Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 48

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sorgen. Diese ist aber eines der wesentlichen Elemente, die ich benötige, um bei Vertragsverhältnissen, bei denen ein sehr starker Vertragspartner einem möglicherweise wirtschaftlich schwächeren Vertragspartner gegenübersteht, für Sicherheit und Gerechtigkeit zu sorgen.

Die erste Voraussetzung ist Transparenz des Rechtes, und diese wird hier zerstört. Daher meine ich, daß man diese meine Befürchtungen, die ich hier mit Ernst vortrage, mehr beachten sollte als bisher und sich von dieser Anlaßgesetzgebung lösen sollte. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Man kann anhand von zwei Argumenten deutlich machen, daß es sich um Anlaßgesetzgebung handelt. Ich meine: Der Anlaß, der im Vordergrund gestanden ist, ist unübersehbar – er wird nur nicht zugegeben –: Geldbeschaffung. Der Anlaß für diese Gesetze ist Geldbeschaffung. Nach vorne gestellt werden: mehr soziale Gerechtigkeit, Abbau von Mißbrauch, sozialer Schutz; das ist die vordere Fassade. Einige Elemente davon sind nicht ganz falsch. Es ist nicht so, daß ich betreiten will, daß diese Anliegen auch vorhanden sind, nur: So wie es gemacht wurde, werden ihnen in keiner Weise entsprechend Rechnung getragen. Ich werde das argumentieren. (Zwischenruf des Abg. Dr. Feurstein .) Kollege Feurstein ist vielleicht der Meinung, das sei oppositionelle Polemik. Das ist nicht oppositionelle Polemik! (Abg. Dr. Feurstein: Nein, habe ich nicht gesagt! Das Gegenteil habe ich gesagt!) Ich wollte es Ihnen nicht unterstellen. Aber ich meine, der tatsächliche Anlaß ist Geldbeschaffung, und das läßt sich lückenlos nachweisen, wenn man das Gesetz analysiert. ( Abg. Mag. Barmüller: Panikartige Geldbeschaffung!)

Darüber hinaus ist der strukturelle Fehler, der darin verborgen ist, der, daß man versucht, Vertragsverhältnisse, die sich eben in der freien Gestaltung entwickelt haben und ihre Probleme mit sich tragen – das gebe ich offen zu –, zwangsweise an die Rechtsfigur des Vollarbeitsverhältnisses zu koppeln, also die Koppelung von sozialer Sicherheit und Erwerbsarbeit unter allen Umständen und um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Es ist das genau das Gegenteil dessen, was man aufgrund der Analyse der Probleme machen müßte. Statt soziale Sicherheit und Erwerbsarbeit zu entkoppeln, wird eine zusätzliche Zwangskoppelung vorgenommen und so getan, als wären diese Vertragsverhältnisse, die jetzt sozialversicherungspflichtig gemacht werden, in ihrer großen Zahl sozusagen Vollerwerbsverhältnisse, was sie nicht sind.

Ich meine daher, daß sich da ein bestehendes System, eine bestehende Struktur um jeden Preis reproduziert, statt sich zur Diskussion zu stellen. (Beifall beim Liberalen Forum.) Statt sich darum zu bemühen, die eigentlichen Anliegen, die man damit erreichen will, klar herauszustellen und dann völlig leidenschaftslos darüber zu diskutieren, welche Werkzeuge die geeignetsten sind, um diese Anliegen zu verwirklichen, werden die Werkzeuge diskutiert und wird so getan, als würde man sich um die Anliegen kümmern. Und das ist von Grund auf falsch! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Warum habe ich gesagt, daß das Anliegen von mehr sozialer Sicherheit, mehr sozialem Schutz – Frau Kollegin Reitsamer hat das erwähnt – und der Kampf gegen den Mißbrauch im Bereich von Beschäftigungsverhältnissen nur zum Teil glaubwürdig sind, wenn überhaupt? – Hätten Sie tatsächlich die Absicht gehabt, die Mißbrauchsproblematik in den Griff zu bekommen, die es selbstverständlich gibt – selbstverständlich gibt es auch die mißbräuchliche Gestaltung von Rechtsverhältnissen; das ist gelebter Alltag –, dann hätten Sie sich darauf konzentriert, im Wege der Gebietskrankenkassenprüfungen echte Dienstverhältnisse, die eben als Werkverträge getarnt waren, aufzuspüren und sozialversicherungspflichtig zu machen. Das ist Punkt 1.

Punkt 2: Wenn Ihnen das ein Anliegen gewesen wäre, hätten Sie die Ausnahmebestimmungen für die Wirtschaftsförderungsinstitute, die BFIs und die Volkshochschulen nicht im Gesetz bestehen lassen. Diese Ausnahmen, die älter sind als das Strukturanpassungsgesetz – das ist sozusagen ein nachlaufendes Altprivileg –, hätten mit einem Federstrich entfernt werden können, indem man die entsprechende Ziffer im § 5 des ASVG gestrichen hätte. Aber da wurde auf einmal das Argument gebracht: Dadurch wird doch die Erwachsenenbildung vielleicht finanziell unter Druck kommen. Das ist wohl wahr, aber bei allen anderen Bereichen, die mindestens ebenso unter Druck kommen – sei es die freie Kulturszene, seien es die privaten Bildungseinrichtungen, seien es andere vergleichbare Felder –, war Ihnen das völlig gleichgültig. Ich meine,


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