Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 121

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Österreich hat aber diesen Anspruch überhaupt nicht für sich erhoben. Österreich hat sich einfach den Vorschlägen Deutschlands angeschlossen, den Vorschlägen der Mehrheit der anderen Länder angeschlossen. Österreich hat es am 6. Juni in Brüssel wieder einmal verabsäumt, irgendwelche eigenen Vorstellungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einzubringen. (Beifall bei den Grünen.)

Gleichzeitig versichern Sie uns in den entsprechenden Gremien, das Thema Außen- und Sicherheitspolitik würde bei der Regierungskonferenz noch gar nicht behandelt werden, wir hätten Zeit bis zum Herbst. Wie gesagt, diverse Anträge werden von der Tagesordnung genommen oder entsorgt. Es wird uns gesagt, es sei noch gar nicht das Thema. Inzwischen beraten die Vertreter der Mitgliedsländer in Brüssel bereits über die Details dieser Fragen, und Österreich nimmt daran quasi nicht teil. Es bringt keine eigene Meinung, keinen eigenen Standpunkt ein. Es schließt sich immer der Mehrheitsmeinung an. Das ist nicht unser Verständnis von aktiver Außenpolitik, und das ist nicht unser Verständnis von Neutralitätspolitik. (Beifall bei den Grünen.)

Lassen Sie mich nur bei einem Beispiel bleiben, um eine Alternative aufzuzeigen. Österreich hat sich nach dem Abkommen von Dayton an den IFOR-Truppen beteiligt, und das hat Österreich in etwa 1996 300 Millionen Schilling gekostet, wenn man das einmal so sehen will. Das aber, was unserer Meinung nach heute und in Zukunft notwendig sein wird, um diesen Waffenstillstand und die Durchführung dieses Abkommens auch wirklich sicherstellen zu können, ist sehr, sehr viel mehr als nur Geldmittel, sondern das sind sehr viel mehr präventive Maßnahmen, sind sehr viel mehr zivile Aufbaumaßnahmen, Wiederaufbaumaßnahmen. Es ist zu gewährleisten, daß die Wahlen in Bosnien tatsächlich durchgeführt werden können. Es ist zu gewährleisten, daß die Flüchtlinge in ihre Gebiete zurückkehren können. Es sind viele, viele begleitende Arbeiten in diesem Bereich des Aufbaus zu leisten, des zivilen Lebens in Bosnien. Wir denken, wir wären besser beraten, anstatt 300 Fernfahrer nach Bosnien zu schicken, die, was diesen Aspekt betrifft, das Kraut wirklich nicht fett machen, dort einzutreten und uns dort einzusetzen, wo die Stärken Österreichs liegen (Beifall bei den Grünen), und ich denke, daß diese Stärken durchaus beim zivilen Aufbau, in der humanitären Hilfe liegen, was jetzt genauso dringend notwendig ist wie vor einem Jahr oder wie zum Zeitpunkt des Abkommens von Dayton. Das wäre eine der möglichen Alternativen.

Warum kann sich Österreich nicht, statt als voreiliger Musterschüler zu glauben, einem Militärbündnis unter völlig ungeklärten Voraussetzungen beitreten zu wollen oder zu können, auf jene Stärken berufen und besinnen, die es zweifelsohne hat, die es als neutrales Land auch weiter ausführen und ausüben kann. Es kann in dieser Situation durchaus als Vermittler, als unterstützendes Land auftreten und mehr Geldmittel als bisher, die eine Lächerlichkeit sind gegenüber dem, was nötig ist, zum Beispiel für Wahlbeobachtungen in Bosnien einsetzen, um dafür die Garantie zu geben, daß diese Wahlen wirklich durchgeführt werden können. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler! Lassen Sie mich am Schluß noch einmal unsere dringendsten Anliegen, die wir mit dieser Anfrage verbunden haben, wiederholen. Die Bevölkerung hat unserer Meinung nach ein Recht auf eine klare Auskunft, was die Absichten Österreichs sind, wenn es um diese Außen- und Sicherheitspolitik geht, und auf eine klare Auskunft darüber: Gibt es eine Volksabstimmung, wenn die Neutralität aufgelassen wird? Gibt es eine Volksabstimmung bei einem Beitritt zur Westeuropäischen Union? Gibt es eine Volksabstimmung bei einem Beitritt zur NATO oder überall dort, wo die Neutralität aufgeweicht wird? – Das, was wir konstatieren, ist eine sukzessive Aufweichung der Neutralität, ein sukzessives Verlassen der gesetzlichen Ebene und keine klare Antwort auf diese Frage.

Und sehen Sie: Nicht wenige Menschen haben dieses Volksbegehren unterstützt, und ich denke mir, sie und alle anderen verdienen diese klare Antwort auf diese Frage. Sie sollten nicht ein Volksbegehren in einem Unterausschuß entsorgen, und Sie sollten nicht glauben, daß Sie mit dieser Antwort einfach bis nach den Wahlen warten und so tun können, als würde diese Frage jetzt nicht existieren. (Beifall bei den Grünen.)


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