Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 117

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Sie haben sie nämlich entsorgt in einem Unterausschuß, der ad hoc eingerichtet wurde, ohne daß das vorher je abgeklärt oder abgesprochen worden wäre. In diesem Unterausschuß wurden nicht nur jene 350 000 Unterstützer und Unterstützerinnen des Volksbegehrens für die Aufrechterhaltung der Neutralität mit ihrem Antrag entsorgt, in diesem Unterausschuß wurde auch ein Antrag der liberalen Fraktion auf WEU-Beitritt entsorgt. Und ein anderer Antrag der Freiheitlichen betreffend den NATO-Beitritt wurde von der Tagesordnung genommen und vertagt.

Jetzt geht es nicht darum, daß ich die Anträge der anderen Oppositionsparteien verteidigen möchte – vor dem Hintergrund, den ich habe, sind sie nicht das, was ich will –, aber es geht um die Vorgangsweise, die hier gewählt wurde: Man meidet bewußt eine Debatte über einen ganz wichtigen zentralen politischen Punkt, nämlich über den Beitrag zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Man meidet die Debatte darüber, wie sich Österreich entscheiden soll, was die Optionen sind, und glaubt offensichtlich, dieses Thema Neutralität schlicht und einfach aussitzen zu können. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten des Liberalen Forums sowie des Abg. Dr. Graf. )

Wenn Sie nicht gewillt sind, in einem Ausschuß und in einer Plenardebatte dieses Thema zu diskutieren, dann müssen wir dieses Thema eben im Zuge einer dringlichen Anfrage hier einbringen und hier diskutieren.

Es geht um die Frage der NATO, der WEU; die NATO hat sich auf den Weg gemacht, eine andere zu werden. Bundespräsident Klestil sieht das bereits als ein Ergebnis, sie ist eine andere. Diskutieren wir doch darüber: Was hat sich denn wirklich geändert an diesem Bündnis? Was ist anders geworden, das Sie dazu bewegt, zu dieser Schlußfolgerung zu kommen? Was hat sich am Bedrohungsszenario in Europa geändert? – Ich weiß schon, Sie argumentieren damit, daß sich seit dem Fall des Eisernen Vorhanges 1989, seit der Auflösung des Warschauer Paktes einiges bezüglich der Optionen geändert hat. Sie tun aber immer so – und das ist einer der großen Mythen, die mit der NATO verbunden sind –, als wäre die NATO immer nur ein reines Verteidigungsbündnis gewesen für Europa, für Westeuropa gegenüber dem Warschauer Pakt.

Das stimmt aber nicht, wie Sie sehen können, wenn Sie sich die Geschichte der NATO genau anschauen. Die NATO war immer auch eine Interventionsstreitkraft, die NATO war verwickelt in Interventionen auch außerhalb Europas, nur ein Beispiel: Vietnam. Die NATO hat Hilfe geleistet, etwa logistische Hilfe für totalitäre Regime. Sie hat sehr wohl in den verschiedenen Bereichen, vor allem auch in den logistischen Bereichen, eingegriffen und interveniert. Also dieser Mythos, daß die NATO ein reines Verteidigungsbündnis war, stimmt einfach nicht.

Ein anderer Mythos ist – der Klubobmann der ÖVP hat das erst neulich wieder in einem Kommentar beschrieben –, daß die NATO den Frieden in Europa gesichert hat. Wie hat denn die NATO den Frieden in Europa gesichert? Mit einer Rüstungsspirale, mit einer Abschreckungspolitik und -philosophie wurde nicht ein Frieden gesichert, sondern wurde gesichert, daß es zu keinem Ausbruch von militärischen ... (Abg. Scheibner: Wäre Ihnen das andere lieber gewesen?)

Nein, es wäre mir nicht lieber gewesen, aber man soll auseinanderhalten, was Frieden ist und was Abschreckung ist (Abg. Scheibner: Da gehören aber immer zwei dazu!), und man soll keinen Mythos bilden, als wäre die NATO eine Friedenstruppe. Das ist sie nicht, das war sie nicht, und das wird sie nie sein! (Beifall bei den Grünen.)

Was hat sich denn geändert? Nach wie vor besteht das Konzept der atomaren Abschreckung, des atomaren Ersteinsatzes. Und da frage ich Sie, Herr Bundeskanzler, wie Sie das vereinen können mit einem durchaus nationalen Konsens, daß es zu einer atomwaffenfreien Zone in Europa kommen soll, damit, daß sich Österreich nicht an Einsätzen mit atomaren Waffen beteiligen will und soll.

Bei all diesen Debatten, die Sie führen, wenn Sie sagen, die NATO habe sich auf den Weg gemacht, eine andere zu werden, unterlassen Sie es, darauf hinzuweisen, daß nach wie vor dieses Konzept der atomaren Abschreckung und des atomaren Ersteinsatzes weiter gilt.


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