberalen Forums gibt mir Gelegenheit zu einigen grundsätzlichen Anmerkungen zur Medienpolitik.


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