Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 58

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fertigen sind! Wenn wir an eine Gruppe von Werkvertragnehmern in Österreich denken, die im Mittelpunkt einer solchen Regelung hätte stehen müssen, dann waren es immer die Kolporteure. Wenn man von Werkvertragnehmern in Österreich gesprochen hat, von arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen, dann waren es immer die Kolporteure, über die geredet wurde. – Genau diese Gruppe aber haben Sie ausgenommen.

Es macht keinen Sinn und eröffnet keine Perspektive – außer der, daß man sich Kosten ersparen will –, daß man die im Bereich BFI und WIFI Beschäftigten davon ausnimmt, weil es sich hier – was durchaus begründbar und logisch ist – um Personen handelt, die hauptsächlich von staatlichen Subventionen leben und das eigentlich nur ein Herumtäuscheln von einer Tasche in die andere wäre, wenn die 30 Prozent Mehrkosten dann der Sozialminister tragen müßte, obwohl er natürlich auch das Geld dafür nicht hat.

Ich meine, mit diesen zahlreichen Ausnahmen in diesem Bereich, die schon in der ersten Regelung, im Strukturanpassungsgesetz, festgeschrieben wurden, ist der erste große Sündenfall passiert.

Der zweite große Sündenfall ist meiner Ansicht nach ein struktureller. Er liegt im Denken begründet, daß es möglich sein müßte, ein Sozialversicherungsrecht, das eigentlich nur für Vollzeitarbeitsverhältnisse funktioniert und schon schlecht funktioniert für Arbeitsverhältnisse, die nicht vollzeitlich sind – Teilzeitarbeitsverhältnisse, beispielsweise bei der Pension, aber auch bei Arbeitslosigkeit –, über eine Werkvertragssituation zu stülpen, die sich eigentlich jeder klaren Definition und jeder klaren Regelung, zumindest wenn wir das bestehende Arbeitsrecht hernehmen, entzieht. – Das war der erste große Irrtum, Herr Minister, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir hätten hier die Chance gehabt und sie auch nützen können und müssen, hier prinzipiell einen Neuentwurf des österreichischen Sozialversicherungswesens zu diskutieren, anzudiskutieren, wie wir die Sozialversicherung im Jahr 2000, im Jahr 2100 gestalten wollen.

Klar ist: Die Beschäftigungsverhältnisse von Österreicherinnen und Österreichern werden sich genauso wie die von allen anderen Europäern und Leuten in hochentwickelten Industrieländern in den nächsten 50 Jahren grundsätzlich verändern. Es wird nicht mehr die Möglichkeit für alle geben, vollzeitbeschäftigt und 35 oder 40 Jahre in einem Beschäftigungsverhältnis tätig zu sein. Auch wenn wir uns das wünschten: Das wird es nicht mehr geben. Es wird sehr prekäre Verhältnisse geben – auch wenn wir uns das nicht wünschen. Es wird Verhältnisse geben, wo man von einem Job zum anderen wandert, aber es wird nicht mehr diese durchgängigen Beschäftigungsverhältnisse geben.

Was wir dringend notwendig hätten, wäre eine Diskussion darüber, hier an dieser Stelle: Was tun wir, um den Österreicherinnen und Österreichern – und die Zahl derer, die in solchen Verhältnissen arbeiten müssen, ist zunehmend – einen Schutz zu geben, ihnen die Angst zu nehmen, daß sie ein Leben ohne Pensionsaussicht führen müssen, daß sie, wenn sie aus diesem prekären Beschäftigungsverhältnis herauskommen, nicht völlig im Nichts landen? Was tun wir? Diese Fragen hätten wir uns stellen müssen.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Die Regelung, die Sie im Zusammenhang mit den Werkverträgen beschließen, versucht zwar, dem für eine bestimmte Gruppe Rechnung zu tragen, allerdings mit vielen Ausnahmen, mit vielen Lücken und mit teilweise verheerenden Ergebnissen. Verheerend insofern, als die Regelung, die Sie heute beschließen wollen, dazu führen wird, daß sich nur eine Gruppe über gesicherte Beschäftigungsverhältnisse freuen kann, nämlich die Gruppe der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater. Diese Gruppe hat jetzt für Jahre wirklich gesicherte Beschäftigungsverhältnisse, weil sie immer wieder gefordert werden wird von den Werkvertragsnehmern hinsichtlich der Beratung und der Möglichkeiten der Umgehung dieser Regelung.

Diese Regelung, die Sie heute beschließen, wird die Möglichkeiten der Umgehung von sozialrechtlichen Absicherungen für prekäre Beschäftigungsverhältnisse erweitern. Sie wird dazu führen, daß man sich sehr genau anschauen wird, was man tun kann, um diese Regelungen zu


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