Ihr Regierungskollege von der anderen Koalitionspartei, der ÖVP, Verteidigungsminister Fasslabend, ist da direkter. Er spricht davon, daß die EU-Länder im Fall eines militärischen Angriffes eine gegenseitige Beistandspflicht eingehen sollen. Er begrüßt diese Äußerung Ihres Spitzenkandidaten Swoboda und meint, es seien jetzt grundsätzlich Überlegungen anzustellen, zu einer Stärkung der europäischen Verteidigungsidentität zu kommen.
Im folgenden Zitat vom 3. Juli spricht er davon, daß die Neutralität allmählich wirkungslos und überflüssig wird und daß Österreich sich eine Entscheidung über die weiteren Schritte vorbehalten beziehungsweise diese Entscheidung noch vor einer Beschlußfassung der NATO über die Osterweiterung, die Anfang 1998 stattfinden wird, fällen wird. Österreichs Neutralität wäre jedenfalls mit zunehmender Integration allmählich wirkungslos und überflüssig.
Interessanterweise ist dieses Zitat in einer Presseaussendung zu finden, in der es vor allem um die Grundsatzentscheidung eines weiteren Ankaufes von Waffen beziehungsweise einer weiteren Aufstockung von Militärmitteln im österreichischen Bundesheer geht. Das zeigt schon einen der Zusammenhänge in dieser Debatte auf, wie eng verflochten die Frage eines Beitritts zu einem Militärbündnis, die Frage der Aufrechterhaltung der Neutralität und die Frage der Rüstung und der Aufrüstung, Waffenhandel und Rüstungsproduktion überhaupt ist.
Diese Debatte hat, wie ich eingangs gesagt habe, am Wochenende wieder einen Höhepunkt und weitere Aktualität erreicht, als unser Bundespräsident gesagt hat, wir hätten 50 Jahre lang unsere Rolle gespielt, die der Neutralität. Nun hätte sich das komplett geändert und Österreich suche eine neue Rolle in Europa. Der Osten ist nicht mehr der Osten des kalten Krieges, die NATO ist nicht mehr die NATO des kalten Krieges, und die Neutralität ist nicht mehr die Neutralität. Ein sehr einfaches Weltbild scheint sich dahinter zu verbergen, und die Frage wirft sich auf, ob unser Bundespräsident sich mit diesen Äußerungen überhaupt noch im Verfassungsbogen, den sein Klubobmann in anderen Fällen immer gerne auslegt, befindet. (Beifall bei den Grünen.)
Aber, Herr Bundeskanzler, Sie haben an diesem Wochenende mit Ihrer Reaktion auf diese Äußerungen des Bundespräsidenten auch aufhorchen lassen. Sie haben eine klare Distanzierung, um nicht zu sagen, Kritik diesen Äußerungen gegenüber vermissen lassen. Aber Sie haben nicht nur diese Distanzierung vermissen lassen, sondern Sie haben in Ihrer Aussage dem Bundespräsidenten sogar insofern recht gegeben, als Sie gesagt haben, die NATO hätte sich auf den Weg gemacht, in acht bis zehn Jahren eine andere NATO zu sein. (Abg. Hans Helmut Moser: In vier Jahren!)
Das läßt aufhorchen, denn bisher war Ihre Haltung eine andere. Ich zitiere aus einer Wahlkampfbeilage der Zeitschrift "International", die, glaube ich, jeder Abgeordnete bekommt. In dieser letzten Nummer hat die SPÖ eine mehrere Seiten umfassende Propagandainformation über ihre Haltung und Meinung zur Europäischen Union veröffentlicht. In dieser Beilage schreiben Sie und Ihre Partei noch ganz beruhigend: Die SPÖ plädiert für die Beibehaltung der Neutralität und hat auf EU-Ebene massive Bemühungen unternommen, das Thema Beschäftigungspolitik zum Inhalt der Konferenz zu machen. Weiters meinen Sie, daß es Ihrer Meinung nach darum geht, ein sicheres und soziales Europa zu schaffen, und daß es nicht darum geht, der NATO oder WEU beizutreten.
Durch diese Diskrepanz zwischen einer Wahlkampfinformation, die erst jetzt in die Hände einer durchaus erklecklichen Anzahl, so nehme ich an, von Wählerinnen und Wählern kommt, und Ihrer Haltung und Meinung zu den Äußerungen des Bundespräsidenten Klestil ergibt sich allerdings einiger Erklärungsbedarf. Das ist auch die Begründung der Dringlichkeit unserer Anfrage. Wir denken, es geht nicht länger an, daß Sie in einer derart schlampigen Art und Weise – und ich möchte das wirklich so bezeichnen – mit einer Verfassungsbestimmung umgehen, daß Sie in einer derart unzulässigen, fast skandalösen Art und Weise eine Debatte in Österreich nicht führen, die zu führen an und für sich höchst an der Zeit ist, nämlich: Wie schaut der österreichische Beitrag zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlich aus?
Ich möchte Sie nur erinnern: Erst vor einigen Tagen haben wir im Außenpolitischen Ausschuß erlebt, wie die Koalitionsparteien mit dieser sehr, sehr wichtigen und sensiblen Frage umgehen.