Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 34. Sitzung / Seite 85

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Es ist daher durchaus gerechtfertigt, wie auch die immer wieder auftretenden Fälle, daß Bezüge zu Unrecht ausgezahlt werden oder zu Unrecht Kürzungen unterlassen werden (zum Beispiel im Fall des stellvertretenden SPÖ-Klubobmannes Ewald Nowotny oder im Fall des früheren ÖVP-Vizekanzlers Josef Riegler), beweisen, von einem Vollzugschaos zu sprechen, für das die Untätigkeit des Bundeskanzlers verantwortlich ist.

Auch die in letzter Zeit bekanntgewordenen oben dargestellten Beispiele haben die Koalitionsparteien und die Bundesregierung nicht dazu veranlaßt, endlich tätig zu werden. Im Gegenteil, weil die Reformen "so schwierig" sind und die Abfertigungskaiser und Privilegienritter offenbar nicht auf ihre Vorrechte verzichten wollen, sollen sie offenbar auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.

War ursprünglich ein umfassender Initiativantrag zur Beschlußfassung noch in dieser Tagung des Nationalrates angekündigt worden, so wurde tatsächlich von den Klubchefs der Koalitionsparteien Kostelka und Khol ein Entwurf (245/A) vorgelegt, der neben einem besonders gefinkelten Vranitzky-Bonus (vgl. Hans Besenböck in der "WirtschaftsWoche" Nr. 27/1996) saftige Einkommensverbesserungen für die Nationalratspräsidenten und die Klubobleute inklusive der besonders üppigen Abfertigungs- und Pensionsregelungen für Regierungsmitglieder vorsah und darüber hinaus auch erhebliche Möglichkeiten der Einkommensverbesserung durch Spesen bei den Fahrtkosten, den sogenannten Fahrzeitausgleich, der für jede Stunde Fahrzeit in Höhe der durch 173,2 geteilten Summe des Gehaltes eines Beamten der Allgemeinen Verwaltung der Gehaltsstufe 5 der Dienstklasse VII und der für diesen vorgesehenen Verwaltungszulage gebührt, den Ersatz von Wohnkosten in Wien in Höhe von rund 11 200 S sowie unbegrenzte Kosten für ein Büro am Mittelpunkt der politischen Tätigkeit jedes Abgeordneten vorsah. Wegen des vehementen Proteststurmes der Bevölkerung gegen diesen neuerlichen Versuch einer Selbstbedienung zu Lasten der Steuerzahler wurde der Entwurf, der bereits Gegenstand der Beratungen des Verfassungsausschusses am 2. Juli 1996 gewesen war, noch abgeschwächt. Dabei wurden im wesentlichen nur die Einkommensverbesserungen für die Nationalratspräsidenten und die Klubobleute korrigiert sowie der Ersatz der Wohnkosten für die außerhalb Wiens wohnhaften Abgeordneten auf 5 600 S reduziert. Auch die Möglichkeit, auf Pensionen nach dem Bezügegesetz zu verzichten, wurde auf Mandatare, die ab 1. August 1996 ihre Funktion antreten, beschränkt.

Insgesamt hat sich bei den Vorgängen um diesen Entwurf gezeigt, daß die Spitzen der Koalitionsparteien nicht nur unfähig, sondern auch gar nicht willens sind, die Politikerprivilegien auszuräumen. Die wesentlichen Kritikpunkte bleiben nämlich völlig unberührt:

die Politikerbezüge gebühren unabhängig von der individuellen Leistung;

die Frage der Angemessenheit der Bezüge wird überhaupt nicht aufgeworfen;

ungerechtfertigte Doppelbezüge werden auch weiterhin möglich sein, weil die für Beamte vorgesehene Regelung eine echte Leistungskontrolle nicht vorsieht;

Abfertigungen werden in unveränderter Höhe weitergezahlt;

die Pensionsregelung wird im Ergebnis für einzelne Mandatare noch verbessert, da sie für ihre Beamtenpensionen nach Erreichen der Höchstbemessungsgrundlage keinen Pensionsbeitrag mehr zahlen müssen, und

Funktionäre und Dienstnehmer der Interessenvertretungen, der Sozialversicherungsträger, der Nationalbank und anderer von den Gebietskörperschaften beherrschten Unternehmen werden weiterhin ungekürzte Mehrfachbezüge beziehen können.

Dieser Entwurf ist eine Zumutung für alle Österreicherinnen und Österreicher und wird zu deren Politikerverdrossenheit einen weiteren nicht unwesentlichen Beitrag leisten. Ein neuerlicher Aufschub einer grundlegenden Reform der Politikerbezüge kann nicht hingenommen werden.


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