Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 128

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Soviel zur innenpolitischen Situation. Auf die Punkte, wo Ihre Ausführungen in meinen Augen unzulänglich, schwammig und letztlich nichtssagend waren, möchte ich Sie gesondert ansprechen.

Herr Bundeskanzler! Ganz Europa ist in der Situation, daß massive Lobbyinteressen die Aufrüstung vorantreiben. Auch wir sind nicht im luftleeren Raum. Und vor diesem Hintergrund ist es doch wirklich bemerkenswert, daß Sie sagen: Ich lasse einmal den Verfassungsdienst prüfen, aber ohne daß irgendwelche rechtspolitischen Konsequenzen daran geknüpft werden. – Na warum lassen Sie dann überhaupt prüfen? Warum werden denn nicht irgendwelche anderen Bereiche geprüft, zum Beispiel wie Österreich noch aktiver humanitäre Hilfe leisten kann? Warum wird denn nicht noch aktiver geprüft, wie Österreich präventiv im Sinne der Beobachtung von friedenserhaltenden Maßnahmen tätig werden kann? Warum wird das nicht geprüft, sondern ausgerechnet der Bereich der Produktion und des Exportes von Kriegsmaterialien? Einfach so, weil dem Verfassungsdienst fad ist, weil die zu wenig zu tun haben, oder weil Sie ein grundsätzliches Papier wollen, an das Sie keine Konsequenzen knüpfen? – Das können Sie doch niemandem erzählen!

Sie haben es ja in Ihren ersten Ausführungen noch klarer formuliert: Sie wollen zwischen Tätern und Opfern differenzieren. Herr Bundeskanzler, das ist legitim, aber auf der Seite der Zivilbevölkerung. Dort heißt aktive Neutralitätspolitik tatsächlich, sich bedingungslos für die Opfer einzusetzen, aber nicht auf der Ebene der Staaten. Auf der Ebene der Staaten heißt neutral sein tatsächlich, Distanz zu wahren in Konflikten. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Bundeskanzler, wenn Sie heute schon hoffen, daß die NATO in fünf, sechs, acht Jahren vielleicht eine ganz andere Organisation sein wird, ein rein ziviler Verein, ähnlich wie amnesty international vielleicht, ähnlich wie die Heilsarmee oder das Rote Kreuz, warum setzen Sie dann nicht auf die Entwicklung in diesen Bereichen? Warum setzen Sie nicht auf die OSZE? Warum setzen Sie nicht auf eine große UNO-Reform? Warum glauben Sie, daß ausgerechnet ein klassischer Militärpakt morgen auf einmal seine große Liebe zur reinen Humanität entwickeln wird?

Herr Bundeskanzler! Ein Militärpakt ist ein Militärpakt ist ein Militärpakt – und daran führt nichts vorbei. Gerade der Jugend in Österreich können Sie nicht ein X für ein U vormachen. Die NATO neu wird vielleicht einige Aufgaben dazubekommen, auch um die immer unpopulärer werdenden militärischen Einsätze ein bißchen zu verbrämen, aber sie bleibt ein Militärpakt. Und sich dieser Hoffnung hinzugeben, heißt, die österreichische Neutralität leichtfertig aufs Spiel zu setzen! (Beifall bei den Grünen.)

Ein weiterer Punkt. Sie, Herr Bundeskanzler, sind tatsächlich oftmals für eine Zurückdrängung, eine sukzessive Abschaffung der Kernkraft in Europa eingetreten, insbesondere was Kernkraftwerke betrifft. Auch diesbezüglich war es die österreichische Bevölkerung, die eine derartige politische Reaktion notwendig gemacht hat, denn Sie kennen die Mehrheitshaltung der österreichischen Bevölkerung. Die Bevölkerung will keine Kernkraftwerke, und sie will noch viel weniger Atomwaffen.

Herr Bundeskanzler, Sie sind doch auch – Sie haben es selbst gerade eben erwähnt – für ein kernkraftfreies Mitteleuropa eingetreten. Da haben Sie – sehr zu unserer Freude – keine Sorgen und Ängste gehabt von wegen Einmischung oder Nichteinmischung. Wenn ein Staat in Europa eine aktive Rolle zur Zurückdrängung der Kernkraft ausüben will, dann muß er selbstverständlich friedlich und freundlich, aber mit aller Deutlichkeit auch versuchen, das Verhalten anderer Staaten zu beeinflussen. Es genügt eben nicht, nur zu sagen: Bei uns gibt es kein Kernkraftwerk, aber ein paar Kilometer von unseren Grenzen entfernt stehen ganz, ganz gefährliche Schrottmeiler!

Herr Bundeskanzler! Dasselbe Prinzip wollen Sie hinsichtlich Atomwaffen, die noch viel, viel gefährlicher sind, die von vornherein eine kriegerische Zielsetzung haben, nicht anwenden? Das verstehe ich nicht! Das ist doch ein Wertungswiderspruch! Es geht doch nicht um das Prinzip der Nichteinmischung oder der Einmischung, sondern darum, Politik zu machen! Und in Europa


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