Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 127

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die Stimmung in diesem Haus ist. (Abg. Scheibner: Ganz furchtbar ist die Stimmung in diesem Haus!)

Herr Bundeskanzler, das mache ich Ihnen zum Vorwurf! Mit dieser Antwort, die Sie geben, tun Sie so, als würden Sie in einem innenpolitischen Vakuum agieren, als könnten Sie ganz allein und ohne mit Widerständen rechnen zu müssen, Ihre Position umsetzen. – Dem ist nicht so. Drei Fraktionen in diesem Haus haben bereits ganz klar ihre Meinung zur österreichischen Neutralität kundgetan. (Abg. Scheibner: Das ist schon die Mehrheit!) Ja, das ist die Mehrheit, Herr Abgeordneter Scheibner, leider. Und insofern wäre ein vehementes, ein ganz entschlossenes Verteidigen der Neutralität durch die stärkste Fraktion in diesem Haus dringend angesagt! (Beifall bei den Grünen.)

Hier in diesem Hause, nicht bei der österreichischen Bevölkerung – ich betone, bei weitem nicht bei der Mehrheit der österreichischen Bevölkerung –, bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Liberalen gibt es die Meinung, die Neutralität sei obsolet, und in graduellen Abstufungen solle mehr oder minder schnell ein NATO-Beitritt umgesetzt werden.

Das ist die Mehrheit in diesem Haus! Und da genügt es nicht, Herr Bundeskanzler, daß Sie sagen: Wir werden zuwarten, wir werden sehen, nicht jetzt, vielleicht, und vielleicht wird die NATO einmal etwas ganz anderes sein, wer weiß, wohin sich die EU entwickelt. – Wenn Sie als Bundeskanzler und mit Ihnen die stärkste Fraktion in diesem Hause hier nicht aktiv für die Neutralität eintreten und kämpfen, dann kann man heute schon voraussagen, daß der Prozeß einer scheibchenweisen Demontage der Neutralität in Österreich, den Sie auch bisher nicht verhindert haben, weitergehen wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Frischenschlager: Vielleicht wollen sie es nicht!)

Der Zwischenruf des Abgeordneten Frischenschlager spricht Bände: Vielleicht wollen Sie es nicht. Mir drängt sich auch immer stärker die Vermutung auf, daß Sie einfach wissen, daß das bei den Stammwählerschichten bei der SPÖ keine sehr populäre Botschaft wäre. Das war ja auch in allen ökonomischen Dingen Ihre generelle Linie: nicht anecken, Musterschüler sein, sich jedem, aber auch wirklich jedem Diktat aus Brüssel unterwerfen.

Daher ist es offenbar Ihre Strategie: Reden wir nicht viel darüber, streifen wir nicht an, wir werden sehen. Irgendwann einmal, wenn von seiten der Fasslabends und der Klestils und der vielen anderen immer wieder ein Vorstoß nach dem anderen kommt, irgendwann einmal wird die österreichische Bevölkerung es so müde sein, überhaupt noch an die Neutralität erinnert zu werden, daß das in einem Aufwaschen und ohne viel Aufhebens erledigt werden wird.

Ich erinnere Sie, Herr Bundeskanzler: 1990/91, Golfkrieg. Sie und Ihre Fraktion waren mit dabei, als ein wesentlicher Teil der Neutralität verschwunden ist, als die Vorschriften über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial wesentlich abgeschwächt und verändert wurden. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

1995, Bosnieneinsatz – das wurde von Frau Abgeordneter Pollet bereits angesprochen –: Auch da haben Sie sich wieder einmal mehr um die Frage, ob das mit der österreichischen Neutralität vereinbar ist, herumgedrückt. Das ist keine Antwort, daß Österreich auch humanitäre Hilfe leistet. Gott sei Dank, ich bin sehr froh darüber und ich bin sehr stolz darauf, daß Österreich es tut, aber der andere Teil, der ist nicht vereinbar mit der österreichischen Neutralität, und es macht einen großen Unterschied, ob Österreich sich im Rahmen von Peace-keeping-missions aktiv einsetzt oder bei diesem Einsatz – noch dazu bei der historischen Position Österreichs. (Beifall bei den Grünen.)

Letztlich Partnership for peace 1996: Damit erfolgte der erste ganz klare Schritt in Richtung NATO-Mitgliedschaft, so wie es bei allen anderen Gremien war. Gehen wir einmal ein bisserl dazu, schauen wir einmal, was sich dort tut, und dann werden wir schon sehen, nach dem Motto des österreichischen Wegs: Bloß keine politische Auseinandersetzung, bloß keine mögliche Gefährdung der Koalition – lassen wir es lieber laufen.


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