Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 134

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Das hat Österreich noch nie gemacht. Wir haben die zwei wesentlichen Punkte der Neutralität, nämlich daß erstens keine ausländischen Truppen in Österreich ständig stationiert sind und daß wir zweitens keiner klassischen Militärallianz beitreten, immer respektiert. Wir brauchen uns nicht nachsagen zu lassen, unsere Neutralität sei nicht glaubwürdig. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Schweiz – und viele wissen, daß ich ein großer Bewunderer der Schweizer Außenpolitik bin; seinem Volk zwei Weltkriege zu ersparen, ist eine Leistung, die ganz außergewöhnlich ist und die geschichtlich nie stark genug hervorgehoben werden kann – praktiziert eine Kombination aus Realismus, humanen Perspektiven und dem Bekenntnis zur Landesverteidigung.

Es geht nicht darum, liebe Kollegin Kammerlander, was wir uns wünschen, sondern darum, was in dieser Welt notwendig ist, um die Demokratie und die Freiheit der Menschen zu sichern. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben sich mit der NATO beschäftigt. Bei jedem Bemühen, Ihre Ansicht zu respektieren, muß ich doch sagen, daß ich davon sehr betroffen war, zumal ich weiß, weil ich selbst bei einigen Projekten mittun konnte, wie sehr sich die grüne Fraktion in Bosnien-Herzegowina in humanitärer Weise beispielhaft engagiert hat. Aber nach dem, was dort passiert ist, zu sagen: Was ist die NATO?, das ist keine Friedensorganisation, eine militärische Organisation kann nie eine Friedensorganisation sein, macht mich betroffen.

Ich sage Ihnen: Die NATO hat dort mehr gemacht als viele tausend Bücher, die über Menschenrechte, über Menschenwürde geschrieben wurden. Sie hat nämlich endlich einmal mit dem Morden, mit dem Vergewaltigen en masse, das dort passiert ist, Schluß gemacht. Man muß auch den Mut haben, das anzuerkennen. (Beifall bei der ÖVP und der Abg. Mag. Peter , Mag. Firlinger und Scheibner .)

Ich habe meine Amtsführung als Außenminister mit einer Weisung an den Sicherheitsrat begonnen, in einer bestimmten Frage des Verhaltens in Panama gegen die Vereinigten Staaten zu votieren. Allein die Bemerkung, ich sei amerikaabhängig, paßt also nicht sehr in die Sache hinein. Aber immer noch bei der Meinung zu bleiben: Das waren zwei Lager! Was hat denn die NATO gemacht? Wo hat sie uns geschützt?, enttäuscht mich sehr.

Die NATO war auch für uns ein wesentlicher Bestandteil unseres Schutzes. Sie glauben doch nicht, daß sich die Sowjetunion, wenn es in ihre Rechnung hineingepaßt hätte, von unserer erklärten Neutralität hätte abhalten lassen. Solange sie hineinpaßte, zusammen mit Landesverteidigung, wurde sie respektiert. Wenn die Vorteile für eine solche Macht wie die Sowjetunion größer gewesen wären, dann hätte man sie nicht respektiert. Die haben das doch gezeigt! Die waren doch auch an der Eröffnung des Zweiten Weltkrieges beteiligt. Sehen wir das doch mit Realismus!

Es gibt einen Mann namens Sjuganow. Sie sagen: Wo ist eine Drohung? Stellen Sie sich vor, es würde sich in Deutschland eine Wählermasse in diesem Prozentsatz mit jemandem identifizieren, der so ein verbrecherisches Regimes vertritt! Sjuganow identifiziert sich mit der Vergangenheit. Er hat 30 Millionen Stimmen bekommen. Man weiß nicht, was der macht. Das ist doch eine eminente Gefahr!

Alleine die transitorische Entwicklung in der Sowjetunion ist eine Destabilisierungsfrage. Wir nehmen sie in Kauf, weil wir glauben, daß heute mit Jelzin die Chance gegeben ist, einen Schritt in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft zu machen. Wie lang das gelingt, ob es Rückschläge geben wird, das müssen wir offenlassen. Hier ist Realismus angebracht! Ich habe, wie gesagt, die Wahl von Jelzin begrüßt. Es ist aber kein Anlaß, Triumphgeheul auszustoßen. Man weiß nicht, wie sich jemand verhalten wird. Das hat man auch bei anderen schon gesagt. Es gibt den berühmten Satz: Wenn ich in meinem Land in einer Situation wie in Deutschland wäre, daß ich jemanden brauchen würde, der das Land zu nationaler Renaissance erhebt, dann würde ich an so jemanden denken – bei allen ideologischen Unterschieden – wie Hitler. – Das war ein Zitat von Churchill aus dem Jahr 1937. Und Churchill kann man nicht ankreiden, daß er nicht früher als andere erkannt hätte, welche Gefahr aus Berlin gedroht hat.


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