Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 133

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Es ist einmal die Feststellung getroffen worden: Die Neutralität ist doch der beste Schutz unserer Unabhängigkeit, unserer Souveränität. Diese wird in Frage gestellt aufgrund des Beitritts zur EU. Ich möchte nochmals wiederholen: Der wesentliche Unterschied zwischen der Auffassung der anfragenden Gruppe, der grünen Abgeordneten, und jener der Regierungsparteien besteht in der Frage: Was wollen wir? Für uns ist die Neutralität ein Mittel. Es war ein Mittel, um die Unabhängigkeit unseres Landes zu erlangen, um die Freiheit wiederherzustellen, die Besatzung zu beenden und eine Zukunft in Demokratie und Unabhängigkeit sicherzustellen. Das war das Ziel, dem die Neutralität diente. Daher heißt es im Gesetz sehr eindeutig: Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletztlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. "Zum Zwecke" heißt es im Gesetz. Der Zweck ist seinerzeit im Gesetz festgelegt worden, was sehr selten vorkommt, meine Damen und Herren.

Bundeskanzler Raab hat im Ausschuß am 26. Oktober 1955 erklärt, die Motive und die Zwecke der Neutralitätserklärung sind deswegen so klar festgehalten, weil es ein ganz bedeutender Akt für die internationale Position Österreichs ist. Er hat gewußt, was er macht: Uns geht es nicht um Neutralität, uns geht es um die Sicherheit dieses Landes. Wenn diese durch die Neutralität gesichert ist, ist es gut. Das war damals der Fall. Wir konnten den größten Schritt durch die Erklärung der immerwährenden Neutralität machen.

Wenn wir heute die Sicherheit unseres Landes durch den Verbund mit anderen freien Ländern gewährleisten können, dann halte ich das für die beste Wahl. Ich habe zu garantieren beziehungsweise zu sichern, daß sich der Staat frei und in demokratischer Weise entwickeln kann. Wodurch ich das erreiche, ist sekundär. Es ist die Wahl, für die ich in der Politik die Verantwortung trage. Das ist der Unterschied! (Beifall bei der ÖVP und des Abg. Mag. Peter .)

Sie wollen die Neutralität an und für sich. Was bringt das "an und für sich"? Sie ist keine Garantie. Sie kann nur in einer bestimmten Situation etwas bringen. Das haben wir praktiziert.

Erinnern wir uns, wie es mit der Neutralität in Belgien und in Luxemburg war. Sie hat nichts genützt. Sie ist keine Garantie. Das gibt es nicht!

Auch die Flexibilität der Neutralität ist zwar gelegentlich ein Vorteil, aber zeigt, wie unverläßlich die Rechtsstrukturen im internationalen Bereich sind. Daß wir an Glaubwürdigkeit verlieren, weil wir das flexibel praktizieren, ist eine selbstkritische Art und Weise, die nicht begründet ist.

Ich darf Sie daran erinnern, daß zum Beispiel die Schweiz ihre Neutralität durch Vorgangsweisen behalten hat, die mehr als problematisch waren. Die Schweiz hat zum Beispiel die Offiziere der österreichisch-ungarischen Armee nach Graubünden hineingelassen, als sie aufgrund des Risorgimento annehmen konnte, daß es vielleicht einen Angriff Italiens gegen die Schweiz geben würde, denn sie hat in den Landkarten der Risorgimento-Vertreter das Tessin bei Italien gesehen. Für diesen Fall wollte man sich eines mächtigen Verbündeten versichern. Sie sind nach St. Moritz gegangen, auf die Grenzwege der italienisch-schweizerischen Grenze, konnten italienische Stellungen einsehen, um zu wissen, daß Österreich-Ungarn, wenn es zu einem Angriff auf das Tessin kommt, der Schweiz beistehen könnte. Das war natürlich ein glatter Bruch der Neutralität. Es wurden auch Offiziere verhaftet. Es ist ihnen nicht viel passiert. Sie sind formell verurteilt worden, haben in einem netten Landhaus dem Kriegsende entgegengesehen. Aber die Schweiz hat zu Mitteln gegriffen, die höchst bedenklich waren. Keiner hat behauptet, die Schweiz hätte keine Neutralität praktiziert.

Was hat Schweden gemacht? – Schweden hat immer eine Neutralität praktiziert, die ein großes Echo gefunden hat. Die Schweden haben mit Großdeutschland Verträge abgeschlossen, welche Flugzeuge mit welcher Bewaffnung auf dem Weg nach Rußland, nach Norwegen auf den Flughäfen landen dürfen. Ich zeige das nicht deshalb auf, weil ich die Länder verurteile. Ich bedauere, daß so etwas notwendig war. Die Verantwortung für den Zustand lag bei Großdeutschland, lag beim Nationalsozialismus. Aber sie haben die Rechtsnorm nicht eingehalten, weil es um ihre Existenz ging.


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