Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 135

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Realismus, meine Damen und Herren, ist in der Außenpolitik genauso notwendig wie eine Perspektive, ein humanes Engagement. Das möchte ich hier sehr unterstreichen! Daher haben wir von der Bundesregierung uns auch in der KSZE engagiert. Wir haben uns bei der Menschenrechtskonferenz in Wien engagiert. Es war keine Selbstverständlichkeit, daß Österreich von 183 Mitgliedern als einziges Land gegen den Völkermord gestimmt hat. Alle anderen haben sich der Stimme enthalten. Die westlichen Länder haben nicht für diese Resolution gestimmt. Die dritte Welt hat dafür gestimmt, und die Sowjetunion, damals schon Rußland, hat dagegen gestimmt. Wir haben als erstes Land die KSZE-Prozedur zum Schutz der Menschenrechte gegen den Kosovo eingeleitet, dann für die Kurden in der Türkei vor fünf Jahren, wo es geheißen hat, ihr werdet weniger Aufträge bekommen.

Unser Land hat etwas herzuzeigen. Aber wir müssen auch realistisch bleiben! Mit den Rechtssystemen und mit den Wünschen allein kann man die Freiheit nicht sicherstellen. Sie können heute auch nicht ohne Polizei die innere Sicherheit garantieren. Das ist die gleiche Träumerei.

Meine Damen und Herren! Ich wünsche mir auch eine Welt ohne Waffen. Es wäre großartig, wenn wir Waffen nicht mehr brauchen würden, wenn wir militärische Gewalt nicht mehr brauchen würden. Aber für mich ist die menschliche Würde so wichtig, die Chance zur Freiheit des Menschen und zur Demokratie so wichtig, daß ich auch sage: Wenn es notwendig ist, brauche ich auch militärische Gewalt!

Wer trägt die Verantwortung mit – bewußt! –, daß man gesagt hat: Nach der Aggression gegen Slowenien, gegen Kroatien, gegen Bosnien-Herzegowina keine militärische Lösung! Jeder, der für eine militärische Lösung eintrat, ist als Kriegsgewinnler oder Kriegshetzer bezeichnet worden.

Ich habe mich im September 1991 beim Angriff auf Kroatien gegen das Waffenembargo ausgesprochen. Es haben dann die Verhandlungen über die Wiederherstellung des Friedens in diesem Teil Europas begonnen. Vier Jahre ist nichts passiert. In dieser Zeit hat man sich massiv gegen eine militärische Lösung ausgesprochen. Meine Damen und Herren! Die 8 000 Menschen von Srbrenica würden heute noch leben, wenn es zwei Jahre vorher eine militärische Lösung gegeben hätte. Wer trägt denn die Verantwortung dafür? (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ, des Liberalen Forums und der Freiheitlichen.)

Wer trägt denn die Verantwortung? Kollege Wabl! Ich respektiere sehr den Pazifisten, auch die Ideale, die dahinterstehen, aber ich habe in der Politik primär die Aufgabe, Solidarität zu zeigen, den Menschen in der Welt, in der wir leben, zu schützen. In 1000 Jahren ist es vielleicht um einiges besser – ich bin ja kein Pessimist –, aber ich habe jetzt den Schutz zu sichern. Wo bleibt denn da die Solidarität, wenn ich sage: Wir schicken dorthin keine Truppen?! Stellen Sie sich vor, man hätte vor zehn Jahren ein Buch geschrieben, da hätte es geheißen: Der Sicherheitsrat beschließt, in Bosnien-Herzegowina nach inneren Unruhen und dem Zerfall Jugoslawiens sechs Schutzzonen einzurichten – das war übrigens damals der Antrag von Österreich –: Srbrenica, Tuzla, Sarajevo, Biha# und noch zwei weitere Orte.

Der Sicherheitsrat beschließt, daß das eine Schutzzone für die Zivilisten ist. Man kümmert sich nicht darum. Die Menschen werden herausgeholt, werden niedergeschossen und werden dann in Massengräbern vergraben, sie werden vergewaltigt und dergleichen mehr. Man sagt, der Sicherheitsrat hat beschlossen, daß jene militärisch geschützt werden müssen, die humane Tätigkeiten entwickeln, vor allem Nahrungsmittel und Medikamente bringen. Man wird aufgehalten. Man muß 40 Prozent Zoll zahlen. Der Sicherheitsrat beschließt, der Luftraum darf nicht mehr von fremden Flugzeugen benützt werden. Der Sicherheitsrat beschließt das und jenes.

Was kam heraus? – Das furchtbare Beispiel von Vukovar hat man schon vergessen. In Srbrenica fanden Massenmord und Massenvergewaltigungen statt. Man hätte zwei Jahre früher nach dem politischen Bemühen, nach dem diplomatischen Bemühen, zu militärischen Mitteln greifen sollen, um eine Lösung herbeizuführen. In der Charta der UNO heißt es: All means, alle Mittel sind einzusetzen. Ich glaube, es sind tatsächlich zuerst immer politische Mittel einzusetzen. Es sind zuerst diplomatische Mittel einzusetzen, und wenn es um einen großen Einsatz


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