Ich frage Sie: Gibt es heute weniger Atomraketen als vor 10 oder 20 Jahren? In keiner Weise gibt es weniger. Die Vernichtungsgefahr ist dieselbe geblieben wie vor 10 oder 20 Jahren. Ebenso ist die Philosophie – um noch einmal darauf hinzuweisen –, die hinter einem Militärbündnis steht, das sich immer als Interventionsstreitkraft verstanden hat, dieselbe.
Seit den achtziger Jahren wird auf der Ebene der Europäischen Union über die Out-of-area-Einsätze diskutiert. Das sind also jene Einsätze, die in anderen Ländern außerhalb Europas stattfinden – sie sind inzwischen auch beschlossen –, zur Wahrung und Sicherung der Interessen Europas, wenn es um die Sicherung der Rohstoffe geht. Das hat nichts mit Verteidigung zu tun, das hat überhaupt nichts mit Frieden zu tun, das sind klassische Interventionseinsätze.
Daher noch einmal die Frage: Was hat sich denn Ihrer Meinung nach geändert? Wenn Sie von einem Bedrohungsszenario reden und wenn Sie davon reden, daß sich dieses Bedrohungsszenario verändert hat, dann reden wir darüber, was und wo die Bedrohungen Europas heute sind. Diese "Bedrohungen" – unter Anführungszeichen –, die wir heute haben, das sind Krisenanfälligkeiten auf sozialer Ebene, auf wirtschaftlicher Ebene, auf demokratischer Ebene, die sicher einige Länder des früheren Ostens haben. Aber die Frage ist, ob es richtig ist, darauf mit Waffen, mit einem Militärbündnis, mit einer Interventionsstreitkraft zu antworten.
Wie schauen denn Ihre Bedrohungsszenarien aus, wenn es zu einer Osterweiterung kommt? Wie schauen denn Ihre Bedrohungsszenarien aus, wenn sich die NATO heute bis an die russische Grenze erstreckt? Ist für Sie Rußland wirklich das Bedrohungsszenario? Oder wo hört denn diese NATO-Grenze auf, daß Sie sagen können, die Sicherheit ist jetzt hergestellt? Oder wie definieren Sie die Bedrohung? Auf das alles gehen Sie nicht ein. Warum? – Sie wollen gar nicht darauf eingehen, Sie wollen darstellen: Die NATO hat sich auf den Weg gemacht, eine andere zu sein. Die NATO ist eine andere, sie ist heute eine Friedenstruppe, die uns den Frieden bringt.
Sie vergessen aber, darauf einzugehen und zu erwähnen, daß sich an der Konzeption, daß sich an der Rüstung, daß sich an der Stärke, an der Ausrichtung dieses Militärbündnisses im Prinzip nichts geändert hat.
Zum nächsten: zur Einschätzung des Beitrittes zur Westeuropäischen Union. Da, denke ich, ist die Einschätzung der ÖVP, auch des Klubobmannes Khol, durchaus richtig: Die Westeuropäische Union ist das Vorzimmer der NATO. Mehr denn je, vor allem nach dem Berliner Gipfel ist es klar – auch hier hat Bundespräsident Klestil recht –: Westeuropäische Union und NATO sind eine Einheit.
Sie aber, Herr Bundeskanzler und einige Vertreter Ihrer Fraktion, tun gerne so, als wäre die Westeuropäische Union das harmlosere Bündnis, denn da ist das alles noch nicht so genau festgelegt, alles noch offener und nicht so klar. Daher ist es momentan nicht so gefährlich, das in die Diskussion einzubringen, als wäre das eine Option. Sie unterlassen es hier genauso, darauf hinzuweisen, daß eben die Westeuropäische Union nichts anderes ist als das Vorzimmer der NATO.
Sie und auch die Vertreter der beiden Koalitionsparteien reden in Ihren Erklärungen immer wieder so rühmend von den Petersberger Erklärungen und davon, wie wichtig es für ein Land wie Österreich ist, im Rahmen dieser Petersberger Erklärungen auch seinen Beitrag zu leisten.
Sie erwähnen dann im Zusammenhang mit diesen Petersberger Erklärungen immer die humanitären Aufgaben, die Rettungseinsätze, die friedenserhaltenden Aufgaben. Sie vergessen auch hier zu sagen: Der zweite Teil dieser Petersberger Aufgaben – und den erwähnen Sie nie – sieht nämlich Kampfeinsätze zur Krisenbewältigung und eindeutig auch Peace-making vor, also Kampfeinsätze zur Herstellung des Friedens. (Abg. Dr. Frischenschlager: Das hat der Pilz immer verlangt!) Was immer das heißen mag, es ist eben offen. Und vergessen Sie nicht, daß das im Lichte der letzten Entwicklungen bedeutet, daß solche Einsätze auch unter dem atomaren Schirm durchgeführt werden können und sollen und gewollt sind. Aber das erwähnen Sie nicht. Sie tun immer so, als würde es sich hier um eine humanitäre Organisation handeln. (Beifall bei den Grünen.)