Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 115

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16.00

Abgeordnete Mag. Doris Kammerlander (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Tagen zieht sich ein Schauspiel durch die österreichischen Medien, das wir eigentlich schon fast gewohnt sind, denn seit Monaten, ja fast seit Jahren, geht es darum, wie die Weichenstellung und die Zukunft für Österreich im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aussehen werden, welche Optionen die Bundesregierung diesbezüglich aufstellt und wie die Regierung – allen voran Sie, Herr Bundeskanzler – denn gedenkt, mit der Frage der immerwährenden Neutralität Österreichs zu verfahren.

Vielfach wird dieses Schauspiel auch kommentiert und durchaus zu Recht als Eiertanz bezeichnet, den Sie hier aufführen, der immer anders ausschaut, je nachdem, welche Regierungsvertreter in Brüssel oder in Wien sprechen und österreichische Interessen vertreten.

Lassen Sie mich daher zu Beginn eine Reihe von Zitaten bringen, die beleuchten und untermauern, wie unterschiedlich hier die Auffassungen und Interessen Österreichs vertreten werden.

Beginnen möchte ich mit dem Spitzenkandidaten der SPÖ für die Europawahlen, Stadtrat Swoboda, der erst vor kurzem wieder gesagt hat: Wir anerkennen die NATO als militärische Organisation und auch in ihrer Bedeutung für Sicherheit und Frieden. Interessanterweise hat er dann noch eine eigentümliche Definition hinzufügt, indem er gesagt hat: Wo die Europäische Union ist, herrscht Frieden, wo die Union noch nicht ist, gibt es Konflikte und Spannungen. – Das scheint seinen Hintergrund zu beleuchten, wenn es um die Sicherheitspolitik geht, die im übrigen in seinen Ausführungen überhaupt sehr widersprüchlich gerät.

Etwas später hat er gesagt: Man kann nicht wegschauen, wenn ein anderer angegriffen wird. Und weiters: Ich kann mir vorstellen, daß Österreich in einem neuen europäischen Sicherheitssystem die gleiche Position hat wie andere Länder.

Die Neutralität hat er folgendermaßen definiert: Ich möchte eine offensive und flexible Neutralität.

Eine solche Begrifflichkeit von "offensiv" und "flexibel" ist offensichtlich wirklich notwendig, wenn man seine Meinungsschwankungen in den letzten Monaten verfolgt, denen er im Zusammenhang mit diesem Thema unterlegen ist.

Am 12. Juni äußerte sich der SPÖ-Spitzenkandidat folgendermaßen: Die EU-Länder sollten eine gegenseitige Beistandspflicht im Falle eines militärischen Angriffes eingehen, und da sei es selbstverständlich, daß man sich im Verteidigungsfall innerhalb der Europäischen Union gegenseitig zu Hilfe kommt. Zur Verstärkung noch: Es gehe keinesfalls darum, daß sich die Neutralen die Extrawürste herausklauben könnten.

Da ist ihm jedoch ein Widerspruch zu einer anderen Äußerung aufgefallen, die er in einem Streitgespräch mit dem grünen Spitzenkandidaten zur Europawahl, Johannes Voggenhuber, getätigt hat, nachzulesen im "NEWS", wo er auf die Frage, ob eine Volksabstimmung notwendig ist, wenn die Neutralität aufgegeben wird, gesagt hat: Wenn die Regierung der Meinung ist, daß die Neutralität aufgegeben werden sollte, sollte das Volk befragt werden. Dieser Widerspruch scheint ihm aufgefallen zu sein, als er zur Beistandspflicht aufgerufen und davon gesprochen hat, daß sich die Neutralen keine Extrawürste herauspicken dürften. Denn am selben Tag hat er seine Erklärung bereits wieder abgeschwächt und gemeint, daß natürlich die Neutralität damit nicht in Frage gestellt werden dürfe und daß seine Aussage über eine Beistandspflicht nur für einen Extremfall gelten dürfe. Das alles sollte man unter dem Licht sehen, daß er die Neutralität als flexibel definiert. – Da braucht man wirklich einigermaßen Flexibilität, um dem noch folgen zu können.

Oder aber – und das scheint auch sehr logisch zu sein, verfolgt man die Politik der SPÖ überhaupt in dieser Frage – Sie versuchen hier einen Spagat, der nicht gelingen kann, einen Spagat zwischen einem Beitritt zur NATO, zur Westeuropäischen Union und der Aufrechterhaltung der Neutralität. Diesen Spagat versuchen Sie offensichtlich noch bis zur Europawahl zu halten, um damit auch ganz wichtige Wählersegmente abzudecken, um zumindest den Schein zu wahren, als würden Sie die Neutralität nie wirklich in Frage stellen. (Beifall bei den Grünen.)


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